Portae Castrae | ANMELDUNG UND POSTABGABE

  • Waren sie wirklich da? Lucia konnte es nicht glauben. Aber die Wagen hielten und die müden Reisegefährten bevölkerten den Hof. Sie waren wirklich da! Lucia lächelte schwach. Obwohl es hieß, dass sie in ihrem unfreiwilligen Exil angekommen war, lächelte sie. Es war einfach wunderbar nach mehr als zwei Monaten der Reise irgendwo anzukommen und nicht gleich weiter zu müssen. „Endlich! Ein warmes Bad, ein eigenes Zimmer, ein festes Bett!“, sprach sie schwärmerisch zu Esquilina und den anderen im Wagen. Die Tür wurde geöffnet und Lucia ließ sich heraushelfen. Nach all dem Gerumpel, nach dem ganzen Sitzen und Sitzen und Sitzen war es gut die Beine zu strecken, wie jedes Mal bei aussteigen, nur diesmal war es endgültig. Lucia atmete tief ein und entließ die Luft mit einem Seufzen. Sie blickte sich nach den anderen Mitreisenden um, die nicht mit ihr einen Wagen geteilt hatten. Beinahe fühlte sich Lucia wehmütig. Immerhin waren sie eine ganze Weile gemeinsam unterwegs gewesen. Das und es waren alle echte Römer. Von denen würde sie hier in Mogontiacum wohl nicht mehr so viele finden. Der Gedanke verursachte eine unangenehme Enge in Lucias Brust, die sie mit einem weiteren tiefen Atemzug zu vertreiben suchte. Sie war hier, sie musste das Beste daraus machen und das Allerbeste was sie sich grade vorstellen konnte war ein Bad, notfalls ihretwegen erstmal eine Wanne, wenn es nichts anderes gab. „Wer ist nun bei den Soldaten für ein heißes Bad zuständig?“, fragte sie niemanden im besonderen, meinte aber noch am ehesten die hinter ihr aussteigenden Mitfahrer.


  • In den letzten Abschnitten der Reise war Esquilina immer häufiger im Wagen gefahren, statt auf dem Muli zu reiten. Dafür gab es im wesentlichen zwei Gründe, erstens fand sie Lucia ganz nett von dem Baby gar nicht zu reden, zweitens tat ihr jeder verdammte Knochen weh.
    Mit einem kleinen Hops vom Trittbrett stieg sie aus dem Wagen, sah Lucia vor sich, und erkannte, dass sie wieder nicht ganz die Dame gewesen war. Lucia hatte während der Reise immer wieder probiert ihr beizubringen, wie man sich als Dame benahm. Vom Trittbrett hopsen gehörte sicher nicht dazu.


    "Die Häuser der Offiziere haben balnea," erklärte sie, die in einem Militärlager groß geworden war. Dabei sprach sie so leise, dass wohl nur Lucia direkt vor ihr sie hören konnte. "Bestimmt kannst du das Bad im Haus des legatus benutzen." Es war ja irgendwie ihres. Aber irgendwie auch noch nicht. "Dann gibt's noch das große Bad für die Soldaten. Aber da sind, nun ja, die Soldaten." Weshalb sie das große Bad nie betreten hatte.

  • Die alte Sklavin Sekunda quälte sich nach Esquilina aus dem Wagen. Die Reise hatte ihr überhaupt nicht gut getan, sie spürte jeden ihrer alten Knochen. Das hielt sie jedoch nicht davon ab einen tadelnden Laut von sich zu geben, als das Kind so wenig vornehm aus dem Wagen hüpfte. Dabei beließ sie es jedoch und verwendete ihre Energie lieber darauf zu der nächsten, nicht beweglichen, Sitzgelegenheit zu kommen. Nach wenigen Schritten eilte Arsinoe ihrer Kollegin zur Seite und geleitete sie zu einer am Rande stehenden Bank.


