Atrium | Romanas Abschied

  • Rege Betriebsamkeit war ins Haus der Claudier gekommen. Eine Kutsche war von einigen Sklaven hergerichtet worden, und Romana hatte sich in ihr Reisegewand geworfen. Natürlich wurde nur das Notwendigste in die Kutsche nach Misenum geschlichtet, das Allermeiste von ihrem Besitzstand hatte sie vorübergehend in der Villa Claudia gelassen, damit es später in das Atrium Vestae überführt werden könnte. Zuerst einmal jedoch würde sie nach Misenum reisen.


    Aber noch vorher würde sie sich von ihrer Familie verabschieden. Kallonike, die verna, die den Brief überbracht hatte, hatte alles veranlasst, dass die Herrschaften, die in der Villa lebten, auch wissen würden, dass die Tochter des Hauses dasselbige nun verlassen würde, da sie bei den Vestalinnen aufgenommen worden war.


    Romana wartete im Atrium. Etwas traurig war sie schon, vor allem, weil sie es nicht geschafft hatte, in ihrer Zeit hier den Garten in einen ordentlichen Zustand zu bringen. Sie würde es später machen, wenn sie längeren Urlaub bekäme. Und sie würde ihre Energien nun vor allem auf die Gewächse, die mit dem Atrium Vestae in Verbindung stehen, lenken.


    Sie schaute herum. Hoffentlich ließen sich die Bewohner der Villa nicht allzuviel Zeit.


    Sim-Off:

    Menec, Lepidus, und was alles sonst noch in der Villa herumkreucht, angetreten, bitte! :D

  • Zur Überraschung aller, und nicht minder seiner selbst, war es Lucius Brutus, der als Erster erschien. Ermattet von Gedanken und anderweitigen Spinnereien seiner Brust wie seines Kopfes, lag er eine Weile auf seinem Bette und wusste nicht den Tag hinweg zu kriegen. Eine latente Aufforderung war da eine wahrliche Abwechslung, obgleich er Abschiede mied. Hin- und her gerissen fand er sich also ein, in schlichter Tunika und mit frisch parfümisiertem Haar.


    "Salve, Claudia Romana.", grüßte er im Türrahmen stehend und trat einen Schritt hinein. Er hoffte nicht allzu herzlich von ihr begrüßt zu werden, denn Kontakte mied der scheue Claudius wo immer es ging.

  • Ein richtiger Andrang war heute in der Villa auszumachen. Eine Menge an Sklaven eilten wild durcheinander als Lepidus das Atrium betrat. Er schien auch nicht der erste zu sein. Brutus, so wie ich annahm, schließlich hatte Lepidus ihn eine Ewigkeit nicht mehr gesehen, schlich schon im Atrium umher. "Salve Brutus!" Begrüßte Lepidus ihn mit einem Nicken und ging anschließend gleich weiter.


    Und da war ja noch die Hauptperson, Romana. Ohne Umschweife ging ich auf Romana zu und begrüßte sie herzlich. "Salve Romana, willst du uns wirklich schon verlassen?" Fragte Lepidus mit einem leichten Lächeln.

  • „Lucius!“, machte sie erstaunt, und erfreut, als sie ihren Halbbruder erblickte. Aber schlecht schaute er aus. Seine angeschlagene Gesundheit musste er von seinem Vater geerbt haben. Weniger körperlich in diesem Falle, als mental. Jawohl, insgeheim wollte Romana bezweifeln, dass in seinem Gehirn alles in vollständigster Ordnung war. Aber trotzdem versuchte er sich, halbwegs ordentlich – spitze Zungen würden hier vielleicht schon das Wort geckenhaft verwenden – herzurichten. Doch Romana sah ihm an, dass er überhaupt nicht gut beinander war. Erst einmal diese merkwürdige, umständliche Begrüßung. Er benutzte ihren vollen namen, als ob sie eine Fremde wäre. Distanz drückte auch seine restliche Körpersprache aus. Romana, die ihn schon mit ihrer üblichen Herzhaftigkeit hatte umarmen wollen, schreckte nun davor zurück. Was war aus ihm geworden? Sie wurde aus ihm nicht schlau.


