Cubiculum AFP | Von den Musen geküsst...

  • Ein ganz erbärmlicher Klang durchströmte die Villa. Wer genau hinhörte, konnte vielleicht hören, dass die Quelle des Missklangs eine komplett verspannte Lyra war, die übermäßig laut gespielt wurde. Dann setzte eine Singstimme ein, die eher ins Horrorkabinett einer finsteren orientalischen Gottheit gepasst hätte als in eine gepflegte römsiche Villa. Wer den Lärm aushielt für ein paar Sekunden und hinhorchte, konnte erkennen, dass es sich um einen kontemporären Schlager handelte, welcher von niemand Geringerem als dem verdienten Patrizier und Staatsdiener Flavius Piso zerstört wurde.
    „Wochenend und So-honnensche-he-hein! U-hund mit di-hir in den Wa-ha-hald hineieieieiein, was andere-he-hes brauch ich nicht zum Glü-hücklichse-hein! Wochenend und Sonnenschein!“, krächzte es aus seinem Cubiculum heraus. Die Stimme klang fröhlich, doch entsetzlich. Die Melodie war stark verfälscht. Wer 1800 Jahre später Schönberg mögen würde, würde sicher auch Pisos Musik mögen. Doch Menschen mit normalen Musikgeschmack könnten sich kaum je für diesen „Musikstil“ erwärmen. Allenfalls als Kuriosität.
    Der Lärm verklang, und fast konnte man schon aufatmen... es wäre verfrüht gewesen. Die Musik stoppte nur für ein paar Sekunden.
    Dann ging es wieder los, als Piso wieder in seinem Zimmer, wie üblich von am Boden liegenden Krempel umgeben, auf seinem überkanditelten, geschmacklosen Bett saß und losplärrte. „Mein kleiner grü-hüner Kaktushushus stääääääääht draußen am Balkon!“ Und, vorsicht, geneigte Leser, verehrte Leserin, jetzt kam es. „Hollari-Hollari-Hollaro!“, durchdrang es die Villa, dass es nur so tschepperte. Schräg, unharmonisch, viel zu laut. Ein besoffener britannischer Schfshirte hätte das noch ästhetisch wertvoller hingebracht. Eine vorübergehende Sklavin bekam fast einen Herzkasper und eilte panisch von dannen. Ihre gallischen Glaubensvorstellungen ließen ihr keine andere Wahl, als zu denken, der Himmel ihr auf den Kopf gefallen.
    Piso stieß sich nicht daran. Er saß in seinem Zimmer und blickte selbstverliebt auf seine Lyra. Er dachte schon an das nächste Lied, und würde sicher nciht von sich aus aufhören.
    Jemand musste dem üblen Zauber Einhalt gebieten. Die Frage war, ob sich jemand fand.


    Sim-Off:

    Wer will? ;)
    Apropos: Meine untertänigste Entschuldigung an die Comedian Harmonists. :D

  • Und es fand sich derjenige, dessen Cubiculum, warum auch immer man ihn damit strafen wollte, dem des Piso am nächsten war. Nicht zu nah, jedoch nah genug, um sich durch diese Missklänge gestört zu fühlen.
    Vor Wut kochend, riss Flavius Furianus nach einem kleinen Lauf durch die flavischen Korridore, die Tür des Unheilvollen auf.


    "Was zum Dis Piter soll das?!", rief er ganz spontan gegen den Schwall der Klänge in das kleine Zimmer hinein und sah nun, im zweiten Augenblick, den jungen Flavius Piso mit einer Lyra, Nero gleich, auf dem Bett sitzend.
    Unmerklich wanderte seine Augenbraue nach oben, denn er hatte sich eine weitaus harmlosere Tragödie dahinter vorgestellt, doch die Tatsache hier einen Zukunftsträger der flavischen Familie auf diese Art und Weise, mit dieser Pose, aufzufinden, war eine Tragödie größeren Ausmaßes. Und innerhalb weniger Sekunden machte es sich Flavius Furianus zum Ziele dem jungen Flavius die Flausen aus dem noch jungen Köpfchen zu treiben.
    "Ich sinnierte gerade über die Zukunft unseres Standes, bis mich dieser Lärm aus den Gedanken reissen musste.", erklärte er beinahe gleichgültig. Wäre es ein Sklave oder Sondergleichen gewesen, wäre die Erklärung einer triftigen und saftigen Strafe gewichen. Peitschenhiebe, das hatte schon sein Vater gesagt, hätten in solchen Situationen wahrliche Wunder hervor gebracht. Aber da man leider keine flavischen Heranwachsenden auf diese Art - leider, wie der Senator fand - züchtigen konnte, blieb ihm nur die einfühlsamere Variante.

  • Ah, die Harmonie, die Wonne, das Ebenmaß seiner Klänge! Wie trunken vom Wohlklang seiner Lyra saß er auf seinem Bett und bewegte seine Lippen schnappend auf und ab, wie ein Fisch, den es ans Land gespült hatte. Dann streckte er seine beiden Arme aus und warf sich in einer heroische Pose, welche eine äußerst unkomfortable Sitzhaltung beinhaltete. In dieser Pose erwischte ihn furianus, und Piso zog ein bisschen peinlich berührt sein linkes, in einem etwas seltsamen Winkel abstehendes Bein, zurück. Erwartungsvoll lächelnd blickte er den Senator an, erhoffte er sich doch Kommendationen und Applaus für seine harmonische Darbietung.
    Doch dem war nicht so.
    Zuerst kam die Erwähnung des Dis Pater, der, wie jeder wusste, bei den Flaviern auf nicht allzu gutem Fuße stand. Und dann noch entfuhr dem Stadtpatron von Tarraco der Ausdruck „Lärm“. Was sollte das denn sein? Womit hatte er das verdient?
    Entrüstet also gab sich der avantgardistische Künstlernachwuchs.
    „Lärm?“, wiederholte er bass erstaunt. „Dies hier war kein Lärm, sondern eine wagemutige Auslotung der ausgetretenen musikalischen Pfade!“ Er flocht in seinen Satz Formulierungen hinein, die er Wort für Wort aus jenem Acta-Artikel sich eingeprägt hatte. „Bei Venus, der Schutzpatronin der Ästhetik, dies war kontemporäre Musik! Raue Geister mögen zwar nicht auf sie ansprechen, doch dem Musikkenner erschließt sich sofort der hohe ästhetische, pädagogische und progressive Wert jener Kunstform! Du wirst sehen, sie wird sich durchsetzen, jene Art der Musik.“ Er verdrängte krampfhaft das Gedächtnis an die faulen Eier, die ihm damals (statt der Herzen) zugeflogen waren.
    „Ach ja... aufpassen, nicht, dass du auf irgendwas hinaufsteigst.“, meinte er noch bezüglich des unnützen Krempels, der hier am Boden herumlag. „Es sind wertvolle Sachen darunter.“ Irgendwo in all diesem Müll musste doch seine Toga begraben sein, dachte er kurz.
    Er räusperte sich nun wichtig. „Was hast du an meiner Musik auszusetzen?“, fragte er in einer nun etwas versöhnlicheren Stimmlage. „Gehe in dich, und wenn du dich überwindest, wirst auch du diese Musik genießen können! Warte mal, ich singe was anderes.“, meinte er und griff nach seiner Lyra.

  • Von den Musen war der Jüngling nicht geküsst worden, doch den Flavier erstaunte viel mehr die Tatsache, dass dieser nicht einmal einen Luftkuss an Intellekt hatte bekommen. Mittlerweile sah Flavius Furianus sich gegenüber diesem Jüngling, dessen Alter er auf 18 oder 19 Sommer schätzte, in einer Vaterfigur manifestiert. So biss er seine Wut regelrecht runter, so dass seine Wangen sich ein wenig mehr zur Seite hin ausbreiteten, als er seinen Kiefer rieb. Dann hob sich reflexartig der Zeigefinger in die Höhe, um dem Mundwerk Einhalt zu gebieten. So ließ der Flavier nicht mit sich reden.


    "Still!", stieß er schnell und leise hervor. Dann legte sich die Stirn in Falten und er blickte sich um. Panisch wanderten seine Augen hin und her, als es ihm bewusst wurde. Er stand in dem Cubiculum eines Kindes, nein, es war noch schlimmer, diese flavische Zukunft schien ein zerstreuter Künstler zu sein. Und auch wenn das schon schlimm genug war, war es obendrein ein miserabler zerstreuter Künstler und dem Flavier schossen Bilder von Claudius Nero durch den Kopf.


    "Du singst gar nichts mehr, verstanden?!", fing er ein wenig zu laut an, um sich dann aber wieder auf Zimmerlautstärke zu korrigieren.
    "Ich mag zwar kein Musikkenner sein, aber im Gegensatz zu deinen Sklaven, Freunden oder wem auch immer du etwas vorgespielt hast, sage ich dir die Wahrheit. Dein Gesang ist miserabel. Noch schlimmer, dein Gesang, diese Lyra, die Unordnung hier und deine Pose von vorhin erweckt Assoziationen an Kaiser Claudius Nero! Und so etwas, Aulus Piso, kann und werde ich nicht dulden - nicht hier in Rom! Wenn du Langeweile hast, dann stürze dich in eine andere Beschäftigung. Züchte Fische, wie Lucullus, von mir aus auch Rosen wie einst mein Vater, das wäre deinem Stand angemessener und auch für unser Bild in der Öffentlichkeit förderlicher als dieser grauenhafte Lärm!"


    Der Flavier fing an in Gedanken zu resümieren, ob die hiesige Villa nicht zu wenige Musikanten aufweisen konnte. Es musste doch sicherlich Sklaven geben, die für die Unterhaltung zuständig waren. Wenn er nicht hören wollte, konnte man ja diese Geister der Musik zu ihm sprechen lassen. Vielleicht würde er dann hören.


    "Oder du machst am besten etwas Nützliches. Hast du schon eine gute Scharr an Klienten? Kümmerst du dich um deine Fortbildung? Wer ist dein direkter Vorgesetzter im Palast, damit ich mit ihm reden kann? Gehörst du überhaupt einem Kultverein an und hast du schon den Ordo Senatorius?"


    Ja, es gab noch sehr viel zu tun... :P

  • Piso war Mitte 20, doch es war sehr leicht, ihn für jünger zu halten. Seine geistige Haltung entsprach dem eines Kindes. Er hatte seinen Vater immer für allzu streng erachtet, doch der Ausdruck in Furianus‘ Augen ließ ihn erahnen, dass bald schon er sich die Zeit in Ravenna zurückersehen würde und sich an sie mit Sehnsucht in seinen Augen zurückersehen würde. Es war ja nicht so, dass ein gewisser Verstand in Piso danach schrie, mit dem Kinderkram aufzuhören, doch überlagert worden war es stets von seinem Drang nach Musik.
    Wie man schon erahnen konnte, dauerte das Geschwafel von Piso nicht lange an, denn ein gezischtes Wort aus dem Mund eines furiosen Furianus ließ ihn inne halten. Er ließ mit seinen Händen von der Lyra, nach der er schon greifen wollte, ab und ließ sie seitlich baumeln.
    „G... gar nichts mehr?“, wiederholte Piso. In seinen Augen widerspiegelte sich der Ausdruck eines Kindes, dem gesagt wurde, es dürfe nicht mehr am Schnuller suckeln. „Nie, nie mehr?“, fragte er ein bisschen präziser, und seine Kinnlade klappte nach unten. Um die Musik gebracht werden konnte er doch nicht. Oder doch?
    Furianus schaut schon ziemlich bedrohlich aus, wenn er hier so herumsteht, dachte er sich. Geradezu respekteinflössend.
    Er wartete erst einmal die Schimpftirade des Älteren ab, bevor er etwas sagte. Was da Furianus von sich gab, war höchst unerbaulich. Miserabel? Es wäre nicht das erste Mal, dass er das hörte. Doch bisher waren es immer die Kleingeister gewesen, die ihn so nannten. War Furianus ein Kleingeist? Soweit, wie sein Verständnis von einem Kleingeist ging, ja. Ein Kleingeist war doch jeder, der seine Musik nicht mochte... oder so etwas in der Art... oder? ODER?
    Der Kerl vor ihm, der sich scheinends zu seinem Vater aufgeschwungen hatte, schimpfte weiter. Kaiser Nero? Piso erachtete Nero für ein Genie, und von der Meinung würde er auch nicht abkommen. Was eine gewaltige Ironie war, war Piso doch der Namensvetter von Neros größtem Widersacher.
    Fische? Rosen? Vor Piso entstand ein Bild. Er, auf einem Acker, ein paar Rosen liebevoll betätschelnd. Er, auf dem Lacus Volsinii, mit einem Boot, fischen. Ohne Wein, Weib und (wichtig) Gesang. Ohne, dass er mit seinen Kumpels aufs zeremonielle Komasaufen gehen könnte. Ohne, dass billige Flittchen seinen Kopf umschmusten. Ohne seine Musik.
    „W... wie?“, war also alles, was er herv orbrachte. „Kein Singen m... mehr? Und ich singe miserabel?“ Aus großen, entsetzten Augen blickte er Furianus an. „Und... wie Nero? Das muss ein Kompliment sein, mich mit dem göttlichen Nero zu vergleichen.“, brachte er zustande und blickte Furianus wieder fest an. „Du gibst selber zu, Musik nicht zu kennen! Was maßt du dir dann ein solches Urteil an, Lucius Furianus?“ Er erhob dramatisch seine linke Hand und fuhr damit in der Luft herum. Eine sinnlose Geste, doch er hatte sie sich angewöhnt.
    „Klienten habe ich keine, formell einmal nicht, doch du wirst sehen, dass meine Notarii mich als Mentor sehen!“, prahlte er und ließ seine Brust anschwellen. „Ich habe den CRV bestanden, und morgen, wenn ich mein Gehalt ausgezahlt kriege, werde ich mich zum Cursus Res Mercatoribus anmelden! Und... wie?“
    Er wurde wieder fahl.
    „Mein Vorgesetzter? Das ist... Procurator a libellis Prudentius Balbus.“ Er hatte es wieder mit der Angst bekommen. „Was willst du ihm sagen? Du musst erst an mir vorbei, wenn du zu ihm willst!“, stellte er fest und verschränkte wieder etwas selbstsicherer seine Arme. „Im Ordo Senatorius bin ich nicht. Auch nicht in einem Kultverein. Es wird schon noch alles kommen!“, versuchte Piso seinen Verwandten zu beschwichtigen.

  • Der Flavier musste sich stark zusammen reissen. Er hatte eine Reaktion erwartet, vielleicht so etwas wie ein Aufbegehren oder ganz und gar etwas Versöhnlicheres, vielleicht sogar Verständnis. Das kindische Betragen, geradezu absichtliches Schmollen, übertraf seine Erwartungen im negativen Sinne. Dieser Jüngling war wohl doch mehr ein Knabe als ein Mann und Furianus empfand für einige Herzschläge ein Gefühl, welches mit dem Wort Mitleid am besten hätte getroffen werden können, doch so ganz war es das nicht. Außerdem verschwand es alsbald, denn er stellte fest, dass der junge Flavier so oder so würde anfangen müssen seine Karriere voran zu treiben. Ob ein Kind oder nicht, ihn in das kalte Wasser zu stürzen war die beste Art und Weise ihm das Schwimmen beizubringen. Politik war da nicht anders.


