Das Neujahrsfest - [Odeion] Das musische Agon

  • „Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann
    und worüber zu schweigen unmöglich ist.“
    -Victor Hugo


    Die Wange an die geschlossene Hand geschmiegt. Einen Fuß in der weißen Sandale vor den anderen gestellt. Lycidas lauscht den Darbietungen der anderen Künstler. Lässt sich von ihren Hymnen in die ferne Vorzeit entführen. In fremde Länder mitnehmen. Auf den Olymp erheben.
    Getreu seines Auftrages achtet er besonders darauf, welcher Stil seinem Herrn zusagen würde. Vermerkt in seinem Geist die Namen und Eigenheiten der Sänger. Obgleich Lycidas nicht weiß ob er zu dem Claudier zurückkehren wird.
    Zuletzt führt die Reise bis in den Hades. Lycidas hebt den Kopf und heftet den Blick auf die Philolaos-Enkelin, die den Hermes Psychopompos preist. Betrachtet sie ehrerbietig. Und melancholisch. Unmerklich atmet er tiefer. Zieht die warme Luft des Sommertages durch seine Nasenflügel. Als würde er die Musik in sich hineintrinken. Die schöne Dame erinnert ihn ein wenig an seine Mutter. Die ihm zum ersten Mal eine Lyra in die Hand gab. Der Hymnos trifft auf ein bewegtes Herz. Wer wird sich einst - oder bald - an Lycidas erinnern? Wer wird seinem Schatten ein Opfer bringen? Die dämmerblauen Augen werden wässrig. Tränen ziehen schimmernde Spuren auf den elfenbeinernen Wangen. Als die Kitharödin geendet hat, muss der Jüngling sich besinnen. Rasch fahren die Fingerspitzen über das Gesicht. Tilgen die Spur der Tränen. Sodann applaudiert er lange und ergriffen.


    Die Reihe kommt an Lycidas. Leichten Schrittes tritt er in die Orchestra. Die Haltung, die Bewegung der Knie, das Aufsetzen der schmalen Füße sind von Grazie und einer noch kindlichen Verschämtheit zugleich. Im Gehen schlägt er die Augen nieder. Mit einer Kopfwendung zu den Rängen. Öffnet sie wieder und umfängt die Menge der Menschen mit weichem, vollem Blick. Hohe Herren. Edle Damen. Fern und fremd wie die bunten Fische, die in einem Zierteich ihre Runden ziehen. Sie berühren ihn nicht. Doch ihr Urteil ist wichtig. Vielleicht könnte es ihn retten! Dies ist der Moment, in dem die Nervosität den jungen Lyder ergreift. Ein Beben huscht über die klaren Züge. An den schlanken Händen zeichnen sich Knöchel und Sehnen ab. Mit einem Mal scheint der verborgene Makel Lycidas unübersehbar. Obgleich die Zuschauer viel zu weit entfernt sind, um diesen konstatieren zu können. Lycidas neigt den Kopf ein wenig zur Seite. Sein halblanges Haar schwingt, legt sich weich über Schläfe und Wange. Verdeckt den Makel. Schimmert gülden, im Farbspiel mit dem Aquamarin seines Halsreifs, mit den feinsilbernen Akzenten des Chiton. Den goldenen Intarsien der Lyra.


    Einer der Preisrichter verkündet: “Lykidas von Sardis. Er spielt: Hermes und die Schildkröte!“


    Inmitten des Rundes verharrt Lycidas. Auf einem Bein ruhend, den anderen Fuß auf die Zehenspitzen gestellt, wendet er sich anmutig spannungsvoll den Ehrenplätzen zu. Verneigt sich. Ohne sie zu sehen. Der Blick verschleiert. Die Züge erfüllt von holdem Ernst. Zärtlich umfasst er die geschwungenen Arme seiner Lyra. Und stimmt ein eigentümliches Lied an. Ganz leise zuerst. Leicht wie die Flügel eines Schmetterlings liebkosen seine Finger die Seiten. Entlocken ihnen eine verspielte Melodie. Wandelbar, quecksilbrig entströmen die Töne unter seinen Händen, verbinden sich, fügen sich zu einem kapriziösen Thema – der junge Hermes. Das göttliche Kind. Neugierde. Das Forschende. Virtuos beschreibt die Lyra das Staunen des Gottes, als er sich zum ersten Mal aus der Höhle wagt, in der seine Mutter ihn zur Welt brachte. Ein kurzes Zaudern, Zurückweichen. Die Verlockung der Ferne. Der Übermut entwischt zu sein.
    Ein jeder kennt den Mythos. Die Lyra wird Stimme, Lycidas‘ Körper Teil des Instrumentes. Auf seine Weise betet er zu Hermes, dem Beredsamen, dem Vielgestaltigen, dem die Zungen der Opfertiere gebühren.


