Decimus Serapio

  • "MALA LECHE!!" fluchte ich inbrünstig, als ich eine Tabula auf meinen Tisch und keine Romana mehr im Hause fand. "Ja warum sagt mir hier keiner was?! Das gibt's doch gar nicht! Ja ist sie denn närrisch geworden?!"
    Ich pfefferte die Tafel auf den Tisch, raufte mir die Haare, zornig dass meine zarte kleine Cousine auf einmal meinte, sich alleine durchschlagen zu müssen, dass sie mich einfach vor vollendete Tatsachen stellte, dass sie mir nicht mal sagte wo ich sie antreffen konnte... Und dann kam mir ein böser Verdacht!
    Massa.
    So wie er sich an sie rangemacht hatte, war das kein Zufall, dass sie genau jetzt nach Ostia durchbrannte!
    Seufzend ließ ich mich auf einen Stuhl sinken, und jammerte so ganz leise, nur für mich:
    "Als hätte ich gerade keine anderen Sorgen..."
    Es half aber nichts, ich konnte meine naive kleine Cousine ja wohl kaum ihrer adoleszenten Torheit überlassen.... sonst konnte ich es gleich vergessen, noch einen anständigen Mann für sie zu finden. Wenigstens war ihre alte Nuha dabei, das war hier der einzige Lichtblick.
    "Ravdushara!!" brüllte ich. Er eilte herbei. "Mein treuer Ravdushara, ich habe einen Auftrag von höchster Wichtigkeit für dich. Du mußt auf der Stelle nach Ostia...."

  • Briefe, Briefe... wie üblich, alles nur Bittbriefe, Rechnungen, Denunziationen und Einladungen zu sterbenslangweiligen Abendveranstaltungen. Ein Meer von Papyrus und Tinte schwappte da von meinem Schreibtisch, eine Flut, in der ich jämmerlich zu ertrinken drohte! Dabei hatte ich mich schon den ganzen Tag in der Castra mit leidigem Verwaltungs- und Planungs-Kram herumgeschlagen, während in der ganzen Stadt fröhlich lärmend das Fest des Oktoberpferdes gefeiert wurde, und ich nicht dabeisein konnte.......
    Aber diesmal fand ich in den eisigen Tiefen eine schimmernde Perle, und tauchte mit breitem Lächeln wieder auf. Ein Brief des schönen Dives! Versonnen dachte ich an unser exquisites Intermezzo beim Fortunafest zurück und an das Theaterabenteuer... Das war echt heiß gewesen.... Es überraschte mich aber schon von ihm zu hören, nachdem ich ihm ja beim letzten Mal eher uncharmant gesagt hatte, dass ich nicht für ein Rendezvous zu haben war. Was mochte er mir wohl geschrieben haben?
    Ich las, und war zuerst ein wenig enttäuscht über die ganze Förmlichkeit, dann mußte ich schmunzeln, über das 'befriedigende Ende'. Nett gesagt. Und ein Geschenk zum Equus October? Dann erinnerte er sich scheinbar ja noch gut daran worüber wir geplaudert hatten.


    Neugierig nahm ich die Tabula zur Hand, die mit dem Pferdeschwanz perfekt auf den heutigen Tag abgestimmt war. Das Siegel war ungewöhnlich, weiß.... und, mit einem Mal fiel mir auf, es trug die Dianthusblume. In Ostia hatte er mir doch auch eine überreicht!
    Betörender Duft las ich, und bezog das eine Zeile lang auf die Blume. Schon bei der nächsten wurde ich aber eines besseren belehrt, und mit immer breiterem Grinsen las ich weiter. Bei Cupido, ich hatte nicht übel Lust sofort meine Biga anzuspannen und nach Ostia zu brausen! Aber... nun ja... es war schon spät und ich mußte morgen früh wieder in der Castra sein, und – da war doch noch etwas entscheidendes – ja, ich konnte mir auch vorstellen, dass Manius damit nicht einverstanden wäre.


    Bedauernd lehnte ich mich zurück und las das Gedicht noch einmal. Es war nicht sonderlich kunstvoll, aber es war heiß. Eine Verheißung. Wenn ich jetzt alle Bedenken in den Wind schlüge – wenn...– und nach Ostia fahren würde... dann würden diese Worte sich in eine noch unendlich viel heißere Wirklichkeit verwandeln. Es schmeichelte mir ungemein, dass der schöne Dives mir so ein Angebot machte, ich fühlte mich feurig und unwiderstehlich... Aber nein, nein, ich konnte Manius wirklich nicht so hintergehen! Was meine Sklaven anging, hatte ich keine Skrupel, sie mit ins Bett zu nehmen, das bedeutete ja nichts. Aber Iulius Dives, der bedeutete mir etwas, auch wenn ich lieber nicht zu tief in mich hineinhorchte was das sein könnte. Ergo: nichts mit heißen Spielen. Ich seufzte schwer, und war selbst richtig gerührt von diesem edlen Entschluss zum Verzicht.
    Aber daran, mich weiter mit den langweiligen Briefen zu beschäftigen, war jetzt nicht mehr zu denken... dafür waren meine Sinne bei weitem zu erhitzt. Ich schob den Papyruskram beiseite auf einen Haufen, schloß Dives' Brief und die verfängliche Tabula gut weg, und machte Schluß mit der Arbeit! Es war Zeit für etwas Entspannung. Auf dem Weg zum Balneum überlegte ich, welcher von meinen Sklaven mir dort die Zeit versüßen sollte – ich hatte mein furioses Präfektengehalt ja nicht nur in Feste, Rennwägen und Geschenke investiert, auch ein paar aussergewöhnlich reizvolle und talentierte neue Sklaven hatte ich mir angeschafft.
    Narcissus. Heute stand mir der Sinn eindeutig nach dem blonden Narcissus.

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    Um vorbereitet zu sein, wenn ich einen Fuß in die Castra setzte, und um dort nicht sogleich einen Pugio zwischen die Rippen zu bekommen, sandte ich zuallererst Botschaften an meine ehemaligen Getreuen in der Garde, meine Leibwache von damals (sozusagen die Prätorianer unter den Prätorianern), jene die mir viel verdankten, und die eher vertrauenswürdigen Mitglieder meines Stabes von damals – beziehungsweise an die von ihnen, die dem Kahlschlag entgangen waren.
    Das Bild, dass ich durch ihre Berichte gewann, war, kein Wunder, ziemlich düster.


    Meine alte Tribunenrüstung stand auch noch in unserem Armamentarium herum. Phintias brachte sie für mich auf Vordermann, ersetzte zwei spröde Lederriemen, und half mir beim Anlegen. Ich war schmaler als früher, doch das Subarmalium, mit Roßhaar gepolstert, glich es aus. Ich schnallte mein Gladius, das so oft geschärfte, um den gebläuten Harnisch, und setzte zuletzt den Helm auf den Kopf, schloss blind die Schnalle unter dem Kinn. Lange, lange war es her und doch war jedes dieser Stücke ein alter Vertrauter.