    "Auf keinen Fall öffentlich, hast du verstanden?! Und wenn ich in der Villa bin auch nicht, denn ich muss über Thematiken sinnieren, die von weitaus höherer Bedeutung sind als dein Freizeitvergnügen. Ohnehin muss ein heranreifender Mann deines Standes, deines Namens, sich in solchen Sachen ein wenig zurück nehmen.", mahnte er anschließend und hoffte sich verhört zu haben. Dieser Jüngling mochte Nero? Es verwunderte ihn doch sehr und er schüttelte leicht den Kopf.
    "Öffentlich wirst du dich von deinem göttlichen Nero distanzieren müssen. Er wird allgemein hin verachtet. So wie auch unser ehrwürdiger Ahn Kaiser Domitianus, dessen Namen man öffentlich nicht aussprechen darf.", auch wenn sich Furianus zu gerne darüber hinweg setzte. Er war stolz auf seine Abstammung und kein Senatsdekret könnte ihm je seine Ahnen nehmen und genau so wenig die glänzende Vergangenheit.
    "Du lebst nun in Rom und in keinem Provinznest. Deine Schritte, deine Worte, selbst deine Mimik, das alles wird mit einer goldenen Waage gewogen. Vor allem, da du ein Patrizier bist und insbesondere ein Flavier. Das, was du tust oder auch nicht tust, das wird sich auch auf die Familie und unsere Reputation auswirken. Und da ich auch zur Familie gehöre, so wird sich dies auch auf mich auswirken, verstanden?"
    Über die feinen Nuancen, ob sein Gesang nun miserabel oder doch nur unglücklich schlecht war, wollte der Senator nicht mehr reden. Es war schlimm genug, man musste es auch nicht breit treten. So schwieg er zu diesem Thema und lächelte ein wenig, als der Name seines Vorgesetzten fiel.
    "Ah, Prudentius Balbus! Er ist ein sehr guter Freund meinerseits, musst du wissen.", zumindest sollte er es sein. Auch wenn der Prudentier damals in seiner Funktion als Tribun der Praetorianer öfters mit Furianus und dem flavischen Haushalt zu tun hatte, so waren sie stets freundlich zueinander gewesen, gar freundschaftlich. Und seitdem Furianus dem Vater des hiesigen Prudentischen Oberhauptes rückwirkend eine Auszeichnung hatte erwirken können, stand womöglich noch ein Gefallen aus.
    "Deine Notarii sind mir wirklich egal. Du brauchst richtige Klienten, keine Sklaven des Palastes. Ein Stimmenvolk, welches dich überall gebührend begleiten kann. Dir werden deine Schreiber wenig nützen, wenn dich die Klienten deines Widersachers bei einer deiner Reden in Grund und Boden schreien. Außerdem ist es langwierig einfach zu unrentabel Stimmenvolk zu kaufen.", sinnierte er vor sich hin ohne Piso auch nur eines Blickes zu würdigen, lachte kurz auf und schüttelte den Kopf.
    "Das wäre auch eine Tragädie mittleren Ausmaßes, wenn du den CRV nicht bestanden hättest.", eine wegwischende Handbewegung folgte, "Und diesen Cursus Res Mercatoribus kannst du später machen. Es wäre rationaler nun den Cursus Iuris zu bestehen. Je früher, desto besser. Und auf dein Gehalt musst du nicht warten, sage mir einfach, wie viele Tausend du brauchst und du kriegst sie." Natürlich unter der Prämisse, dass dieser sie nicht einfach versaufen würde. Furianus machte sich in diesem Moment sowieso die Notiz einen kleinen Spion auf den jungen Zugewinn der flavischen Familie anzusetzen.
    Und nun war er auch schon in seinem Element. Langsam fing er an, mit hinter dem Rücken verschränkte Händen, im Zimmer auf und ab zu stolzieren.
    "Mit dieser Einstellung kommst du nicht weit, Aulus Piso. Du musst dich jetzt um deine Zukunft kümmern und ich werde dir dabei unter die Arme greifen.", was wiederum einen langwierigen Wunsch in Furianus zum Ausdruck brachte. Dieser war es nämlich, den er seinem Vater gegenüber schon immer hegte. Damals, als jungem und ambitioniertem Mann, hätte die Unterstützung seines Vaters, die es wohl gegeben hatte, die er aber als unzureichen ansah, wohl einen guten Schub versetzt. Dieser latente Wunsch, durch Familienfäden schneller empor zu steigen und so die alte Ordnung der Eliten zu festigen, würde nun mit Flavius Piso in Erfüllung gehen können. Schließlich verpasste es der Senator bisher eigene Nachkommen zu zeugen. :D


    "Zuerst einmal werde ich mit Balbus sprechen müssen, was dich und deine Arbeit anbelangt natürlich wie auch die Erlangung des Ordos betreffend. Er wird wohl noch einen guten Kontakt zum Kaiser haben. Parallel dazu kannst du dich nach einem Kultverein umsehen. Es ist deine Pflicht die Traditionen Roms aufrecht zu erhalten und ich werde nicht zulassen, dass du dich davor drückst. Es wäre taktisch sogar klüger, wenn du den Arvalbrüdern beitreten würdest. Ich selbst bin Mitglied und eigentlich ist es der amtierende Kaiser ebenfalls - man hat nur versäumt es ihm anheim zu tragen. Das würde deine Erhebung um Einiges erleichtern.
    Dann solltest du dir überlegen wann du zum ersten Mal kandidieren willst und ob du überhaupt ein Tribunat in Erwägung ziehst. Dies wäre, meiner Meinung nach, keine so schlechte Idee. So hättest du im Senat bei späteren Kandidaturen nicht mehr mit den Vorwürfen zu kämpfen du würdest nichts vom Militär verstehen."
    , sein Finger schnellte hoch und runter, während er den geraden Weg des Aulus Flavius Piso nach oben zeichnete.
    "Du bemühst dich um eine entsprechende Klientel, den Cursus Iuris und versuchst dich in der Öffentlichkeit durch eine gute Rhetorik zu etablieren. Dazu würden sich einige Festmähler eignen, die ich durchaus geben könnte, um dich schon einmal in den Senat einzuführen. Denn wenn dich die Senatoren persönlich kennen, ist es weitaus einfacher, glaube mir. Und du kannst auf diese Weise auch noch andere Gönner finden - oder auch taktische Feinde. Am besten schwache Persönlichkeiten."
    Ja, er war wahrlich zum Mentor geboren, dachte sich der ergraute Flavier, welcher einst so wild gewesen war und nun einem Archimedes gleich die Maschinerie der Politik auseinander nahm, um sie seinem wissbegierigem Schüler zu präsentieren.

  • „Oh.“, war das intelligenteste, was Piso einfiel, was die Thematik des Lyraspiels anbelangte. Sehr eloquent war dies natürlich nicht, jedoch traf es den Punkt – er war baff und komplett wortlos. Auf einmal fühlte er sich ein wenig mickrig. Dieser Mann vor ihm war nicht der Halbseidene, für den Piso ihn noch vor ein paar Tagen gehalten hatte. Es steckte wirklich etwas hinter der Oberfläche. Kurz gesagt, Piso war beeindruckt. Er neigte natürlich massivst zur Selbstüberschätzung, doch Lucius Furianus machte ihn ein für alle Mal seine Grenzen klar. Eine erstaunliche Leistung, hatte das doch noch niemand jemals geschafft.
    „Z’rückn’mm?“ Seine Kehle war trocken, und so verstümmelte er in fast schon gracchischer Manier seine Worte. Er räusperte sich. „Ich muss mich... oh.“ Schon zum zweiten Mal entströmte seiner Kehle dieser Laut. Natürlich, bedeutungsreich per se war sie nicht, doch drückte sie so gut aus wie 100 Worte, dass es ihm die Sprache verschlagen hatte.
    Er grübelte ganz kurz nach. Zurücknehmen, sich zurücknehmen? Er räusperte sich. „Äh, es gibt Leute, die denken anders über meinen Gesang.“, krächzte er eher, als dass er es sagte. „Warte.“ Er griff zielsicher zwischen zwei Kisten hinein und holte seinen Schatz heraus. „Hier. Es ist ein Artikel in der Acta vom hoch angesehenen Blandus! Er schreibt sehr hoch über meine Musik.“, verkündete er stolz und reichte den Zettel an Furianus weiter. Sicher würde der Senator dies anerkennen mü... MERDA! Im Artikel stand auch, unseligerweise, dass man ihn mit Eiern und Obst der faulen Sorte beworfen hatte! Doch den Artikel konnte er jetzt nicht mehr zurücknehmen. Wieso musste er unbedingt auf sein Recht beharren? Er hätte den Märtyrer spielen können, der sich im Auftrag der Muse opferte, für was auch immer. Doch nun war es zu spät, seine Hand konnte er nicht mehr zurückziehen.
    So fand er es sehr agreabel, dass man zu einem anderen Thema überging.
    „Im Vertrauen... Nero ist sehr ungerecht im Kreise der Historiker behandelt worden.“, meinte er. „Es ist ja klar, dass nicht er Rom angezündet hat, sondern die verdammten Christen. Ich respektiere die Claudier, und ihre Ahnen ziehe ich genau so wenig durch den Schmutz, wie sie unsere Ahnen durch den Schmutz ziehen würden.“ So, das war jetzt mal ein schöner Satz! Ständisch, zünftig, selbstbewusst und ehrsam. Gäbe es da nicht ein kleines Problem... die Aelier. Nein, nur nicht dran denken.
    Den nächsten Worten lauschte er brav. „Aha... gut...“, viel mehr brachte er nicht heraus. Wo es angebracht war, nickte er. Er war schon viel zu eingeschüchtert, um noch zu schmollen. Am Ende von Furianus‘ Rede schluckte er und brachte nur noch ein „Ich verstehe“ zusammen.
    „Prudentius Balbus ist dein Freund?“, wiederholte Piso erstaunt. „So... so ist das also...“ Konnte dies der Grund dafür sein, dass Balbus eingewilligt hatte? Ach ihr Götter, Balbus. Der würde sicherlich brühwarm erzählen, was bei ihm den Ausschlag gegeben hatte, Piso anzustellen – das Bedürfnis nach besseren Beziehungen mit dem Kaiser. So eine Ansage war relativ schräg für einen Flavier, musste sich Piso eingestehen. Vielleicht konnte er das noch später irgendwo im Gespräch einflechten. Sodass es Furianus nicht von Balbus erfahren musste.
    Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr fiel ihm auf, wieviel Geheimnisse er vor der eigenen Familie hütete.
    „Einige der Notarii sind römische Bürger. Mein Obernotarius zum Beispiel, ein Mitglied der Gens der Numerier! Wir sind schon praktisch in einem Klientelverhältnis.“ Nun war die Gens Numeria eher unbedeutend, und der Zweig, aus dem Urbicus stammte, an Einfluss im Keller darunter. Doch diesen Punkt wollte er einmal machen. „Und ich habe Freunde in der Kanzlei. Imperiosus, das derzeitige Oberhaupt der Pompeier, und auch noch Sabinus von den Viniciern. Seine beiden Onkel sind Hungaricus und Lucianus.“, warf er ein. „Diese beiden würden mich sicher unterstützen.“ Er war sich dessen ziemlich sicher.
    Dass seine Leistung bezüglich des CRV nicht gewürdigt wurde, hätte er fast schon erahnen können, war es doch der grundlegende Test. „Ich würde den Cursus Iuris machen, gerne!“, rief Piso, der Anwälte schon immer bewundert hatte. Sie waren einfach unschlagbar, fand er, mit ihren Reden und Verteidigungen und Anklagen, und Paragraphen und Fallrecht... sicher wäre das nicht uninteressant. „Nur gibt es ein Problem. Man hat ihn ausgesetzt. Und zwar kurz, bevor ich nach Rom gekommen bin. Aus diesem Grund will ich auf den Wirtschaftstest fürs Erste ausweichen.“ Er blickte etwas traurig drein, man konnte sehen, dass sein Verdruss darüber echt war. „Ich will ihn aber so früh wie möglich machen...“, setzte er hinzu.


    „Geld? Tausende?“, fragte er erstaunt, und die Augen weit aufgerissen hatte nun der junge Beamte, der noch nie mehr als 500 Sesterzen auf seinem armseligen Kontolein gehabt hatte. Er dachte hastig nach. Wieviel Wein konnte man für 5000 Sesterzen hinunterkippen? Definitiv könnte er damit eine Runde Falerner ausgeben... doch es war nur allzu evident, dass solch Geld nicht vorgesehen wären fürs Vertrantscheln. Das war nun ein bisschen eine Zwickmühle. Er würde das Geld ausgeben müssen für diverses Glump, Weiterbildung und Standesgeld. Und Kauf von Land. Er blickte also Furianus nur dackelig an. „Ähm... wieviel, Lucius Furianus, denkst du, brauche ich für einen Einstieg in... äh... öh... die Karriere, die du mir zugedacht hast?“ Er war ja schon ein bisschen stolz. Um Geld zu betteln war noch nie sein Ding gewesen. Doch dies war Rom. Hier war alles anders. Und vor allem, sehr kompliziert. Das konnte man als sehr gute Ausrede zum Sandeln sehen.
    Er sah etwas hilflos dabei zu, wie Furianus in seinem Zimmer herumzulatschen begann. Iupiter, mach, dass er nichts zertritt, lautete das Stoßgebet von Piso, als Furianus zwischen den Sachen, die er am Boden herumliegen hatte, hindurchwandelte.
    „Äh... ja... gut... wenn du es sagst... vielen Dank...“, meinte er als Furianus ihm seine Hilfe anbot.
    Sollte er sie annehmen?
    Es gab zwei Varianten.


    Erstens, Aulus, du arbeitest weiter in deinem Officium. Du verdienst dir deine Brötchen selber. Du bist frei und ungebunden. Aber du musst schuften. Irgendwann kriegst du einen krummen Rücken. Du wirst vielleich irgendwann mal Procurator a memoria. Vielleicht schaffst du es noch vor der Rente zum Procurator ab epistulis, oder sowas in der Art. Dein Gehalt versäufst du. Und das war dann dein Leben.