    Lucia drehte sich erst zu Esquilina um, als das Mädchen sprach. Zuerst hob sich verwundert eine Augenbraue, ob des Wissens das die Kleine hier präsentierte. Dann jedoch erinnerte sich Lucia, dass Esquilina ja praktisch in so einem Lager großgeworden war. Welch ein Umfeld für ein Mädchen! Kein Wunder, dass sie sich schwer tat mit der fraulichen Eleganz und Zurückhaltung! „Nun, das Bad für die Soldaten wäre wohl kaum schicklich, es sei denn man würde es wieder für uns Frauen sperren.“, das hatte ihr Mann ja mindestens einmal auf der Reise schon veranlassen können. An sich war das keine schlechte Idee, ging es doch sicher jeder Frau in der Reisegesellschaf genau wie Lucia. Wenn man irgendwo ankam, dann wollte man ertmal den Schmutz der Reise loswerden.


    Kurzentschlossen winkte Lucia Esquilina mit sich zu kommen und trat zu ihrem Mann, der grade mit einem Soldaten sprach. „Vala, mein Göttergatte.“, begann Lucia wie so häufig, wenn sie etwas wollte, einen ticken zu übertrieben. „Denkst du es wäre möglich für uns Frauen das große Bad der Soldaten für ein zwei Stunden zu sperren. Wir würden uns alle gerne frisch machen, nicht wahr Esquilina?“

  • Bevor der Soldat ihm antworten konnte, wandte sich Lucia mit einer Frage an Vala... was den Soldaten sofort verstummen ließ. Frei nach dem Motto 'Never mess with your commander's wife.' hielt der Mann die Lippen aufeinandergepresst und wartete, bis sein neuer Legat sich seiner Ehefrau zuwandte.


    "Frau." , quittierte er mit einem fragenden Blick die Anrede der Tiberia und hörte sich an, was sie ihm da zu sagen hatte. Unwillkürlich verdrehte er die Augen, als sich ihr Anliegen als profan und schon fast klischeehaft weiblich herausstellte. Die Thermen, war ja klar, dass dies das erste war wonach ihr gelüstete. Bevor Vala zu einer flapsigen Antwort ansetzen konnte, fiel ihm ein, dass sie ja gerade erst angekommen waren... und ihr Kommen nicht angemeldet hatten, des Überraschungseffekts wegen. Das brachte gewisse Organisationsschwierigkeiten mit sich, schließlich ging selbst ein Klotz wie Vala nicht davon aus, dass die Damen Lust hatten sich in dasselbe Wasser zu hocken indem vorher verschwitzte Soldaten gefaulenzt hatten.
    "Das Wasser zu wechseln würde Stunden dauern..." , murmelte Vala vor sich hin und ließ so durchblicken, was ihm gerade durch den Kopf ging.


    "Mit Verlaub, Legatus..." , wandte sich nun doch der Soldat an seinen Kommandanten, die Möglichkeit riechend sich bei diesem UND seiner Gattin gut zu stellen, "...die Thermae Iuliani in der Stadt haben einen Badebreich sonders für die Damen."


    "Ah, stimmt... da war was." , erinnerte auch Vala sich, dessen längerer Aufenthalt in Mogontiacum nun schon fast mehr als zwanzig Jahre her war, "Das wäre also eine Lösung für das Problem. Ich denke, der Soldat wird sicherlich kein Problem haben euch dorthin zu führen, Schatz."

  • Da hatte Vala einen guten Gedanken. Lucia nickte still. Jetzt wo sie daran dachte verspürte sie nicht das geringste Bedürfnis in altes Wasser zu steigen. Sie wollte schon erklären, dass sie gerne bereit war diese Zeit abzuwarten, da meldete sich der Soldat zu Wort.
    Lucia blickte den Mann ehrlich überrascht an. „Hier gibt es eine öffentliche Thermae?“ Das war zwar immer eines der ersten Gebäude, das irgendwo errichtet wurde, dennoch hatte sie wirklich nicht damit gerechnet, dass es in Mogontiacum eine gab. Noch dazu mit separatem Frauenbereich! Das hier war wohl doch nicht ganz so schlimme Wildnis, wie sie befürchtet hatte. Immerhin hatte es auch außerhalb des Soldatenlagers mindestens eine urrömische Errungenschaft der Hygiene. „Das ist eine sehr gute Idee. Ich hoffe doch aber sie ist nicht zu weit entfernt, wir sind nun wirklich lange genug unterwegs gewesen!“ Wirklich Lust auf einen längeren Fußmarsch hatte Lucia auch nicht und sie glaubte nicht, dass sie hier auf die schnelle eine Sänfte auftreiben konnte, geschweige denn genug für alle Frauen. „Werden die dort mit uns allen auch nicht überfordert sein?“ Gedrängt wollte ja schließlich auch keiner im Wasser sitzen, geschweige denn zu lange auf seine Massage warten.