    In diesem Moment wurde sie in ihren Gedanken unterbrochen, als jemand daherkam, der vermutlich eine unterhaltsamere Gesellschaft darstellte als Brutus. Es war Lepidus. „Schön, dass du da bist, Quintus!“, lächelte sie ihm zu, seine Begrüßung entgegnend. „Ich muss, Quintus, ich muss... warten wir noch auf meinen Vater. Dann erzähle ich euch allen, was der Grund für meinen Aufbruch ist.“

  • Lepidus, Lepidus, diesen Namen hatte er schon einmal vernommen, gewahrte jedoch nicht den Umstand noch die Zunge, die es aussprach. Dieser war wohl einer der vielen, welche sich hier nieder ließen und vom eigenen Vater duchgefüttert wurden. Parasitenhaft waren sie, doch er, gleichsam agierend, war selbstverständlich anders. Er war ein Sohn.
    Verwundert war er nicht, als die Frohnatur Romana ihn doch womöglich nicht gar drücken wollte. Einen Schritt machte er indes vorsichshalber zurück.


    "Du brichst zu den Vestalinnen auf. Wir wurden darüber unterrichtet.", sagte er dann in gleicher, ausdrucksloser, Manier.
    Warum mussten die Menschen es so kompliziert gestalten? Ihn tangierte es peripher, wohin sie genau würde aufbrechen, sie ging und darob war er hier. Mehr musste man auch nicht wissen.


    "Was ich, wenn man mich hätte jemals gefragt, niemals begrüßt hätte.", führte er dann noch aus und konnte an diesem Punkt seine Contenance nicht mehr wahren.

  • Sie hatte eigentlich die große Geheimnistuerei geplant, da platzte der Plan. Vermutlich hatten es sowieso schon die Sklaven gesagt, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass Brutus‘ unerbetene Ansage die Magie des Augenblickes brach. Einige Augenblicke schaute sie auf ihn und nickte dann. „Aha. Dann ist es ja kein Geheim... wie?“ Sie unterbrach sich, als sie sich des ganzen Ausmaßes von Brutus‘ Worten bewusst wurde. „Was? Du... du bist nicht hinter mir? Du unterstützt meinen Traum nicht? Du...“


    Ihre Augen weiteten sich. „Du bist dagegen, dass ich Vestalin werde?“ Romanas Augen wurden wieder normal. Und dann verengten sie sich. „Du willst, dass ich jemanden heirate. Einen senatorischen Patrizier. Du willst, dass ich eine brave Hausfrau werde, die mit jemanden anbandelt, der unsere Familie stärken kann. Wie schön wäre es doch, denkst du dir, wenn deine Schwester doch nur eine dumme Ziege wäre, die zu nichts imstande ist, außer zu heiraten und Kinder zu kriegen. Wie schön wäre es, wenn ich keinen eigenen Willen hätte. Nicht wahr?“


    Sie trat einen Schritt auf ihn zu. Eisig blickte sie ihren Bruder an, von ihrer fast omnipräsenten Freundlichkeit schien nur noch wenig existent zu sein. „Was ist bloß aus dir geworden, Lucius?“ Sie schüttelte den Kopf.

  • Eingedenk der Geschichten um die Furien, Erynen und der Gorgo, wich Lucius einen Schritt zurück, als seine doch recht junge Halbschwester auf ihn zugestürmt kam.


    "Ich will nur Unglück von dir abwenden.", sagte er dann doch recht ruhig und anteilnahmslos. Vielleicht würde sie das recht bald zähmen.
    Und ohne die erste Reaktion abzuwarten, wohl ein gravierender Fehler, legte er auch ohne Umschweifungen dar, warum er so sprach, wie er sprach.


    "Ich fürchte, Schwester, du wirst durch deine Unbeholfenheit nicht nur dich in ein endloses Unglück werfen, sondern ebenso den Ruf deiner Familie besudeln. Besonders als Hüterin des heiligen Feuers."