    Zweitens, du tust, was er sagt, Aulus. Du kriegst erst mal eine Stange Geld. Du kannst dich weiterbilden. Nach Aegyptus kommst du wohl nicht mehr. Aber du kommst zu Ehre und Bekanntheit. Flavius Piso, werden die Leute sagen, natürlich kenne ich den. Er ist beliebt und angesehen. Wenn du durch die Menge reitest, werden dir die Leute zujubeln. Der Jubel wird ästhetisch sein. Und erfüllend. Genau so wie die Redewendung: „Das Jahr des Consulats des Flavius Piso.“ Hmmm... Kaiser Piso der Erste. Lecker. :D


    Er entschied sich. „Ich nehme deine Hilfe gerne an, und danke dir dafür.“ So, es war gesagt. Es war vollfüllt. Er atmete tief durch. Eine Ära war zu Ende gegangen. Eine neue war angebrochen. Oder so etwas in der Art. Hauptsache, es klang schön kitschig, das war nett. Ja.
    Er lauschte den Worten des Furianus um einen Zacken aufmerksamer als vorhin. „Du redest mit Balbus... gut, ich hoffe, er wird dir nur Gutes sagen können. Und, wenn du schon bei ihm bist... äh... es gibt da einen Posten in der Kanzlei. Der Posten heißt „Procurator a memoria“ und ist sehr angesehen. Und gut bezahlt. Und... ich meine... vielleicht bekommst du da etwas hin? Ich glaube, ich würde einen guten Procurator a memoria geben... äh... ich meine natürlich, ich würde eine solche Arbeit zur vollsten Befriedigung des Kaisers erfüllen.“, verbesserte er sich, innerlich sich seiner Rhetorikstunden gemahnend. „Ich will noch etwas in der Kanzlei bleiben. Denn es ist ein Zeichen von Integrität und guter Disposition, dort einen etwas höheren Posten inne gehabt zu haben.“, erklärte er seinen Wunsch.
    Dann kam die Rede auf die Kultgemeinschaft. „Oh, das ist... nun gut... ich werde... das machen.“ Die Arvalbrüder? Da musste man ja senatorischen Ranges sein! Oder halt, das war ja schon inkludiert, wenn es nach Furianus ging. Also gut. Dann sollen es die Arvales Fratres sein. Die Salier waren ihm sowieso schon immer leicht suspekt gewesen. Immerhin redete er sich dies nun ein.
    „Ein Tribunat?“, rief Piso und wurde etwas bleich. „Schlachten, Soldaten, Blutvergiessen, wie unästhetisch!“, rief er aus und rang mit seinen Händen. Aber gut bezahlt wäre es. Also ließ Piso die Hände sinken und hörte weiter zu.
    „Gut, gut, das mache ich! Festmahl klingt gut, äh... aber wie soll ich es mir leisten? Ich bin ja nur ein kleiner Beam... ach, ja, stimmt.“ Genau, der beziehungsweise die Furianus-Tausender. Und Feinde sollte er sich machen? Das tat der joviale Piso ungern. Aber dies war wohl Politik.
    „Ähm... wenn ich dann wirklich im Senat bin... es wäre so, dass ich, glaube ich, schon einen guten Beitrag leisten könnte... weißt du, so eine Gesetzesvorlage schwirrt mir schon sehr lange im Kopf herum...“, vertraute er seinem Verwandten an.


    Sim-Off:

    Bislang war das, glaube ich, vielleicht mein laengster Text im IR. So, jetzt aber. Gute Nacht. ;)

  • "Artikel, was für ein...", entfuhr es ihm sofort und er riss das Schriftstück aus den Händen des Jünglings, da er sich der Bedeutung wohl genau bewusst war.
    Während er las, weiteten sich seine Augen merklich und unentwegt, auch wenn er die Zeilen nur überflog, entwichen ihm Worte und seine Gesichtsfarbe wechselte zu einer etwas rötlicheren Pigmentierung.
    "Akrobaten....Muse....barbarische Gesänge?!", entfuhr es ihm leise, dann doch immer lauter.
    "Ein Mitglied der ehrwürdigen Gens Flavia - das ist doch!...Harmonienlehre - Dis Pater, verdammt!...Mit Geschrei, Pfiffen und groben Zwischenrufen wurde dem Unmut Luft gemacht - du bist doch, das ist doch!...faulem Gemüse und Pflastersteinen ging Flavius Piso schwerverletzt zu Boden.", waren seine Worte, die teils aus Gebrüll, unfassbaren Flüchen gen Himmel und einer gewissen angestauten Wut, bestanden.
    Weiter las er nicht, sondern lies dies Schriftstück gen Boden fallen. Scharf sah er dem Jüngling in die Augen und ballte die rechte Hand zur Faust.


    "Bei den Göttern, bist du von Sinnen?!", brach es dann aus ihm heraus. "Was fällt dir überhaupt ein, du kleiner Nichtsnutz! Oh, wenn ich dein Vater wäre, ich würde dich hier und jetzt windelweich prügeln, deine Haut würde ich dir blau prügeln! Du bist doch...das ist doch....unglaublich!", schrie er in die Richtung des Jünglings und hielt die geballte Faust vor dessen Gesicht. Schweißperlen zeichneten sich auf der Stirn des Senators ab, doch er konnte sich beherrschen. Die Faust zitterte unmittelbar vor Pisos Nase, doch berühren konnte sei ihn nicht. Es gab diese unsichtbaren Grenzen des Anstandes, welche Furianus bei diesem Jungen nicht zu überschreiten gedachte, auch wenn er ihn nun am liebsten gewürgt hätte.
    "Weißt du in welchen Misskredit du unsere Familie damit bringst?! Ist dir das bewusst?! Weißt du wie schwer es ist besonders als Patrizier, dem sowieso jeder verdammte Plebejer Steine in den Weg wirft, zu bestehen?! Besonders in der Politik?! Du Einfältiger, mit deinen Kindereien setzt du nicht nur deine Zukunft aufs Spiel, sondern die der ganzen Flavier! Du stammst von Kaisern ab, mein Junge, also verhalte dich nicht wie ein Verrückter!"
    Der Senator war unfassbar erschöpft, denn seine Krankheit hatte viel der ursprünglichen Energie in ihm beansprucht. Langsam setzte er sich neben den Jüngling und versuchte seine Atmung unter Kontrolle zu bringen, was ihm auch nach einigen Augenblicken gelang.
    "Wir müssen das revidieren, falls den Menschen dieses Spektakel noch in Erinnerung ist. Was weißt du, was erzählt man sich auf der Straße?", fragte er in versönlicherem Tonfall und blickte dann sofort zur Seite.
    "Nein, ich werde es selbst in Erfahrung bringen lassen. Und wenn es keiner mehr weiß, man nicht von dir diesbezüglich spricht, dann mischen wir uns nicht weiter ein uns versuchen die Sache nicht mehr aufkommen zu lassen."
    Sein logisches Wesen meldete sich scheinbar wieder und der Flavier war nun gänzlich wieder in ruhiger Gemütsverfassung.
    "Du wirst ab heute dein Temperament zügeln. Ab heute trägst du dein Haupt wie ein Mann deines Namens, deiner Abstammung, tragen sollte. Nämlich hoch, über denen der anderen. Du verhälst dich ruhig, sprichst nur, wenn man dich fragt und auch dabei bist du besonnen. Deine Lyra wird dieses Haus nicht mehr verlassen, verstanden? Und dein Gesang wird nur für dich bestimmt sein, das heißt keine Vorführungen, keine Spektakel und vor allem nicht vor Anderen. Damit ist Schluss. Streife endlich das Gewand eines Jünglings ab und werde zum Mann. Wenn du nicht in der Lage dazu bist, werde ich persönlich dafür sorgen, dass du wieder in das Dorf kommst, wo du hergekommen bist."
    Es war keineswegs eine Drohung, es war für Furianus lediglich eine Erwähnung der Tatsachen. Durch solchen Unfug würde er sich seine politische Zukunft nicht verbauen lassen. Und solange der Sohn des Flavius Felix noch kein Consul war, würde er alles daran setzen, um das Bild seiner Familie und seiner selbst zu wahren.


    Er entsinnte sich wieder der vorigen Unterhaltung und nickte kurz, um vielmehr sich selbst, wohl auch dem Jüngling, zu bedeuten, dass dieses Thema für ihn zu den Akten gehörte. Es stand nun fest, daran war nichts mehr zu rütteln.
    "Was Claudius Nero widerfahren ist, mag nicht unser Interesse teilen. Doch es ist die öffentliche Meinung und du wirst keinerlei Skandale aufgrund deiner eigenen Sichtweise hervor rufen, die zufälligerweise, von der Meinung des Senates abweichen könnte. Es wurde beschlossen und so ist es auch. Punkt."
    Zu Balbus sagte er nichts weiter, denn viel mehr musste Piso auch nicht wissen. Zu wem und in welcher Art Furianus Kontakte hielt, war nur die Angelegenheit des Flaviers selbst.
    "Nun gut, dann hast du eben einige Sympathisanten in deinen Officii. Aber deine Klientel muss eine breite Streuung aufweisen, denn nur so profitierst du überall. Und was deine Freunde anbelangt, so ist das löblich, halte die Freundschaften aufrecht, denn vielleicht könnten sie dir von Nutzen sein.", auch wenn beide teilweise recht unbedeutend waren. Zumindest der Vinicier war jedoch ein vielversprechender Kandidat, denn seine Verwandten würden ihn zu Ehren und Ämtern zu verhelfen wissen.
    Dass es jedoch keinen Cursus Iuris mehr im Angebot gab, überraschte Furianus doch ein wenig. Ganz Rom war auf den Säulen des Rechts aufgebaut, man konnte der Jugend solch einen Schatz nicht verwehren.
    "Ich werde mit den Verantwortlichen bezüglich des Cursus sprechen. Und wenn ich Vinicius Hungaricus selbst schreiben muss, damit er dich prüft.", denn dieser war schließlich einer der Magister dieses Fachgebietes.
    Das Stammeln des doch wohl noch gebliebenen Kindes ließ in Furianus Argwohn aufsteigen. Dieser kleine Kerl war wohl doch an einer gewissen Summe interessiert. Aber er vergaß, dass er einen Politiker vor sich sitzen hatte, der sich und sein Geld eloquent zu schützen wusste.
    "Wie viel Geld du brauchst? Nun, nicht so viel, dass die Familie nicht imstande wäre dies zu finanzieren.", zog er sich aus der Affäre.


    Die weiteren Überlegungen des Piso konnte der Senator nicht teilen. Er hatte hierfür wieder nur eine marginal nach oben verschobene Augenbraue übrig.
    "Warum solltest du weiterhin im Palast tätig sein wollen, wenn du schon jetzt deine politische Karriere in Angriff nehmen musst? Nein, ein anderer Posten im Palast wird dir nicht von Nutzen sein. Ich denke, dass ein Tribunat das Richtige wäre.", zwar hatte er sich über den Kommentar des sichtlich allzu Verwöhnten innerlich echauffiert, beließ es aber jedoch bei einem strengen Blick und einer Erläuterung.
    "Der Dienst am Vaterland ist das Ehrvollste, was du als Römer tun kannst. Zudem wärst du Tribun, ich hoffe in der Legio Prima, so dass du dir keine Angst um baldige Scharmützel wirst machen müssen."
    Doch scheinbar hatte die Dummheit des Jungen keine Grenzen. Völlig missverstanden hatte er den Flavier und dieser versuchte erst einmal den aufkommenden Ärger hinunter zu schlucken.
    "Nicht du lädst zu Festmählern, sondern ich.", gab er grantig zurück und stand schließlich auf, um wieder ein wenig im Zimmer herum zu laufen, wobei er den Krempel am Boden mit den sandalierten Füßen achtlos beiseite schob.
    "Bevor du im Senat sitzt, musst du einiges leisten. Und auch wenn du dies tust, wirst du dich gedulden müssen. So eine Berufung kommt nun einmal nicht jeden Tag. Und wenn du Ideen hast, die dem Allgemeinwohl dienlich sein können, kannst du sie ja immer noch durch einen Senator in den Senat bringen."
    Was auch seine Person durchaus machen könnte, dachte er sich insgeheim.

  • „Ja, ein Artikel...“, sagte Piso in einem Tonfall, dem man durchaus anmerkte, dass ihm das Herz in die Hose gerutscht war. Jetzt! Jetzt wäre der letzte Moment gewesen, um den Artikel zu verstecken. Der letzte Moment, um die Hand wegzuziehen und die Schriftrolle nach hinten zu werfen, um sie dem Griff des Senators vor ihm zu entziehen.
    Vergebens jedoch war dieser Gedanke. Bevor er durch seine Nervenstränge seine Hände erreicht hatte, hatte Furianus schon den Zettel genommen, und fing an, ihn zu lesen. Der letzte Nachhall von Pisos ziemlich unangebrachten Gedanken manifestierte sich darin, dass seine Hand kurz hinaufzuckte, wie um das Pergament noch in letzter Sekunde zu erhaschen. Es war aber schon zu spät.
    Es war interessant, Furianus‘ Gesichtsfarbe beim Lesen sich ändern zu sehen. Die durch die Sonne Ägyptens braun gebrannte Haut verfärbte sich in eine Farbe, die man unweigerlich mit Sonnenbränden verband. Oder reinster, unkontrollierter Wut.
    Furianus‘ Stimme schwang sich zu einem Gebrüll auf. Die Schallwellen brachten Pisos Trommelfellle zum Beben. Auf den Regalen wackelten die Porzellanfigürchen, die Piso so leidenschaftlich sammelte, vor sich her. Was da an Flüchen aus dem Mund des Senators kam, ließ Piso, selbst kein sonderlich spiritueller Mensch, zusammenzucken. „Ich...“, begann er, ließ aber den Satz unausgesprochen. Seine eingeschüchterte, zittrige Stimme hätte gegen den Donnerklang des Senators null Chancen gehabt.
    Nicht nur genug damit, dass der Ältere ihn ausschimpfte wie ein Kleinkind, dass ein Familienerbstück kaputt gemacht hatte, nein, er konnte nur mit Mühe seine Faust davon abhalten, ein Delikt von Körperverletzung an Piso zu verhindern. Die Faust, die auf ihn zuschnellte, war groß. Und haarig. Und knochig. Sicher würde sie weh tun.
    Piso gurgelte vor Entsetzen und rutschte an seinem Bett zurück, was einen Faustschlag nicht verhindert hätte. Vor Schrecken war er zusammengefahren und beachtete die Schimpftirade des Furianus nur noch mehr am Rande, während er sich selbst zu beherrschen versuchte.
    Nur kein Zittern. Und, vor allem, keine Tränen! Was für eine deplorable Situation! Sein Gesicht war fahl geworden. Sein Augenblick verharrte auf der vor ihm in der Luft schwebenden Faust. Er fragte sich innerlich, wie er einen Schreckensschrei nur bloß verhindern konnte, wie ihm das gelungen war. Er musste wohl zu entsetzt gewesen sein dafür.
    Aus Furianus schienen die Worte des Wutes geradezu herauszuplatzen. Was er da hörte, ließ ihn zusammensacken, immer kleiner werden. Windelweich, Nichtsnutz, Misskredit, Einfältiger, Kindereien, Verrückter, und ähnliche Wörter umschwirrten seine Ohren. Er ächzte kurz unbewusst, wie ein Boxer, dem bei der Pankration ein sehr schwerer Schlag versetzt worden war. Und tatsächlich war es so, als ob Furianus mit gewaltigen Hieben auf seine (n.b. empfindliche) Psyche eindrosch.