    Ein anderes Thema klingt an. Dieses ist bedächtig und schwer. Weise und bisweilen drollig. Die Schildkröte. Hermes begegnet der Schildkröte. Die Melodien nähern sich an, umweben sich. Dann schlägt das Staunen um, wandelt sich mit einem Mal zur Drohung. Eine gedankenlose Grausamkeit. Schmerzlich. Roh. Wie ein Schrei erklingt es von den Saiten, als der junge Gott das weise Tier mit einem spitzen Stein erschlägt. Den Panzer entfleischt.
    Ein Schweißtropfen rinnt über Lycidas klare Stirn. Eine Strähne klebt, sich krausend, an der feinen Schläfe. Er hat viel darüber nachgesonnen. Dass Schönheit aus Zerstörung entspringt. Dass die Musik mit einem Mord begann. Ein Geheimnis in der allbekannten Fabel. Ein Rätsel, welches er mit jugendlicher Unbedingtheit aufzeigt.


    Der Panzer der Schildkröte wird zum Resonanzkörper der Lyra, welche Hermes mit sieben Saiten bespannt, und der kleine Sklave Lycidas wird zu Hermes, der den Klangkörper entdeckt, die Töne zusammenfügt, spielerisch und mit der unschuldigen Freude des Entdeckers. Es wandelt sich das kapriziöse Hermes-Thema, schwillt an und wird zu dem ersten Lied des Gottes: dem Hymnos auf die Liebe seines Vaters Zeus und seiner Mutter Maia. Immer höher schwingen sich die Klänge. Empor. Streben zu den Sternen, umkreisen sich wie Himmelskörper, umwerben und verweben sich zu einem lichten Klanggewölbe. Ekstatische Lobpreisung des zeugenden Eros.
    Ein Sehnen brennt in Lycidas‘ Brust. Die Ahnung von etwas Unsagbarem. Schön wäre es, aufzugehen in dieser Musik. Zu vergehen mit den Tönen, die er nun sanft verklingen lässt. Doch er steht noch immer in der Orchestra. Wieder irdisch. Und erschöpft. Der Jüngling streicht sich eine feuchtgeschwitzte Strähne zurück. Tief verneigt er sich vor den Zuhörern. Und verlässt die Orchestra.

  • Ich grinste breit, allerdings dachte ich schon wieder über etwas ganz anderes nach als über den kleinen Überschlag den Axillas Zunge gerade gemacht hatte, eine Einladung zu ihr nach Hause wäre eine doppelt günstige Gelegenheit, denn so konnte ich auch gleich mal die werte Cousine kennenlernen, welche, für meine Zwecke, wohl die nützlichste Pyrtanin sein dürfte ...


    "Nun dann nehme ich die Einladung zum Essen gerne an, allerdings nur dann wenn es dir keine Umstände macht und du mir gestattest dich und deine Cousine ebenfalls zu einem Mahl einzuladen ... als Revanche sozusagen!"

  • Wenn man es genau nahm, hatte Axilla ihn gar nicht eingeladen, aber das konnte sie ihm doch jetzt so nicht sagen? Eigentlich wollte sie genau das Gegenteil ausdrücken, nämlich das er ihre ersten Worte nicht als Einladung hatte auffassen sollen. Aber das war wohl gründlich nach Hinten losgegangen.
    Urgulania wird mich umbringen!


