• Alexandros blickte nachdenklich in seinen Wein und brummte ein wenig zustimmend. Konnte es wirklich sein, dass alle Menschen frei waren? Und wenn alle frei waren, waren dann nicht eigentlich alle mehr oder minder von gleichem Stand und die Unterscheidungen zwischen den Schichten der Gesellschaft völlig unsinnig? Er schüttelte leicht den Kopf, denn solche Gedanken fand er einfach zu abwegig. Allgemeine Freiheit und Gleichheit konnten einfach nicht richtig sein, das wusste doch jedes Kind wenn es sich in Rom umblickte.
    Das klingt für mich alles sehr philosophisch. So reden sicherlich die Menschen in der Heimat meiner Familie über Freiheit, aber hier in Rom ist das doch eher unpraktisch. sagte er und schwenkte dabei recht weit um.
    Wenn wir ehrlich sind, dann ist es doch alles sehr eindeutig: Es gibt Römer und es gibt Nichtrömer und es gibt Freie und Nichtfreie. Und zumeist ist es so, dass Römer frei sind und Nichtrömer unfrei. So einfach ist das. Obwohl...
    Ihm schoss wieder ein Gedanke durch den Kopf.
    Was macht einem Mann denn eigentlich zum Römer? Muss man dazu in Rom geboren sein? Wenn ja, dann wäre ich mehr Römer als mancher Senator der heutzutage in der Curia sitzt. Aber ich bin kein Römer, oder? Ich bin nur ein freigelassener griechischer Sklave, der sich durch die Gutmütigkeit seines römischen Herren als freier Mann durch diese Stadt gehen darf. Aber was unterscheidet mich denn von meinem Herren? Wir sind beide in Rom geboren, sogar im selben Haus. Beide Familien stammen aus Achaia und kamen zusammen hierher, aber seine Familie hatte das Glück bereits in der alten Heimat über meine zu gebieten und so wurden sie Römer, während meine Vorfahren Sklaven wurden.
    Er blickte den Senator fragend und zugleich entschuldigend an.

  • Dies war nun eine äusserst brisante Frage. Ich wartete daher etwas ab, nahm einen Bissen und einen grossen Schluck, bevor ich zaghaft antwortete.


    Römer ist man von Abstammung. Aber auch hier gibt es Unterschiede. Es gibt die alten Familien, welche seit Jahrhunderten nachweisen können, immer in Italia gelebt zu haben. Dann gibt es aber sicherlich auch viele Familien, welche das römische Bürgerrecht später zugesprochen erhalten haben. Nimm Soldaten in den Hilfstruppen. Es sind fast ausschliesslich Männer ohne Bürgerrecht, welche durch ihren Dienst darauf hoffen, Römer zu werden, nämlich wenn sie die ganzen 25 Jahre überleben.

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  • Aber sind diese Soldaten, wenn sie das Bürgerrecht erhalten, weniger Römer als jene, die es von Geburt an sind? Ich dachte immer Römer ist man oder nicht und nicht dass man nur ein Bisschen Römer sein kann.
    Er war ein Wenig verwirrt, mehr noch als zuvor.

  • Das stimmt zwar vom Gesetz her. Da gibt es keine Unterschiede, entweder man ist Römer oder nicht. Doch unter den Leuten selbst gibt es schon Unterschiede. So gibt es Patrizier, welche sich selbst für besser halten als die Plebejer und es gibt Plebejer, welche sich für besser halten, als andere, weil sie ihr Bürgerrecht schon seit Menschengedenken haben und nicht erst ganz neu.


    Auch mir ging dieses Gehabe immer wieder einmal auf den Sack, so dass ich noch anfügte:


    Auch ich verstehe dies nicht wirklich. Römer ist Römer, punkt.

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  • Natürlich wusste Alexandros, dass es in den großen Poleis seiner Heimat nie anders war, als hier in Rom, aber dennoch fand er es einfach sehr verwirrend.


    Nun, ich werde vermutlich eh niemals ein Römer, daher sollte ich mir darüber gar nicht so viele Gedanken machen. Ich sollte mich vermutlich einfach darüber freuen, dass ich keine Sklave mehr bin und damit glücklich sein. sagte er, mehr zu sich selbst.

  • Ich wusste erst einmal nicht, was ich darauf antworten sollte. Natürlich hatte er recht. Ausser einer Adoption war wohl kaum etwas zu machen. Doch wer adoptierte einen Libertinus?

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  • So genossen wir zuerst einmal in Freiheit unseren kleinen Imbiss und ergötzten uns an der Menge der Menschen, welche sich über das Forum ergoss. Dann sagte ich:


    Nun, was wir hier gerade tun, ist doch ein Zeichen der Freiheit. Ein Sklave hätte wohl kaum die Zeit, an einem Tag wie heute einfach in der Taverna zu sitzen und zu geniessen.

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  • Hmm.. Das ist natürlich wahr. Wobei es natürlich genügend Sklaven gibt, die sich die Zeit irgendwie nehmen. Ein Umstand, den ich nie verstanden habe, als ich noch Sklave war. Wenn ich in der Stadt unterwegs war, hatte ich immer soviel zu tun, dass ich für so etwas keine Zeit hätte finden können. sagte er und beobachtete die wogende Masse auf dem Forum. Eigentlich war es kaum vorzustellen, dass er allein sie hatte zum Stehen bringen können.

