Das Neujahrsfest - [Odeion] Das musische Agon

  • Den tadelnden Ausdruck im Gesicht des Priesters hatte ich fast schon erwartet, immerhin war er ein Priester und die mussten halt ein wenig verklemmt sein für das Leben im Dienste eines Gottes. Naja zumindest schien sich die Iunierin nicht an meinem Kompliment zu stören und das war ja ohnehin das wichtigste.
    Als der Priester mich dann als Abgesandten des Kaisers persöhnlich betitelte, betete ich schnell zu allen Göttern das bloß kein hochrangiger Römer zugegen wäre, immerhin könnte man mir sonst vielleicht noch Amtsanmaßung vorwerfen und das wollte ich ja nun wirklich nicht.
    Allerdings war der Schreck schnell vergessen als ich merkte wie die Iunierin sich den Platz neben mir erkämpfte, und welcher Mann konnte schon gegen die Waffen einer Frau bestehen ...


    "Nunja nicht wegen den Spielen direkt, ich bin hier um mir im Namen der kaiserlichen Kanzlei ein Bild von der Gesamtsituation zu machen, allerdings sind solche Spiele natürlich auch immer etwas das viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Schließlich kann man ja nicht den ganzen Tag arbeiten!"


    In diesem Moment stellte ich fest das ich schon viel zu lange kein so zwangloses Gespräch mehr geführt hatte und irgendwie fand ich auch Gefallen daran, schließlich genoß ich am Kaiserhof für gewöhnlich nicht allzu viel Abwechslung ...

  • “Von der Gesamtsituation?“ fragte Axilla im ersten Moment sichtlich verwirrt nach, ehe die Erkenntnis langsam dämmerte. “Oh, achso, du meinst wegen… den Unruhen und so. Ja, da muss der Kaiser natürlich jemanden schicken…“
    Da hätte sie auch früher selber dran denken können. Urgulania wär so eine dumme frage sicher nicht herausgerutscht, ihre Cousine hätte sicher deutlich schneller kombiniert, worum es ging, wenn ein kaiserlicher Beauftragter hier in der Provinz unterwegs war. Eigentlich war das ja die einzig logische Erklärung. Weshalb sonst sollte jemand aus Rom hierher kommen? Nungut, außer vielleicht wegen dem Museion.
    Aber Axilla wollte nicht über die Unruhen sprechen. Schon gar nicht, wenn sie dabei Gefahr lief, als Zeugin „entlarvt“ zu werden. Decimus Cursor hatte ihr ja die geshcichte abgekauft, dass sie sich nicht mehr erinnere, aber ob das bei einem kaiserlichen Beamten ebenso leicht ging? Lieber schnell das Thema wechseln.
    “Gibt es in Rom auch sowas? Also, so musische Wettkämpfe. Ich hab ja gehört, es gibt in den Theatern und Circussen viel Unterhaltung, viel mehr als hier, aber haben sie auch Musik?“
    Während sie ihn so anschaute, bemerkte Axilla, dass er grüne Augen hatte. Fast so grün wie ihre.

  • Sim-Off:

    Ich mach hier mal einfach, damit sich das nicht ganz so schlimm hinzieht. Ich hoffe, das geht in Ordnung


    Applaus erhob sich, aber ohne das laute Johlen und Jubeln wie bei einem Volksfest. Immerhin war dies hier ein feierlicher Anlass und keine Belustigungsveranstaltung, so brachte auch das Publikum in diesem Moment den angebrachten Ernst mit, auch wenn auf so manchem Gesicht die Freude auf die musikalische Darbietung zu sehen war.
    Nachdem das Klatschen abgeebbt war, traten die Preisrichter vor und hoben ein Tongefäß hoch, damit alle es sehen konnten. Darin waren kleine Täfelchen mit den Namen der verschiedenen Teilnehmer. Insgesamt gab es mehrere Gefäße, für jede Disziplin eine andere, so dass die Preisrichter direkt vergleichen konnten und sich ein Urteil bilden konnten, und nicht von einer überragenden Melodie von einer nur mittelmäßigen Ode abgelenkt wären.
    “Wir beginnen mit den Oden an den höchsten Hermes!“ verkündete der Mann, der das Gefäß in die Höhe hielt und damit einmal an der Orchestra entlangschritt, ehe er es an einem extra dafür aufgestellten Tisch absetzte. Ein anderer Mann, wohl ebenfalls einer der Preisrichter, schritt nun seinerseits dazu und zog unter großer Ruhe eine der Tafeln heraus. Er blickte darauf, ebenso wie sein Kollege, und verkündete
    “Theocharis von Korinth!“