    Lucius war sich nicht bewusst, welchen Schaden Worte bei anderen Menschen hätten ausrichten können. Er war ehrlich, zu ehrlich, denn die Welt, so war seine Philosophie, verdiente es bei all dem Falschen - besonders in Rom.
    Er war hart, er war gefühlsstar, denn er hatte sein Leben gelebt und demnach stand er auch recht neutral seiner Zukunft gegenüber. Es war ihm egal, wie und wann er sterben würde. Es war ihm auch recht egal wie seine Zukunft aussah. Alles war ihm egal. Er stand außerhalb und beobachtete, analysierte und tat nichts mehr und nicht weniger.

  • Unglück von ihr abwenden? Das war ja schon eigenartig. Hätte Brutus ihr mitgeteilt, dass Romana ihn an die Gorgo erinnerte, wäre sie vielleicht so furios geworden, dass sie ihm die Augen ausgekratzt hätte. Sie war wehrhaft, und des Öfteren leicht aus der Ruhe zu bringen... manchesmal war dies eine ungünstige Kombination, die einer jungen Patrizierin kaum bekommen wollte. Dies aber trat nicht ein, und so blickte sie ihren Halbbruder nur seltsam an. „Unglück?“ Vielleicht machte er sich ja wirklich Sorgen um sie! Vielleicht war sie viel zu harsch mit ihm umgesprungen, und er meinte es nur gut! Sie wollte sich schon entschuldigen für ihre harschen Worte, da führte Brutus – eine sehr unkluge Taktik war das! – aus, wieso er sich Sorgen machte. Brutus' Worte waren hart. Doch gehört wurden sie von Romana noch härter.


    Sie blickte ihn an. Ihr Gesicht nahm eine leicht rötliche Gesichtsfarbe an. „Aha. So ist das also. Ich bin ungeschickt. Du haltest mich für inkompetent und unwürdig.“, stellte sie fest. „Und der Ruf unserer Familie. Du wagst es, vom Ruf unserer Familie zu reden, du...“ Ihr fehlte das passende Wort, und so ballte sie nur hilflos ihre rechte Faust. Innerlich war sie fast schon versucht, ihm recht zu geben. Oft war sie ein wenig tollpatschig und unbeholfen. Doch das wüde ihr im Tempel der Vesta nicht passieren!


    „Ich wurde von Vesta ausgesucht, von ihr höchstselbst. Und der Kaiser hat mich akzeptiert. Ist das genug für dich? Nein, sicher nicht.“, beantwortete sie ihre eigene Frage. „Denn der junge Herr mit den ach so niederdrückenden Gedanken in seiner Brust!“ Sie machte eine Geste, ihre Hand auf ihre Brust legend und eine Grimasse schneidend, die Posen von Leidenden, Geplagten und sonstigen Dummschwätzern nachäffend. „Der junge Herr geruht den ganzen Tag auf der faulen Haut zu liegen, statt seinem Vater Ehre zu machen! Deine Priesterausbildung hast du abgebrochen, weil du keinen Bock mehr hattest darauf! Bei Pluto! Schämen solltest du dich, Lucius, schämen, nicht mit solchen Sprüchen daherkommen!“ Fast, schien es, würde es beginnen, ihr aus den Ohren zu dampfen vor Wut.


    „Nicht einmal in der Stunde des Abschieds kannst du es lassen, mich herunterzuziehen.“ Sie blickte ihn agitiert an. „Wieso musst du mich erniedrigen? Selbst jetzt?“

  • Lucius sah sie nichtssagend an, bloß als sie genau fest stellte, dass er sie für tollpatschig und inkompetent hielt, nickte er leicht.
    Er wusste, dass sie dem Vesuve gleich ausbrechen würde und doch musste er gehört werden.
    Als sie nun darauf über ging, ihre Schwächen durch den direkten Angriff auf sein Leben zu kaschieren, hörte er schon gar nicht mehr hin. Ohne jegliche Regung stand er da und rang mit sich, ob er nun stillschweigend gehen oder noch einmal die wenigen Worte an sie richten würde, die er noch hatte.