    Dann war es vorbei. So unvermittelt, wie der Wutanfall gekommen war, entwich er. Schwer atmend ließ sich Furianus auf das Bett sinken. Der Besitzer der Bettes starrte noch immer an die Stelle, an der Furianus vorher gestanden war. Sein Starren war wie das einer Kuh, er starrte nicht, weil dort etwas war, sondern einzig und alleine, weil jener Platz zum Anstarren genauso gut geeignet war wie jeder andere auch.
    Stille breitete sich kurz im unaufgeräumten Zimmer aus. Pisos biss sich auf die Unterlippe voller Scham. Furianus hatte ihn fertig gemacht, und er hatte es sich gefallen lassen – aus dem Grund, weil er tief drinnen wusste, dass der Senator recht hatte. Sich in der Öffentlichkeit von Eiern bewerfen lassen gab kein gutes Bild.
    Er begann zu reden. Sein Redefluss war stockend, wurde nur langsam flüssiger. „Die Zuseher waren... Peregrini... und ein paar Seesoldaten. Die sind jetzt allerdings alle in Britannien, habe ich gehört. Bis auf einen. Der ist jetzt Curator Calendariis. Decimus Verus.“, gab er zu. „Aber ich habe Freundschaft mit ihm geschlossen. Ich war es, der ihn für den Posten bei Prudentius Balbus vorgeschlagen habe, und er hat die Angelegenheit nie erwähnt. Ich denke, er hat es vergessen. Ich denke übrigens, auch auf seine Unterstützung kann ich zählen. Er ist verwandt mit dem gewählten Prätor, Decimus Livianus.“ Und, was er verschwieg, er hatte einen Senator gesehen. Hätte er seinen Namen – Germanicus Sedulus – gewusst, hätte er sich mit dieser Tatsache noch mehr hinterm Busch gehalten. Dass die freundschaft mit Decimus mit etwas bestimmten verbunden war, erzählte er nicht. Furianus hätte einen Kreislaufkollaps gekriegt, hätte er nun davon gehört.
    Doch klang nun die Stimme des vorher so entsetzten Senators viel ruhiger. „Es ist sicher schon Gras drüber gewachsen.“ Öffentlich war er nachher nie mehr aufgetreten. Vorher schon, doch dies war in Ravenna, dort hatten die Leute höflich applaudiert, wollte man es doch nicht mit Flavius Aetius, einer bekannten Persönlichkeit dort, zu tun kriegen.
    Nachdem dieses Thema abgehackt war, so hoffte er einmal, kam Furianus auf die Lyra zu sprechen. Nie mehr sollte sie die Haus verlassen. Nie mehr würde er öffentlich spielen dürfen, wenn es nach Furianus ging – außer, er wollte wieder zurück nach Ravenna. „Niemals!“, entrüstete er sich, asl Furianus sagte, er hätte keine Probleme damit, den jungen Flavier zu seinem Vater zurückzusenden.
    Dann stohl sich ein vages, kaum wahrnehmbares Gri nsen in sein Gesicht. „Ich kann ja den Sklaven was vorspielen... wenn sie was falsch gemacht haben... als... Strafe.“ Selbstironie! Wer hätte gedacht, dass Aulus Flavius Piso dazu noch imstande wäre. Er ließ den Kopf sinken, sein kurzes Lächeln verlor sich. „Meine Musik spricht halt nicht die Massen an. Ich glaube, du hast recht. Die Leute auf der Straße sind es nicht würdig, dass ich ihnen meine Stimme und mein Lyraspiel angedeihen lasse. Pöbel.“ Er schüttelte den Kopf. War dies abermals Selbstironie oder aber bitterer Ernst? Wer sollte es wissen? Er zuckte die Achseln, damit war das Thema auch für ihn beendet. Den Göttern sei Dank.
    Was Kaiser Nero anbelangte, schien Furianus nichts gegen seine Ansicht zu haben, nur dagegen, dass er seine Meinung vor dem Senat äußerte. „Das werde ich nicht tun. Ich weiß, was die Rolle des Senates im Untergang der julisch-claudischen Dynastie gewesen war.“ Damit war dieses Thema hoffentlich auch gegessen.
    Dass der junge Flavier Freunde in der Beamtenschaft hatte, schien viel eher als alles zuvor Genannte dem Furianus zu gefallen. „Das werde ich auf jedem Fall tun.“, meinte Piso. Vor allem die Umtrünke wollte er nicht missen.


    Wie er es schon gedacht hatte, beeindruckte dem älteren Flavier die Tatsache, dass es keine Cursi Iuris mehr gab. Und zwar negativ. Endlich eine negative Überraxhung, deren Ursache nicht Piso war, dachte sich jener aufatmend. Doch Furianus‘ Satz überrumpelte ihn. „Wie? Vinicius Hungaricus, mich prüfen? Der überragende Jurist unserer Zeit?“, stammelte er und musste sich zusammenreißen, um nicht daherzugaffen wie ein verblüfftes Kleinkind, obwohl er das am Liebsten getan hätte. Doch genau so indirekt, wie seine Frage gewesen war, so war Furianus‘ Antwort. Niemand traute sich, eine Summe zu nennen. Piso entschied sich fürs Ausweichen. „Das wird später geklärt.“, meinte er, innerlich die Geldfrage von sich schiebend.
    „Und, gut, dann... wa, wa, warte.“, stotterte er. „Nicht mehr im Palast? Aber... ich mag die Arbeit dort! Sie ist gut, und ansprechend. Wieso sollte ich nicht noch etwas länger in der Kanzlei arbeiten? Ich bin sicher, dass ich durch einen Posten bei den Procuratoren Unterstützung unter den Beamten in meiner politischen Karriere erhalten würde.“ Wie man wusste, war die Beamtenschaft eine sehr einflussreiche Schicht, und Piso selber stellte sich vor, dass er wohl in großen Teilen an sie appellieren könnte durch eine vorherige Laufbahn in der Kanzlei, wenn er selber einmal auf der Rostra stand. „Wer sagt, dass ich nicht vor meiner senatorischen Laufbahn noch etwas machen könnte; dass ich nicht Erfahrungen in der echten Welt sammeln könnte?“ Fast hätte Piso noch ein „Nicht wahr, Herr Vigil?“ an seine kleine Rede angehängt, doch hätte das den Bogen etwas überspannt. Den Punkt hätte es aber getroffen. Furianus hatte auch eine Gesichte vor seinem Senatorenrang. „Dies würde mich nicht vorm Ordo Senatorius und von den Arvalbrüdern ausschließen.“, fügte er stattdessen erklärend hinzu. „Schau dir die wichtigen Senatoren an. Frühere Soldaten. Frühere Priester. Ich bin nicht aus diesem Holz geschnitzt, ich bin aber ein guter Beamter, und den Arbeitsethos dieser Schicht würde ich auch als Vigintivir, oder Consul, oder wer auch immer, beibehalten!“ Dieser Punkt war ihm wichtig. „Sollte man mich später fragen, welche Erfahrungen ich in der echten Welt hatte, bevor ich mich der Politik widmete, würde es düster ausschauen, wenn ich mit meinem Posten als kleiner Primicerius daherkäme. Und, warst du nicht selber auch Beamter?“ Er dachte kurz nach. „Procurator Annonae? Nein, Praefectus Annonae. Zumindest habe ich es gehört.“ Fragend schaute er ihn an.
    „Tribun, wenn ich das wäre, ich weiß nicht...“ Er blickte unglücklich daher. „Das wäre so weit von Rom weg... Mantua wäre schon eine Strecke. Und was, wenn man mich nach Dakien, oder nach Kappadokien schickt? Oder nach Britannien, oder Germanien?“ Er war verzweifelt. Ein Tribunat, daran würde er ersticken!
    „Oh.“, meinte er nur, als Furianus ihn korrigierte, wie schon gehabt. Dann nickte er. „Gut.“, sagte er kleinlaut.
    Als sein letzter Satz kam, legte er seinen Kopf leicht schief. „Ich weiss schon, tja... aber willst du, dass ich dir von meiner Idee erzähle?“, fragte er, sehr langsam sprach er dabei. Vielleicht würde sich Furianus wirklich dafür interessieren.

  • Der klägliche Erklärungsversuch, es seien nur Unwichtige bei diesem Spektakel zugegen gewesen, beruhigte Furianus nicht im Geringsten. Er würde seine Spitzel darauf sowieso ansetzen, egal was ihm der Jüngling hier vom Himmel log. Dass er log, stand ohnehin fest, denn das würde jeder in dieser Situation machen - auch der Senator selbst.
    Doch er ließ es vorerst dabei und auch die fehlende Einsicht bezüglich des miserablen Lyraspiels bei dem flavischen Hoffnungsträger tangierte ihn nunmehr periphär. Irgendwann, nach zwei oder drei weiteren Lektion würde es ohnehin in seinen Kopf gehen müssen. Wenigstens war es ein recht erfreulicher Umstand, dass der Junge wohl zu verstehen schien, dass die Linie des Senates bezüglich vergangener Kaiser nicht mit seiner persönlichen übereinstimmen musste, lediglich mit seiner öffentlichen. Dies war schon einmal ein großer Fortschritt und ohnehin schwarnte dem Flavier eine leicht anstrengende Arbeit an dem Jüngling. Er würde entweder Geduld, Züchtigung mit der Peitsche oder einfach nur verbale Kraft brauchen, um aus diesem Rohgebilde in kürzester Zeit einen annehmbaren Vertreter der Flavier zu machen. In Gedanken notierte er sich auch gleich mal in den Archiven nach dem aktuellsten Stammbaum zu schauen. Das Übel musste man an der Wurzel packen und bevor sich hier weitere Aspiranten flavischen Blutes einfinden sollten, würde Furianus dem Schrecken zuvor kommen können, und wenn auch nur mit Goldmünzen, schon im Voraus für eine adäquate Formung sorgen. Und das bevor sie sich nach Rom aufmachten. In den Dörfern, zu denen er außer Misenum fast alles auf dem italien Festland zählte, wurde doch zu nachlässig mit der Jugend umgegangen.
    Die Angst vor der juristischen Prüfung des Vinicius konnte der Senator ein wenig nachvollziehen, es entlockte ihm sogar ein leichtes Lächeln. Doch er musste auch hier ein Beispiel abgeben und sah dem Jüngling verwundert in die Augen.
    "Du solltest dich schon früh genug in das Gedächtnis namhafter Senatoren brennen. So eine Prüfung ist eine sehr gute Gelgenheit Senator Vinicius Hungaricus deine Fertigkeiten aufzuzeigen und ihn zu beeindrucken. Ich halte viel von ihm, schließlich war er nicht nur mein Nachfolger in Hispania, sondern ist jüngst zum Statthalter Germaniens ernannt worden. Für deine Zukunft wird auch er entscheidend sein.", da der Vinicier sich selbst auf seine patrizische Linie berief und im Senat hoch geachtet war. Zudem zählte diese Familie zu denen der Etabliertesten im Senat und war nicht so aufbrausend tölpelhaft wie die Homini Novi, von denen es leider zu viele gab. Die Germanicer an erster Stelle.


    Nun fuhr der Junge doch auf und dem Senator blieb nicht verborgen, dass ihm die Arbeit im Palast doch recht zusagte. Er selbst hatte zwar nie eine gemeinsame Schnittstelle mit dem Palast gefunden, schon alleine aufgrund der Tatsache, dass es ihn persönlich schmerzte in dem Gebäude, welches einst Flavische Kaiser errichtet haben, nun unter einem Neuen kriechen zu müssen. Aber das galt für ihn und fürwahr war es womöglich doch von größerem Vorteil, wenn der Jüngling mehr Zeit im Palast verbrachte, dort Kontakte knüpfte, aufstieg und erst dann sein politisches Stelldichein im Senat genießen konnte. Er bewies ernsthaften Eifer und schon stand der Senator dem wohlwollend gegenüber, bis der Jüngling ihm geradezu vorwarf Procurator Annonae gewesen zu sein.
    "Ich war Praefectus Annonae!", fuhr Furianus ihn sofort an. Er mochte es so gar nicht, dass man seine persönlichen Leistungen herab stufte. Auch wenn dies unabsichtlich geschah.
    "Ich bin auch mehr Beamter und Staatsmann als Soldat oder Priester.", gestand er dann doch in versönlicherem Tone ein.
    Sein Lebenslauf war vielseitig gewesen, doch die Zeit als Beamter war doch die Beste. Nur befürchtete der Flavier, dass der Jüngling womöglich die anderen Perspektiven, eine militärische Laufbahn oder die in der Priesterschaft nicht ausreichend würde erfahren können. Furianus selbst hatte mehr als genug Erfahrungen in verschiedensten Bereichen des Lebens gesammelt und sich schließlich auf die des Verwalters und Politikers eingestellt. Doch was für ihn gut war, hieß nicht gleichzeitig auch für alle anderen. Zudem hatten die Flavier, seitdem sein Vater in Sardinia lebte und Aristides nicht mehr aktiver Soldat war, eine Unterrepräsentanz in militärischen Belangen. Und eine deutliche Überrepräsentanz in kultischen Dingen, wobei das auch wieder wegzubröckeln schien, nachdem Gracchus erkrankt war und die Anderen das Weite gesucht hatten. Nur ihm schienen die Belange der Familie wichtig.
    "An sich kann ich es wohl vertreten dich noch eine Zeit lang unter den Palastbeamten zu sehen. Wie lange hast du dein Amt schon inne?", fragte er sogleich ein wenig in Gedanken. Er würde mit Balbus sprechen müssen, denn der Junge musste ja auch aufsteigen.


    "Man wird dich nicht irgendwo hin schicken. Auch nicht an das Ende der Welt, denn du bist Flavier, bewirbst dich um ein Tribunat in Italien und ich würde dafür sorgen, dass du es in Mantua absolvierst. Tiberius Vitamalacus ist schließlich auch unseres Standes, wie du weißt. Aber das könntest du auch nach deinem Vigintivirat absolvieren.", folgerte er und nickte noch einmal bekräftigend."Ja, das wäre gut, um dich vor den Angriffen im Senat ein wenig zu behüten.", was er nur allzu genau kannte.
    Und wenn man den Jüngling nach Germania schicken würde, wäre das sicherlich auch eine gute Abwechslung für den Jungspund, befand Furianus. :D


    "Ich bin Politiker und Patriot. Wenn diese Idee dem Reiche von Nutzen ist, so muss ich mir die Zeit nehmen, um dich anzuhören.", sagte er lächelnd und bedeutete mit einem leichten Nicken, dass der Junge ruhig erzählen kann.

  • Der strenge Gesichtszug des älteren Flaviers zeigte drastisch auf, dass die dünne Aussage des Piso genau in der Sekunde aufgedeckt worden war, als sie seinen Mund verließ. Piso war zwar, rein körperlich, größer als Furianus, dennoch kam er sich im Vergleich zu ihm nun wie ein Zwerg vor. Furianus hatte ihn in seinem eigenen Zimmer zur Schnecke gemacht. Piso war solchen Widerstand nicht gewohnt, was auch der Grund war, wieso er sich jetzt den Worten des Älteren fügte. Doch der informierte Zuseher hätte sofort gewusst, dass der junge Flavier sich schon bald an die neuen Umstände anpassen würde und seine kindische Trotzigkeit wieder an den Tag kommen würde. War es denn bei einem 10-jährigen Knaben (der ja noch in Pisos Gehirn herumspukte) anders?
    Doch das Thema bezüglich seines Lyraspiels sollte Furianus nicht mehr tangieren, und Piso war darüber sehr erleichtert. Solange er zurückdachte, noch nie war er froh gewesen, dass dieses Thema ausgelassen wurde. Er hütete sich davor, es in weiterer Folge zur Sprache zu bringen, würde es doch nur, um es salopp auszudrücken, weitere Deckel auf seinen Kopf deswegen setzen. Immerhin sah er eine ganz, ganz leichte Entkrampfung bei Furianus, als er ihm versicherte, er würde sich öffentlich zurückhalten, was seine Ehrerbietung für den unglückseligen letzten claudischen Kaiser anging.
    Vielmehr war das neue Thema nun die Ausbildung von Pisos. Jener hatte rein gar nichts gegen eine juristische Ausbildung, viel eher war dies schon immer ein geheimer Traum von ihm gewesen, und er war Furianus ganz und gar nicht böse deswegen, dass er dem jungen Patrizier eine solche Ausbildung ermöglichte. Nur fand er irgendwie, dass der Vinicier doch eine Stufe zu hoch war. Oder doch nicht? Konnte für einen Flavier irgendetwas zu gut sein? Er richtete sich unwillkürlich auf, als er daran dachte. Soviele Meriten Hungaricus hatte, so war er doch von weniger nobler Geburt als Piso. Daran konnte man sich halten, obwohl Piso in seinem Herzen alle römischen Bürger als gleichgestellt betrachten wollte.
    Er wischte die Gedanken beiseite durch heftiges Nicken, welches wohl nach außen wie Enthusiasmus erschien. „Gut. Dann machen wir das. Aber nehmen wir einmal, in den nächsten Tagen wird der juristische Kurs wieder in Gang gesetzt. Dann wird es doch nicht nötig sein, den jetzigen Statthalter von Germanien von seinem Tagesgeschäft abzuhalten. Oder?“, fragte er. Denn innerlich hatte er trotz allem etwas Furcht davor, sich dem großen Juristen zu stellen.