  • Esquilina


    "Ja, frisch machen wäre wirklich gut" murmelte Esquilina gedämpft. Sie hatte den tadelnden Laut der Sklavin durchaus mitbekommen und mühte sich nicht noch mehr falsch zu machen.


    Das Soldatenbad sperren, hörte Licinus mit halben Ohr. Hervorragende Idee, gleich schon am ersten Tag einen Soldatenaufstand zu provozieren. Die Tiberia hatte manchmal Vorstellungen. Da klang der Vorschlag des Soldaten doch entschieden besser. Ganz entschieden. Licinus fing einen bittenden Blick seiner Ziehtochter auf.
    "Tiberia Lucia eine Bitte. Darf ich dir Esquilina ein weiteres Mal anvertrauen?"
    Er hatte schon mitbekommen, dass Esquilina eine positivere Meinung von Valas Frau hatte als er selbst.

  • "Wir werden erst klären, ob der Legatus Legionis uns für diese Nacht im Praetorium unterbringen kann." , wandte Vala ein, weil das Weibsvolk sich gerade so gebärdete als würde es am liebsten sofort die Thermen stürmen, "DANN ist sicherlich mehr als genug Zeit für die Thermen. Frau, kannst du das übernehmen und dem Maiordomus klarmachen, dass er heute VIELE Gäste haben wird? Ich muss mich jetzt erst um gewisse... andere... Dinge kümmern, wie zum Beispiel den Zustand meiner Provinz... die Thermen sind nur einen Katzensprung um die Ecke der Porta Praetoria."


    Auch wenn er nicht wirklich den Kopf dafür hatte, mussten doch tatsächlich gewisse Dinge vorrangig behandelt werden. Wie zum Beispiel eine grundlegende Einführung in den Zustand der Sicherheit der Provinz. Dass sie, der Abend nahte ja schon, kein großes Brimborium veranstalten mehr konnten und wollten war klar. Der offizielle Teil würde einfach auf den morgigen Tag verlegt. War ja nun nicht so, dass nach zweieinhalb Monaten Reise die Provinz in der erste Nacht abfackeln würde die er hier war.

  • Zufrieden lächelte Lucia auf Esquilina hinab, als sie ihren Part brav übernahm. Ob es viel brachte, konnte sie jedoch nicht feststellen. Vielleicht wäre Vala mehr von seiner eigenen Tochter zu überzeugen Dinge einfach zu tun und nicht Alternativen vorzuschlagen oder noch andere Aufgaben voranzusetzen. Bis Aquilina aber fähig war mit großen Augen zu ihrem Papa aufzublicken und ihn um etwas zu bitten würde es noch eine Weile dauern. Bis dahin würde Lucia einfach versuchen Esquilina den für Mädchen typischen Augenaufschlag beizubringen.
    Aber natürlich wollte auch Lucia heute Nacht irgendwo schlafen, weshalb sie nur erwiderte: „Mach dir keine Gedanken, es ist so gut wie erledigt und danach werde ich alle Frauen in die Therme führen, wenn du mich suchst.“


    Sie wandte sich von Vala ab, nur um von Iulius Licinus angesprochen zu werden. „Iulius“, sie nickte ihm etwas reserviert zu. Wenn der Mann nicht Esquilinas Ziehvater wäre... „Aber natürlich, Esquilina ist mir eine gute Gesellschaft und ich kann ihre Hilfe grade gut gebrauchen.“ Sie wandte sich an das Mädchen: „Sei so gut und sag den anderen Frauen Bescheid, dass wir gemeinsam in die Therme gehen wollen, um uns ein wenig von der strapaziösen Reise zu erholen. Ich muss noch kurz mit dem Major Domus sprechen.“ Wieder an Iulius gerichtet fuhr sie fort: „Du weißt nicht zufällig wo ich den Mann finden kann?“ In dem Gewusel, das aktuell noch auf dem Hof herrschte hatte Lucia wenig Lust suchend herumzustolpern.