    "Manchmal sind der Götter Wege unergründlich. Denke an Ödipus, welcher seinem Schicksal entrannt zu sein gedachte und doch geradewegs hinein lief.", schließlich musste es nichts Positives sein von den Göttern zu etwas berufen zu werden, welchem man jedoch nie gerecht werden würde. Vielleicht wollten die Götter die Claudia strafen und dieses Mädchen war das Werkzeug dazu.
    "Was meine Person anbelangt, so kann ich dir sagen, dass du falsch liegst, denn ich habe meine Ausbildung vollkommends beendet - ich war Priester des Pluto. Ich befand jedoch, dass dies nicht der richtige Weg für mich sei.
    Und zu meiner jetzigen Situation möchte ich dich fragen, ob ein Schiff ohne Wind fahren kann. Wie mir alle beipflichten werden, kann es das nicht. Solange ich daher keinen Wind mache, werde ich weder Ehre noch Scham bereiten denen, die mir nahe stehen."


    Sie missverstand ihn offensichtlich und Brutus war, wie sollte es auch sein, nicht gerade feinfühlig. Wenn er das wäre, hätte er nun inne gehalten und sich dessen erinnert, dass die Schwester hier zum Abschiede geladen.


    "Es war keineswegs meine Intention dich zu erniedrigen. Ich warne viel mehr und gebe dir einen guten Rat. Wie auch jetzt, denn es ist unschicklich und ungebührlich die Contenance zu verlieren, was du bereits gerade getan. Es ist wichtig, nicht hitzig zu reagieren. Das ist schwach und sehr dumm."

  • Dieses leichte Nicken, dieser hochnäsige Gesichtsausdruck, dieses Getue, welches eine solch überragende Indifferenz bezeugte, am Liebsten wäre sie ihm an die Gurgel gegangen. Doch sie würde es nicht tun; nicht ihrem eigenen Bruder gegenüber. Stattdessen zwang sie sich, ihm zuzuhören. Leicht blickte sie zu Lepidus hinüber. Ihr Quintus würde sie doch unterstützen?


    „Ich finde nichts, was an meiner Situation mit Ödipus vergleichbar ist. Im Gegenteil, es war Ödipus‘ Schicksal, seinen Vater zu töten und seine Mutter zu heiraten.E s ist mein Schicksal, Vesta zu dienen. Ich und Ödipus, wir beide steuern unseren Ziel an. Ich wissend, er unwissend. Deine Analogie beweist meinen Standpunkt.“ Nur ruhig durchatmen! Ein cholerischer Anfall würde doch nur seine innere Genugtuung untermauern. „Gut, dann lag ich falsch. Bitte! Entschuldigung!“ Sie sprach dieses Wort aus, als ob sie Brutus vorwerfen würde, Besserwisserei im großen Stil zu betreiben. „Wenn dies der falsche Weg für dich war, dann glaube ich dir. Ich bin mir sicher, dass es der richtige, dir vorbestimmte Weg ist, den ganzen Tag nur in deinem Zimmer zu hocken, die Nächte zu durchheulen und dich zur Lachnummer Roms zu machen.“, meinte sie spitz.


    „Und ich mache also Wind.“ Ihren wieder an die Oberfläche hervorquellen wollenden Zorn herunterbeissend, sah sie ihn an. „Aber bedenke, mein werter Bruder... man kann sich Handlungen nicht entziehen. Auch nur Herumzufaulenzen ist eine Handlung. Macht Wind.“ Sie hob ihren Kopf empor. Sie übertraf an Körpergröße ihren Halbbruder, und dies machte sie sich zunutze, als sie nun auf ihn niederblickte.