    Hilfesuchend schaute Axilla kurz zu Nikolaos, aber sie war sich nicht sicher, ob der Gymnasiarchos überhaupt irgendwas von ihrem Gespräch mitbekommen hatte. Was machte sie denn dann jetzt nur? Sie konnte den Gesandten ja auf keinen Fall einfach wieder ausladen? Aber irgendwas musste sie ja sagen.
    Sie sah sehr unsicher zu ihm, spielte ein wenig mit ihren Händen und suchte nach den passenden Worten. Sie wollte doch so gerne diplomatisch sein und ihrer Familie Ehre machen.
    “Aber vielleicht sollten wir das ein wenig verschieben. Ich meine, die Köchin ist wirklich gut, aber ich weiß gar nicht, ob Urgulania heute daheim speist, und… ich sollte einen Gast ja richtig bewirten können. Also, so unvorbereitet kann ich nicht versprechen, dass alles …ähm… perfekt ist.“
    Urgulania würde sie immer noch köpfen. Egal, was besseres fiel Axilla beim besten Willen nicht ein. Hoffentlich war er jetzt nicht wieder so nett und sagte, es machte ihm nichts aus! Wobei… dann hätte Axilla schon eine Entschuldigung, wenn das Essen in einer Katastrophe enden würde. Und wenn sie so an die letzten Essen im Hause Iunia zurückdachte, dann war das nicht unwahrscheinlich.

  • Irgendwie schien es mir als wäre ich etwas zu forsch gewesen denn scheinbar bereitet ihr der Gedanke mich als Besuch zu haben Unbehagen und das war ja nun genau das Gegenteil von dem was ich erreichen wollte ...


    "Entschuldige wenn ich dich überumpelt habe, wenn es dir heute nicht recht ist, werde ich selbstverständlich abwarten bis man mich einlädt, schließlich will ich hier niemandem zur Last fallen, außer einigen römischen Verwaltern vielleicht!"


    Ich grinste frech, ja die Rechenschieber dieser Provinz würden sich noch meines prüfenden Blickes unterwerfen müssen ...

  • Langsam fühlte sich Axilla richtig schlecht. Verdammt, warum war Gastgeben so schwierig? Eigentlich wollte sie doch nur alles richtig machen, vor allem bei einem Gesandten aus Rom. Da wollte sie die Familie durch ihre schusselige Art ja nicht blamieren. Aber ihren kleinen Rückzieher hatte Imperiosus nun schon als gänzliche Ablehnung verstanden. Ach verdammt, war Diplomatie schwer! Definitiv nichts für so direkte Persönchen wie Axilla.
    “Nein, ich wollte ja nicht sagen… also…“
    Verdammt, wie rettete sie das jetzt, dass weder Urgulania ihr den Kopf abreißen, noch Imperiosus sich zurückgewiesen fühlen würde? Warum nur schlitterte sie immer in solche Situationen, von denen sie keine Ahnung hatte? Irgendein Gott hatte sicher grade einen Heidenspaß.
    “Wie wäre es, wenn du morgen zum Essen kommst?“, schlug sie also einfach ins Blaue vor. Dann konnte sie Urgulania vorwarnen, und es war trotzdem zeitnah! Ja, der Einfall war geradezu genial! Das könnte klappen!
    “Dann kann die Küche sich auch vorbereiten, und so. Und meine Cousine ist dann auch sicher daheim, und… also, wenn es dir recht ist morgen.“

  • Ich nickte zufrieden, Morgen wäre ausgezeichnet, Vormittags würde ich nähmlich den Legionspräfekten besuchen ... da könnte mir ein friedlicher Abend sicherlich nicht schaden ...


    "Ja Morgen wäre ausgezeichnet, ich werde nähmlich Vormittags Nikopolis aufsuchen und nach der kleinen Reise werde ich sicherlich ein sehr friedlicher Gast sein."


    Ich grinste schelmisch, ja ich freute mich bereits auf das Gespräch mit dem Präfekten ...

  • Der Gymnasiarchos schwitzte. Dabei war ihm kalt. Seine Seidenkleidung schien wie aus Blei. Seine Schläfen schmerzten. Das Nervenfieber, das er fürchtete, hatte ihn wieder befallen. Er nahm die anderen Zuschauer, die ergriffen oder gelangweilt dem nächsten Künstler lauschten oder sich nach ihren Nachbarn umsahen, er nahm sie war, als säße er zwischen Statuen in einer Sammlung. Penelope war abgetreten, hatte die Orchestra geräumt für einen Jüngling. Nikolaos sah ihr nach. Ihre Stimme ihm lange nach. Ihre vornehme Bescheidenheit bei der Verbeugung quälte. Nikolaos schwitzte und fröstelte.


