Das Gespräch mit Lando zog sich in die Länger. Irgendwann gingen ihnen die Themen aus, mit denen die Zeit vertrieben werden konnte und so griffen sie zum Würfelbecher. Witjon verlor erwartungsgemäßg etliche Male und widmete sich letztendlich frustriert dem Met, der ihm bereits leicht aufs Gemüt schlug. Phelan und Ragin hatten sich bisher noch nicht blicken lassen und Albin hatte sich auch wohlweislich mit Ratschlägen und alten Märchengeschichten zurückgehalten, als er den gereizten Witjon gesehen hatte. So saß der werdende Vater vor dem Kamin, den Blick starr in die Flammen gerichtet. Lando war gerade austreten, denn Met wirkte sich nicht nur auf das Gemüt, sondern auch auf die Blase aus.
Witjons Gedanken kreisten um genau zwei Dinge. Leben und Tod. Um Leben in der Hoffnung, dass das Neugeborene gesund sein würde und nicht nur die Geburt, sondern auch die Wochen, Monate und Jahre danach überstehen würde. Und um den Tod in der angsterfüllten Erwartung des Verlustes seines Weibes. Er wusste er konnte jetzt nichts mehr für sie tun. Die Kontrolle hatte er den anderen Frauen übergeben müssen, die nun für Callista sorgen würden. Witjon sandte ein Stoßgebet an Frigg und ihre göttlichen Diener, dass sie über seine Liebste wachen sollten. Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt, doch selbst sie war nur noch ein schwaches Glühen in Witjons Innerem. Er wollte es sich nicht eingestehen, aber er glaubte nicht an einen guten Ausgang dieser Geburt. Und als ihm bewusst wurde, dass es aussichtslos war, dass er vollkommen hilflos war, da drohte er die Beherrschung über sich selbst zu verlieren. Noch hatte er seine Gefühle bezwingen können, seine Angst und Trauer und Anspannung halbwegs überspielen können. Doch in jenem einsamen Moment am Kaminfeuer schüttelte es ihn vor Entsetzen über die Katastrophe, die ihn zu treffen drohte. Er stützte das Gesicht in die Hände und schluchzte kurz auf. Einen Augenblick lang saß er einfach nur da, die Augen geschlossen, in Hilflosigkeit verharrend.
Da durchbrach ein Geräusch die unheimliche Stille, das er nicht sofort ausmachen konnte. Witjon zog laut die Nase hoch und hob verwirrt den Blick. Konnte das sein? War es bereits so weit? Wie lange hatte er bereits hier mit seinem Vetter gesessen und die Zeit totgesoffen? Mit dem Ärmel wischte er sich flüchtig über die Augen, schluckte einen dicken Kloß im Hals herunter und erhob sich unsicher. Er sperrte die Ohren auf und lauschte konzentriert. Das war Geschrei, wahrhaftig! Konnte das möglich sein? Nach all der Zeit des Wartens war es nun endlich geschafft? Er durfte sich Vater nennen? Eine Welle der Freude überschwemmte ihn und nahm ihm zunächst den Boden unter den Füßen. Unsicher schwankte er und musste sich am Kaminsims festhalten. Und als er gerade wieder sicher stand, traf ihn ein ganz anderes Gefühl wie ein Schlag. Angst. Fürchterliche Todesangst. Lebte Callista, oder hatten die Götter sie zu sich gerufen? Waren seine Alpträume wahr geworden? Witjon machte einen zögerlichen Schritt vorwärts. Er wollte nachsehen, wollte Gewissheit haben. Doch er fürchtete sich vor dem was er womöglich sehen würde. Er ahnte das Schlimmste. Diese Ahnung ließ ihn dort am Kamin verharren, lähmte ihn zur Gänze.
Irgendwann stand plötzlich Lando wieder im Raum. Ihre Blicke trafen sich und im selben Moment stürzte Albin ebenfalls zur Tür herein und rempelte den cheruskischen Vetter an. Da schaltete es in Witjons Hirn und mit einem Satz stürmte er an den beiden Männern vorbei zur Treppe hin. Er nahm jeweils drei Stufen nach oben, doch kurz vor dem Treppenabsatz stoppte er abrupt ab und blieb stocksteif stehen. Da stand Elfleda, ein Bündel auf dem Arm. Ihr Blick war für Witjon nicht zu deuten und so starrte er einen Moment unbewegt das Bündel an, das dort friedlich an Elfledas Brust ruhte.