    Der benannte trat vor, verneigte sich vor den versammelten und rief als erstes, wie es Sitte war, die Muse Kalliope an, sie möge ihm ihre Stimme leihen und sein Werk segnen.
    Seine Ode war eine Glorifizierung der ersten Taten des Hermes, wie er sich von seiner Mutter, der Nymphe Maia, davongestohlen hatte, um den anderen Göttern Streiche zu spielen und nebenbei mit Leichtigkeit die Musik erfand. Ein gutes Thema, ein bekanntes Thema. Wo sollte man es sonst spielen, wenn nicht hier? Die Melodie war nach Penelopes Dafürhalten gut, der Gesang herausragend, lediglich der Inhalt etwas gewöhnlich. Dennoch merkte sie, dass es wohl doch noch schwieriger wurde, hier etwas zu erreichen, als erwartet.


    “Vissarion von Athen“ fiel der nächste Name.


    Sein Instrument war einfach göttlich. Verträumt lauschte Penelope den lauten, die seine Kithara von sich gab. Ein Meisterstück der Organologie und meisterhaft gespielt. Der Gesichtsausdruck der meisten Teilnehmer wurde etwas blasser, auch wenn alle eine stoische Ruhe bewahrten. Dazu hatte Vissarion einen Bass, der den Saal dröhnen ließ. Penelope war zutiefst beeindruckt von seinem Können und seiner Stimme, wie er von einer Reise des Hermes ins geheimnisvolle Indien berichtete, um das Ende der Welt zu erkunden. Zwar etwas theatralisch, da immerhin schon andere Mathematiker bewiesen hatten, dass die Erde rund sein musste (und sich lediglich über die Größe nicht einigen konnten) und folglich kein Ende hatte, aber mit einer solchen Kunst vorgetragen, dass den meisten ganz anders wurde.


    Weitere Namen fielen. “Philippos von Mykene“, “Damianos von Thera“, “Erotokritos von Sparta“, “Androlos von Samothrake“
    Hermes wurde in den höchsten Tönen gelobt, in den tiefsten Stimmen geehrt, in den hellsten Versen glorifiziert.
    Und je mehr Künstler auftraten, umso nervöser wurde Penelope. Ihr eigenes Lied kam ihr so klein und schlicht und unbedeutend daneben vor. Doch es brachte nichts, denn mit einem Mal hieß es “Penelope von Alexandria!“
    Sie atmete noch einmal tief ein und schritt dann gemessenen Schrittes nach vorne. Sie verneigte sich leicht, wie es alle anderen Künstler auch getan hatten, und bat die Muse um ihr Wohlwollen zu ihrem Werk.


    Als ihre Finger die Saiten berührten, wurde sie ganz ruhig. Die Leute waren vergessen, die Preisrichter, die anderen Musiker. Penelope fing an zu spielen und war ganz in der Musik. Es gab hier kein Zögern in der Stimme, keine Ablenkung von irgendwem. Sie hätte allein dastehen können oder unter Hunderttausenden, es machte keinen Unterschied. Sobald sie anfing, zu spielen, gab es nur noch sie und ihre Musik.


    “ Tell me, Wanderer, where'd you stride
    along the long dark road?
    Among the moon's an pleijad's light
    unnoticed by the mortals' sight
    so lost among the stars so bright
    and swiftly as a thought?


    When you call us, we must obey
    to follow you to far away
    For in this world we're not to stay
    forever like a god


    Oh Strider with your steps so light
    lead us on our last road.
    For when our time comes, we feel astray
    hoping, not to fade away
    awaiting you, that you just may
    lead us to the other side.”
    *


    Im Gegensatz zu den meisten Werken, die bislang gespielt wurden, befasst sich Penelopes Werk mit einer anderen, viel zu häufig vergessenen Aufgabe, die der große Gott durchführte. Viele mochten ja glauben, dass beim eintretenden Tod die Seele direkt vor Charon wie aus dem nichts aufpoppte, um über den dunklen Fluss in den Hades gefahren zu werden, aber dem war nicht so. Nein, man betrat die dunkle Straße, auf der so manche Seele, die nicht ausreichend betrauert wurde, auch schon mal verloren ging. Und dort traf man Hermes, den dunklen Wanderer, der einen sicher bis zum Flussufer begleitete, wenn die Familie nicht säumig war und den Gott gar vergessen hatte. Er war es, der die Seelen sicher einsammelte und zu ihrem Ziel brachte, wo sie auf den Fährmann warteten.
    Als Penelope geendet hatte, verneigte sie sich schlicht und trat wieder ab, wie die anderen Künstler es auch getan hatte. Sie hoffte nur, dass ihr Werk ansprechend und gut genug gewesen war. Zumindest vom Thema hob es sich von den bisherigen Werken ab.