  • Esquilina


    "Ich danke dir, Herrin", entgegnete Licinus in seiner üblichen knappen Art.
    Esquilina machte dagegen ein Gesicht wie ein Honigkuchenperd. Sie mochte die schöne junge Frau sehr gerne. Sie war zwar manchmal etwas reizbar, aber dafür gab es Gründe, das hatte das Mädchen gespürt und auf der langen Reise dann auch gelernt. Und dann war sie so elegant, wie niemand sonst.
    "Mach ich," nickte sie und konnte drei Schritte lang einen langsamen und vornehmen Gang aufrecht erhalten, dann wuselte durch die Menge der Leute und informierte alle Frauen, dass es gleich in die Therme ginge. Sie wollte endlich ins warme Wasser und schwimmen.


    Dann wurde er von der Tiberierin erneut angesprochen. Wo sollte so ein Maiordomus schon sein, fragte er sich. "Das Haus des legatus legionis befindet sich von hier auf der anderen Seite der principia. Also dort oder dort um die Ecke und dann der Gebäudekomplex direkt hinter diesem." mit gestrecktem Arm wies er auf die beiden Ecken der principia. Er überlegte kurz einen der Soldaten zu schicken, beschloss dann aber, dass genug Sklaven mit ihnen gereist waren, auf die die Patrizierin zurückgreifen konnte.




    Sim-Off:

    So, ich hoffe, ich hab richtig verstanden, dass der Maiordomus des Haushalts des legatus gemeint war, nicht der den Vala womöglich mitgenommen hat? Wenn nicht bitte eine PN dann ändere ich das noch mal und die Suche wird leicht anders ablaufen *prophylaktisch schon mal tief Luft hol*

  • Es gab wohl kaum etwas schöneres für die Seele, als das Strahlen eines jungen Mädchens. Wenn man dann noch selbst der Grund war, dass das Kind so glücklich war, gehörte das zu den wenigen Steigerungen. Mit einem Schmunzeln in den Mundwinkeln blickte Lucia ihrer kleinen Freundin hinterher. Diese packte es doch tatsächlich sich drei Schritte lang zusammenzureißen. Das war immerhin ein Schritt länger als beim letzten Versuch, sie machten Fortschritte! Kurz ließ Lucia ein Grinsen aufblitzen. Ja, Esquilina war ihr in den letzten Monaten sehr ans Herz gewachsen.


    Natürlich wusste Licinus wo der Maiordomus war. Irgendwie schien der Mann solche Dinge immer zu wissen. Der Wegbeschreibung konnte Lucia jedoch nicht so ganz folgen. Während er sprach runzelte sich ihre Stirn immer stärker, ehe sie den Kopf schüttelte. „Entschuldige, aber das wirst du meiner Leibsklavin nocheinmal erklären müssen.“ Suchend blickte sich Lucia in die Richtung um, in der sie eben noch Sekunda und die junge Sklavin gesehen hatte. Doch die beiden waren nicht mehr auszumachen. „Wo ist denn Arsinoe?“, fragte sich Lucia verwundert. Ehe sie den Kopf schüttelte und sich mit einem Seufzen nochmal an Licinus wandte. „Ich fürchte das wird doch nicht gehen... Wärst du so freundlich und würdest jemanden nach dem Majordomus schicken?“ Sie wollte jetzt auch nicht auf fremde Sklaven zurückgreifen, ohne den Besitzer vorher gefragt zu haben.

  • Was war daran denn nicht zu verstehen, wunderte sich Licinus. Jedes kleine Kind wusste, wie man sich in einem legionslager zurechtfand. Wie Licinus aus eigener Erfahrung mit Esquilina wusste. Aber nein, die hohe Dame natürlich nicht. Alles musste man wieder selber machen. Ein genervtes Seufzen wandelte er in letzter Sekunde in ein leichtes Schnauben um. "Ja, Herrin. Ich kümmere mich darum." Er drehte sich ein wenig von der Tiberierin weg, um sie nicht direkt anzuschreiben.