    Der Jüngling namens Lycidas war zweifelsohne von einer Schönheit, die nicht von dieser Welt schien. So war auch sein Spiel. Es schien, als habe Hermes ihn geschickt, um seinen Priester zu retten. Nikolaos lächelte selig. Aber diese Seligkeit war hervorgepreßt und gequält. Lycidas war kaum mannbar. Er mochte vielleicht sechzehn Sommer erlebt haben. Sardis, die Erwähnung dieses Ortes ließ Übelkeit in Nikolaos Rachen aufsteigen. Er wusste nicht, weshalb.


    Er war froh, kein Preisrichter zu sein. Es würde ihm schwerfallen, zwischen den beiden letzten großen Künstlern dieses Agons zu urteilen. Und er würde vielleicht nicht nach der Kunst urteilen... Wie er seine Leidenschaften hasste! Der Gymnasiarchos sah sich nach Kanobos fahren und die Peitsche gegen Huren und Strichjungen schwingen. Er sah sich eine Schänke verwüsten und die Würfelspieltische umwerfen, die Knochen gegen die Wand schleudern. Ihr mit eurer Scheißseligkeit! Ihr mit eurer-


    Nikolaos dachte an Sardis und lächelte zart. Der Mythos mit der Schildkröte gefiel ihm. So wollte er sein! Er wollte die Huren peitschen und aus ihren Fleischfetzen eine Marmorstatue-


    Die Statuen um ihn entwickelten Leben. Nikolaos erschrak. Er warf einen verstohlenen Blick auf seine Schreiberin und deren Nachbarn, den unflätigen Gesandten. Warum nur schickte der Basileus einen solchen Lüstling? Auch ihm wollte Nikolaos nur zu gern die getrockneten und gehärteten Stängel der Papyrusstaude übers Fell ziehen.


    Der Schönheit ist ein Weg mit Rosen, wohin sie kommt - und wo sie war, da eine Blutspur-


    Er ertrug es kaum. Er atmete deutlich hörbar ein. Die Leute mochten ihn für schwindsüchtig halten. Wenn sie ihn nur nicht für verrückt hielten-

  • Die Augenblicke sind verstrichen. In welchen die Augen auf Lycidas gerichtet waren. Langsam geht der junge Sklave einen der Gänge des Odeion entlang, der zu den oberen Sitzreihen führt. Verharrt an einer Fensteröffnung. Durch die man hinaus auf die Stadt blicken kann. Die schnurgeraden Strassen des Broucheion. Der Hafen. Unzählige Schiffe. Blitzblau das Meer.
    Lycidas weiß nicht, auf welche Weise dieser Wettkampf abläuft. Ob noch weitere Vorträge folgen.
    Wann wohl die Preisrichter ihre Entscheidung fällen werden?


    Mit seinem Auftritt ist Lycidas nicht zufrieden. Er ist es nie. Das grausame Rätsel um die Schönheit, welches er einfangen wollte, welches er in Klänge gefasst dem Publikum ausliefern wollte, es ist zu schwer zu greifen… Und womöglich hat er den komischen Aspekt der Schildkröte etwas übertrieben... Die großen Künstler der hellenischen Welt zu hören, es war beflügelnd. Ein großes Privileg. Und es hat Lycidas aufgezeigt, was er alles noch zu lernen hat. Falls ihm die Zeit bleibt.
    Ein leeres Gefühl ist zurückgeblieben. Nach dem Auftritt. Wie ausgehöhlt. Immer ist es ein: sich preisgeben. Die anderen teilhaben lassen am selbst. Zu viele Menschen. Sanft setzt Lycidas den Lyrakasten neben sich ab. Stützt die Ellenbogen auf den breiten Rahmen des Fensters. Sein Blick geht nach Norden. Verloren. Im Süden liegt der Lacus Marotis. Dort wartet noch immer der Claudier. Wartet der Iatros. Mit seinen Messern. Eine kalte Hand liegt Lycidas im Nacken.