    Sim-Off:

    *© by me. Entschuldigung an alle, die ich mit dem selbstgemachten Gedicht gequält habe :D

  • Irgenwie schaffte sie es mich zum schmunzeln zu bringen, sie hatte nichts lustiges gesagt es kam einfach so über mich ... wirklich sehr seltsam ...


    "Nun in Rom gibt es wahrscheinlich alles in groß und klein, aber ich denke nicht das ich mir leisten könnte zu behaupten auch nur einen geringen Teil aller Atraktionen bereits erlebt zu haben ... und das obwohl ich nahezu mein ganzes Leben dort verbracht habe! Allerdings muss ich gestehen das ich selbst noch nie von einem musischen Wettstreit in dieser Form gehört habe, was selbstverständlich auch nicht bedeutet das es ihn nicht gegeben hat!"


    Rom war einfach zu groß um etwas im Allgemeinen darüber zu sagen, wäre man einmal rund um die Stadt gegangen man hätte sicher Probleme gehabt den Startpunkt wiederzufinden, so schnell veränderte sich die Metropole. Allerdings war ich nicht wirklich ein besonders großer Romkenner also musste ich das Thema wechseln, nur worauf war die Frage, es gab leider nicht allzuviel worauf ich mich verstand abgesehen von Diplomatie und meinem eigenen Beruf ...


    "Du bist also eine waschechte Iunierin was?"


    Oh bei Iupiter was für ein bescheuerter Satz, eventuell wäre sogar noch geräuschvolles Sabbern ein anregenderer Gesprächsteil gewesen, also musste ich mir schnell etwas logisches einfallen lassen ... kannte ich irgendwelche Iunier??? nunja nicht persöhnlich, war da vielleicht jemand im Militär? Eine Versetzung oder Beförderung in die höheren Ränge? ... hätten menschliche Köpfe schornsteine gehabt hätte meiner jetzt wohl pechschwarze Wolken ausgespuckt, so angestrengt dachte ich über irgendetwas nach. Bis mir schließlich ein Iunier einfiel, sogar ein rect bedeutender wie ich fand, die Frage war nur ob dieser überhaupt mit ihr Verwand war ...


    "Dann kennst du vielleicht den neuen Kommandanten der II. Ala? Iunius Silanus?"

  • Von Alexandria hatte Axilla auch noch nicht alles gesehen, und das, obwohl sie wirklich viel unterwegs war. Oder zumindest, ehe sie Urgulania in die Hand hatte versprechen müssen, dass sie nichtmehr allein herumstreifte, weil ihre Cousine um ihre Sicherheit fürchtete. Vielleicht war es da naiv gewesen, zu glauben, Imperiosus kenne Rom besser als sie Alexandria, immerhin war Rom auch größer. Zwar war Alexandria die zweitgrößte Stadt im ganzen Imperium, dennoch war Rom der Mittelpunkt der Welt, und fast tat es Axilla leid, dass sie damals zu Silanus nein gesagt hatte, als er sie mitnehmen wollte.
    Doch ehe sie in diese Richtung weiterdenken oder etwas sagen konnte, überraschte sie ihr Gesprächspartner mit einer etwas seltsamen frage.
    “Öhm, ja, mein Vater war Atticus Iunius Cassiodor....“ Gab es denn auch unechte Iunierinnen? Oder war das eine leichte Anspielung auf irgendwas? Das, was ihrer gens wohl in alle Ewigkeit nachhing, war wohl die Verschwörung von Marcus Iunius Brutus, an der auch Gaius Cassius Longinus beteiligt war, der Ehemann von Iunia Tertia. Aber sie hatte doch ncihts gesagt, worauf man mit einer Stichelei diesbezüglich antworten würde? Nein, so gemein kam ihr Imperiosus nicht vor, sowas würde er nicht meinen.
    Er fragte auch gleich weiter, nach Silanus. “Ähm, ja. Bevor er nach Germania versetzt wurde, war er mein Vormund hier in Alexandria.“


    Imperiosus hatte irgendwie ein Talent dafür, ein Fettnäpfchen nicht nur zu finden, sondern geradezu reinzuhechten. Kopfüber. Axilla wurde nicht so gerne an ihren Cousin erinnert. Sie hatte endlich mit ihren Gefühlen für ihn soweit abgeschlossen, dass es sie nicht mehr reute, wie sie sich verabschiedet hatten. Doch dass er sich weigerte, ihre Briefe zu beantworten, schmerzte doch sehr. Nichtmal zu den Parentalia, oder noch wichtiger zu der Caristia hatte er ihr geschrieben. Seit ihrem Abschied hatte sie nicht ein Wort von ihm erhalten. Hätte er sie angemault, wäre das ja noch verkraftbar gewesen, aber dieses eiserne Schweigen belastete Axilla mehr, als sie zugeben wollte.