    „Deine Intentionen sind mir egal. Weitaus egaler, als sie dir selbst sind, stell dir vor. Du hast dich mir gegenüber benommen wie ein komplettes...“ Sie wagte das Wort nicht auszusprechen, sie war, trotz allem, eine echte Patrizierin. „Ich habe mich aufgebracht verhalten, weil du mich dazu gebracht hast. Man kann sich von einem Bruder mehr erwarten als solche himmelschreiend stupiden, herablassenden Kommentare.“ Sie war wieder ganz ruhig und lockerte ihre Faust, die sie schon in der rechten Hand geballt hatte. Keine Hysterie! So schwer es auch fallen würde. „Ich danke dir für deine guten Ratschläge und deine Warnungen.“ Ihr Blick war von der glühenden Wut der Jugend auf die eisige Kälte einer Patrizierin umgeschwenkt. „Ist es nicht eine Schande, dass ich in Zukunft ohne sie auskommen muss.“, frotzelte sie. „Aber sei dir bewusst – ich lasse mich von niemanden von meinem Weg abhalten. Am allerwenigsten von... dir. Den ich allzu bald schon, mit meiner ganzen Schwäche, Dummheit, Tollpatschigkeit, Inkompetenz, und sonstigen Schwächen, überflügelt haben werde.“ Sie blickte ihn unverwandt an. Sie wollte eine Entschuldigung. Reue. Mindestens.

  • Kaum hatte ich Romana begrüßt ging auch schon ein wahres Feuerwerk an einem für und wider an Romana´s Berufung einher.
    Aus einer Ecke des Atrium´s ließ ich mir dieses Schauspiel gefallen. Zum Glück war Menecrates noch nicht anwesend, das Schauspiel wäre sofort beendet gewesen.
    Insgeheim schmunzelte ich nur. Wie Weltfremd und verbohrt stellte sich mir hier Brutus vor. Zugegeben, der bis dato schmähliche Kontakt zu ihm hätte für ein Urteil meinerseits kaum ausgereicht doch was sich nun abspielte, hätte nicht besser in einem Drehbuch für eine erfolgreiche Aufführung im Theater stehen können. Da stand auf der einen Seite die hochmotivierte und wie sie sagte, von Vesta höchstpersönlich auserwählte Romana. Ihr gegenüber der mir etwas müssiggängig vorkommende, mit dem Leben hadernde Brutus, welcher in allem etwas negatives zu erblicken schien.


    Nur leider war dies keine Theateraufführung sondern wahre Realität. Zu wenig kannte ich Brutus um mir ein Urteil über ihn zu erlauben und auch mochte ich das gar nicht.
    Doch irgendwann riss auch mir der Geduldsfaden und ich versuchte die Wogen zu glätten, bevor Menecrates eintraf und diesen Zwist hier mitbekam. So wie Romana mir schilderte, wäre dies nur ein Tropfen auf die Mühlen seines doch arg angekratzten Gesundheitszustandes, würde er just in diesem Moment eintreten und diese Farce hier leibhaftig miterleben.
    Auch ging es mir um Romana, die schon zur Weißglut erregt den Gegenpart zu Brutus lieferte.


    "Jetzt ist gut ihr zwei..."


    Donnerte ich los. Ohne einen Gedanken daran, ob mir das überhaupt zustand. Doch das war mir in diesem Moment egal.


    "Ich denke, das hat schon alles seine Richtigkeit."


    Entgegnete ich bestimmend in Richtung Brutus mit der Hoffnung, das der Hausherr auch bald zugegen sein wird. "Menecrates wird schon seinen Segen dazu gegeben haben, dachte ich mir und begründete mein Dazwischengehen damit.


    Für Brutus hatte ich indess nur eine abwertende Mimik übrig.

  • Dass er sich nunmehr in eine nicht sehr erwünschte Lage manövriert hatte, war ihm spätestens beim Anblicke dieses faulen Lepidus bewusst gewesen.
    Sie war schwer von Begriff und Lucius wollte keine weitere Energie darauf verschwenden, ihr alles erklären zu müssen. So fasste er es simpel in einen Satz.


    "Er tat etwas im Glauben das Richtige damit zu tun, wobei er doch das Falsche tat.", kommentierte er seine Anspielung und seufzte innerlich.