    Trotzdem legte ich das ganze Zeug erst mal wieder ab, denn bevor ich mich in den Skorpionschwarm stürzte, würde ich mich natürlich mit meinem Vater besprechen – der als Praefectus Urbi etc. mein wahrer Kommandant war. Sobald er nach Hause kam suchte ich ihn auf.


    Und auch an Manius war es mir ein Bedürfnis, eine Nachricht zu senden. Es war jetzt zwar nicht der Moment, dieses ganze Wirrwarr zu erforschen, und ich war unsicher was ich ihm schreiben wollte/sollte/konnte, doch ich fand, dass er, nachdem er sich so für mich aus dem Fenster gelehnt hatte, zumindest von meiner Ernennung wissen sollte, und wich dem ganzen Chaos 'geschickt' aus, indem ich es so machte, wie der selige Tiberius Vitamalacus: militärisch knapp.

  • Es war ein regnerischer Frühlingstag. Feucht und warm wehte die Luft durch das geöffnete Fenster meines Arbeitszimmers. Die Zypressen draussen im Garten zeichneten sich als schwarze Kegel gegen die geweißte Mauer ab. Schon bald würde es Zeit sein, die ersten Öllampen zu entzünden. Ich widmete mich meiner Post, in aller Ruhe und heiterer Stimmung.
    Nicht mal der dröge Bericht des Vilicus unseres cosentianischen Landgutes konnte mir die Stimmung verderben, und auch nicht die gesalzene Rechnung für mein neues Bigagespann, (ein großartiges Duo zweier feuriger Wüstenrösser aus dem Kyrenäikum, man konnte sich ja auch mal was gönnen.)
    Denn mir ging es verdammt gut. Endlich verlief mein Leben wieder in geregelten Bahnen. Ich war (zumindest) wieder Gardetribun. Mit dem Tod des Giftmörder-Kaisers endlich nicht mehr geächtet. Ich hatte mich mit meiner Familie versöhnt. Mein Vater sah in mir seinen zukünftigen Nachfolger als Familienoberhaupt. Ich hatte eine bezaubernde Verlobte, die ein echter Hauptgewinn war, liebenswert und tolerant. Ich hatte mich von der zerstörerischen Amour fou losgesagt, die mich viele Jahre lang wie eine Nussschale auf dem stürmischen Meer auf und nieder geschleudert hatte, statt dessen hatte ich nun einen traumhaften Geliebten, auf den ich mich voll und ganz verlassen konnte und mit dem ich sehr, sehr, sehr glücklich war. Und auch die Albträume waren selten geworden.
    Alles bestens also. Nahezu perfekt. Noch besser ging natürlich immer, doch unterm Strich kann man sagen: Mein Leben war wohl noch nie so harmonisch gewesen.


    Es folgte noch eine Rechnung, diese von meinem bevorzugten Schuster, dann Werbung für ein interessantes neues Pantomimen-Stück im Marcellustheater. Darunter hatte sich in trügerischer Harmlosigkeit ein Schreiben versteckt, dessen Siegel ich kurz mit einem Anflug von Verwunderung betrachtete, doch ohne wirklich darüber nachzudenken, erst als ich das Papyrus entfaltete und las traf es mich wie der Blitzschlag – das kam von Manius. Das war ein Liebesbrief. Das war...
    Wunderschön. Ozeanisch, romantisch, sehnsuchtsvoll, selbstzerstörerisch, lockend, schamlos schmeichelnd und traurig, symposionisch und und hungrig und absolut hinreißend zugleich, schlug mich seine Poesie in ihren Bann. Das war das allerschönste was mir jemals jemand gesagt hatte...!
    Aber es war unmöglich. Es konnte doch gar nicht sein, dass ich hier wirklich gerade einen... einen Liebesbrief... von Manius... in den Händen hielt?!
    Ungläubig starrte ich auf die Worte, ungläubig und benommen. Das bildete ich mir doch gerade alles nur ein. So deutlich wie er auf Abstand geblieben war, bei dem Treffen! Nobel, freundlich, und enorm distanziert war er gewesen. Und jetzt das.
    Das was ich mir – wider besseres Wissen, etc, etc, etc – doch irgendwie insgeheim noch immer gewünscht hatte. Jetzt erschreckte es mich heillos. Scheiße, wenn das... wenn das wahr war... dann.... Dieser Brief... ich atmete scharf ein, ich fuhr mit dem Daumen verstohlen über den Abdruck der Lippen, ich las die Zeilen wieder und wieder... dieser Brief, wenn der echt war, und warum sollte er das nicht sein, dieser Brief... - ich dachte das lieber nicht zu ende.


    Faustus,


    In deinen Küssen will ich ertrinken,
    dem Schiffbrüchigen gleich im Meer,
    will nie mehr daraus emportauchen,
    Nimmermehr.


    In deiner Berührung will ich versinken,
    dies ist noch mein einzig Begehr,
    will nie wieder von dir lassen,
    Nimmermehr.


    Deinen Leib will ich kosten und schmecken,
    den Früchten gleich, die ich verzehr',
    will nie mehr darben und hungern,
    Nimmermehr.


    Mit deiner Seele will ich verschmelzen,
    die des Heroens gleich rein ist und hehr,
    will nie mehr nur ein Teil sein,
    Nimmermehr.


    Mit deinem Selbst will ich vereint sein,
    danach sehnt es mich so sehr,
    will nie wieder ohne dich sein,
    Nimmermehr.


    Abrupt stand ich auf, ruckhaft wie eine Marionette an deren Fäden jäh einer zieht, den Brief in der Hand. Ich mußte zu ihm, das war gar keine Frage, alles andere war in diesem Augenblick weit in den Hintergrund gerückt, an nichts anderes war mehr zu denken als: ich musste ihn zur Rede stellen, das.. klären. Ja klären, oder... was auch immer, ich wusste nur: ich musste zu ihm. Ich warf mir einen Mantel über und machte mich mit eiligen Schritten auf den Weg.

  • Unser guter Ianitor hatte mir eine Botschaft an Valentina überbracht, die sich hierher verirrt hatte. Da hatte wohl jemand die Verlobung schon für die Hochzeit gehalten. Ein Brief und ein Kästchen waren es, um genau zu sein. Bestimmt Glückwünsche und ein Geschenk. Ich kann nicht leugnen, dass ich neugierig war, angesichts des versiegelten Briefes, der das Widderkopfwappen trug. Ich schüttelte das Kästchen ein wenig, etwas rappelte darin. Dann legte ich beides beiseite, um es Valentina bei meinem nächsten Besuch mitzubringen...