    Etwas bedrückt sah sie beiseite und war froh, dass das Agon nun losging. Ein Mann mit einer hübschen Schüssel lief herum, und dann wurden Namen der Künstler verkündet.
    Aber dann fiel ihr ein, dass Imperiosus ja wohl nicht ohne Grund gefragt hatte. Vielleicht kannte er ja Silanus näher und konnte ihr etwas sagen!
    Schnell drehte sie sich ihm wieder zu und versuchte, nicht zu wissbegierig auszusehen.ie wollte die Frage diplomatisch stellen. Immerhin saß hier ein Diplomat auch vor ihr, den durfte sie nicht gleich verschrecken, wenn sie mit der Tür ins Haus fiel.
    “Kennst du meinen Cousin näher?“
    Sie hörte quasi das Holz knirschen von der Tür, mit der sie ins Haus gestürmt war. Egal, schon zu spät, er würde ihr hoffentlich schon nicht böse deswegen sein.

  • OH NEIN! Ich hatte es tatsächlich geschaft, bei dem Versuch von einem heiklen Thema in ruhiges Fahrwasser zu gelangen, war ich quasi vom Regen in die Traufe geraten ... was sollte Ich ihr nun antworten? "Nein, aber er ist der einzige Iunier der mir auf die Schnelle eingefallen ist ... Klar wir sind alte Kumpels, allerdings so alt das er sich wahrscheinlich garnicht an mich errinnert ... nein irgendwie steckte Ich in einer Sackgase, aber herauswinden konnte ich mich auch nicht, nicht ohne in ein noch größeres Fettnäpfchen zu springen ...


    "Nunja ich kenne ihn nicht persöhnlich, allerdings hatte ich damals seine Versetzung in Händen als man entschied ihn nicht zu den Prätis sondern nach Germania zu schicken! Ein wahrlich verdienter Mann, allerdings mit Sicherheit immer schwer beschäftigt, so ein Posten kann einen schonmal auffressen, ist immerhin eine ganze Menge Verantwortung!"


    Na toll, nochmehr Gebrabbel, irgendwie musste ich es nun auf einen grünen Ast schaffen, schließlich konnte ich unmöglich die ganze Zeit über jemanden reden den ich eigentlich garnicht kannte. Allerdings befürchtete Ich bereits das sie dann vielleicht nach meiner Familie fragen würde und das war ja nun wirklich eher uninteressant ...


    "Wie kommt es eigentlich das es dich heute hierher verschlagen hat? Magst du die musischen Künste der Griechen?"

  • Bei seinen Worten über die Zeit, die so ein Präfekt wohl hatte, geriet Axilla ein bisschen ins Grübeln. Vielleicht hatte Silanus ja wirklich keine Zeit gehabt, ihr zu schreiben? Aber andererseits waren die Caristia ein besonderes Fest. Nicht dazu von der Familie eingeladen zu sein war genauso gut, wie aus der gens verstoßen zu werden. Und er hatte nicht einmal eine Zeile geschrieben, nichts. Sie hatte ihm einen ellenlangen Brief geschrieben. Aber…
    Ach, egal, sie wollte jetzt nicht darüber nachdenken. Das machte sie nur verdrießlich, und so konnte sie die Musik gar nicht genießen. Und deswegen war sie ja schließlich hier! Außerdem wusste Imperiosus ja sicher nichts von allem, was geschehen war, also sollte sie jetzt nicht eingeschnappt reagieren, nur weil er ein bestimmtes Thema für den Gesprächsanfang gewählt hatte.