    "Tiro Octavius Rufus! Herkommen!", bellte er. Als sein momentaner Adiutor dann neben ihm stand gab er Anweisung. "Geh zum praetorium direkt hinter der principia. Frag nach dem Maiordomus des legatus und bring ihn hier her. Sag ihm es sei dringend!"

  • Nachdem der Tross nun in Germania angekommen und jeder erst einmal froh war, endlich das Ziel erreicht zu haben kümmerte sich der legatus augusti prp praetore erst einmal um die anliegenden Modalitäten. Währenddessen war Octavius Rufus abgestiegen, hatte nach den einzelnen Tieren gesehen und nach seinem Reisegepäck gesehen. Um die zwischenzeitliche Unterhaltung hate er sich nicht gekümmert, er hatte allerdings sehr wohl registriert, dass es eine kleinere Diskussion war, in die sich die Gruppe verstrickt hatte, das Thema allerdings interssierte ihn erst einmal nicht.
    Erst als sein Name viel, wurde er aufmerksamer, ließ alles stehen und liegen und war mit einigen Schritten beim Iulier und salutierte. "Praefectus Iulius Licinus, tiro Octavius Rufus meldet sich wie befohlen." Rufus prägte sich die Wegbeschreibung zum praetorium genau ein. "Wird gemacht, praefectus!" Mit diesen Worten salutierte er nochmals und war bereits auf dem Weg zum praetorium um den Majordomus herbeizuholen.

  • War Licinus von ihr genervt? Lucia konnte es nicht wirklich sagen. Sie selbst fühlte sich immer ein wenig unzureichend, wenn sie mit dem Mann sprach. Vielleicht hingen diese beiden Dinge ja zusammen, oder es war alles nur in ihrem Kopf, denn Esquilina schien von dem Mann nicht im mindesten eingeschüchtert. Da sich Lucia nicht wegen eines vagen Gefühls eine Szene provozieren wollte, nickte sie dankend.
    Kurz darauf zuckte sie erschrocken zusammen. Sie würde sich nie daran gewöhnen, dass die Soldaten immer so brüllten! Mit einem winken ihrer Hand versuchte sie den Schreck zu vertreiben, als auch schon der herbeigebrüllte Soldat vor sie trat. Er schien sofort zu verstehen wo er hinmusste und Lucia zuckte innerlich die Achseln. Soldaten eben.
    Sobald der Mann salutiert hatte, wandte sich Lucia nochmal an Licinus: „Ich danke dir…“, sie zögerte. Sie hatten noch immer nicht wirklich geklärt, wie sie sich ansprechen sollten. Nach all der Zeit unterwegs wusste Lucia nicht, ob sie den Mann vor sich nun Praefectus, Iulius oder Licinus nennen sollte. Mit einem kleinen Seufzen entschied sie sich für das Mittelding: „Iulius.“ Sie musste eh noch mit dem Mann reden, das konnte sie auch gleich noch erledigen. „Wo wir grade ein wenig Zeit haben - Ich wollte ohnehin noch mit dir sprechen.“, begann sie also „Es geht um Esqulina. Sie liebt dich wirklich sehr und du scheinst ähnlich für sie zu empfinden. Aber ich muss dir sagen, dass ein Legionslager nicht der am besten geeignetste Ort für ein junges Mädchen ist. Mädchen brauchen eine weibliche Hand, sie drohen sonst zu verrohen. Irgendwer muss ihr doch beibringen, was sie später wissen muss! Ich möchte euch beide keinesfalls auseinanderreißen, nein, aber ich wollte dir doch gerne empfehlen zumindest für genügend weiblichen Kontakt zu sorgen. Vielleicht eine Tutorin, oder eine Gesellschafterin oder…“ Lucia brach ab und gestikulierte vage. Sie wollte dem Mann ja nicht sagen ‚such dir eine Frau und heirate!‘.