  • Gemeinsam waren wir zur Audienz marschiert, und prompt hatte Plinia, wie erhofft, die Position der kaiserlichen Leibärztin erhalten. Ein schöner Erfolg.
    Bald darauf, noch bevor sie endgültig auf den Palatin umgezogen war, bat ich unseren Hausgast zu einem Gespräch in mein Arbeitszimmer. Wo ich ihr natürlich erst mal herzlich gratulierte.
    "Meinen Glückwunsch, Plinia! Du hast unseren Kaiser sogleich überzeugt. Lass uns ein Glas auf deine Zukunft bei Hofe trinken!" schlug ich gutgelaunt vor, bot ihr einen Lehnstuhl aus poliertem Kirschholz an und überließ ihr die Wahl des Weines.
    "Ein goldener Caecuber? Ein feuriger Tarraconenser? Ein lieblicher Chier?"

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  • Nur wenig nach unserer Audienz beim Kaiser bat der Gardetribun die Medica zum Gespräch in sein Arbeitszimmer. Endlich eine Gelegenheit für Chrysogona, sich bei ihrem Gastgeber für seine Unterstützung zu bedanken. Doch er kam ihr zuvor.


    "Salve Decimus Serapio. Ich danke sehr herzlich für die Glückwünsche, mehr aber noch für deine Unterstützung bei der Audienz. Meine Nervosität war unbeschreiblich und ich hatte wirklich Sorgen als der Kaiser seinen Scherz machte. Aber zum Glück war es nur seine sehr spezielle Art von Humor und kein wirkliches Misstrauen, scheint mir. Ich werde mich wohl noch an seinen Humor gewöhnen müssen."


    Serapio wollte auf den Erfolg anstoßen und bot der Medica sogleich eine Auswahl erlesener Weine an. Die Plinia lächelte.
    "Die Entscheidung überlasse ich dir, Decimus. Denn ich kenne eigentlich nur die einheimischen Weine der Bauern der Insel Kos. Natürlich brachte der ein oder andere Patient als Dankeschön mal eine Amphore edleren Wein mit, doch ich habe mich stets zurückgehalten. Du wirst sicher wissen, was dem Anlass entsprechend geeignet ist."

  • "Im Zweifelsfall" verkündete ich mit einem hintersinnigen Grinsen, "sollte die Wahl immer auf einen glutvollen Hispanier fallen!"
    Zur Feier des Tages ließ ich den guten Tropfen von unserem Mundschenk Silas servieren. Er dekantierte, ließ den Wein atmen, verdünnte ein wenig.....
    "Aber ich bin da wohl etwas voreingenommen, denn meine Familie keltert den selbst." plauderte ich, winkte auf Plinias Dank hin ab: "Reiner Eigennutz, je sicherer ich unseren Imperator weiß um so ruhiger ist mein Schlaf... Ich muß gestehen, ich war selbst etwas aus dem Konzept gebracht in jenem Moment, der Kaiser sah uns so erwartungsvoll an, dass ich mich fragte was mir da gerade entgangen war. Speziell, ja..." Nicht nur der Humor! Ich verkniff mir entschieden, was mir sonst auf der Zunge lag und scherzte: "... und wohl zu feinsinnig für einen Soldaten wie mich."
    Nun hob Silas den Krug, schenkte uns anmutig zwei aus Bergkristall geschliffene Kelche voll. Ich erhob meinen feierlich:
    "Auf deinen Erfolg, Plinia Chrysogona, auf eine goldene Zukunft und ein segensreiches Wirken bei Hofe! Und natürlich auf gute Zusammenarbeit."

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  • Einen glutvollen Hispanier..... Chrysogona musste grinsen. Was für eine Anspielung!
    Die Griechin hörte interessiert zu als Serapio von dem Weingut seiner Familie sprach. Seine vorsichtigen und doch hintersinnigen Äußerungen zum Imperator ließen zwar keinen Schluss auf die persönliche Meinung des Gardetribuns zu, doch der Scherz zum Schluss wartete förmlich auf einen Widerspruch. Chrysogona kam nicht dazu. Schon hob der Decimer den edlen Bergkristallkelch zum Trinkspruch.
    Die Medica nickte ihm zu und hob ihrerseits den Kelch.
    "Besten Dank, Tribun! Möge dem Imperator und seiner Familie ein langes, gesundes Leben beschieden sein! Auf dass die Götter ihn und auch dich schützen! Und natürlich auf gute Zusammenarbeit!"


    Chrysogona spendete den obligatorischen Schluck für die Götter, dann ließ sie den fruchtigen Rebensaft über die Zunge laufen. Sie bemühte sich alle Geschacksknospen zu benetzen um sämtliche Anteile des edlen Tropfens auf sich wirken zu lassen.
    "Es ist eine sehr gute Wahl, Decimus Serapio. Was für ein wohlschmeckender Wein. Deine Familie kann stolz auf ihre Produnkte sein."


    Nach einem weiteren kleinen Schluck, sah die Leibmedica des ersten Mannes im Staate den Gardetribun ernst an.
    "Wie hoch schätzt du die Gefahr für einen Giftanschlag gegen den neuen Kaiser ein? Wie sicher ist sein Umfeld und die direkten Untergebenen, die Leibsklaven und Köche? Du verstehst, dass ich mir Sorgen mache?"

  • Auch ich ließ schwungvoll einen Schluck in den nächsten Blumentopf schwappen, stimmte ein: "Lang lebe der Kaiser." und genoß den feurigen Tarraconenser. In Wirklichkeit fand ich - bei aller Heimatverbundenheit! - zwar den campagnischen Caecuber noch etwas ansprechender, feiner. Doch ich hatte der Pointe nicht wiederstehen können und freute mich heimlich, der gestrengen Gelehrten damit ein echtes Grinsen abgewonnen zu haben. Der Wein schien ihr auch zu munden, sie lobte ihn liebenswürdig. Ich nahm gleich noch einen guten Schluck und noch einen tiefen dazu, denn meinen Nerven konnte dies, so kurz nach jener nervenaufreibenden Audienz, wirklich nur gut tun.
    Schon zeigte sich, dass Plinia keine Zeit mit Feiern vergeudete. Sie kam zur Sache. Ich schickte den Mundschenk hinaus.