    Und er wechselte auch gleich das Thema! Ganz leicht lächelte Axilla ihn an. Wenn sie das Thema wechselte – was sie eigentlich andauernd machte – sahen sie die Leute nach einer Weile seltsam an. So aber musste sie es gar nicht wechseln, da er es schon getan hatte. Sie lächelte noch ein wenig mehr.
    “Oh, da gibt es mehrere Gründe. Zum einen bin ich ja Scriba personalis vom Gymnasiarchos. Da muss ich ja bei den Spielen schon fast hier sein, wenn ich schon die Einladungen dazu in alle Welt verschickt habe.“ Sie grinste kurz ein wenig spitzbübisch. Zwar war es nicht üblich, dass Frauen arbeiteten – zumindest nicht in der höheren römischen Gesellschaft, und auch wenn die Iunier keine Patrizier mehr hatten, hatte man ja doch einen gewissen Stolz und einen großen Namen – aber Axilla war durchaus stolz auf ihre Position. Nicht zuletzt, weil sie es ganz allein geschafft hatte.
    “Zum zweiten ist die Künstlerin, die für Alexandria antritt, eine gute Bekannte. Ich war auf ihre Hochzeit eingeladen vor… fünf Monaten, glaub ich. Ja, müsste so hinkommen. Da muss ich doch Daumen drücken.
    Und nicht zuletzt: Ich liebe Musik! Und Gedichte! Und die Theaterstücke hier sind immer so schwer und langweilig und philosophisch. Aber das hier ist bestimmt viel besser.“

    Zumindest hoffte das Axilla so sehr, dass ihre Augen richtig leuchteten, während sie redete. Sie glaubte zwar nicht an so schöne (und vielleicht leicht anzügliche) Gedichte wie von Catull oder Sallust, aber auch Sappho hatte schöne Lieder geschrieben. Irgendwas würde schon dabei sein. Auch wenn sie vielleicht ein bisschen mehr Ruhe und Zurückhaltung und etwas weniger Vorfreude deswegen zeigen sollte, aber das war Axilla egal.

  • Die ersten Darbietungen bereiteten Nikolaos ein ästhetisches Vergnügen, aber sie ließen ihn kalt. Kühl versuchte er, die Motive in der Dichtung zu durchschauen und die Art der Begleitung. Kühl verglich er die Stimmen der einzelnen Dichter. Fand die des einen künstlerisch ausgereifter als die des anderen, die des anderen wiederum charaktervoller. Es gab vortreffliche Dichter unter den Teilnehmern und solche, die konventionelle Dichtung lediglich als Unterfütterung der Musik verwendeten. Ein Kallimakhos hätte sicher viel gelacht und gespottet. Nikolaos fand bei einigen Kitharöden Fehler, sah einen Finger abrutschen und erfreute sich daran. Auf eine seltsame Weise war er boshaft gestimmt. Er wusste, dass die Künstler ihre Sache gut machten. Dennoch hätte er sie verrissen, wäre er Preisrichter. Er hätte sie mit seiner scharfen Zunge zerstückelt, ihre Kunst zerrieben und über ihren Häuptern zerstäuben lassen. Er wäre grausam gewesen. Er hätte selbst die älteren, gestandenen Dichter zur Verzweiflung gebracht. Nikolaos klatschte in die Hände und lächelte falsch. Innerlich zerfraß ihn der Grahm.


    Nikolaos ahnte, woher diese Laune rührte. Dem Gymnasiarchos zuckten die Gesichtsmuskeln, als Penelope ihre Stimme erklingen ließ und die ihrer Kithara. Mühsam bewahrte er sein Gesicht. Gut, dass Ánthimos ihn nicht sehen konnte. Ihm schauderte. Die Anmut der Dichterin ließ die düstere, fast archaische Sprache ihrer Verse umso schauriger werden, und die dunklen Verse machten die Frau umso schöner. Hätte sie nicht eine dümmliche Viehherdenhymne mit dumpfer Fröhlichkeit vortragen können? Hätte sie nicht mit ihrer schönen Stimme und ihrem meisterhaften Spiel Torheiten durch die Luft tragen können, harmlose Spielereien, Spezereien? Hätte nicht die verheiratete, gezähmte Matrone durchschimmern können? Hätte sie ihn nicht schonen können? Nikolaos spürte, wie es durch seinen Kopf zog und eisig den Rücken hinab. Er spürte, dass seine Nerven vibrierten. Seine Mundwinkel begannen erneut, zu zittern. Dieses Mal heftiger und durchaus sichtbar. [SIZE=7]"Sappho-"[/SIZE] Nikolaos Hände klammerten sich an die Armlehnen seines Stuhles. Seine Knöchel traten unter vergilbter Haut scharf hervor. Hoffentlich schoben seine Nachbarn diese Zeichen von Erregung auf die Inbrust eines Hermespriesters. Hoffentlich.