    Doch eine gute Nachricht gab es, Furianus war bereit, sich für Piso für einen besseren Posten im Palast einzusetzen. Zwar wusste er, dass der im Grunde aelische Kaiser sich nicht allzu großer Beliebtheit im flavischen Hause erfreute, doch hatte Piso eine bei weitem engere Beziehung mit den Aeliern als jeder andere Flavier, und zwar durch seine Sandkastenfreundschaft mit Aelius Archias, mit der er aber hier, zu diesem Zeitpunkt, nicht unbedingt hausieren gehen wollte. Von daher aber war er der einzige Flavier, so dachte er, der bei den Aeliern vielleicht etwas erreichen konnte. Die Frage der eigenen Unzulänglichkeit stellte sich bei Piso, anders als bei vielen Familienmitgliedern, nicht. Er war von sich selber komplett überzeugt.
    Er hielt in seinem Redeschwall inne. Zwar hatte er sich sofort korrigiert, als er statt Praefectus Procurator gesagt hatte, doch schien es Furianus ihm übel zu nehmen. Tja, sich versprechen durfte man beim Senator wohl nicht. Piso verzichtete auf eine Ansage a la „Hab ich doch gesagt“, denn sofort klang Furianus wieder weniger angefressen.
    Bei ihm schien die Neigung zum verwaltungswesen wohl auch zu existieren. Nun war es so, dass sich Piso dort ebenfalls gänzlich daheim fühlte. Dem Druck eines Priesters jedoch wollte er sich nicht aussetzen, obwohl das mit der Arvalbruderschaft nicht schlecht klang. Wenn ihn jemand auf seine geistlichen Qualifikation hin befragen würde, könnte er ja auf seine baldige Mitgliedschaft bei jenen verweisen. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr gefiel ihm die Idee.
    Eine Frage rüttelte ihn aus seinen Gedanken. „Hmm. Schon seit einiger Zeit. Seit Martis.“, überlegte er. Zwar mochte das für normale Personen nicht für eine Beförderung ausreichen, sicherlich aber für einen Patrizier. Besonders einen mit ein Mentor wie Furianus.
    Doch nun wurde das leidige Thema des Tribunats wieder angesprochen. Piso ging kurz in sich. Vor seinem geistigen Auge tat sich ein Heer auf. Beziehungsweise zumindest einige Zenturien. Sie taten alles, was er sagte. Wenn er sagte, vorwärts, dann würden sie auch vorwärts gehen. Hmm... obwohl er der Soldateska wenig abgewinnen konnte, schien ihm der Gedanke, leute herumzubefehlen, doch nicht mehr zu entsetzlich. Deshalb antwortete er gar nicht, sondern nickte nur schwach, etwas verunsichert von sich selbst. Wie würde er als Soldat sein? Er war ein recht ordentlicher Fechter, inwieweit würde das helfen? Etwas merkwürdiges hatte der Gedanke des Tribunats in Piso ausgelöst. Sorge. Er war kein Mensch, der sich fragte, was passieren würde, wenn etwas käme. Doch nun überrollten sich gegenseitig die Gedanken in seinem Kopf. Zwar schien für patrizische Gesellschaft gesorgt zu sein. Aber was würden wohl die anderen tribune von einem Patrizierschösel wie ihm selber halten? Vermutlich waren viele selber kernige, gestandene Soldaten. Piso würde sich auf eine etwas unkomfortable Zeit einrichten müssen. „Müsste ich da nicht noch irgendeinen... militärischen Kurs ablegen?“, fragte er vorsichtshalber.


    Doch nun kam ein Thema, welches ihm eher lag. Furianus schien wirklich interessiert. „Also. Was ich mir überlegt habe, ist ein neues Verwaltungsgesetz. Und zwar würde es dadurch Richtern ermöglicht werden, Entscheidungen von öffentlichen Körpern für null und nichtig zu erklären. Und zwar nur, wenn eine Entscheidung von jemanden angefochten wird, der genuegend Interesse an der Entscheidung besitzt, und diese Anfechtung in einem gewissen Zeitraum gebracht hat.„ Er überlegte kurz. „Entscheidungen könnten, wenn diese Anforderungen erfüllt sind, aufgehoben werden, wenn bewiesen werden kann, dass sie illegal war, dass sie irrational war, das der Entscheidungsträger befangen war oder dass eine falsche Verfahrensweise angewendet worden war.“ Er räusperte sich. „Sollte das bewiesen werden können, wird der betreffende öffentliche Körper eine neue Entscheidung treffen müssen, und zwar in jenem prozeduralen Rahmen, den das Gericht vorgibt.“ Er räusperte sich abermals.
    „Das klingt jetzt sehr kompliziert, denke ich. Lass mich dir ein Beispiel geben. Wenn wir schon beim Heer sind – nehmen wir einen Optio, der zum Centurio erhoben werden will. Ein anderer wird aber statt ihm erhoben. Diese Erhebung kann für nichtig erklärt werden, wenn zum Beispiel der für die Erhebung zuständige Offizier die Entscheidung, sagen wir, seiner Mätresse überlassen hat, oder sie gemacht hat, weil er bestochen worden ist – das wäre ganz klar illegal. Sie wäre auch ungültig, wenn der Offizier den einen Optio erhoben hätte, nur weil jener rote Haare hat – das ist ganz klar ein irrationales Motiv. Oder aber der erhobene Optio ist der Sohn des Offiziers – ganz klar wäre er befangen in jenem Fall. Oder, sagen wir, der Offizier hat eine unfaire Methode angewandt, um festzustellen, wer geeigneter war. In all diesen Fällen müsste der zuständige Offizier neu entscheiden. Und zwar nach jenen Richtlinien, welche das Gericht vorgibt.“ Er atmete tief aus, es verlangte ihm anch einem Schluck Wasser nach der langwierigen Erklärung. „Das ganze wäre dann natürlich viel komplexer. Ich könnte dir den detaillieren Gesetzesrahmen aufschreiben, wenn du willst."

  • Verwundert hob der Flavier abermals seine rechte Augenbraue gen Himmel. Was der Jüngling da von sich gab, ergab im Grunde keinen Sinn. Schließlich hatte er bis vor einigen Minuten noch den Kurs als gänzlich unwiderbringlich und versperrt beschrieben. Vielleicht sollte der Senator selbst einmal nach den Dingen schauen - schließlich war die Frage außergewöhnlich sonderbar.


    "Was soll das nun heißen? Ist dieser besagte Kurs nun im Angebot der Schola oder nicht?", hackte er deshalb sicherheitshalber noch einmal nach.
    Der Junge hatte etwas zu verbergen und Furianus mochte Geheimnisse alles andere als sehr.
    Doch es gab weitaus wichtigere Themen, die nun auch dringlicher waren als ein Kurs, den Furianus mehr als Nebensächlichkeit ansah.


    "Über den Kultusverein werde ich dich noch in den nächsten Tagen informieren.", kündigte er an und verfolgte insofern sein eigenes Interesse. Die Arvalbrüder lagen schon eine lange Zeit lang ziemlich brach, wenn man es metaphorisch ausdrücken wollte. Er musste da selbst noch Schritte einleiten, bis er Piso hinein schubsen konnte. So oder so musste der Jüngling irgend einem Verein beitreten. Warum nicht dem, welchem der jeweils amtierende Kaiser angehören musste? Das konnte von Vorteil sein.
    Und im Palast schien er auch nicht so recht voran zu kommen. Seit Martis war zwar keine Ewigkeit, aber ein ambitionierter Flavier hätte da doch was machen können. Wenigstens an den Vorgesetzten hätte er sich halten können. Aber das war nun irrelevant, wenn Furianus selbst bei Balbus vorbei schauen sollte.
    "Seit Martis also. Nun ja, ich werde mit deinem Vorgesetzten sprechen.", sagte er in Gedanken versunken recht leise und wollte noch ein ", aber ich kann dir nichts versprechen." einfügen, befand es jedoch als nicht gerade förderlich. Er stellte sich nun ja als omnipotent und recht einflussreich auf, da konnte solch ein Satz die ganze Integrität vor dem Jüngling, und vor allem seinen Respekt, tief erschüttern. Dann würde er womöglich noch aufbegehren, was Furianus selbstverständlich schlecht aufstoßen würde. So bedeckte er sich mit Schweigen und war wiederum verblüfft, als der Jüngling über den militärischen Werdegang sprach.


    "Nicht nur irgendeinen militärischen Kurs, sondern das Examen. Aber ich gehe wohl recht davon aus, dass du wenigstens das Erste schon hast.", entgegnete er etwas scharf und blickte Piso eindringlich in die Augen. Natürlich hatte er es nicht, das war dem Senator gleich im ersten Augenblick bewusst geworden, nachdem er sich so gegen ein Tribunat sträubte.
    "Was hast du überhaupt die ganze Zeit lang gemacht, bevor man befand dich nach Rom zu schicken?!", war dann auch sogleich recht laut ausgesprochen worden.


    Ein Sklave stand, wie üblich, im Türrahmen und hörte sich dies schon seit einiger Zeit stillschweigend an. Furianus entdeckte diesen Gegenstand, als viel mehr sah er Sklaven auch nicht an, gerade im rechten Moment.
    "Bringe mir verdünnten Wein, sofort. Und anschließend räumst du das hier auf."
    Damit war unmissverständlich der Boden gemeint. Solch eine Unordnung war geradezu erdrückend für die flavische Ordnungsaffinität. Aber das war kein allzu bedeutsames Problem, um darüber sprechen zu müssen. Hierfür gab es ja Sklaven und solange Piso hier keine politischen Zirkel mit seinen späteren Senatskollegen würde abhalten wollen, konnte es Furianus recht egal sein, wie aufgeräumt das Zimmer war. Aber just in diesem Moment hielt er sich hier auf und daher hatte es ordentlich zu sein.


    Wieder Piso lauschend, saß der Senator versteinert da und hörte sich die Idee des Jünglings an. Langsam aber sicher türmte sich vor dem Senator ein anderes Bild des Jünglings auf, während er sprach und sprach. Gleich darauf fragte er sich, wie der Junge erzogen worden war. Und vor allem, welcher inkompetente Grieche diesem Hoffnungsträger die ganze Zukunft genommen hat, indem er ihm diese Moral eingebleut hatte. Das war unerhört und er musste sofort an den Vater des Jungen schreiben. Lehrer waren gut, aber nicht jeder Lehrer lehrte, es gab auch welche, die in diesem Beruf mehr sahen als nur die Vermittlung von Wissen - nämlich jene, die durch ihre Machenschaften eine scheinbar bessere Welt kreiren wollten. Und damit brachten sie junge Römer, wie diesen Jüngling, um alle Chancen in der Politik und damit auch um Macht, Ehre und Geld.
    Langsam legte der Flavier seine Hand auf die Schulter des Jungen und seufzte tief.


    "Ich bin positiv überrascht, dass du dir über unsere Verwaltung den Kopf hast zerbrochen.", ob er einfügen wollte, dass er dies nicht nur im übertragenden Sinne meinte, sondern auch diese Idee als die eines Geisteskranken ansah, darüber sinnierte er eine Weile. Entschied sich jedoch dagegen und fuhr bedächtig fort.
    "Damit erschaffst du zuerst ein Konstrukt der größten Bürokratie, die wir hier haben. Damit verlangsamst du wichtige Prozesse und untergräbst vor allem die soziale Hierarchie wie auch die berufliche. Was schlimmer ist, kann ich dir jetzt noch nicht sagen. Du legst damit jedem noch so kleinem Mann ein bedeutendes Recht in die Hand, mit dem er nicht umgehen kann - das versichere ich dir. Du gibst jedem zu viel Macht.", urteilte er vernichtend und dann folgte, etwas leiser, damit es ja keiner hören mochte, noch ein Satz.
    "Und du zerstörtst unser System, unsere Stellung und damit letztendlich das ganze Reich."
    Und weil er davon ausging, dass der Jüngling es nicht verstehen konnte, seufzte er leise und nahm den Becher verdünnten Weines, welcher just in diesem Moment gebracht wurde, benetzte damit seine Kehle und fing an zu erklären.
    "Hierarchie, Disziplin, dies sind die Säulen eines guten Staates, einer guten Armee, einer guten Verwaltung. Mt deinem Gesetzt untergräbst du dies alles, legst einfachen Menschen viel Macht in die Hand und verlangsamst alle Prozesse.
    Du gehst im Idealfalle davon aus, dass Missbrauch in der Entscheidungsfindung vorliegt. Nämlich dann, wenn der Entscheider voreingenommen gegenüber einem der Kandidaten ist. Das ist fast immer der Fall - so funktioniert das System. Gerade jetzt, schaue mal dich an. Ich werde deinen Vorgesetzten sprechen, um für dich eine günstigere Position am Hofe zu erwirken. Was würde der Mann sagen, welcher die gleiche Kompetenz wie du besitzt, jedoch keinen Senator in der Familie? Er würde vor Gericht ziehen. Das hieße für dich im schlimmsten Falle zu verlieren und auf eine Befröderung zu verzichten, für den Staat hieße es im Zeitraum der Entscheidungsfindung durch den Richter ein Amt unbesetzt zu halten, welches vielleicht dringend eine Besetzung braucht. Für den Richter hieße es wiederum sehr viel Macht. Was ist, wenn er gerade einen Flavier nicht dort sitzen sehen will? Du hättest gleich keine Chancen. Und was bedeutet es für deinen Widersacher? Genau, sehr viel Macht, denn du kannst nicht davon ausgehen, dass auch die vor Gericht ziehen, die auch wahrlich im Recht sind. Was ist mit dem enttäuschten und eifersüchtigen Schreiber, der gegenüber seinem Kollegen, zwei Officien weiter, nicht befördert wird? Was ist mit dem Soldaten, der nicht Optio wird? Einem Tribun, einem Magister Scriniorum, einem Priester, Nauta, Centurio? Auch wenn die Entscheidungsfindung rechtens wäre, sie alle würden klagen. Und die Männer, welche wirklich aufgrund ihrer Taten und Kompetenz erhoben wurden, hätten sich dann jedes Mal mit Anzeigen zu beschäftigen. Stelle dir vor allem die Masse vor! Wir bräuchten hierfür mindestens Hunderte von Richtern! Der ganze Staatsapparat würde zum erliegen kommen, wenn jeder überall klagt."
    , dann setzte der Senator ein leichtes Lächeln auf.
    "Sind außerdem nicht alle Personalentscheidungen rechtens? Warum hat sich die Mätresse für diesen Optio entschieden und nicht für den anderen? Vielleicht sieht er besser aus, vielleicht ist er stärker oder sie ist auch dessen Mätresse? Wer kann es dem Mann verübeln, wenn er gegenüber dem anderen Vorzüge hat, die eine Mätresse anders gewichten würde als der wahre Vorgesetzte? Was wäre, wenn die Mätresse die Verwandte eines der Soldaten gewesen wäre? Dann sage ich doch, dass gerade dieser Soldat sich mehr um sein berufliches Vorankommen mehr bemüht hat als der andere, indem er einfach seine familiären Bande nutzt oder gar die Frau dafür einsetzt? Und was wäre so schlimm daran, wenn der Erhobene der Sohn des Vorgesetzten wäre? Könnte er nicht gerade damit argumentieren, dass der Wille, die Stärke und die Kompetenz des Vaters im Militär auch in ihm zu sehen sein könnte und der eigene Vater ihn selbst befördert? Wenn der Vater dieses Amt erreicht hat, ist es doch wahrscheinlich, dass sein Sohn gewisse Fertigkeiten geerbt hat? Was wäre daran falsch, wenn sie dich, einen Flavier, anstatt einem Bedeutungslosen, erheben? Hast du nicht Ahnen unter den Göttern, hast du nicht Ahnen, welche einst das Reich regiert haben, den Willen, die Kraft und das Wohlwollen der Götter besaßen, um dahin zu kommen, wo sie waren?
    Warum sind wir Patrizier überhaupt den Plebejern höher gestellt? Weil wir es verdient haben, entweder direkt oder durch unsere Ahnen. Unser ganzes System besteht aus voreingenommenen Entscheidungen. Und vor allem musst du beweisen, dass jemand geeigneter ist als der andere, du musst beweisen, dass gerade dieser Aspekt ungerecht sein mag und ein anderer nicht. Glaube mir dein Gesetz ist nicht nur illusorisch, sondern auch vernichtend für jede Gesellschaft."
    , dann verschwand das gutmütige Lächeln und wich einem steinharten Ausruck.
    "Und ich werde mich nicht hinstellen, um im Senat ein freudiges Lachen als Erwiderung auf dein Gesetz zu ernten.", schließlich kannte er sich damit aus und hatte schon viele Gesetze in den Senat gebracht. Eines davon erhielt sogar seinen Namen, das Lex Flavia.