    "Vor allem anderen: was wir jetzt besprechen hat unter uns zu bleiben." stellte ich erst einmal klar.
    "Die Gefahr ist immer präsent. Im Augenblick aber eher moderat. Zum einen weil zur Zeit nur wenige Grund haben, ihn aus dem Weg räumen zu wollen. Er hatte einen gelungenen Herrschaftsantritt, genießt breite Unterstützung, und hatte noch wenig Gelegenheiten sich Feinde zu machen. Einen ernstzunehmenden Rivalen gibt es zur Zeit nicht, und auch potentielle Verschwörer wissen, wie sehr das Reich nach Stabilität und Kontinuität lechzt, und wie ablehnend das Volk auf einen weiteren Umsturz reagieren würde.
    Zum anderen weil... alle sehr wachsam sind. Wir Prätorianer natürlich, versteht sich. Die Palastdienerschaft wurde nach Amtsantritt des Kaisers überprüft und weiß sich unter Beobachtung. Und auch die kaiserliche Familie selbst... achtet auf sich, und lässt alles vorkosten, auch Geschenke erst mal untersuchen etc. Die Augusta ist zum Glück sehr gewissenhaft in dieser Hinsicht.
    Das ist die, ich sage mal, die langfristige Grund-Situation: sowohl Motiv als auch Gelegenheit sind eher rar. Doch in bestimmten Situationen ist das Risiko natürlich trotzdem kurzfristig erhöht: bei Banketten, bei Einladungen ausserhalb, an den kommenden Saturnalien... und grundsätzlich immer dann, wenn eingespielte Routinen verlassen werden.
    Veränderungen wird es geben bei Punkt eins sobald der Kaiser die ersten unpopulären Entscheidungen treffen muß, und die ersten der vielen großen von allen Seiten in ihn gesetzten Hoffnungen enttäuscht... Und bei Punkt zwei wenn lange nichts passiert ist, und der kaiserlichen Familie all die Sicherheitseinschränkungen zu lästig werden, so dass sie beginnen nachlässiger zu werden. Ab da steigt das Risiko. Das heißt: höchstwahrscheinlich wird es diesen Giftmordversuch früher oder später geben. Wir müssen einfach damit rechnen."

    Ich hätte ja gerne daran geglaubt, dass die Garde das unfehlbar verhindern könnte... aber wir waren doch sehr eingeschränkt durch die "Strategie des Vertrauens" unseres Kaisers, sollten viele Besucher nicht mal mehr filzen. Und wie schnell war ein Giftring gezückt.
    "Wenn eine solche Attacke geschehen ist, haben wir noch drei Verteidigungsbastionen: Primum die Vorkoster. Zumindest wenn das Gift in Essen oder Getränken ist. Wobei man die durch langsam wirkende Gifte ja leider aushebeln kann. Secundum die richtigen Gegenmittel. Deine Domäne. Tertium... eventuell eine Feiung durch Theriak schon im Vorfeld? Aber da kenne ich mich nicht aus. - Wie siehst du das ?"

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  • Der Gardetribun achtete auch Verschwiegenheit. Das gefiel Chrysogona. Auf seine Warnung, dass alles was sie besprachen absolut unter das Siegel der Verschwiegenheit fiel, nickte die Medica.
    "In meinem Beruf gibt es eine Schweigepflicht. Ich bin sehr korrekt damit und so wird auch alles was wir unter vier Augen besprechen, nicht über diese Schwelle kommen."


    Dann stellte Decimus Serapio seine Sichtweise der Gefährdung des Kaisers da. Chrysogona hörte aufmerksam zu. Als die Sprache auf Bankette und Einladungen außerhalb des Palastes kam, nickte sie nachdenklich. Alles was nun folgte betraf sie direkt oder indirekt.
    "Es ist gut zu wissen, dass der Kaiser und seine Familie auf einen Vorkoster vertrauen und seine Dienste in Anspruch nehmen. Ich hoffe, der Mann begleitet sie auch außerhalb. Denn prinzipiell kann jedes auf einem Markt oder bei einer Cena eingenommene Nahrungsmittel vergiftet sein. Wie ich hörte, ist die Augusta sehr eigenwillig und gerne auch mit wenig Begleitung auf dem Forum unterwegs. Es braucht ihr nur jemand eine Leckerei anbieten..."


    Die Medica runzelte die Stirn. Dann kam der Gardetribun auf ihren Part zu sprechen. Hier fühlte sich Chrysogona gleich in ihrem Element.
    "Vorsicht ist die Mutter der Kiste mit dem Gustatiorium. Aus diesem Grund halte ich ein Theriak für ebenso wichtig wie eine Auswahl an Antidoten. Ich hoffe, den Kaiser davon überzeugen zu können, dass er zumindest zu bestimmten Gelegenheiten auf den Gebrauch eines Theriaks zurückgreift."


    Ihr Blick ging wieder zu ihrem Gesprächspartner. Sah er das genauso?

  • Da hatten wir etwas gemeinsam: unser beider Arbeit brachte es mit sich, Geheimnisse zu wahren.
    Die Medica sprach die Sorgen, die ich mir ja auch machte, direkt aus. Und obgleich es ein todernstes Thema war, so tat es doch geradezu gut, sich einmal darüber austauschen zu können.
    "Die Vorkoster-Situation lässt sich sicher noch verbessern. Bisher wird auf gewöhnliche Sklaven zurückgegriffen. Ein besonders geschulter Gaumen könnte gewiss noch viel mehr und viel zielsicherer herausschmecken."
    Und einen Theriak hielt also auch die Expertin für wichtig.
    "Das wäre mir sehr lieb, wenn du in dieser Hinsicht kraft deiner medizinischen Autorität auf ihn einwirken würdest. Denn unser Kaiser verfolgt... in der Öffentlichkeit häufiger mal die Stategie, Vertrauen zu demonstrieren. Um so wichtiger, dass wir alles tun um vorzubeugen, für den Fall des Falles."
    Da fiel mir noch etwas ein. Es gab ja die Gelehrten, die durch reines Denken zu ihren Erkenntnissen gelangten. Und es gab die, die durch Empirie Ergebnisse erlangten. Darum schlug ich ihr liebenswürdig vor:
    "Falls du Bedarf haben solltest an Subjekten um deine Mittel... fein auszujustieren... kann ich dir in unseren Verliesen gerne ein paar Individuen auftreiben, um die es nicht schade ist... beziehungsweise, die auf diese Weise dem Reich zumindest noch nützlich sein können."

  • Serapio sprach den Vorkoster an. Chrysgogona musste zugeben, dass sie keinerlei Erfahrung in diesen Dingen hatte. Aber natürlich war eine Person mit einem geschulten Gaumen eine Investition in die Sicherheit des Kaisers, denn wie viel ein Theriak taugte, sah man schließlich erst wenn es eigentlich zu spät war.
    Auf der Stirn der Medica bildete sich eine Sorgenfalte, als der Gardetribun ihr erklärte, dass der Imperator gerne sein Vertrauen in seine Untertanen demonstrierte. Es würde also nicht einfach werden, ihn von der Notwendigkeit von Vorkehrungsmaßnahmen zu überzeugen.
    "Ich werde mir die größte Mühe geben, dem Kaiser ins Gewissen zu reden", versicherte Chysogona.