  • Thimótheos war spät. Er hatte am Eingang einen Bekannten getroffen, der ihn vollgelabert hatte. Pasiphaë und seine Verwandten hatte er schon längst vorausgeschickt. Endlich konnte der Bantotake den Mann, einen Phönizischen Weihrauchhändler, abwimmeln. Als er das Odeion betrat, musste er sich erst einmal orientieren. Dort unten waren Ehrenplätze, von denen er als Strategos auch einen für sich beanspruchte. Dort saß auch Emília. Der Keryke war ebenfalls da, so wie etliche Römer, darunter auch Iunia Axilla. Penelope hatte er noch nicht entdeckt. Aber wo steckte eigentlich seine Jugendfreundin? Er schlenderte umher, begrüßte hier und dort Handlanger, Freunde, oder bekannte Bürger der Polis, dann fand er sie endlich auf einer der Steinstufen sitzend.
    Seinem Stand und Amt entsprechend war Thimótheos heute natürlich wieder ordentlich herausgeputzt. Schminke ließ seine Züge nicht ganz so abgekämpft erscheinen und teure Kleider betonten den vermeintlichen Reichtum seiner Familie. Huldvoll trat er also zur Dame seines Herzens hin und sprach diese hochgestochen und mit einer Prise seines Humors an.
    "Meine liebste Pasiphaë, es gebührt sich nicht für eine solch ehrbare Dame deiner holden Herkunft sich auf diesen Rängen des niederen Volkes aufzuhalten. Ich möchte dich doch aufs Freundlichste bitten, mich dort hinunter zu begleiten." Er deutete schwungvoll auf die Ehrenplätze vor der Bühne. "Es steht dir nur zu einen Platz neben meiner Person einzunehmen und das Schauspiel aus nächster Nähe zu genießen. Darf ich?" Timos hielt der hübschen jungen Frau seine Hand hin, um diese dann eleganterweise die Stufen hinabzuführen. Bei den Plätzen angelangt ließ er sich von einem Sklaven einen Platz anweisen und geleitete Pasiphaë zu diesem. Man hatte ihn in der Nähe des Gymnasiarchos platziert, wo auch die anderen Prytanen und ihre Schreiberlinge und natürlich auch die Preisrichter zugegen waren. Er grüßte die hohen Herrschaften und stellte seine Jugendfreundin denen vor, die sie am Tage zuvor noch nicht kennen gelernt hatten. Pasiphaë und Timos setzten sich - nebeneinander natürlich - und beobachteten noch eine Weile die hereinkommenden Gäste und ließen sich etwas zu trinken bringen. Doch auch heute war Timos merkwürdig ermattet. Er war nur hier aufgrund der Frau, die neben ihm saß und der er nun seine Aufmerksamkeit schenkte.
    "Hier unten sitzt es sich doch schon viel besser. Und man muss keine Angst haben, von einem Halsabschneider die Geldbörse entwendet zu bekommen, während man einem der Teilnehmer applaudiert." Das war zwar ernst gemeint, doch er kaschierte dies mit einem flüchtigen Lächeln in Pasiphaës Richtung.

  • Von meinem Platz aus lauschte ich den Beiträgen der Teilnehmenden, als mich plötzlich eine mir bekannte Stimme ansprach. Und wie sie sprach. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen. So geschwollen redete er selten. Ob es an der Umgebung lag, den Menschen, die ihn hören könnten oder erlaubte er sich nur einen Scherz?
    Erfreut über seine Ankunft, beschloss ich einfach, mit einzusteigen. "Edler Herr, welch Freude, dein Antlitz zu erblicken. Ich fürchtete bereits, du wärest in den Straßen Alexandrias verschollen oder aus mir unbekannten Gründen der Partizipation abgeneigt." Nur gut, dass gerade eine Pause zwischen den Beiträgen entstanden war und alle um uns herum lautstark redeten, über die Politik, die Preise auf den Märkten und den Wellengang der See. So vernahm wenigstens niemand unsere Albernheiten. "Selbstverständlich wäre es mir eine Ehre, von deiner Hand an deine Seite geleitet zu werden." Ich grinste ihn nun doch an und reichte ihm meine Hand. Er sah ein wenig erschlagen aus und so hoffte ich, dass meine nach oben gezogenen Mundwinkel ihm etwas Aufmunterung verschaffen würden.


    Wenig später nahm ich an seiner Seite Platz. Gar nicht weit entfernt von einigen Gesichtern, deren dazugehörige Menschen ich seit meiner Ankunft bereits kennengelernt hatte und gerade rechtzeitig, um dem nächsten Beitrag sitzenderweise beizuwohnen. Er klang nicht schlecht und so fiel ich, meinen Nachbarn gleich, in Applaus ein, während ich zeitgleich eines meiner Ohren für Thimótheos Worte offen hielt.