  • Es begann. Oder besser, es war in vollem Gange. Und von Nike weiterhin keine Spur. Aus sorglosem Vertrauen, die ältere Schwester würde schon noch rechtzeitig Auftauchen, war mittlerweile erboste Peinlichkeit geworden. Wie konnte sie es wagen, einfach nicht zu erscheinen? Was hatte sie aufgehalten? War ihr etwas passiert? Die junge Frau mit den zwei unterschiedlichen Augenfarben hoffte es, denn das wäre die einzige plausible Erklärung, die sie Nike durchgehen lassen würde. So eine Ehre auszuschlagen! Emi schämte sich ja glatt - und das passierte äußerst selten.


    Allerdings konzentrierte sie sich dann doch und hörte sich aufmerksam und äußerlich so unbeeindruckt wie sie konnte die Darbietungen an. Es gab viele gute Stimmen, viele gute Dichter, viele gute Musiker und es war schwer für Emi die kleinen Fehler zu entdecken. Denn sie war weder Musikerin noch Dichterin und eine gute Singstimme hatte sie auch nicht, daher kannte sie sich nicht damit aus. Wußte nicht, worauf sie achten sollte. Und so gab es für sie nur ein Entscheidungskriterium, nämlich, was sie am meisten berührte und was sie - ganz schlicht und ergreifend - am schönsten fand.


    Also blieb ihr nichts weiter über, als sich alles anzusehen und anzuhören. Obwohl sie natürlich gerade bei Penelope genauer hinhörte und wirklich beeindruckt war. Gelegentlich hatte sie Musik im Haus gehört, aber noch nie hatte sie ihre Verwandte so erlebt. Es war herrlich zu beobachten, wie mutig sie war! Da vor allen zu stehen und so hervorragend zu spielen. Beeindruckend.

  • Scriba Personalis des Gymniasarchos? Von Minute zu Minute wurde Axilla immer interessanter für mich, ich mochte Frauen die sich nicht einfach auf ihre vier Wände und auf einige Marktbummel beschränken ließen. In Rom hatte ich bisher nicht oft das Vergnügen gehabt solche Frauen zu treffen, denn die meisten von ihnen waren, wie man sagte, "wohl erzogen", eine Eigenschaft die mich bisher immer abgeschreckt hatte ...


    Als die Darbietungen anfingen musste natürlich auch ich den Oden lauschen und ich musste mir eingestehen das ich nicht die geringste Ahnung von solchen Sachen hatte, mal davon abgesehen das ich die Musik und die Texte als schön empfand hätte ich wahrscheinlich keine Kritik äußern können ...


    "Du hast recht das hier gefällt mir um einiges besser als die griechischen Theatherstücke!"

  • Die Musik ging los, und Axilla lauschte den Klängen und Stimmen der Künstler. Der zweite Künstler – Axilla hatte den Namen im selben Moment vergessen, als sie ihn gehört hatte – hatte eine so tiefe Stimme, dass sie sie beinahe in sich selbst vibrieren fühlte, während er sang. Sie lauschte ganz verzückt den Liedern und strahlte Imperiosus überglücklich an, als er sich kurz zu ihr beugte und ihr zuflüsterte. Ja, das war wirklich weitaus besser als Theater.


    Schließlich wurde Penelopes Name aufgerufen, und Axilla wurde selbst ein wenig hibbelig. “Oh, jetzt muss ich Daumen drücken“, flüsterte sie Imperiosus freudestrahlend zu und in jugendlichem Eifer drückte sie tatsächlich ganz fest die Daumen, während Penelope spielte und sang.
    Ihr Lied war ein wenig anders als die davor – wahrscheinlich auch, weil sie die einzige Frau unter den vielen Männern war und ihre Stimme damit deutlich höher – aber Axilla gefiel es. Auch wenn es irgendwie traurig und schaurig war.
    Als Penelope wieder zurückging, fiel Axillas Blick kurz auf Nikolaos. Er murmelte irgendwas, aber sie konnte es nicht verstehen. Hatte es ihm denn nicht gefallen? Er sah so blass aus irgendwie. Aber ihn jetzt danach zu fragen traute sich Axilla auch nicht. Stattdessen wandte sie sich wieder an Imperiosus.
    “Das war gut, oder? Ich hoffe, sie gewinnt.“
    Sie biss sich kurz auf der Unterlippe herum, als sie überlegte, was sie noch sagen könnte. Sie wollte ihren Gesprächspartner ja nicht mit Platituden langweilen. In Rom war er sicher redegewandtere Gesprächspartner gewohnt, aber Axilla wollte nicht einfältig wirken. Vielleicht fragte sie ihn einfach weiter, dann musste er reden und sie konnte einfach nur zuhören? Abgesehen davon, dass sie sowieso neugierig war.
    “Und bleibst du lange in Alexandria, oder willst du wieder schnell zurück nach Rom?“

  • Ich musste lächlen, eine Frage mit der ich mich in den letzten Tagen sehr oft auseinandergesetzt hatte, allerdings hatte ich erst vor wenigen Minute eine Entscheidung getroffen ...