    Dann jedoch sagte der Decimer etwas, das Chrysogona erschrecken ließ.
    "Falls du Bedarf haben solltest an Subjekten um deine Mittel... fein auszujustieren... kann ich dir in unseren Verliesen gerne ein paar Individuen auftreiben, um die es nicht schade ist... beziehungsweise, die auf diese Weise dem Reich zumindest noch nützlich sein können."


    Heftig schüttelte sie den Kopf. "Das ist gänzlich gegen meine Prinzipien!"
    Natürlich wusste sie, dass es Medici gab, die auf diese Weise Erkenntnisse sammelten, doch Chrysogona würde nicht auf derart inhumane Mittel zurückgreifen. "Es steht dem Kaiser frei, eine Speise, von der er vermutet, dass sie vergiftet ist an so einem Verurteilten auszuprobieren, anstatt den Vorkoster dafür zu opfern, doch ich werde lieber auf altbewährte Antidote und Theriakrezepte zurückgreifen. Besten Dank für das Angebot, Tribun."

  • "Sehr gut." Es ging doch nichts über kompetente Verbündete. Ich hatte mich beim Kaiser schon gar zu weit aus dem Fenster gelehnt, in meinem Bestreben nach den bestmöglichen Sicherheitsmaßnahmen. Aus dem Munde der klugen Medica empfohlen, würde er es bestimmt leichter annehmen. Hoffentlich. Womöglich.


    Mein freundliches Angebot jedoch schlug sie aus. Mit einer Vehemenz, die mich überraschte. Da schimmerte wohl doch noch ihre Jugend hindurch, die sonst unter all der Würde und Gelehrsamkeit nicht sonderlich auffiel. Jugendliche Ideale, die sich noch wenig an der Realität abgeschabt hatten.
    "Ich für meinen Teil denke, dass der Schutz des Kaisers das oberste Prinzip sein sollte. erwiderte ich gleichmütig. Sonst hätte ich ja gleich meine Tessera abgeben können, bei all den unschönen Dingen, die der Dienst in der Garde so mit sich brachte. "Und wenn sie sowieso ad bestiae enden.... Aber wie du meinst. Wenn das nicht nötig ist, dann um so besser!" schloß ich lächelnd, denn ich wollte jetzt keine moralische Maximen diskutieren, und schon gar nicht die sympathische und nützliche Medica vor den Kopf stoßen.


    "Noch zwei Dinge möchte ich kurz mit dir besprechen" fuhr ich dann fort. Trank einen Schluck, und genoß das glutvolle Aroma des heimatlichen Weines. "Zum einen: Du wirst dem Kaiser sehr nahe sein, und eine solche Nähe wird ganz natürlicherweise, wie der Honig die Insekten, eine Menge Menschen anziehen, die dich umschmeichen werden, um aus deiner Kaisernähe ihren Nutzen zu ziehen. Ich habe das selbst in Reinform erlebt, in der Zeit, in der ich als Präfekt der Garde diente..." Die Versuchung war da, mich mit meiner angekündigten Wiedereinsetzung ein wenig zu brüsten, aber ich wiederstand heldenhaft. "...und es kann ganz schön..." Überwältigend? Egoblähend? Klebrig? Desillusionierend? Lästig? "...extrem sein. Ich möchte dir gerne den Rat geben, dich darauf gefasst zu machen, und... einfach sehr genau darauf zu achten, mit welchen Absichten die Schmeichler deine Gunst suchen."

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  • Der Tribun schien ueberrascht zu sein, dass Chrysogona sein Angebot ablehnte, Heilmittel oder Gegengifte an zum Tode Verurteilten auszuprobieren. Sie wollte ihn nicht vor den Kopf stossen doch es widersprach nicht nur ihrem Moralkodex sondern auch dem Eid des Hippokrates, den sie geleistet hatte und an den sie sich penibel hielt.
    "Die Sicherheit des Kaisers ist die oberste Maxime, doch muss ich ablehnen die Heilmittel und Antidote an Menschen zu testen. Es widerspricht dem Eid, den ich als Medica abgelegt habe. Aus diesem Grund muss ich dein Angebot ablehnen."

    Dann kam Serapio auf ein anderes nicht minder wichtiges und nicht minder unangenehmes Thema zu sprechen: Schmeichler. Sie nickte ernst.
    "Ja, das ist ein wichtiges Thema. Ich glaube zwar, dass ich durchaus ueber einen gute Menschenkenntnis verfuege, da mein Beruf das mit sich bringt. Dennoch waere ich froh, wenn du mir den ein oder anderen Hinweis zukommen lassen koenntest, wenn ich mit einer Person im Dunstkreis des Kaisers oder einer Person, die sich in meinem Bekanntenkreis bewegt, vorsichtig sein muss. Willst du das machen?"

    Sie schaetzte den Pratorianertribun und seine Erfahrung sehr und er verfuegte ueber die Kenntnis der lokalen Eliten. Sie jedoch war neu in der Stadt. Es wuerde lang dauern bis sie sich diese Informatinen verschaffen konnte. Zudem verfuegte der Praetorianertribun mit Sicherheit ueber bessere Informationsquellen.

  • Ein Eid, ein Schwur... ich kannte natürlich die Macht mit der einen so etwas band, und verstand ihre Ablehnung damit etwas besser. -
    "Das will ich gerne tun." versprach ich Plinia dann aufrichtig auf ihre willkommene Bitte. "Ausserdem möchte ich dich bitten, mir von dir aus bescheid zu geben, falls jemand sich übermäßig darum bemüht, Einfluss auf dich zu gewinnen, oder dich gar in Palastintrigen zu verwickeln." Eine neue Figur am Kaiserhof, ein 'unbeschriebenes Blatt' mit so großer Nähe zum Kaiser, war.... nun, ich wollte nicht 'verlockender Köder' sagen... war gewiss ein Anreiz für so manche ränkespinnende Subjekte.
    "Das führt zum letzten Punkt: deine persönliche Sicherheit. Ich rate dir, in der Stadt nie ohne kompetenten Leibwächter unterwegs zu sein. Und werde der Palastwache Anweisung geben, dass du, wenn du ausgehst, einen Gardisten als Begleiter gestellt bekommst."
    Es läge ja nahe, so als Verschwörer, erst mal Plinia aus dem Weg zu räumen, um den Kaiser dann ganz ungestört vergiften zu können.