  • Zitat

    Pasiphaë
    Wenig später nahm ich an seiner Seite Platz. Gar nicht weit entfernt von einigen Gesichtern, deren dazugehörige Menschen ich seit meiner Ankunft bereits kennengelernt hatte und gerade rechtzeitig, um dem nächsten Beitrag sitzenderweise beizuwohnen. Er klang nicht schlecht und so fiel ich, meinen Nachbarn gleich, in Applaus ein, während ich zeitgleich eines meiner Ohren für Thimótheos Worte offen hielt.


    Die verschiedenen Künstler kommentierte der Strategos zunächst nicht weiter. Doch als er des Blickes seiner Freundin auf diesen Lycidas gewahr wurde, flüsterte er ihr ins Ohr. "Ein stattlicher Jüngling, hm? Ein Glück, dass er sich sein Brot mit solch kunstvollem Spiel verdienen kann und nicht auf die Vorzüge seines Antlitzes angewiesen ist." Er lehnte sich mit einem spöttischen Grinsen zurück und betrachtete den Jüngling mit der Lyra. Der würde sich gut machen in einer Reihe von Dienern und Assistenten, Schreiberlingen und Leibsklaven. Aber das waren nur entfernte Träume, die Thimótheos da vorschwebten.


    Zitat

    Nikolaos Kerykes
    Er ertrug es kaum. Er atmete deutlich hörbar ein. Die Leute mochten ihn für schwindsüchtig halten. Wenn sie ihn nur nicht für verrückt hielten-


    Thimótheos und Pasiphaë hatten also einen Platz schräg hinter dem Gymnasiarchos ergattert, den der Bantotake während des Auftritts dieses Lycidas beobachtete. Er schien merkwürdig erstarrt zu sein. Hatte er etwa zu viel seines guten Opiums zu sich genommen? Der Bantotake lächelte boshaft. Während seine Freundin dem Spiel lauschte, legte Thimótheos dem Keryken sanft die Hand auf die linke Schulter und beugte sich etwas vor. "Meinen Glückwunsch werter Epistates tou Mouseiou zu deinem Eintritt in dieses ehrbare Amt." Er ging absichtlich nicht auf das offensichtliche Unwohlsein des Keryken ein, denn er wollte ihn nicht öffentlich bloßstellen. Später würde er genug Zeit haben, ihn genüsslich auf diesen Umstand anzusprechen.

  • Nikolaos zuckte leicht zusammen, als er plötzlich eine Hand auf der Schulter spürte. Innerlich stieß er einen bösen Fluch aus. Er hatte das unangenehme Gefühl, auf dem falschen Fuß erwischt worden zu sein. Und das von demjenigen, den er vor einigen Wochen noch fest in seiner Hand wähnte. Die eigene Blöße war Nikolaos in demselben Maße unbehaglich, wie es ihm gefiel, fremde Blöße für eigene Zwecke zu benutzen.


    "Entschuldige, ehrenwerter Thimothéos, ich habe dich zuvor gar nicht bemerkt. Sonst freilich hätte ich dich schon zuvor begrüßt. Ich danke dir für deinen Glückwunsch."


    Mühselig war es gewesen, eine entspannte Miene aufzusetzen und zu lächeln. Müde war das Lächeln. Es passte nicht zu den Seidengewändern und der kunstvoll drapierten Frisur.


    "Die Götter mögen dich ebenso lieb haben, hoffe ich. Bist du zu einer Entscheidung gekommen?"

  • Aha. Nikolaos schien wirklich nicht bei der Sache gewesen zu sein. Thimótheos schmunzelte innerlich, während er nach außen hin ein beeindrucktes Gesicht aufsetzte und abwinkte. "Schon gut. Man kann in diesem Trubel nicht jeden sofort begrüßen." Zum Glück, denn sonst hätte er diese Schwachstelle des Keryken nicht entdeckt.


    Thimótheos registrierte dann die Müdigkeit in den Zügen des Gymnasiarchos, die er heute wie am Tag zuvor mit ihm teilte. Nur anders, denn Nikolaos schien nicht einfach nur an Erschöpfung zu leiden.
    "Ich bin allerdings zu einer Entscheidung gekommen. Wann und wo kann ich dir meine Pläne mitteilen?"