    Er arbeitete hier gegen Windmühlenblätter, außerdem waren sie in ihrer Eigenschaft recht scharf. Verletzen wollte er sich aber auch nicht. Diese Drohgebärden empfand er dann doch recht primitiv und rollte mit den Augen, als sie plötzlich drohend vor ihm stand. Sie war letztendlich eine Frau und ihm in Allem überlegen.


    "Ich muss mich nicht mit dir messen - denn es wäre ohnehin kein gleicher Kampf. Ich bin Lucius Claudius Brutus.", er, der Erstgeborene, der Sohn, der Erbe. Er war die Sonne und sie durfte der Schatten sein. Lucius wollte sich nicht weiter aufhalten, nickte leicht.
    "Ich wünsche dir eine angenehme Zeit. Vale.", damit drehte er sich um, bedachte im Vorbeigehen diesen Lepidus mit einem kurzen Nicken und war hinfort gegangen, um sich den Schriften des Sophokles zu widmen. Vielleicht sollte er ihr den Ödipus nachschicken lassen, natürlich von ihm kommentiert, denn trotz ihrer Weiblichkeit war sie doch eine Claudia und verfügte womöglich über einen klaren Verstand. Es ward noch nicht alles verloren.

  • Es war schon ein Dilemma. Brutus hielt Romana für beschränkt. Romana hielt Brutus für beschränkt. Und beide waren überzeugt, dass sie im Recht waren. Romana bebte schon fast vor lauter Groll, als ihr Halbbruder ihr nonchalant hinwarf, wie er die ganze Sache sah, und dass er nicht dachte, dass es Romanas Schicksal wäre, im Atrium Vestae zu dienen. Sie schnaubte. „Nur weil du im Cultus Deorum versagt hast, muss es nicht heißen, dass ich versagen werde.“ Sie blickte ihren Bruder an, als ob sie ihn am liebsten ohrfeigen würde.


    Doch bevor noch ein Unglück geschah, schritt Lepidus ein. Mit dröhnender Stimme, welche die junge Claudierin zusammenzucken ließ, befahl er den beiden, Schluss zu machen mit ihrer gegenseitigen Angifterei. Und dann verkundete er, dass schon alles seine Richtigkeit hatte, wie er es formulierte. Romana war ihm zutiefst dankbar, dass er sich auf ihre Seite stellte. Und ihr Halbbruder sah wohl, dass er verloren hatte. Seine Bemerkung entlockte Romana ein „Ha!“, was man wohl als eine Art abgekürztes zynisches Lachen deuten könnte. Natürlich wäre der Kampf ungleich – sie würde diesen Schwachmatiker in der Luft zerfetzen, dachte sie sich, obwohl sie wusste, dass dem nicht so sein würde. Sie war doch eben nur ein Mädchen, was sie hie und da doch verzweifeln ließ, vor allem, wenn sich Brutus wieder einmal aufspielte wie ein Pascha. Die Gesamtheit seiner Gesten, Worte, Blicke, strafte seinen guten Wünschen, als er abging, Lügen. „Vale.“, erwiderte sie, nein, spuckte sie fast schon aus. Auf Nimmerwiedersehen, du Krätze.


    Sie blickte ihm noch nach und schüttelte dann ihren Kopf. „Mein Bruder.“, murmelte sie zu Quintus Lepidus. „Der ganze Stolz des claudischen Hauses. Wehe uns.“ Traurig blickte sie zu ihm hin. „Gut, dass ihm der Cultus Deorum nicht gefallen hat. Das ist schon fast eine Garantie, dass ich jede Sekunde davon lieben werde.“ Sie blickte kurz zur Tür hin, wo blieb bloß ihr Vater? Würde sie am Ende, ohne sich von ihm verabschieden zu können, aufbrechen müssen? Hoffentlich nicht.

  • Menecrates hatte den letzten Teil des Wortgefechts vernommen, als er unbemerkt über die Schwelle trat und er nicht sofort entdeckt wurde.