  • Auf gute Manieren, das musste Licinus ja bei aller Genervtheit über die ständige Jammerei der Stadthalterfrau, ja irgendwie zugeben. Als Sie nach dem dank zögerte, fragte er "kann ich noch etwas für dicht tun?".
    Sie hatten etwas Zeit? Eigentlich nicht, hier lag genug Arbeit vor ihnen, die koordiniert werden musste. Andererseits würde er wohl auf den Maiordomus warten müssen, denn von dessen Antwort hing ab, ob er einen ganzen Schlag Leute auf einmal loswurde. Also konnte er sich in der Zeit genauso gut mit der Tiberia unterhalten. Aber egal womit er gerechnet hatte, worüber sie mit ihm sprechen wollte. Aber das was sie jetzt ansprach, damit hatte er nicht gerechnet. Und wie sie es ansprach, in diesem bevormundenden Ton, das machte es nicht besser.


    In Sekundenbruchteilen schossen Licinus verschiedene Impulse durch den Kopf. Nummer eins war es die Frau niederzubrüllen, dass sie sich aus Dingen heraushalten sollte, die sie nichts anging. Das ging nicht. Nummer zwei war das genaue Gegenteil, ihr sein Herz auszuschütten, welche Sorgen er sich um das kleine Mädchen tief in seinem innersten machte. Nummer drei war ein Schemen einer Erinnerung daran, dass vor relativ kurzer Zeit Serapio in die gleiche Kerbe gehauen hatte, und ihn daran erinnert hatte, dass das Kind ein weibliches Rollenmodell brauchte. Die nächsten Gedanken rotierten alle auf dieser Achse. Alles was aus seinem Mund kam, war ein sehr leises, zwischen den Zähnen hervorgepresstes [SIZE=7]"Komm!"[/SIZE]. Jener Tonfall eben, der in Mantua deutlich stärker gefürchtet wurde als der lauteste Donner aus seiner Kehle.


    Mit zwei raumgreifenden Schritten stand Licinus etwas gerade so viel abseits, dass er bei leisen Tönen nicht verständlich wäre, aber gleichzeitig nah genug um nicht aufzufallen. In der gleichen bedrohlichen Tonlage fuhr er fort, er wollte eigentlich gar nicht, aber er konnte nicht anders. Das hier ging nur sie beide etwas an.
    [SIZE=7]"Tiberia Lucia! Wenn du verdammt nochmal, noch ein einziges Mal andeutest, dass ich mich nicht genug um Esquilina kümmere! Glaubst du wirklich, ich weiß das alles nicht verflucht noch eins! Was glaubst du, warum ich sie so oft auf meinem Landgut gelassen habe, obwohl sie bei jedem verdammten Abschied geweint hat, dass ..."[/SIZE] es ihm das Herz beinahe zerissen hätte, hätte er fast gesagt, riss sich aber zusammen. Das ging sie nichts an.

  • Der neue Tabellarius war erst vor kurzem hierher gezogen. "Moinsen. Post für die Soldaten." Er lud mehrere kleine Päckchen und Pakete ab sowie etwa ein Dutzend Briefe, darunter auch das folgende dreiteilige Schreiben:


    Roma, KAL OCT DCCCLXV A.U.C.

    Ad
    Praefectus Castrorum
    Marcus Iulius Licinus
    Castra Legionis II Germanica
    Mogontiacum, Germania Superior



    Dives Licino patruo magno s.d.p.


    Bitte verzeih mir, dass ich dir nicht unverzüglich schrieb, nachdem du mich zum Institor deines Landguts bei Cremona bestimmtest. Doch in der Tat habe ich einerseits nicht gewusst (und weiß es noch heute nicht), ob ich dir zu dieser Versetzung auf die andere Seite der Alpen gratulieren soll oder nicht, wie ich andererseits aber auch kaum Zeit zum Schreiben hatte, da ich mich sogleich der Verwaltung deines Landes zu widmen begann.


    So habe ich, wie du dem zweiseitigen Quartalsbericht entnehmen kannst, in deinem Namen eine lokale Schreinerei aufgekauft und wieder wettbewerbsfähig gemacht. Ich denke, die Zahlen sprechen hier für sich. So nämlich ließ sich nicht nur die Gewinnerwartung mehr als versechsfachen. Auch der tatsächlich erzielte Gewinn ist in diese Höhe gestiegen - und gar noch darüber hinaus.
    So erweiterte ich jüngst deine lokalen Unternehmungen aufgrund von Rohstoffmangel bei den Edelhölzern um ein eigenes Sägewerk ganz in der Nähe. Dies, so erwarte ich, wird den Mangel künftig zumindest etwas entschärfen, wie zudem nun soviel einfaches Holz geschlagen wird, dass man darüber nachdenken kann, wie man jenes je nach Marktentwicklung zur Not selbst in anderen Produktionsprozessen, zum Beispiel der Herstellung von Werkzeugen, verbraucht.