  • Ich wollte jetzt eigentlich nicht länger über Sklaven diskutieren, weswegen ich eine andere Frage stellte.


    Was gedenkst du denn jetzt mit deiner neuen Entscheidungsfreiheit anzufangen?

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  • Das war eine Frage über die Alexandros noch nicht wirklich nachgedacht hatte. Vor allem, da er es bisher noch nicht für nötig erachtet hatte darüber nachzudenken, denn der halbe Tag in Freiheit war bisher noch nicht groß anders gewesen als der gestrige in Unfreiheit.
    So brauchte er auch einen Moment bevor er antwortete.
    Ich weiss es eigentlich noch gar nicht. Ich werde weiterhin im Haus meines alten Herren arbeiten und wer weiss, ob ich da nebenher überhaupt groß Zeit habe um meine Entscheidungsfreiheit zu geniessen. Aber vielleicht werde ich mir beizeiten mal die Zeit nehmen ein wenig zu reisen. In die alte Heimat meiner Familie vielleicht.

  • Dies tönte nun wahrlich nicht anders, als ich es von meinen eigenen Freigelassenen her kannte. Erst noch etwas arbeiten, dort wo man die Umgebung und die Leute kannte, dann die eigene Heimat besuchen.


    Das tönt gut. Rede doch am besten auch mit deinem Arbeitgeber über dieses Vorhaben. Er kann dir bestimmt auch helfen.
    Bewusst vermied ich die Worte "ehemaliger Herr".

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  • Ich bin mir sicher, dass er mir dabei helfen wird, schon weil er selbst diese Reise in die alte Heimat nie machen konnte. Vielleicht werden wir es auch irgendwann zusammen tun.
    sagte Alexandros, der wusste das Balbus es immer bereut hatte, dass er noch nie in Attica war, während fast alle anderen Mitglieder der Gens diese Reise irgendwann in ihrem Leben gemacht hatten.

  • Je länger ich mich mit diesem Menschen unterhielt, desto bestimmter wurde in meinem Hinterkopf eine kleine, ganz feine Stimme.


    Sag einmal, dein Arbeitgeber, ist das Tiberius Prudentius Balbus? stellte ich die Frage dann irgendwann doch.

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  • Ein Wenig von der plötzlich vorgebrachten Frage überrascht, nickte Alexandros leicht.
    Ja, eben jener. antwortete er dann, ohne sich dabei groß etwas zu denken. Sollte der Senator doch ruhig wissen, wem er schon sein ganzes Leben lang loyal diente. Alles in allem sah der Mann immerhin nicht aus, als wolle er etwas böses.

  • In meinem Kopf klickten wieder ein paar Zahnräder ineinander und ein weiteres Teilchen in einem grossen Bild kam am richtigen Ort zu liegen.


    Griechenland ist ein schönes Land, gutes Klima, interessante Menschen. Du solltest es wirklich einmal besuchen.
    wechselte ich das Thema wieder. Selbst hatte ich dort studiert, wie wohl die meisten Römer aus gehobenem Hause. Doch das war lange her, noch vor meinem Unfall, dem Ableben meines Vaters und dem Verlust von beinahe allem. Beinahe, dieses Wort hatte sich noch nie in diesen speziellen Gedankengang verirrt. Beinahe, ja, beinahe, denn die Freiheit, die war mir immer geblieben.

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  • Ich setze meine Hoffnungen auf die Zukunft und bin sicher, dass es eines Tages klappen wird. sagte Alexandros zuversichtlich. Vielleicht schaffe ich es dann auch einmal nach Alexandria, denn die Stadt soll ja ein wahres Wunder sein.


    Fast hätte er sich nun in traumartige Gedanken an mögliche Reiseziele ergeben, doch er konnte sich gerade noch stoppen.


    Aber verzeih Senator, ich möchte dich nicht mehr mit meinem Problemen und Wünschen beladen als nötig.

  • In der Tat hatte diese kleine Plauderei nun schon eine ganze Weile gedauert. Die Teller und Becher vor uns waren leer.


    Ja, bei aller Freiheit denke ich, dass wir beide noch etwas zu tun haben. Ich danke für deine interessanten Ansichten, aber das nächste Mal bleib doch nicht mitten auf dem Forum stehen. sagte ich mit einem freundlichen Augenzwinkern. Dann erhob ich mich. Falls nicht noch etwas dazwischen käme, musste ich nun wieder los. Lange genug hatten Klienten und Gefolge vor der Taverna auf mich gewartet.

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  • Und ich danke dir für deine Zeit, Senator. sagte er und erhob sich ebenfalls.
    Ich werde mich bemühen beim nächsten Mal an einem anderen Ort stehenzubleiben. erwiderte er das Augenzwinkern.
    Es war mir eine Ehre dich kennenzulernen, Senator Annaeus. Vale Senator, mögen die Götter deine Schritte positiv lenken. sagte er zum Abschied, bevor er den Senator wieder aus seinen Fängen freigab um ihn zu seinem Gefolge zurückkehren zu lassen.

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