    "Aber über den ersten Themen wollen wir nicht vergessen deinen großen Erfolg zu feiern!" schlug ich zuletzt, nachdem wir all dies besprochen hatten, wieder den Bogen zurück und griff nach Krug und Kelch. "Darf es noch ein Schluck sein? - Auf dein Wohl, kaiserliche Leibmedica Plinia Chrysogona!"

  • Das Thema Schmeichler und Intrigen war noch nicht ganz durch. Der Gardetribun versprach sie zu informieren, wenn er über entsprechende Inforationen verfügte. Sie würde im Gegenzug auch ihn über auffällige Schmeichler in Kenntnis setzen.
    "Nichts liegt mir ferner, als mich in irgendwelche Palastintrigen hineinziehen zu lassen", sagte Chrysogona mit Bestimmtheit. Die beiden senkrechten Falten zwischen ihren Brauen verstärkten sich. "Aber sollte sich mir jemand allzu offensiv begegnen, werde ich dich ins Vertrauen ziehen."


    Die nun folgende Bitte konnte Chrysogona nicht abschlagen. Wie der Tribun ansprach war sie durchaus ein attraktives "Ziel" für mögliche Attentatsversuche auf den Kaiser. Also zuckte die Medica resignierend mit den Schultern.
    "Wie du meinst. Ich werde mich schon an einen Aufpasser gewöhnen. Deine Argumente sind einleuchtend, Deciumus Serapio."


    Als er dann dem offiziellen Teil ihres Gesprächs ein Ende setzte, indem er Kelch und Krug ergriff und zum Feiern ihrer erfolgreichen Ernennung zur Leibmedica überging, wich endlich die Anspannung aus Chrysogogna. Man konnte förmlich sehen, wie ihre Körperhaltung sich mit einem seufzenden Ausatmen entspannte. Die Griechin ergriff den Kelch und lächelte.
    "Danke, mein Lieber. Einen kräftigen Schluck deines hervorragenden Tropfens kann ich jetzt wahrlich vertragen. Doch möchte ich nicht nur auf mein leibliches Wohl trinken sondern deines und vor allem dasjenige des Kaisers miteinbeziehen. Zum Wohl!"

  • Zurück von meinem konspirativen Treffen mit Musca, da war ich nun zumindest ein wenig besser informiert als zuvor. Ich nahm mein altes Officium wieder in Besitz und schrieb an unseren obersten Befehlshaber. Nach den Jahren in der Fremde, wo ich mir nur das schlechteste Schreibmaterial hatte leisten können und meine Berichte heimlich und mit krummem Rücken in irgendeiner Nische hatte kritzeln müssen, da war es nun die pure Freude einen großen Schreibtisch ganz alleine für mich zu haben, dazu Schreibrohr, Federn, mehrere scharfe Federmesser, Tinte, noch dazu verschiedenfarbig und soviel ich nur wollte, dann noch Siegellack... Ein Traum.


    An den
    Imperator Caesar Augustus
    Tiberius Aquilius Severus



    Faustus Decimus Serapio grüßt ehrerbietig den Imperator Caesar Augustus Tiberius Aquilius Severus


    Mein Kaiser,
    Ich bin von meiner Mission zurückgekehrt. Obgleich wir vom ursprünglichen Ziel abweichen mußten und es viel Zeit kostete, konnte ich wertvolles Wissen gewinnen. In der Hoffnung dass dieses zur Klärung der Nabataeafrage entscheidend beiträgt, ersuche ich Dich um eine private Audienz.



    Vale bene



    Faustus Decimus Serapio



    Hm... konnte man das so sagen? Vom ursprünglichen Ziel abweichen war vielleicht ein wenig euphemistisch...
    Ich sandte Acestes mit Begleitschutz los, den Brief zu überbringen.


    Dann war es Zeit, meine ganz besondere Syrinx auszupacken. Eingeschlossen in meinem Officium und mit Wächter vor der Tür, zerpflückte ich das brave Musikinstrument, zwischen dessen doppelten Schilfrohren ich meine Notizen, Skizzen und Berichte versteckt und heimlich durchs Barbarenland geschmuggelt hatte. Stück für Stück sezierte ich das Instrument, schlitzte die Rohre auf, rollte alles Geschriebene aus, seufzte wenn doch etwas verwischt war oder zerrieben. Dann begann ich mit dem Dechiffrieren, dem Übertragen, dem ins Reine bringen und dem Zusammentragen der Karten.
    Es war eine langwierige Feinarbeit, bei der sich bald wieder die leidigen Rückenschmerzen einstellten, so ein blödes Ziehen und Stechen im Kreuz. Aber delegieren ließ sich da nun mal nichts. Ich tupfte mir den Schweiß von der Stirn, streckte meinen Rücken, sagte mir, dass für das Wohl des Imperiums die Details bei der Aufklärung ebenso wichtig waren wie die Formation bei der Schlacht und schrieb, nummerierte und zeichnete weiter tapfer an meinem höchstgeheimen Dossier.
    Erst viel später, als das Werk vollendet war, da gönnte ich mir dann ein wenig unschuldige Entspannung in der Stadt...

  • Ein Stück Papyrus nahm ich zur Hand, eine Feder dazu, und schrieb eine kurze Notiz an meinen alten Freund Licinus.


    An
    den Princeps Praetorii Marcus Iulius Licinus
    Domus Iulia




    Faustus Decimus Serapio grüßt seinen alten Freund Marcus Iulius Licinus!


    Was höre ich da, bei meiner Rückkehr nach Rom? Am Ende hat es also auch Dich zur Garde verschlagen. Die Parzen wissen schon was sie tun: es dauert zwar ein paar Jährchen, aber am Ende knüpfen sie unsere Lebensfäden doch genauso wie ursprünglich vorgesehen.
    Eine lange Mission in der Fremde liegt hinter mir. Ich möchte Dich sowohl um unserer Freundschaft willen treffen, als auch um mich in dieser Angelegenheit mit Dir zu besprechen.
    Sei mir jederzeit willkommen in der Casa Decima.


    Vale bene!


    Faustus Decimus Serapio




    Gestrandet zu sein in der Fremde, zusammen mit einer guten Dosis an Lebensgefahr, das hatte mir eine Art Vogelperspektive auf so manches in der Vergangenheit vorgefallene verliehen. Dazu kam der Abstand der Jahre... Bevor der Alltag wieder zuschlagen konnte, meine Erkenntnisse verblassen ließe, tunkte ich die Feder erneut in die Tinte, sprang über meinen Schatten und schrieb an meine Schwester.