    Zudem erwähnen möchte ich die Etablierung deiner Unternehmungen im lokalen Handwerker-Gewerbe. Bereits ganze 17 Aufträge konnten erfolglich bearbeitet und mit einem Durchschnittsgewinn von knapp HS 97.20 abgeliefert werden. Zum Vergleich: Damit konnten in dieser kurzen Zeit bereits über vier Fünftel der Anschaffungskosten der Sklaven gedeckt werden!
    Als letztes als dein Institor bemerken möchte ich, dass ich von meiner satten Provision lediglich eine neue Wertkarte für den Cursus Publicus erstanden habe, um dir weiterhin regelmäßig schreiben zu können. Auf den verbleibenden Restbetrag möchte ich in diesem Quartal gern genauso verzichten, wie auch du einst darauf verzichtetest, dass ich dir deinen Anteil in Höhe von HS 833.33 an Livillas geerbtem Schiff ordentlich ausbezahle.


    Damit nun zur sonstigen Lage in Roma. Im Allgemeinen ist es hier zur Zeit eher ruhig, mit einigen, wenigen Ausnahmen. So wurden Fausta und ich neulich in die Domus Augustana zu einer Cena beim Augustus und seiner Familia eingeladen. Ob ich dabei jedoch der angestrebten Senatorenwürde wirklich näher gekommen bin, vermag ich kaum zu sagen. Denn zwar ließ ich es mir nicht nehmen, die Kaiserfamilie meinen Möglichkeiten entsprechend zu beschenken, Früchte jedoch trug diese Maßnahme bisher leider nicht.
    Stattdessen allerdings überraschte mich vor kurzem ein Großneffe des sicherlich auch dir noch namentlich bekannten Senators Helvetius Geminus. Der allein schon aufgrund seines familiären Hintergrunds vielversprechende Mann namens Marcus Helvetius Severus bat mich darum, ihn als meinen Klienten anzunehmen. Es scheint, als würde ich folglich doch nicht alles falsch machen. Und so bin ich auch ganz zuversichtlich, ihm demnächst zu einem Posten auf dem Palatin verhelfen zu können.


    Ansonsten geht es meinen Kindern soweit gut. Der kleine Marcus entwickelt sich prächtig, während seine Schwester aus dem Atrium Vestae wie immer kaum etwas von sich hören lässt. Wahrscheinlich, so rede ich mir ein, lernt sie von früh bis spät ihre heiligen Lektionen, um eine besonders vorbildliche Vestalin zu sein.


    In diesem Sinne verbleibe ich mit den besten Grüßen aus der Domus Iulia in Roma und wünsche dir den Segen der unsterblichen Götter! Möge Mars über dich wachen. Vale bene!


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    MARCUS IULIUS DIVES
    QUAESTORIUS


    COMMENTARIVM NEGOTIALE I


    TERTII SPATII TRIMESTRIS ANNO DCCCLXV A.V.C.
    DE VILLA RVSTICA IVLII LICINI CREMONA



    * Gewinnerwartung A (ohne Schreiner-Betrieb) = 6x HS 50.00
    * Gewinnerwartung B (mit Schreiner-Betrieb (IV)) = A + 6x (4x HS 65.00)
    * Gewinnerwartung C (mit Sägewerk-Betrieb (I)) = B + 6x (1x HS 180)



    COMMENTARIVM NEGOTIALE II


    TERTII SPATII TRIMESTRIS ANNO DCCCLXV A.V.C.
    DE VILLA RVSTICA IVLII LICINI CREMONA



  • „Alles klar...“ machte einer der Soldaten, die gerade Wache hielten, und nahm die Post entgegen. Während die anderen den neuen Tabellarius neugierig musterten, stapfte der, der das Zeug entgegen genommen hatte, los, um es zu verteilen.