  • Unwiderbringlich und auf ewig versperrt hatte der „Jüngling“ natürlich nicht gesagt, nur abgesetzt. Desahlb verwunderte sich Piso ein wenig über seine Worte. „War ja nur ein Gedanke.“, meinte er leise. Neinnein, vor Hungaricus zu stehen war überhaupt keine behagliche Aussicht für ihn. Er würde die nächsten tage noch einmal nachschauen, vielleicht würde sich da etwas ändern. Wenn nicht, würde er einfach seinen Mut zusammennehmen, vielleicht sogar nach Germanien reisen müssen.
    Von Thema wurde aber nun gnädigerweise abgelenkt, und Furianus versprach ihm, sich bei den Arvales Fratres für ihn einzusetzen. Piso murmelte ein „Danke“. Ja, die Vorstellung von solch einem exklusiven Club behagte ihm schon. Und außerdem, er hatte im Moment viel zu weiche Knie, um Widerspruch gegen irgendetwas einzulegen.
    Auch froh war er, dass sich Furianus für ihn beim Prudentier einsetzen würde. Sein Chef würde sicherlich sofoert etwas in die Wege leiten, wenn Furianus wirklich so einflussreich ist, wie er sich gibt, dachte sich Piso und entspannte sich etwas. Vielleicht konnte das ganze ja noch gut gehen. Vielleicht würde er jetzt einfach noch ein bisschen in der Kanzlei versumpern dürfen, und dann mühelos die Karriereleiter hochglitschen können. Gracchus hatte ja selber gesagt, der Pfad in den Senat düfte nicht allzu steinig werden. Wie einfach stellte der junge Flavier sich das vor! Gut, dass Furianus nichts davon mitbekam, was sich Piso dachte.
    „Das Examen. Das meine ich ja. Und nein, ich habe es nicht.“ Er blickte Furianus geradlinig an. „Ich habe nicht das Geld dafür. Ich wollte nicht bei irgendjemanden um Geld betteln gehen.“ Er hatte doch noch einen gewissen Stolz. Dass er zudem nicht das Interesse an so etwas hatte, verschwieg er geflissentlich.
    „Was ich gemacht habe?“, echote Piso die Frage des Senators. „Ich bin im Reich herumgereist.“ Und habe dabei einiges an Geld auf den Kopf gehaut. „Ich habe mich fortgebildet an verschiedensten Ecken und Lehrstätten im Reich. Natürlich habe ich auch dem Museum in Alexandria einen Besuch abgestattet!“ Und alles, was ich dort gesehen und gelernt habe, sofort wieder vergessen. „Und ich habe meinen Leibsklaven gekauft, in Britannia.“ Wie aufs Stichwort sah er den tumben Cassivellaunus an der Türschwelle stehen, lauschend, sich daran ergötzend, wie sein Herr zur Schnecke gemacht wurde. Einen eisigen blick erhielt er. Das würde noch ein Nachspiel haben. „Was ich hie und da bereue...“, knirschte er zwischen seinen Zähnen hervor. Cassivellaunus errötete leicht, peinlich berührt, und schlich sich hastig davon.
    „Danach, als ich mit meinen Reisen, mit denen ich dich nicht weiter langweilen will, zu Ende war, habe ich in Ravenna gewohnt. Bei meinem Vater. Vielleicht kennst du ihn. Wenn du ihn kennst, wirst du wissen, wieso ich es nicht lange in Ravenna ausgehalten habe.“ Sein Blick wurde kurz düster. „Ich arbeitete kurz als Scriba in Ravenna – mein Vater wollte, dass ich das machte – doch ich schmiss diese elende Arbeit. Und ich kam nach Rom.“ Nach einem Streit, bei dem sich die Balken nur so bogen, dachte er, ein bisschen unglücklich, dass es so weit gekommen war.
    Als Piso redete, kehrte Cassivellaunus mit etwas Wein zurück. Er schenkte zwei Becher ein und übergab sie an die beiden Patrizier, bevor er begann, sich dem Aufräumen zuzuwenden.
    Er war schon weit gekommen, als Piso aufhörte, und es an Furianus war, zu sprechen.
    Was er zuerst sagte, hörte sich vielversprechend an, und Piso grinste schon – da wurde seine Hoffnung auf einen Schlag vernichtet. Furianus war gegen seinen Vorschlag. Nein, er zermalmte seinen Vorschlag. Seine Worte donnerten wie Fausthiebe auf den unglückseligen Piso herab. Und das schlimmste war – es amchte Sinn, was er sagte. Ja, das Problem war die Bürokratie, die dadurch entstehen würde. Und das Problem für jeden konservativen Patrizier war, dass viel Macht dem Volk gegeben wurde. Zwar war seine Idee rechtsstaatlich einwandfrei motiviert, sie würde Anklang finden bei den niederen Schichten, und sicher war die Idee sehr progressiv. Doch eine solche Idee im Senat vorzubringen war politischer Selbstmord. Der Senat war die reiche, herrschende Schicht Roms. Alle waren sie konservativ und liebten den Status Quo. Niemand würde radikale Reformen machen wollen.
    Und das war das Problem. Jeder Senator würde so argumentieren wie Furianus. Jeder würde diverse Gefahren heraufbeschwören, die dieses Gesetz mit sich bringen würde. Das ein Gesetzesrahmen, ähnlich wie der, den Piso erfunden hatte, später den Beamtenkörper des in 1800 Jahren größten Reiches der Erde, das britische Empire, regulieren würde, und das bis ins Jahr, welches man 2009 n. Chr. nennen würde, wäre für alle Zeitgenossen des Piso eine unvorstellbare und undenkbare Idee.
    In Ruhe hörte sich Piso an, was Furianus zu entgegnen hatte. „Wenn die Entscheidungsfindung rechtens wäre, und alle klagen würden, würde keiner von deinen Beispielen durchkommen. Ich rede hier nicht von Verdachtsmomenten. Von kleinen Voreingenommenheiten. Ich rede nicht von Kinkerlitzchen, welche vielleicht die Waage in die eine oder andere Richtung gependelt hätte. Ich rede von himmelschreinenden ungerechtigkeiten,w elche durch so ein Gesetz richtiggestellt werden müssen. Ich will unbedingt beamtliche Ermessenfreiheit beibehalten. Sogar erweitern. Meine Beispiele habe offenbar wenig geholfen, um dir verständlich zu machen, was ich meine. Also, nochmal. Es geht nicht darum, ob die Mätresse des Tribuns keinen Verstand besitzt. Sie kann ihn natürlich beraten. Aber sie kann nciht die Entscheidung fällen,w eil sie nicht dazu befugt ist. Ich rede hier nicht von einem Fall, wo der Tribun, unsicher, wenn er befördern sollte, seine Herzensdame um Rat gefragt hat. Nein, ich meine Fälle, wo die Mätresse alles entscheidet, und dann den Beförderungsbrief unterschreibt, und die Zeremonie ausführt, statt dem faulen Tribun. Dazu hat sie nicht die Befugnis! Um solche Fälle geht es mir, was Illegalität angeht.
    Irrationalität hast du selber nicht angegriffen, ich denke, du stimmst mit mir überein, dass irrationale Entscheidungen nichts in unserem Reich verloren haben. Und zwar so irrational, dass kein einziges vernünftiges Amt jemals auf die Idee kommen könnte, so etwas zu tun. Also ist diese Herangehensweise sehr deferentiell.
    Dann Befangenheit. Man wird sicher nicht klagen können, wenn so etwas wie Einflussnahme vorliegt. Nein, mir geht es vorwiegend um die verankerung eines römsichen Prinzips – nemo judex in res sua! Niemand soll in einer Sache entscheiden können, in der er selber monetäres Interesse hat. Und, in manchen Fällen, wenn er persönlich involviert ist, also, wenn er zum Beispiel mit einem der Parteien im Streit liegt, oder befreundet ist, aus Gründen, die mit der Entscheidungsfindung selbst nichts zu tun haben! Wenn du zu Prudentius Balbus gehst, und mich ihm empfiehlst, und er mich daraufhin ernennt, haben seine Gründe für solch eine Handlung sehr wohl mit dem Fall, mit dem er beschäftigt ist, zu tun. Es gäbe da keine prozeduralen Unregelmäßigkeiten. Wenn ein Entscheidungsträger die von Ahnen vererben Qualifikationen eines anderen für gut befindet, und ihn deshalb befördert, ist nichts dagegen zu sagen. Und, was unser Beispiel angeht – der Tribun, der seinen Sohn befördert, hätte diese Entscheidungsfindung gefälligst einem anderen Tribun überlassen sollen! Was auch immer der dann entscheidet, wäre in Ordnung, weil dann kein Prozedurfehler vorliegen würde!
    Und dann zu den unfairen Methoden. Ich gebe es zu, ein Gesetz dafür ist am Entbehrenswertesten. Aber was, wenn jemand kein Recht auf Zeugen, kein Recht auf einen Anwalt, kein Recht auf eine Anhörung erhält, obwohl sie ihm zustehen würde und ganz wichtige Interessen für ihm auf den Spiel stehen? Dann hat er wohl von Natur her das Recht, sich darüber zu beschweren. Und solch ein Gesetz würde dieses Recht schaffen.
    Du siehst, es geht nicht um die Ausbügelung von sozialen Ungerechtigkeiten. Es geht nicht darum, dass Plebejer die Überhand über uns Patrizier gewinnen können. Es geht einfach nur darum, dass die richtigen Prozeduren angewendet werden.“
    Erschöpft von seinen juristischen Ausführungen, lehnte er sich zurück. „Vielleicht sollte ich den ganzen Gesetzesrahmen aufschreiben, dann hast du sicher mehr Überblick darüber.“


    Sim-Off:

    Tut mir Leid, wenn das etwas unverständlich ist. Es ist ziemlich schwer, 200 Jahre Judicial Review (britisches Verwaltungsrecht) in ein paar Absätzen zu erklären... :D Ich habe Wochen gebraucht, es zu verstehen. ->PN, wenn die Kost zu schwer ist, dann lasse ich Piso nachgeben. ;)

