Noch immer glaubte ich, den beißenden Rauch in meiner Nase zu spüren. Wenn ich die Augen schloss und so da lag, sah ich wieder die züngelnden Flammen, die Louans Leichnam verzehrten. Was mir am Ende geblieben war, war die Asche. Mit meinen eigenen Händen hatte ich sie in ein Urnengefäß gefüllt und es dann sorgfältig verschlossen. Dann hatte ich sie vor der Stadt unter einer Esche vergraben. Louan hatte Eschen gemocht. Unser Großvater hatte immer erzählt, Eschen seien mächtige Bäume, die viel Schutz boten. Keiner unseres Volkes würde es wagen, je eine Esche zu fällen.
Für seine Reise hatte ich Louan einige wichtige Dinge mitgegeben. Da waren seine Pinsel, mit denen er so gerne gemalt hatte und das bronzene Pferdchen, das ich als Anhänger um meinen Hals getragen hatte. Sein Dolch, den er in seiner Hand gehalten hatte, als er starb, legte ich als letztes zu der Urne in das Grab. Einer der Sklaven hatte ihn zuvor unbrauchbar gemacht, indem er die Klinge mit einigen gezielten Hammerschlägen verbog.
Ich allein hatte mit meinen Händen das kleine Erdloch aufgegraben und ich war es auch, die es wieder mit Erde verfüllte, nachdem ich noch einige Gebete gesprochen hatte. Mochte Louan eine gute Reise haben und ein langes Leben auf ihn warten, dort, wo er jetzt war.
Ich weiß nicht, wie viele Tage seitdem vergangen waren. Ich hatte sie nicht gezählt. Genauso wenig konnte ich sagen, wie lange ich schon hier war. Hier war ein Tag, wie der andere. Ich stand morgens, kurz vor Sonnenaufgang auf, aß eine Kleinigkeit und ging mit den anderen zur Arbeit. Der Aufseher hatte gemeint, ich müsse das nicht tun. Aber wenn ich es nicht getan hätte, dann wäre ich verrückt geworden. Ich konnte nicht einfach nur dasitzen und nicht tun.
Es gab immer etwas zu tun. Man meint, Oliven machen wenig Arbeit. Aber das stimmt nicht. Im Winter beginnt die Ernte und dann beginnt die Weiterverarbeitung. Die meisten Früchte werden zu Öl gepresst. Die besonders guten werden eingelegt. Und den Rest des Jahres verbringt man damit, die Bäume und die Felder auf denen sie stehen, zu pflegen. Nur dann wird die Ernte im Winter wieder reichlich sein.
An guten Tagen erinnerte ich mich kaum noch an Rom. Denn dann hatte ich gar keine Zeit zum Grübeln. Die Arbeit ließ das nicht zu.
An manchen Abenden hatte ich mir schon oft überlegt, nicht doch einmal einen Brief nach Rom zu schreiben. Aber dann verwarf ich den Gedanken wieder, weil ich mich im Grunde schämte, noch am Leben zu sein.