    "Kinder, warum immer diese Uneinigkeit? Solch übles Verhältnis ist nicht lobenswert."


    Menecrates seufzte und trat näher. Er fasste seine Tochter bei den Schultern und tätschelte sie etwas linkisch. Aber die Geste drückte seine Zuneigung und Hoffnung aus. Wer ihn kannte, würde sie richtig deuten.


    "Der Götter Fürsorge und Vestas Wohlwollen sei stets mit dir, mein Kind. Worin auch immer ich dich unterstützen kann, sag es immer gerade heraus." Er drückte noch einen flüchtigen Kuss auf Romanas Stirn, dann schaute er zu Lucius.


    "Und wohin werden dich deine nächsten Schritte führen?" Es war nicht die Frage, OB Brutus Pläne hatte, dieses setzte Menecrates voraus. Doch sein Sohn hatte ihn offensichtlich nicht mehr gehört, geschweige denn gesehen, was Menecrates nicht verübeln konnte. Er hätte ja auch eher hervortreten können.

  • Gerade als Brutus das Atrium verließ, sah Romana ihren Vater hereinkommen. Er hatte es mitbekommen, was vor sich gegangen war. Alles. Sie atmete tief ein und dann wieder aus. Uneinigkeit, sagte ihr Vater, und damit hatte er recht. Romana wollte einen Moment lang ihren Vater davon überzeugen, dass es nicht ihre Schuld war, dass Brutus angefangen hatte... doch dies wäre kindisch gewesen, und der Wahrheit hätte es wohl auch nicht ganz entsprochen. Sie ließ deshalb nur beschämt ihre Schultern sinken, als Menecrates jene berührte. Die väterliche Berührung aber versetzte sie wieder in eine etwas bessere Stimmung.


    Besonders berührt sie sein Segensspruch. Glückwünsche könnte sie nun gebrauchen. „Danke, Vater.“, meinte sie und schlug die Augen züchtig nieder. „Und danke, dass du mir deine Unterstützung anbietest. Das war nicht nötig... aber ich würde mich natürlich freuen.“ Romana war eine ehrliche Person, und würde nicht, nur aus reiner floskelhafter Höflichkeit, ein solch nettes Angebot ihres Vaters ablehnen.


    Sie bemerkte noch aus den Augenwinkeln, wie ihr Vater Brutus etwas fragte, aber dieser schien ihn nicht gehört zu haben. Sie blickte ihren Vater mit einem Blick an, der alle Worte überflüssig machte. Na, was würde er wohl machen? Ins Bett gehen und faulenzen. Sie blinzelte, vertrieb den Blick, und lächelte. „Vater, ich werde sicher stellen, dass du auf mich stolz sein können wirst.“ Im Gegensatz zu deinem Sohn, fügte sie in Gedanken hinzu.

  • "Das ist gut", erwiderte Menecrates, der gedanklich zum Teil noch bei Brutus weilte. Dann wandte er sich aber vollkommen seiner Tochter zu. Die Aussicht auf Stolz, den er einmal empfinden könnte, wärmte ihn. Menecrates war diesbezüglich nie verwöhnt worden. Dabei stellte er nicht einmal besonders hohe Anforderungen - zumindest glaubte er das. Oder war es schon zu viel verlangt, Anstand und Fleiß, Gottesfürchtigkeit und Strebsamkeit, sowie Reinheit im Wesen und Ehrlichkeit zu erwarten?


    Er schüttelte die Gedanken ab. "Selbstverständlich unterstütze ich dich. Ich habe mir sogar mehr als nur kluge Worte oder Geld dafür ausgedacht. Mein Ratschlag soll dir stets zur Verfügung stehen, sofern du ihn wünschst. Meine väterliche Liebe wird dich ohnehin begleiten und als besondere Geste habe ich mir etwas ausgedacht."