  • "Wenn diese Festtage vorüber sind*, komme in mein Haus. Schön, dass du zu einer Entscheidung gekommen bist."


    Nikolaos nickte kurz.


    "Du weißt, es ist mir immer eine Freude, dich als Gast zu wissen."


    Ein Funken Kraft kehrte in ihn zurück. Die Müdigkeit verließ ihn für einen Augenblick. Sein Blick wurde aufmerksam und listig wie früher. Aber die Erholung währte nicht lange.




    Sim-Off:

    .Das heißt, sobald du möchtest, von wegen flexibler Zeiteinteilung

  • "Ich danke dir, werter Keryke."
    Und mit einem Fingerzeig deutete er auf die Bühne zu dem jungen Lycidas hin, um das Thema zu wechseln.
    "Ein stattlicher Jüngling dort vorn, nicht wahr? Seine ansehnliche Jugend ist geradezu bewundernswert."
    Thimótheos hatte sich nämlich sagen lasse, dass der Gymnasiarchos eine gewisse Vorliebe für Jünglinge habe. Was er ihm im Grunde genommen nicht einmal verübeln konnte, denn auch der männliche Körper konnte verführerisch sein. Dennoch, der Bantotake bevorzugte das weibliche Geschlecht. Erwartungsvoll horchte er auf die Reaktion des Keryken.

  • Zitat

    Original von Thimótheos Bantotakis
    Doch als er des Blickes seiner Freundin auf diesen Lycidas gewahr wurde, flüsterte er ihr ins Ohr. "Ein stattlicher Jüngling, hm? Ein Glück, dass er sich sein Brot mit solch kunstvollem Spiel verdienen kann und nicht auf die Vorzüge seines Antlitzes angewiesen ist." Er lehnte sich mit einem spöttischen Grinsen zurück und betrachtete den Jüngling mit der Lyra.


    Ich war noch halb mit applaudieren beschäftigt, als ich vernahm, dass Timos mir etwas ins Ohr flüsterte. Er spielte auf Lycidas an und hatte, wie ich feststellte, meine Begeisterung etwas falsch verstanden. Die Musik hatte mich verzückt, nicht das Antlitz des Jungen, obgleich ich jetzt, da ich als Reaktion auf die Worte noch einmal genauer hinschaute, zugeben musste, dass er hübsch anzusehen war.
    Unglaublich, dachte ich, wollte er mich necken oder spielte die Eifersucht mit seiner Zunge?
    Ich drehte mich nach rechts und grinste leicht. "Tatsächlich." sagte ich. "Es ist mir gar nicht aufgefallen, aber jetzt, wo du es sagst, fällt mir in der Tat auf, wie hübsch sein Gesicht ist." Ich drehte mich kurz um und lehnte mich interessiert nach vorn. In dieser Position verharrte ich einige Sekunden. Sollte Timos ruhig glauben, dass ich ein wenig Feuer gefangen hatte. Ich brauchte noch zwei, drei Sekunden mehr, dann drehte ich mich wieder in seine Richtung, mit gespielten Flammen in den Augen, deren Unaufrichtigkeit zwar auffliegen, die vermutlich aber einen ersten Schreck verursachen würden. "Er ist wirklich hübsch." sagte ich mit leiser, dennoch euphorischer Stimme. "Und wie er die Lyra hält. So etwas habe ich in Memphis noch nie gesehen. Dass Mensch und Kunst eine Einheit bilden können." Ich seufzte. Natürlich war ernst gemeint, was ich sagte. Ich hatte das Spiel genossen und der Junge verdiente großes Lob, aber ein bisschen übertreiben musste ich, nachdem mein Begleiter so gestichelt hatte.
    Mit strahlenden Augen richtete ich meinen Blick wieder nach vorn.

  • Irgendwie fühlte sich Nikolaos von Thimótheos verspottet. Wusste er etwa, dass seine Schwägerin Nikolaos mehr in Entzücken versetzte als jeder hübsche Jüngling der Welt es täte (wobei Nikolaos hübschen Jünglingen keinesfalls abgeneigt war...)?