  • Wie schon erahnt, hatte der Junge also in keinerlei Hinsicht seine Zukunft im Senate bedacht. Ein leichtes Kopfschütteln folgte dem kläglichen Erklärungsversuch des jungen Flaviers. Schließlich wusste selbst ein Furianus, der die letzten Jahre außerhalb Roms aufgrund von Umständen verbringen musste, dass die Flavier, auch der Stamm in Oberitalien oder wo auch immer, über genügend Reserven und Mittel verfügten, um so ein Examen zu bezahlen. Lächerlich war das, doch er ließ sich den inneren Zorn nicht anmerken.
    "Das Geld also. Nun, du bekommst von mir 1000 Sesterzen. Damit hat sich das erledigt, in Zukunft will ich Leistungen sehen und du führst genau Buch, was du mit dem Geld gemacht hast. Verstanden?", antwortete er dann gerade frei heraus und schnippte kurz mit seinem Finger, so dass sein Leibsklave sich schnell näherte.
    "Bringe aus meinem Cubiculum 1000 Sesterzen, da müsste genug herum liegen.", und der Sklave ging ab.
    Ohne sich darum weiter zu kümmern, schließlich war eine Erwiderung Pisos gar nicht nötig, da nun beschlossene Sache, ging er also zum nächsten Punkt über.
    "Herum gereist, gelernt und einen Sklaven gekauft.", kommentierte Furianus mit leicht rollenden Augen.
    "Was für eine klägliche Bilanz für dein bisheriges Leben, mein Junge!", und auch wenn dieses "mein Junge" doch mehr aus ihm heraus zu rutschen schien und keineswegs irgend eine tiefere Bedeutung hätte haben können, erschrack er selbst vor diesen Worten, fuhr jedoch unbehelligt fort.
    "Das wird sich nun ändern. Dein Leben bestand bisher aus Spielereien, viel Freizeit, einem süßen Leben. In Zukunft wird es aus Arbeit, Arbeit und Arbeit bestehen. Irgendwann wirst du schon die Süße der Macht verspüren und wissen, dass es sich gelohnt hat."
    Ein leichtes Lächeln huschte ihm über die Lippen und er stand auf, um über den mittlerweile sauberen Boden wieder sinnierend in seiner Manier zu wandeln.
    "Nein, ich kenne deinen Vater nicht, aber dich als Scriba arbeiten zu lassen war wohl keine brilliante Idee.", zumidest hätte Furianus seinen Sohn lieber an seiner Seite arbeiten gesehen, als in irgend einem Loch in einer Provinzstadt unter irgend welchen stupiden Scribae.
    "Du tatest genau das Richtige. Ein Flavius ist kein Scriba. Zumindest nicht für Ravenna.", wobei ein Flavius Furianus selbst einst einfacher Legionarius gewesen war, doch das ließ er geflissentlich aus. Schließlich ging es ja nun um Piso. ;)
    Jedoch wanderte seine rechte Augenbraue merklich gen luftiger Höhe, als der Junge ihm das Gesetz zu erklären versuchte.
    "Erstens trifft ein Tribun überhaupt keine Personalentscheidungen, sondern der Praefectus selbst, also die höchste Position. Zweitens habe ich noch nie von einem Fall gehört, bei dem die Dokumente nicht korrekt gesiegelt oder die "Zeremonie", wie du sagst, nicht korrekt vollzogen wurde. Ich weiß nicht, wie du dir einen Praefectus vorstellst, aber das sind meist keine stupiden und frivolen Männer, die ihre Kompetenzen abgeben und in einer Legion einen eigenen Staat aufmachen, um ihn nach ihren despoten Gesetzen zu regieren. Ich habe bisher auch gut daran getan unseren Ämtern in dieser Hinsicht zu vertrauen, ihn die Augen eines jeden Scriba, wenn plötzlich die Unterschrift des Praefectus auf einem Dokument nicht korrekt oder gar kein Siegel vorhanden ist. Wenn du diesen Prozess schützen willst, dann müsstest du etwas zu Siegeln und Kompetenzen in Personalentscheidungen ausarbeiten und kein neues Verwaltungsgesetz.", ließ er das primär Gesagte kommentieren und wandelte anschließend weiter, um dem jungen Flavier bei den weiteren Ausführungen zu horchen.
    Furianus rieb sich leicht die Lippen und lächelte leicht.
    "Du kennst sicherlich Vetternwirschaft? Ein Begriff, den du ausmerzen willst. Doch das ist auch ein Prinzip Roms, schließlich hatte ich den Ordo Senatorius aufgrund meines Vaters inne, der selbst Senator war. Ich musste ihn mir nicht erarbeiten. Das heißt, mein Vater hat mir, zwar passiv, einen Vorteil verschafft und dies wäre in deinen Augen ebenfalls verwerflich?
    Natürlich hat jeder Römer das Recht vor einem römischen Gericht verurteilt zu werden - und sein Recht einzuklagen. Dies ist zwar meines Wissens bisher nicht verankert gewesen, aber wenn du es ausformulierst, würde es die Plebs doch gar nicht interessieren. Auch wenn ich als Legionär, der aufgrund von Fehlverhalten nicht Optio geworden ist, ein Recht hätte dies anzuklagen, hätte ich nicht das nötige Geld für einen Verteidiger, gar für die Anzeige selbst, die ja mit 500 Sesterzen auch bezahlt werden muss. Wer garantiert mir dann, dass ich Gewinne? Wer bezahlt den Anwalt, die Anzeige? Wie stehe ich vor meinen Kameraden oder Vorgesetzten da?
    Es ist nobel die Rechte zu verankern, aber an dem Status Quo wird sich nichts ändern. Ein Bauer wird sich keinen Anwalt ebenso leisten können wie ein Legionär. Und komme mir ja nicht auf die Idee dies den Staat bezahlen zu lassen! Wir haben schon genug Haushaltslöcher!
    In der Theorie klingt das ehernvoll, doch in der Praxis ist es nicht durchführbar. Wir sind nicht gleich, auch wenn wir alle das römische Bürgerrecht haben sollten."
    , gab er zum Abschluss von sich, konnte sich aber ein weiteres Lächeln nicht abgewinnen. Schließlich nahm er wieder einen kräftigen Schluck des verdünnten Weines.
    "Vielleicht wäre es wirklich besser, wenn du es ausformulierst und ich schaue darüber. Mag sein, dass sich da Einiges verwenden lässt."


    Sim-Off:

    Also ich finde die Idee an sich nicht schlecht. Aber Furianus ist nicht ich und es ist spannender dies auszuspielen, als nun gegenseitig PN´s darüber auszutauschen und sich anschließend auf etwas zu einigen. ;) Schließlich denken die Charaktere auch anders, als wir modernen Geschöpfe. ;)

  • Sim-Off:

    Habe es ja nur im Falle von irgendwelchen Sim-Off-Bedenken geschrieben. Da diese nicht gegeben sind, können wir ja fortfahren. ;)


    Ganz so richtig schien Furianus dem Nachwuchsflavier nicht ganz Glauben schenken zu wollen, als dieser seine Bildungsnot durch Geldsorgen erklärte. Nun war es so, dass Aetius durchaus Geld lagernd gehabt hatte, aber nichts davon hatte herrücken wollen, nachdem Piso eine gewaltige Menge an Geld während seinen Reisen in den Sand gesetzt hatte. So konnte man sich Pisos Mangel an abgeschlossenen Prüfungen mit der Sparsamkeit seines Vaters erklären. Doch die Motive desselbigen wollte der Flavier nicht seinem Verwandten darlegen, und somit war er sehr glücklich, dass jener nichts sagte, und sogar – unglaublicherweise – Geld heranschaffen ließ. Ganze 1000 Sesterzen! In Pisos Augen glänzte es, als er sich ausrechnete, wieviel Amphoren Falerner er sich damit genehmigen konnte. Doch ein Blick in Furianus‘ Augen ließ die Hoffnung in ihm, das Geld hübsch vertrantscheln zu können, verebben.
    „Gut, äh... in Ordnung.“ 1000 dividiert durch 500 sind 2. Zwei Prüfungen konnte er machen, und Furianus hatte keinen Zweifel daran gelassen, welche Prüfungen Piso machen sollte – die juristische und die militärische. Also gut, dann würde er sie machen. Es schauderte ihn dabei, als er dachte, er könnte versagen. Das konnte es nicht geben, er könnte das nicht zulassen. Er müsste das durchziehen.
    „Danke.“, brachte er nur hervor und sah den Sklaven zurückkehren. Schwer wog der Beutel voller Geld in seiner Hand, als er ihn annahm. Irgendwie war die Schwere des beutels beruhigend. Ganz und gar im Kontrast zu der schneidenden Stimme des Senatoren, als dieser seinen Lebenslauf resümierte, in 6, 7 knappen, harten Worten. So, wie Furianus es sagte, klang es ganz und gar nicht prächtig, was er geleistet hatte.
    Und dieses Gefühl hatte wohl auch nicht getrogen, was Furianus auch betonte. Und dann noch „Mein Junge“. Einerseits klang es väterlich, wohlwollend, gut meinend, aber auf der anderen Seite auch patronisierend und herablassend. Piso wusste nicht ganz, wie er es interpretieren sollte.
    Aus den Augenwinkeln heraus sah er Cassivellaunus letzte Hand an seinen Boden legen. Der Britannier hatte genug Verstand, um zu wissen, dass dicke Luft herrschte, und so schlich er sich artig auf dem Cubiculum heraus.
    Die Aussicht auf dreimal Arbeit klang durchaus nicht sehr erstrebenswert, und Piso verzog leicht das Gesicht. „Immer nur Arbeit? Ein Mensch zergeht daran! Ein Mensch braucht Freiluft und... und... aaach...“ Er wusste, dass er nicht ankommen würde mit diversen Trotzigkeitsaktionen, und deshalb verbiss er sich auch weitere Kommentare. „Macht...“, echote er deshalb nur Furianus Wort und ließ es sich auf den Lippen zergehen. Wäre nicht schlecht. Blöd, dass man dafür arbeiten muss. Kaiser sollte man sein, dachte er sich.
    Furianus schien aber zumindest zu denken, dass es eine richtige Entscheidung gewesen war, den Beruf zu wechseln. Immerhin etwas. Er setzte sich ein wenig auf.
    Pisos Worte gerade eben verrieten durchaus, wie nötig er einen militärischen Kurs brauchte. Er war jetzt wieder um etwas gescheiter geworden. „Gut, dann der Praefectus. Danke für die Richtigstellung.“, brachte er hervor. „Du hast es noch nie gesehen, aber wenn es so etwas geben sollte, dann wäre es doch eindeutig ungültig! Und dass so etwas ungültig wäre, würde dieses Gesetz verankern. Das Beispiel war vielleicht etwas schräg, aber es gibt andere Beispiele, wo Kompetenzenverschiebung unauffälliger vonstatten läuft. Ich denke, man braucht kein neues Gesetz bezüglich Kompetenzen. Es ist alles gut geregelt, alles klar abgegrenzt. Man braucht nur ein Gesetz, um sicherzustellen, dass dies auch so bleibt. Kein Recht ohne Remedium.“, meinte er, wieder eine juristische Weisheit aus seinem Ärmel schüttelnd.
    Er nickte, was Vetternwirtschaft anging. „Die drastische Reduzierung der Vetternwirtschaft wäre sicher ein bedeutender Effekt eines solchen Gesetzes. Doch das, was du ansprichst, würde nicht darunter fallen. Du siehst, dass Secundus Felix auf dich den Senatorentitel vererbt hat, ist normal. Das ist so, wie man die römische Bürgerschaft, oder Güter, oder Barschaft vererbt. Alles im gesetzlichen Rahmen. Niemand kann daran rütteln. Dass dies so funktioniert, ist ein festes Gesetz. Es könnten eben nur Exekutiventscheidungen belangt werden, keine Legislativentscheidungen. Sonst könnte durchaus die Anarchie entstehen, die du fürchtest. Wenn die Prozedur nach geltendem Recht in Ordnung war, kann niemand daran etwas rütteln.“, erklärte Piso.
    „Was deine weiteren Punkte betrifft, muss ich dir Recht geben. Für arme Leute würde es noch immer wenige Chancen geben, Entscheidungen zu belangen. Aber sie können es sich ja borgen. Und selbst wenn! Ich bin nicht auf irgendeine Reichtumsumverteilung aus. Wer nicht belangen kann, der kann es halt nicht. Unsere Gerichte sind einfach schwer zugänglich für die unvermögenden Schichten. Das stimmt auch für alle Gesetze, die derzeit im Umlauf sind.“, meinte er. Naive Träume von Gerechtigkeit für alle würde es nie geben. Doch er dachte, ein Gesetz, wie es ihm vorschwebt, brachte dies ein Stück näher. Und es würde für ein wenig Abwechslung im grauen Beamtenalltag sorgen. In Piso steckte trotz allem doch ein Stück Bürokrat, eine Charaktereigenschaft, die sich vermutlich im Alter immer mehr bemerkbar machen würde.
    „Ich werde es auf jeden Fall zu Papier bringen. Mal sehen. Vielleicht gefällt es dir dort oben besser.“, meinte er.

  • "Und ich erwarte recht bald erste Ergebnisse, verstanden?", antwortete der Flavier auf die doch offensichtliche Zerstreutheit seines Gegenüber.
    Der Jüngling musste gezähmt werden, das wurde ihm nunmehr ganz bewusst. Er stand dazu bereit, fühlte sich stark genug und hatte auch eine gewisse Stellung inne. Es galt ihn nun in die richtige Gesellschaft einzuführen.


    "Bist du überhaupt schon verlobt oder anderweitig jemandem versprochen?", fragte er dann ganz unverhofft, da diese wichtige Thematik nicht übergangen werden durfte. Nun war der Spross in Rom und falls irgend ein Dorfmädchen seiner Karriere würde im Weg stehen können, musste dies beseitigt werden.


    Zu dem Gesetzesvorschlag schwieg der Flavier bewusst. Er wollte einen ausgearbeiteten und konkreten Vorschlag sehen, bevor er sich noch weiter in die Materie vertiefte und womöglich noch Kopfschmerzen bekam.
    So nahm er einen weiteren Schluck aus dem Becher und stand auf, um wieder eine seiner Reden einzuführen.


    "Und weil du nun in Rom bist, gibt es gewisse Regeln. Wir treten einheitlich auf, wir einheitliche Meinungen, einheitliche Freunde und Feinde. Wenn du davon abrückst, damit mir oder der Familie Schaden zufügst, wirst du mich richtig kennen lernen - und ich bin kein Witzbold, solltest du wissen. Frage die Gebeine einiger Sklaven im Theatrum Flavium.", fing er an und ging langsam hin und her.
    "So schwer ist es aber nicht. Unsere Feinde sind die selbsternannten Volksvertreter, Volksverhetzer, Frevler und gegen unseren Stand Hetzende. Das sind im Grunde aller Mitglieder der frevlerischen Gens Germanica. Und weil du sicherlich ein wissbegieriger Junge bist, erkläre ich dir auch warum. Germanicus Avarus hetzte einst auf der Rostra, als amtierender Praetor und Consul-Aspirant, gegen unsere aller Abstammung. Gegen Romulus und Remus, gegen die ersten Siedler Roms, gegen unsere Ahnen - gegen unsere Götter. Dieser Barbar war seit diesem Tag der Inbegriff meines Hasses gegen diese Neuaufkömmlinge, Frevler und Pseudo-Vertreter des kleinen Mannes. Sein Neffe, Cousin, was auch immer, dieser Germanicus Sedulus, das ist sein getreues Schosshündchen und hat fast immer die gleiche Meinung wie sein Herrchen - also die Falsche. Außerdem ist er ungebildet, vorlaut und frivol - so etwas gehört nicht in den Senat.
    Wer unsere Freunde sind, muss ich dir nicht sagen. Eigentlich sollten wir als Patrizier zusammen halten, aber es gibt auch vernünftige Plebejer, die einer guten Ansicht und einem guten Weg folgen, unsere Wegbegleiter sind. Für mich kann ich nur sagen, dass unter den Senatoren ich Tiberius Durus als meinen persönlichen und sehr guten Freund schätze. Wie es bei dir wird sein, das weiß ich nicht - solange es kein Germanicus ist.
    Verstanden?"