    An
    Decima Seiana
    Domus Iunia
    Mogontiacum, Germania superior




    Liebe Seiana,


    Meine letzte Mission führte mich über die Grenzen des Reiches hinaus. Jetzt bin ich wieder in Rom. Zwischenzeitlich sah es nicht so rosig aus, und wie das so ist... in so Momenten kommen ja immer die existenziellen Fragen. Unser Zerwürfnis lastet mir nach all den Jahren immer schwerer auf der Seele. Ich denke zurück an unsere Kinderzeit, an Deine heiteren Briefe aus Ägypten, die Jahre in Rom und daran wie Du mir immer ein Pharos in der Nacht und ein Fels in der Brandung gewesen bist.
    Du hast unsere Familie zusammengehalten, unter großen Opfern an Dir selbst, und ich war dies von meiner großen Schwester gewöhnt und habe wohl oft gar nicht so richtig bemerkt was dies auch Dir abverlangte. Zurückblickend sehe ich erst in welchem Ausmaß. Es war nicht recht von mir, Dir Entscheidungen vorzuwerfen, die Du mit realistischem Sinn zum Wohl der Familie getroffen hast. Es war auch nicht recht von mir, so unverständig zu sein, als Du endlich auch einmal selbst für Dich nach etwas privatem Glück gegriffen hast.
    Liebe Seiana, ich möchte Dich von ganzem Herzen um Verzeihung bitten. Verzeih mir meine giftigen Worte, verzeih mir meinen gekränkten Stolz und meine blinde Wut. Ich vermisse Dich.


    Unsere alten Haussklavinnen haben mir berichtet, Du seist in Germanien ein zweites mal Mutter geworden. Meinen Glückwunsch und den Segen der Götter für Dich und Deine Kinder. Zugleich geht das Gerücht, Dein Ehemann sei verstorben? Wenn dies wahr sein sollte – ich fühle mit Dir und lege, wenn Du dies erlaubst, die Arme fest um Dich, große Schwester. Mögen die Götter Dich immer behüten.


    Dein Faustus




    Eines war noch genauso wie früher: wenn ich an meinen Vater schreiben wollte, da stockte mir immer die Feder. So nach dem Motto: Lieber Vater, mir geht es gut, wie geht es dir? Fast alles was ich hätte schreiben können erschien mir irgendwie unzulänglich oder uninteressant für ihn, und nicht wert die Zeit eines vielbeschäftigten Statthalters in Anspruch zu nehmen. Die Nabatäa-Frage hatte ihn gewiss interessiert, war aber zu geheim um per cursus publicus darüber zu plauschen.
    Naja, Hauptsache er erhielt überhaupt mal ein Lebenszeichen von mir.



    An
    den Legatus Augusti pro Praetore der Provincia Germania superior und Legat der Legio II
    Marcus Decimus Livianus
    Regia Legati Augusti pro Praetore
    Mogontiacum, Germania superior




    Faustus Decimus Serapio grüßt seinen Vater Marcus Decimus Livianus.


    Ich teile Dir mir, dass ich nach längerem Einsatz in der Fremde wohlbehalten wieder in Rom eingetroffen bin.
    Ausserdem möchte ich Dir zum Tode Aelia Vespas mein spätes Beileid ausdrücken. Sie war eine noble und warmherzige Matrone. Möge die Erde ihr leicht sein.


    Cousin Casca hat sich hier in Rom um Haus und Gesinde gekümmert und alles gut im Griff. Auch meiner ehemaligen Verlobten hat er sich pflichtbewusst angenommen. Wie jedes Jahr liegt die Stadt unter drückender Sommerhitze, jeder der kann, ist aufs Land entflohen. Trotzdem ist es eine Labsal wieder zurück in der Ewigen Stadt zu sein.
    Viel mehr kann ich Dir noch nicht berichten. Für mich wird entscheidend sein, wie der Imperator meinen Einsatzbericht aufnehmen wird.
    Wie ergeht es Dir in Germanien? Mögen die Götter Dich immer behüten.


    Vale bene!


    Dein Sohn


    Faustus Decimus Serapio



    Wenn ich schon mal dabei war, konnte ich mich auch bei Massa melden, der anscheinend auch im hohen Norden gelandet war. Er schrieb zwar nie zurück, aber er war immerhin mein Lebensretter.


    An
    den Tribunus angusticlavius
    Appius Decimus Massa
    Legio II
    Mogontiacum, Germania superior




    Salve Compagnero,


    Hinter mir liegt eine elendiglich lange Mission, aber jetzt bin ich heimgekehrt wie der Dulder Odysseus in sein geliebtes Ithaka. (Ohne eine Schar von Freiern abzuschlachten, versteht sich. Valentina ist zum Glück nicht Penelope.)
    Und da ist mir zu Ohren gekommen, dass es Dich ein weiteres Mal zu den Barbaren verschlagen hat, jetzt allerdings in den eisigen Norden. Mein armer Held von Tasheribat! Wenn Du Dich einmal aufwärmen möchtest, lass Dich nach Rom versetzen. Das Nachtleben hier ist nur halb so spaßig, wenn ich meinen lasterhaften Cousin nicht an meiner Seite habe.


    Vale bene!


    Faustus



    Beim Thema Laster war natürlich der Gedanke an Dives nicht weit. Ich wagte es kaum, ihm zu schreiben, weil er ja immer alles so sehr auf die Goldwaage legte, und mir womöglich auch aus einer freundlichen Erkundigung nach seinem Befinden gleich wieder einen Strick drehen würde. Aber vielleicht hatten die Jahre nicht nur mich einen Hauch weiser und verträglicher gemacht? Ich würde es auf einen Versuch ankommen lassen. Man sagte, er habe sich irgendwo aufs Land zurückgezogen – bestimmt hatte ihn der Skandal um sein liebreizende Gemahlin schwer getroffen – aber Acestes würde ihn schon aufspüren.



    An den Senator
    Marcus Iulius Dives




    Faustus Decimus Serapio grüßt Marcus Iulius Dives


    Mein Freund,
    Wie Du weißt, ist es für gewöhnlich meine Devise, immer gut informiert zu sein. Dies ist im Augenblick leider nicht der Fall, da ich gerade erst von einer sehr langen Mission zurückgekehrt bin. So weiß ich nicht viel mehr, als dass Deine Gattin zu Fall gekommen ist und Du Dich aufs Land zurückgezogen hast. Ich schreibe Dir in der Erinnerung an frühere Verbundenheit, und daran wie vor Jahren einmal ein junger Iulier den Weg nach Trans Tiberim nicht scheute, um einen verfemten Decimer aufzurichten. Wie geht es Dir? Lass von Dir hören.
    Natürlich ist mein Einfluss bei Weitem nicht mehr der alte, aber wenn ich Dir irgendwie beistehen kann, lass es mich wissen!