  • Octavius Rufus kam mit dem majordomus im Schlepptau aus dem vestibulum des praetoriums zurück an die porta. Er kam auf den praefectus castrorum zu und salutierte. "Praefectus, ich bringe den majordomus!!!"
    Offensichtlich war die Diskussion immer noch im Gange, zumindest legte dies der Gesichtsausdruck des Iuliers nahe. Das allerdings war eine Sache, die ihn erst dann zu interessieren hatte, wenn er selbst Teil der Unterhaltung sein würde. Ansonsten war dies eine Sache, die ihn nicht weiter zu beschäftigen brauchte. Auf der anderen Seite war es sicherlich kein guter Start in der neuen Provinz, wenn sich gerade die hochrangigen Beamten oder deren Familienangehörigen in die Haare bekamen.
    Rufus wartete dann, ob der Präfekt ihn noch brauchen würde. Falls nicht, würde er sich nochmals den Tieren und dem Gepäck widmen.

  • "Was?!" blaffte Licinus, als irgendjemand ihn mitten in dem "Gespräch" ansprach.
    Er wirbelte herum und Blitze schossen aus den Augen des praefecten in jene des tiro. Es verging aber nur eine Sekunde, da hatte sich Licinus wieder im Griff.
    "Tiro Octavius, danke,"dann wandte er sich an den Maiordomus.
    "Tiberia Lucia, der maiordomus des legatenhaushalts. Das ist die Gattin des neuen legatus augusti pro praetore Duccius Vala, Tiberia Lucia. Sie hat einiges mit dir zu besprechen."
    Zurück zu dem Octavius.
    "Tiro Octavius, du sorgst dafür, dass mein Gepäck in der domus praefecti gelagert wird. Anschließend stellst du die Tiere irgendwo unter. Danach begibst du dich in mein officium und wartet dort auf mich."
    Er stürzte sich in die Arbeit um die Unverschämtheiten der Tiberia zu verdrängen.

  • Na, das konnte ja wirklich heiter werden. Die Situation schaukelte sich immer weiter hoch. Erst die Ankunft des maiordomus schien zu bewirken, dass sich die Wogen etwas glätteten. "Wird gemacht, praefectus!" Mit diesen Worten setzte sich der Octavier in Richtung der Pferde in Bewegung, suchte das Gepäck des Präfekten und sein eigenes zusammen, belud sein Pferd und das seines Vorgesetzten damit, bevor er ich in Richtung der domus in Bewegung setzte. Er hatte keinen Schimmer, wo genau diese zu finden war, so klein konnte sie allerdings ja nicht sein. Das würde sich schon finden. Ob des Termins beim Präfekten danach war Octavius allerdings neugierig. Was er wohl mit ihm zu besprechen hatte?

  • Noch bevor der Nebel den ersten Strahlen der Herbstsonne gewichen war, hatte Casca seine Handvoll Habseligkeiten zusammen gepackt und das Haus des Gerbers Sebald verlassen. Wie erwartet war sein Freund Malleus bislang nicht wieder aufgetaucht, was Casca gleichermaßen erleichterte und betrübte. Einerseits blieb es ihm so erspart, Malleus Begleitung erneut zurückzuweisen, andererseits hätte er sich schon gerne von ihm verabschiedet. Nun gut, jetzt war es wie es war. Bedauerlich zwar, aber auch nicht gerade dramatisch. Sie würden sich wiedersehen, Casca war nicht aus der Welt, er wechselte nicht einmal die Stadt, nur das Leben.


    Tief eingemummt in seinen braunen Wollumhang ging er durch die dämmrigen friedlichen Gassen, immer nach Westen. Eine Wegbeschreibung brauchte es nicht, er musste nur dem Klang des Cornu folgen, der schwer und gespenstisch über die Giebel hallte. Vielleicht kam er ja gerade noch rechtzeitig zum Ientaculum. Grinsend über soviel übertriebenen Optimismus stapfte er weiter durch den morgendlichen Dunst und stand schließlich völlig unvermittelt vor zwei Wachsoldaten die wiederum vor dem Lagertor standen, das er im Nebel gar nicht wahrgenommen hatte.
    „Ööh .. Salvete Legionarii.“ stammelte er ziemlich verdutzt. „Mein Name ist Octavius Casca. Ich komme, um mich zur Secunda zu melden.“

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