  • „G... gut.“ Piso bemühte sich um eine feste Stimme. Inwieweit sie ihm gelang, war noch etwas unsicher, aber er versuchte, jenes grenzenlose Selbstvertrauen, welches Furianus ihm gerade vor einigen Minuten geraubt hatte, wieder wenigstens partiell wiederherzustellen. „Ich mache das! Ich wollte es eh immer schon machen! Da sind wir uns ja einig!“, rief er erfreut aus. „Und nachher, wenn ich alles offiziell hab, dann... sehen wir weiter. Wird schon irgendwie kommen, so oder so. Doch die Muße soll dabei nicht vergessen werden.“, philosophierte er altklug.
    Bei der nächsten Frage des Furianus aber hätte er beinahe den Inhalt des Bechers, aus dem er zu trinken beachsichtigte, verschüttet. Er kam auf ein leidiges Thema zu sprechen. „Es gibt da... ich wollte es eigentlich als Überraschung planen und sie euch, als Familie, gemeinsam vorstellen. Aber es gibt da tatsächlich ein Mädchen. Sie ist aus bestem Hause.“ Wenn auch nur plebejisch, aber wer wollte das den so eng sehen? „Ich bin sicher, sie wird dir gefallen.“, meinte er. „Aber wie gesagt, ich will sie euch demnächst vorstellen.“
    Zu seinen juristischen Schwadonierungen hatte Piso eigentlich auf eine Antwort gehofft, eine Antwort, die nicht kam. So ließ er seine Schultern zurücksacken und bereitete sich, als Furianus wieder aus seinem Becher trank, auf eine weitere Rede vor. Dieses mal ging es um die Regeln Roms. Hier erkannte selbst Piso, dass ihm ein erfahrener Politiker weiterhelfen könnte. Als Familie auftreten, hmm, das implizierte einiges. Er lauschte andächtig und trank nun seinerseits einen Schluck Wein. Er lächelte, vom Wein ein wenig beeinflusst, Furianus breit an. „Hmm, verstanden? Neeee.“
    Dies sagte er allerdings, bevor er sich die Gebeine der Sklaven im Kolosseum ins Gedächtnis rief. Es war vernünftig vorhersehbar, dass Furianus ob solch einer Ansage beweisen wollen würde, dass er ganz und gar keinen Spaß verstand. „Nein, nein, nur ein kleiner Scherz! Alles verstanden! Alles klar! Und ich habe da auch gleich ein paar Fragen!“, ratterte er los, um von seiner vorigen Fettnäpfchenaktion abzulenken. „Also, das heißt wohl auch, dass ich die Factio Purpurea unterstützen soll, wo immer es ein Wagenrennen gibt. Die Gens Germanica also. Ja... mir selber ist sie nicht sehr gut im Gedächtnis. Kenne ein paar... sehr unangenehme Zeitgenossen“, Zeitgenossinnen, um genau zu sein, „aus dieser Gens. Ich werde mich selber wohl nicht mehr für sie erwärmen können. Dann gibt es ja die Patriziergentes. Mit welcher haben wir momentan den besten Draht? Mit welcher wäre unsere Beziehung ausbaubar? Und welche sind die uns am meisten gewogenen Plebejergentes? Sicherlich die, welche der Purpurea nahe stehen. Die Matinier, die Artorier, die Caecilier, die Pompeier, da habe ich sicher einige vergessen? Wie sind unsere Beziehungen mit der Aelia... und der Decima, die ja in den letzten Tagen in aller Munde waren durch den neuen Praetor?“, fragte er ganz beiläufig. „Sind diese Germanicer eigentlich Germanen? Der Name klingt ziemlich komisch. Ein ziemlich neues Geschlecht, nicht wahr? Voll von Homines Novi.“, mutmaßte er.
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    "Und, Lucius Furianus? Ich habe mir gedacht... ich sollte mir vielleicht einen Patron suchen. Hast du da vielleicht einen Vorschlag?" Er wollte zuerst die Meinung von Furianus wissen, bevor er ihm seine eigene Meinung unterbreitete.

  • Von dem kläglichen Versuch das desaströse Geschäft mit seiner Musik doch noch zu verteidigen, war der Flavier gar nicht beeindruckt. Im Gegenteil, seine kleinen Äderchen am Hals waren zu sehen, als er doch bemerkte wie spaßig der Junge das hier alles fand.


    "Wenn du nicht einen Deut an Selbstbeherrschung aufweisen kannst, dann scherrst du dich gleich hinfort in dein Dorf, aus dem du kamst! Und ich werde dafür sorgen, dass du auch dort bleibst!", rief er dann in des Piso Gesicht, so dass die Sklaven ein wenig erschracken. Sein Brustkorb bewegte sich schneller als zuvor und er brauchte erst einmal ein paar Minuten, um seine Contenance wieder zu finden.


    "So.", beendete er abrupt seinen Anfall und fing wieder an herum zu gehen, wobei seine rechte Augenbraue doch noch stets hoch gezogen blieb.


    "Ich bin alt genug, um zu wissen, dass solcherlei Überraschungen, wie du es nennst, sich nicht zum Guten wenden.", kommentierte er die Pläne des jungen Flaviers und hielt dann inne.
    "Solange ich nicht sage, dass sie aus bestem Hause ist, ist sie es nicht und wir werden alles Mögliche unternehmen, um dich aus dieser Bindung zu befreien. Sofern es eine gibt."
    Bei dem letzten Satz sah er den Jungen fragend an und hoffte, dass er nicht noch mehr Probleme machen würde. Zur Not würde Furianus einige Tausender opfern müssen, um den Vater des Görs zu bedienen.


    Dei Fragen hinsichtlich der politisch angemessenen Art und Weise öffentlich aufzutreten, waren schon erfreulicher Art. Zumindest schien er da nicht so verbohrt wie zuvor. Und so fand auch der Flavier die Muse einiges näher zu erläutern.
    "Die Factiowahl überlasse ich dir, denn mein Vater ist zum Beispiel Anhänger der Veneta, Arisitedes, sofern ich mich nicht täusche, ebenfalls. Und Gracchus, da bin ich überfragt. Die Wahl einer Factio ist keine politische Angelgenheit mehr - früher war sie dies durchaus. Es steht dir also frei anzufeuern wen auch immer du für anfeuerungswürdig hälst.
    Zu den Barbaren müssen wir wohl nichts mehr sagen, nehme ich an. Sie sind von der Öffentlichkeit zu tilgen, nicht mehr und nicht weniger. Und so schnell wie nur möglich."
    , die weitere Frage war dann doch ein wenig differenzierter zu betrachten. So recht wusste der Flavier darauf auch keine Antwort, so dass er politisch korrekt etwas daher sagen musste.
    "So pauschal kann man nicht sagen zu welcher anderen patrizischen Gens wir sehr enge Beziehungen haben. Mir ist es auch gleich, denn ich sehe unseren Stand geeint. Wir müssen geschlossen gegen die vorgehen, die uns angreifen - und das sind die Homini Novi. Zumindest im Regelfalle.
    Wenn ich mir die Heiratspolitik anschaue, so haben wir mit den Claudiern die meisten Eheversprechen. Meine Mutter war, falls du es nicht weißt, ebenfalls aus diesem Hause. Die Verbindungen zur Aurelia sprossen zwar, sind jedoch alles andere als gefestigt. Da müssen wir unbedingt Flavia Celerinas Rolle aus Hausherrin der Villa Aurelia forcieren. Das darf nicht ins Stocken geraden, denn die Aurelier haben viele aufstrebende Politiker in ihren Reihen. Zu der Tiberia haben wir bisland keine heiratspolitischen Verbindungen schließen können, auch wenn ich schon zwei Male mit einer Tiberia verlobt war - vielleicht wollen es die Götter so. Das heißt, es ist noch Vieles ausbaubar.
    Pauschal kann ich deine zweite Frage nach den Plebejergentes nicht beantworten. Viele sind auch wankelmütig oder setzen ihre Segel mit dem politischen Wind. Also falls ein Germanicus schon wieder gegen uns hetzt, wird man hier und da ein paar Befürworter vernehmen und dann doch uns gutmütig gegenüber stehende Senatoren. Dies kann sich aber, wie gesagt, jederzeit ändern. Persönliche Beziehungen und Freundschaften zu den jeweiligen Senatoren sind also von äußerster Wichtigkeit. Besonders zu den Aeliern, da wir durch die vergangenen Taten unserer Kaiser nicht gerade die besten Voraussetzungen für eine familiäre Freundschaft mitbringen.
    Zu der Decima? Nun, ich kenne meine Meinung, deine Eigene musst du dir selbst bilden. Aber ich werde dich darüber unterrichten, falls wir uns mit Familien zerstreiten sollten - außer den Germanicii."

    Auf den folgenden Sachverhalt wusste er jedoch überhaupt keine Antwort und so zuckte er mit den Schultern.
    "Keine Ahnung, ob die Germanicii wirkliche Barbaren sind. Wer weiß das schon. Aber wie sie sich im Senat gebaren, dann sind sie es durchaus. Ein ungehobeltes Pack ist das, aber das wirst du schon spätestens als Senator zu spüren bekommen."


    Eine Frage stellte der junge Bursche, mit der der Senator niemals gerechnet hätte. Wirklich eine spezielle und recht wichtige Frage. Da hatte jemand mitgedacht und Furianus zeigte sich erfreut über solch einen Eifer.


    "Sehr schön, diese Thematik ist wichtig. Ich würde dir jedoch raten in dieser Zeit ein wenig zu warten. Der Kaiser ist angeschlagen, dieser neue Praefectus Urbi hat deutliche Ambitionen danach den Thron zu übernehmen...nun ja, da könnte eine falsche Wahl verheerend sein.
    Früher hätte ich dir zu Vinicius Hungaricus geraten oder gar dem Kaiser selbst, aber da ich gehört habe, dass Hungaricus nicht gerade ein Lieblingsgesicht in den Augen des Praefectus Urbi ist, rate ich dir da zur Vorsicht."

  • „Arrrrgl... nicht zurück nach Ravenna... uiuiuiui...“, jammerte Piso, sich vorbeugend zurücklehnend, um einen drohenden Hieb von Furianus entgehen zu können. Er lehnte sich um etwa 45 Grad in einer einzigen, ruckartigen Bewegung zurück, und nur langsam, sehr langsam, richtete er sich wieder auf, als er sah, dass Furianus ihn nicht schlagen würde, wohl auch nur deshalb, weil er schnaufte wie ein Weltmeister. Jetzt war Piso wieder eingeschüchtert. Er würde, die nächsten Minuten einmal, nicht mehr aufmucken, und nur noch vernünftige Fragen stellen. Die nächsten Minuten, wer wusste, was für Faxen ihm dann noch kommen würden. Sein Blick wanderte unbewusst in seine Hände. Sie zitterten leicht. Es war der Schrecken. Egal, was für gesundheitliche Probleme Furianus hatte, er hatte noch immer die Macht, dem jungen Flavier es angst und bang werden zu lassen.
    Ein kurzes „So“ erlöste Piso aus seiner Anspannung. In der Zeit, wo Furianus so schwer atmete, war er jede Sekunde bereit gewesen, aufzuspringen und sein heil in der Flucht zu suchen. Dies würde wohl nicht mehr nötig sein.
    Er war sehr freudig überrascht, als Furianus nicht weiter nachbohrte, zumindest was ihren namen anging. Er sah es, würde man einwerfen wollen, wohl als Axiom, dass Piso sich nur ein Mädchen aus patrizischem Hause suchen würde. Die Frage ließ Piso ein paar Sekunden nachdenken, bevor er vorsichtig antwortete: „Noch nicht... aber... es gab schon Andeutungen in Richtung Verlobung... na ja, wenn du es wissen willst – ich habe ihrem Vater versprochen, dass ich mich mit ihr verlobe.“ Er grinste leger. „Schau, sieh das doch nicht zu eng! Das war, als ich komplett betrunken war – ich meine, wie man es halt so ist – aber ich bin absolut verliebt in sie! Du wirst sie mögen! Ganz sicher!“, versprach er. Ein Versprechen, das er vielleicht nicht halten könnte.
    Er war froh, als das Gespräch nun auf etwas anderes gelenkt wurde. Diese Fragen behagten Furianus offensichtlich nun mehr, und Piso nahm sich vor, nun etwas mehr in diesem Fahrwasser zu bleiben. „Ah, ist die Flavia an keine Factio gebunden, hmmm.“, machte Piso. „Also, ich finde die Purpurea interessant, aber weißt du, wer mich sehr beeindruckt? Die Albata. Und auch die Aurata. Die Veneta, ich weiß nicht so recht. Schließlich sind auch deine beiden Germanicer Mitglied bei denen. Sie sind einfach so... populär, und man sollte sich schon von der Masse abheben. Aber dass sie nicht mehr solche politische Macht haben, ist auch gut. Vielleicht trete ich auch keiner Factio bei.“ Piso lächelte, so viele Möglichkeiten! Und in seiner Auswahl war er überhaupt nicht beschränkt. Das war ja schon was.
    Nach der obligatorischen Schimpftirade über die Germanicer (zu der Piso brav nickte und ihm mit einem „Mhm“ beipflichtete) kam der interessante Teil, die Beziehungen zu den Gentes. Man konnte zusammenfassen – Beziehung zur Claudia sehr gut, Beziehung zur Aurelia zufriedenstellend, Beziehung zur Tiberia mittelmäßig. Das waren ja die mächtigsten Patriziergentes, welche viele wichtige Politiker stellten. Piso wollte noch eine Frage stellen, was andere Patriziergentes, z.B. die Cornelier oder die Manlier [Sim-Off: Existieren ja, wenn auch unbespielt] anging, aber diese waren momentan so unbedeutend, dass man sich Erörterungen bezüglich ihnen sparen konnte. Also musste sich Piso wohl nicht dafür interessieren.
    Furianus ging sofoert zu den Plebejern über, und Piso hörte zu. Spezifisch konnte Furianus da nichts sagen, es gab da vermutlich nur ein Schwarz-Weiß-Prinzip: Germanicer oder für Germanicer: Schlecht, alles andere: Größtenteils uninteressant, Patrizier: Gut. Aber dies schien nicht immer so zu sein, beispielsweise war dies bei den Aeliern der Fall. Diese plebejische Nobilitas-Gens stellte Politiker, mit denen man auf gutem Fuße stehen sollte. Pisos Miene hellte sich auf. „Da trifft es sich gut, dass ich einen alten Freund aus Kindertagen, einen Aelier, habe. Wir haben regelmäßigen Briefkontakt.“, sagte er. Dies bewies ja, dass er sich um einen guten Draht zur Aelia bemühte. Aber bei den Decimern sagte er seine Meinung leider nicht, vermutlich war sie also nicht allzu gut. Schade, dachte sich Piso. Aber er wird sich sicher überreden lassen. Oder? Er blicke Furianus einige Zeit bedröppelt ins Gesicht. Hmmm. Ach was, nicht dran denken.
    Wieder ein Schimpfschwall über die Germanicer! Es mussten echte Schurken sein, wenn soviel Dampf über sie abgelassen wurde.
    Doch das nächte Thema schien Furianus zu erfreuen. Er horchte aufmerksam zu und zog nun seinerseits die rechte Augenbraue hoch. „Du meinst also, es sollte zu einem Putsch kommen? Hmm... also, ich habe keine hohe Meinung von diesem Vescularier. Ich habe ihn ein paar Male gesehen, wie er durch den Flur geeilt ist. Nie freundlich. Ein klassischer Grantler. Und angeblich verhält er sich Balbus gegenüber wie ein absolutes Monstrum. Aber sein Vaterland und den Kaiser verraten?“ Er blickte Furianus grüblerisch an. „Das wäre ein starkes Stück. Ich glaube nicht, dass er dies tun wird. Die Zukunft wird es uns zeigen, aber ich denke es nicht. Wieso sollte er für ein Amt, dessen Macht er jetzt eh schon inne hat, alles riskieren?“ Er zuckte die Schultern.
    „Aber was die Patrone angeht, ich habe schon nachgedacht über einen der Vinicier. Keine gute Wahl, sagst du? Ich habe mir auch Gedanken gemacht über einen patrizischen Patron. Aurelius Corvinus vielleicht. Oder doch eher jemanden, der viele Kontaktstellen in der Verwaltung hat? Purgitius Macer eventuell?“, zählte er ein paar Namen auf. „Aber gut, ich nehme deinen Ratschlag an, und lasse das Zukunftsmusik sein. Ich denke, mit deiner Hilfe, und der des Prudentius Balbus, werde ich mich schon noch errappeln, irgendwie.“, meinte er optimistisch.

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