    "Er ist diesem Gymnasion eine wahre Blume. Allerdings werde ich mich hüten, solche Blumen zu pflücken; als Gymnasiarch ist es unanständig, Bürgern die Söhne zu rauben. Aber vielleicht möchtest du dich seiner annehmen, verehrter Thimótheos. Bei seinem Talent wäre es ein Jammer, wenn er keinen Gönner fände, der ihn unterstützt, seine Hand schützend über ihn hält und ihn von dem Unbill des Lebens bewahrt. Es wäre sehr bedauerlich, wenn ein Junge von solcher göttlicher Schönheit und solcher göttlicher Stimme sich dem Handwerk opfern müsste, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten."


    Leider wusste Nikolaos nicht, dass der gute Junge ein Sklave war. Er hätte vermutlich viel daran gesetzt, ihn zu kaufen.

  • Nikolaos erhob sich nach Ende der Darbietungen.


    "Verehrte Gäste, verehrte Künstler! Nun, da alle ihr Bestes gegeben haben, den großen Hermes zu preisen, wird sich das Preisrichterkollegium zurückziehen, um zu einer Entscheidung zu kommen."






    Sim-Off:

    Sonst zieht es sich noch ewig hin ;). (Grinst verschämt ob seiner eigenen temporären Abwesenheit(en).

  • Thimótheos nickte und beobachtete den Jüngling noch einen Augenblick lang. "Das ist in der Tat eine gute Idee. In meiner Obhut könnte er vollends heranreifen und von der Blüte des Gymnasions zur Blüte Alexandreias werden. Wollen wir hoffen, dass er uns lange erhalten bleibt." Der Bantotake hatte natürlich genauso wenig Ahnung wie Nikolaos und hätte nie geahnt, dass der wunderbare Künstler vor ihren Augen dort ein Sklave hätte sein können. Ebenso wenig ahnte Thimótheos, dass der Gymnasiarch seiner Schwägerin schöne Augen machte und so über alle Ohren in sie verschossen war, dass er dafür sogar seine Gelüste hintanstellte. So in Gedanken versunken beobachtete er wieder das Spiel des Lycidas und verharrte dann schweigend, als es endete. Letztendlich fiel er in den stürmischen Beifall ein und applaudierte aufrichtig.

  • Zitat

    Original von Pasiphaë
    Ich drehte mich nach rechts und grinste leicht. "Tatsächlich." sagte ich. "Es ist mir gar nicht aufgefallen, aber jetzt, wo du es sagst, fällt mir in der Tat auf, wie hübsch sein Gesicht ist." Ich drehte mich kurz um und lehnte mich interessiert nach vorn. In dieser Position verharrte ich einige Sekunden. Sollte Timos ruhig glauben, dass ich ein wenig Feuer gefangen hatte. Ich brauchte noch zwei, drei Sekunden mehr, dann drehte ich mich wieder in seine Richtung, mit gespielten Flammen in den Augen, deren Unaufrichtigkeit zwar auffliegen, die vermutlich aber einen ersten Schreck verursachen würden. "Er ist wirklich hübsch." sagte ich mit leiser, dennoch euphorischer Stimme. "Und wie er die Lyra hält. So etwas habe ich in Memphis noch nie gesehen. Dass Mensch und Kunst eine Einheit bilden können." Ich seufzte. Natürlich war ernst gemeint, was ich sagte. Ich hatte das Spiel genossen und der Junge verdiente großes Lob, aber ein bisschen übertreiben musste ich, nachdem mein Begleiter so gestichelt hatte.
    Mit strahlenden Augen richtete ich meinen Blick wieder nach vorn.


    Ha! Mit solch einer Antwort hatte Timos wahrlich nicht gerechnet. Er zog die Augenbraue hoch und grinste dann wieder. Der Schalk legte ihm seine Worte in den Mund: "Ich bin sicher, der Bursche ließe sich zu einer Verabredung mit dir überreden. Er wäre gewiss ein wunderbarer Zeitvertreib." Auf Pasiphaës Schwärmereien für Lycidas meinte er frohgemuts: "Oh doch, in Memphis gab es eine solche Person ebenfalls. Jemanden, dessen Schönheit die willensstärksten Männer zu bezaubern vermag. Jemanden, der mit seinem Scharfsinn selbst die weisesten Herren auszustechen imstande ist. Jemanden, der in diesem Moment unter uns ist." Er sah Pasiphaë vielsagend an und zeigte auf sie, ohne jedoch einen weiteren Kommentar abzugeben. Sie würde schon wissen, was er meinte.

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