    Er legte den Arm um Romanas Schulter und forderte sie durch sanften Druck auf, ihm ans Fenster zu folgen. "Ich habe einen Getreidehof, nahe der Stadtgrenze. Dieser Hof wurde schon länger nicht mehr bewirtschaftet, weil mir einmal zu Ohren kam, dass sich dort beständig viele Vögel niederlassen würden, die von den Auguren beobachtet werden. Dieser Getreidehof muss einer der Lieblingsplätze der Götter sein und vielleicht gefällt er ja auch der Vesta. Ich schenke ihn dir anlässlich deiner Berufung als Vestalin. Du wirst wissen, ob du den Hof demnächst bewirtschaften lässt oder ihn weiterhin den Vögeln als Ruheplatz dienen lässt. Vesta wird dich darin beraten, da bin ich ganz sicher."

  • Romana kannte ihren Vater gut genug, um sofort sehen zu können, dass er sah, dass sie es ernst meinte. Sie wollte unbedingt, dass er auf wenigstens eines seiner Kinder stolz sein konnte. Er sollte sehen, dass er nicht nur Faulenzer, labile Persönlichkeiten und erfolglose Pechvögel auf die Welt gebracht hatte. Der schiere Umstand, dass ihr Vater glaubte, dass sie es schaffen würde, versetzte sie in Hochstimmung. Seine großzügigen, edlen Worte ließen ihr fast die Augen wässrig werden.


    Romana folgte ihm ans Fenster, sie wagte es nicht, ein einziges Wort zu sagen. Als ihr Vater jedoch begann, von einem Getreidehof zu erzählen, weiteten sich ihre Augen. Sie würde den Bauernhof erhalten. Den Bauerhof mit den Vögeln, welche die Auguren betrachteten.


    Zuerst einmal war sie sprachlos. Tief musste sie einatmen, um die Luft für Worte zu bekommen. „Vater... das ist... ich kann es kaum...“ Sie rang nach Worten und es gelang ihr erst jetzt, einen Satz zusammenzubasteln. „Vater, das ist so großzügig und gütig von dir.“ Ablehnen würde sie dies ganz gewiss nicht, und sie würde auch nicht aus reiner Höflichkeit einen nicht ernst gemeinten Versuch machen, es abzulehnen (einmal hatte sie dies bei einer entfernt verwandten Tante gemacht, als diese ihr Geld angeboten hatte – und die Tante hatte dann das Geld wieder eingesteckt und für sich behalten, obwohl Romana die Moneten sehr gut zum Vertrantscheln gebrauchen hätte können). „Ich nehme den Hof gerne an.“, sagte sie als logische Konsequenz. „Danke, Vater. Danke.“ Eine kurze Pause machte sie, in der sie die Hand von Menecrates, welche nicht über ihrer Schulter lagerte, ergriff. „Bald schon werde ich den Kaiser als meinen Vater bezeichnen müssen. Aber dies wird nichts an meinen Gefühlen dir gegenüber ändern, Vater. Nichts.“, versprach sie ihm mit ruhiger Stimme.

  • "Ich weiß, Kind", erwiderte Menecrates, als Romana den Kaiser erwähnte. Worte oder Bezeichnungen wogen mitunter schwer, aber in diesem Fall waren sie ohne Belang. Ihm war klar, dass sich nichts an ihrer Beziehung ändern würde - nichts Gravierendes zumindest.


    "Berichte mir ab und an, wie es dir geht, was du bewirken konntest und wer oder was dir während deinem Dienst begegnet. Die Götter mit dir, Romana."

  • "Klar schriebe ich dir.", versicherte sie ihm, ganz hin und weg von seinem Segensspruch. „Und mit dir, Vater. Und mit dir.“, erwiderte sie leise, die Hand ihres Vaters noch einmal drückend. Sie blickte hinüber zu ihrem Vetter. „Vale, Quintus.“, machte sie, bevor sie wieder zu ihrem Vater blickte. „Vale, Vater.“ Ein paar Sekunden stand sie noch da.


    Dann drehte sie sich um und ging, heraus aus dem Atrium, hinaus in die freie Luft, hinein in die Kutsche die schon wartete, und hinweg, Richtung Misenum, wo sie schon erwartet werden würde.

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