    "Nun als ich hier ankam war mein erster Gedanke, gleich wieder kehrt zu machen aber mittlerweile ... denke ich sollte ich der Provinz die Chanze geben sich mir im besten Licht zu präsentieren, also werde ich wohl noch einige Wochen hier bleiben!"


    Die Künstlerin der Axila die Daumen Drückte hatte auch mich fasziniert, ihr Thema war so völlig anders, irgendwie halt was besonderes ...

  • Freudig lächelte Axilla, die die darin verborgene Anspielung überhaupt gar nicht wahrnahm.
    “Oh, das ist schön. Dir wird Aegyptus sicher gefallen. Am Anfang ist alles so anders und verwirrend, aber es ist wirklich atemberaubend schön hier. Vom Paneion kann man über die ganze Stadt bis hinunter zum Hafen schauen. Oh, und der Fremdenmarkt ist wirklich großartig, da gibt es wirklich alles, und es kommen so viele Händler aus anderen Ländern. Und im Museion gibt es so viele Schriftrollen, die kann ein Mensch alleine gar nicht alle lesen.
    Und wenn du eine größere Reise machen willst, über den Fluss zu den Katarakten, da gibt es viel zu sehen! Wusstest du, dass es im Nil eine Insel gibt, auf dem ein Tempel steht, der TAUSEND Jahre alt sein soll?“
    plapperte Axilla losgelöst einfach auf Imperiosus ein und merkte erst, wie viel sie geredet hatte, als ein anderer Sitznachbar sie mit missbilligendem Blick anschaute. Verlegen senkte sie den Blick und kaute sich auf der Unterlippe herum.
    “Entschuldigung, manchmal ist mein Mund einfach zu schnell“, entschuldigte sie sich noch schnell. Sie wollte den armen Abgesandten ja eigentlich gar nicht so in Beschlag nehmen. Er sollte ja die Spiele genießen können.

  • Nikolaos war wie versunken in eine Welt, in der es nur Penelopes Stimme gab und die ihrer Kithara. Daher hörte er nicht, wie seine Schreiberin und der grobschlächtige Fremde miteinander tuschelten.


    Als Penelope ihre Darbietung beendet hatte, brauchte er eine Weile, um sich aus seiner Erstarrung zu lösen und wieder festen Boden zu finden. Er wischte sich mit dem Handrücken flüchtig über das linke Auge, ehe er in den Beifall einstimmte, der im Odeion erklang.


    Die schöne Gemahlin des Ánthimos war allerdings nicht die letzte Teilnehmerin. Ein Jüngling stand bereit, einer, der die erste Rasur womöglich noch nicht hinter sich hätte, wäre er Römer. Nikolaos hoffte, dieser Junge möge besser sein als die Tochter des Philolaos, oder anmutiger. Er wusste, dass er so gut sein könnte, wie die Musen es wollten, und Nikolaos trotzdem nicht von Penelopes Fluch lösen würde.

  • Er klatschte natürlich auch, aber hauptsächlich weil alle anderen klatschen. Er selber war viel zu sehr in gedanken versunken. Er fragte sich nämlich wo der Statthalter blieb. Sehr merkwürdig, wo doch gerade er diesen griechischen festen soviel abgewinnen konnte. Vielleicht sollte er eine nseiner Leute suchen schicken oder so.

  • Beinahe hätte ich laut losgelacht aber der Blick von Axillas Nachbarn hatte mich dann doch an die Umgebung errinnert, auch wenn der Sitznachbar meiner entzückenden Gesprächspartnerin, als er meinen Blick bemerkte, schnell wieder woanders hin sah. Ich schmunzelte Axilla an und zwinkerte ihr zu ...


    "Also mich hast du damit sicher nicht gestört, ich würde mich freuen wenn die bezaubernde Iunierin mir ein Führung zu Teil werden ließe!"


    Ich deutete eine gespielte Verbeugung an und grinste breit, das Agon hatte für mich auf jeden Fal bereits den Tag gerettet. Allerdings musste ich auch zugeben das eine solche Führung nicht nur aus privater Sicht von Vorteil wäre ...