    Vale bene


    Faustus Decimus Serapio

  • Decimianus Ravdushara |[Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/03.03.15/jny97wdgm93.jpg]


    "Es hat keinen Zweck, Serapio." Mein Libertus schüttelte energisch den Kopf. "Er hat damals alle Geschäfte verkauft und die Stadt verlassen. Spurlos. Auch das Lupanar ist längst geschlossen. Seine Freundin Morrigan soll staatsfeindlicher Verbrechen überführt worden sein, sie wurde versklavt und gehört nun den Claudiern. Vielleicht hing er mit drin und hat sich darum aus dem Staub gemacht. Wenn ich weiter herumstochere, wird das lediglich unerwünschte Aufmerksamkeit wecken."
    Staatsfeindlich? Borkan? Das bezweifelte ich. Allerdings hatte er ein Talent dafür, in den Schlamassel anderer Leute hineinzugeraten, und diese Freundin von ihm war Partherin, somit war ihr jedwede Schandtat zuzutrauen. Warum nur hatte er nicht von diesem kriminellen Milieu lassen können? Ich hatte ihm doch alles geboten... - nun ja.... fast.
    "Hat er denn... nichts hinterlassen," fragte ich zögernd, "...gar keine Nachricht, oder.."
    "Nein, nichts. Er wollte offensichtlich alle Brücken hinter sich abbrechen." erklärte mein Libertus mir schonungslos.
    "Verstehe." Deprimiert trommelte ich mit den Fingern auf die Platte meines Schreibtisches. Darauf stand ein Elfenbein-Kästchen, über und über mit Schnitzereien von Blattwerk, Ranken und Blüten verziert. Es barg ein ganz ausgefallenes kostbares mechanisches Wunderwerk aus Bronze in sich: eine künstliche Nachtigall, die mit den Flügeln schlagen und ein Lied zwitschern konnte!
    Tja. Ich hatte nicht übel Lust, das Ding ins Feuer zu werfen. Es war wohl etwas voreilig gewesen, in Alexandria ein Mitbringsel für Borkan zu erwerben. Aber was hatte ich überhaupt erwartet? Eine zu gelassener Freundschaft erkaltete alte Verbundenheit? Wir hatten uns bei meinem Aufbruch ja schon meilenweit auseinander gelebt gehabt. Und...
    "Du warst selbst spurlos verschwunden, Patron" sprach Ravdushara. "Mal ehrlich, niemand wagte es mehr zu hoffen, dich noch lebend wiederzusehen."
    Das stieß mich nun schon vor den Kopf.
    Wohin war eigentlich Ravdusharas sanftzüngiges und anschmiegsames Wesen verschwunden? Das freie Leben in der Hauptstadt schien es von ihm abgeschmirgelt zu haben.
    "Weswegen ihr mein neues Haus in eine wilde Communitas verwandelt habt." warf ich ihm ärgerlich vor. "Wärst du ein treuer Libertus, dann hättest du dich aufgemacht mich zu suchen, anstatt mein Geld für deine Laster zu verprassen!"
    Früher hätte Ravdushara an der Stelle nichts mehr gesagt. Nun widersprach er:
    "Ich wollte dich ja begleiten."


    Das war tatsächlich die Wahrheit. Ravdushara war ja nabataeischer Herkunft, und in den Jahren in denen er mir als Leibsklave und später dann auch als Verwalter gedient hatte, da hatte er mir oft von den Wundern seiner Heimat vorgeschwärmt. Vielleicht, so fiel mir auf, war dies einer der Gründe dafür, dass mir schon lange bewußt gewesen war, dass dieses Land weit mehr als nur Wüste bot, und dass ich mich demzufolge als Gardepräfekt in der Nabataea-Frage besonders engagiert hatte. Vielleicht sogar hätte ich mich niemals auf diese verdammte Mission begeben, wenn ich mir nicht damals vor vielen Jahren auf dem Xenai agorai aus einer Laune heraus einen bildhübschen jungen Nabataeer gekauft hätte. Wie das Leben so spielt.


    "Ich hätte für dich dolmetschen können und auf dich achtgeben, Patron. Mit mir an deiner Seite wäre gewiss alles glattgegangen." behauptete er augenzwinkernd.
    "Tot wärst du jetzt." Ich hatte Ravdushara hier gelassen, da ich einen diplomatisch deutlich versierteren Dolmetscher zur Verfügung gehabt hatte. Und dessen Gebeine deckte nun nabatäisches Geröll. "Du kannst den Unsterblichen für ihre Gunst und unverdiente Güte danken."
    "Das tue ich doch jeden Tag." erwiderte er aalglatt.


    Ich entließ Ravdushara. Darauf saß ich einfach nur weiter so da, den Kopf in die Hände gestützt, und sah eine ganze Weile deprimiert auf das Kästchen, während vor meinem inneren Auge ganz andere Bilder vorüberzogen. Aber weitere Nachforschungen nach Borkans Verbleib erschienen auch mir sinnlos. Es war... als wäre er damals wie durch einen Zauber ins Leben getreten, in dem Augenblick, in dem ich ihn am dringendsten gebraucht hatte. Er hatte mich von der Schwelle des Todes zurück gerissen, und mich mit seiner Liebe beschenkt, und die Zeit der schmachvollen Verfemung durch das gemeinsame Glück erträglich gemacht. Voll Hybris hatte ich geglaubt, dieses Glück auch in die Zeit nach meiner Rehabilitierung hinüberretten zu können. Hatte es am Alltag gelegen, oder den komplett unterschiedlichen Welten aus denen wir stammten und in denen wir verkehrten, oder hatte er geahnt, dass ich Aton über weit mehr als eine Saturnalieneskapade hinaus noch immer verfallen war und und immer verfallen sein würde?
    Als Phantasos hatte ich Borkan angesehen, anfangs, und dann hatte er sich wie ein Traumgespinst im hellen Licht des Tages verflüchtigt. Das alles war doch zu unwahrscheinlich gewesen. Nicht zum ersten Mal kam mir der Gedanke, ob ihn jemand auf mich angesetzt hatte, meinen bodenlosen Fall im Bürgerkrieg geschickt ausgenutzt hatte, um mir in der Tiefe der Verzweiflung diese plötzliche heiße Liebe vorzugaukeln. Dieses Manöver hätte ja aus dem Handbuch für Speculatores stammen können: 'Nimm einen gebrochenen Mann, bau ihn wieder auf, er frißt dir aus der Hand.' Womöglich hatte Borkan jegliches Liebesgeflüster, alles was ich ihm erzählte, sogleich weitergetragen?


    Das Kästchen war zu teuer zum Wegwerfen, darum verstaute ich es tief unter anderen Habseligkeiten in irgendeiner Kiste.
    Wider den Trübsinn versuchte ich auf andere Gedanken zu kommen. Streitwagen fahren war ein erprobtes Mittel dafür, oder auch einfach nur ein wenig an meinen Wägen herumzuschrauben...

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