  • Noch ein Kompliment. Er fand sie bezaubernd. Nicht nervtötend, vorlaut, naiv, gedankenlos oder unstet. Nein, bezaubernd. Axilla musste wieder schüchtern lächeln, obwohl sie das eigentlich nicht tun sollte.
    “Die Katarakte wären aber ein wenig weit weg“, meinte sie also und sah vielleicht etwas schelmisch zu Imperiosus auf. Die hatte er in seiner Führung auch bestimmt nicht mit eingeplant, aber es passte gerade so schön und gab ihr kurz Zeit, darüber nachzudenken.
    Nun, er war ein Abgesandter aus Rom, hatte wohl einen renommierten Posten inne. Axilla hatte keine Ahnung von anderen Gentes, aber zumindest hatte sie in den letzten Ausgaben der Acta nichts an Klatsch über die seine gelesen, also konnte es so schlimm nicht sein. Und es war ja auch nur ein Spaziergang, damit er die Stadt kennenlernte. Das war doch sicher nichts schlimmes. Da konnte auch ihre Cousine sicher nichts dran auszusetzen haben.
    Außerdem genoss sie die Komplimente. Auch wenn sie sie ziemlich verlegen machten.


    “Aber ich könnte dich ein wenig durchs Brucheion führen, wenn du magst.“

  • Als Penelope endlich an der Reihe war, versuchte ich, die Intensität meiner Aufmerksamkeit auf ein Vielfaches des jetzigen Levels zu erhöhen. Ich hatte auch den Beiträgen der Vertreter der anderen poleis schon sehr aufmerksam gelauscht, doch irgendwie dachte ich, dass ich diesem noch einmal besonders zuhören sollte.


    Ganz still wurde es, als sie schließlich mit ihrem Beitrag begann. Er war anders, als die anderen, die ich zuvor vernommen hatte und das lag nicht nur daran, dass sie die erste und vielleicht einzige weibliche Teilnehmerin des Tages war. Sie trat mit einem völlig anderen Thema auf. Dem Tod. Gewagt, wie ich meinte.
    Jedoch vollbrachte sie es, die Traurigkeit des Todes in eine Art überirdische poetische Schönheit zu verwandeln und machte ihren Beitrag so zu einem besonderen Erlebnis.


    Als sie geendet hatte, fiel auch ich in den Beifall ein. Gern hätte ich mich mit jemandem ausgetauscht, doch die einzigen Alexandriner, die ich bisher kannte, waren entweder in der Preisrichterloge oder absent. Dann eben später, dachte ich und nahm mir vor, die Eindrücke fest in meinem Gedächtnis zu verankern, damit ich sie auch zu späterer Zeit noch so präsent hatte wie zum jetzigen Zeitpunkt.

  • "Nunja dann werde ich mich wohl mit dem Brucheion zufriedengeben müssen!"


    neckte ich ...


    "Allerdings sollte mir das wohl auch genügen, denn im Moment glaube ich mich zwischen hier und der Basileia verlaufen zu können!"


    zwar war das als Witz gemeint, doch war es irgendwie näher an der Wahrheit als mir lieb sein konnte, zum Glück hatte ich für gewöhnlich meinen Leibwächter dabei der einen Orientierungssinn wie eine Brieftaube hatte ...

  • “Ach, das ist nur die Straße hinunter und dann links. Aber zur Sicherheit kannst du mir ja auch einfach folgen“, neckte sie ihn und merkte erst hinterher, was sie da eigentlich grade gesagt hatte. Ihre Augen wurden ganz groß und ihr Mund stand für einen Augenblick etwas undamenhaft erschrocken offen, ehe sie mit leichter Röte auf den Wangen schnell ergiebigst den Boden betrachtete und zu retten versuchte, was zu retten war.
    “Ähm, ich meine natürlich… also, ich wohne ja in Basileia, und am Abend muss ich ja heim und… also, ich meinte nicht, dass du… also eine Einladung… also, ich würde dich schon einladen, aber da müsste ich erst meine Cousine fragen. Also, zum Essen mein ich, ganz normal… also, nicht dass du denkst, ich hätte jetzt was anderes gedacht.. es ist nur… ich…. Äääh… Oh, der nächste Künstler ist dran.“
    Scheinbar hoch konzentriert schaute Axilla zur Orchestra, wo der nächste Musiker sein Lied vortragen wollte und ließ ihren Blick geradezu eisern nach vorn gerichtet. Nur nicht zu Imperiosus rüberschauen! Sie würde rot anlaufen wie eine Erdbeere. Manchmal war ihr Mundwerk ja aber auch furchtbar schnell!

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