[Sardinia] Was bleibt, ist Asche

  • Noch immer glaubte ich, den beißenden Rauch in meiner Nase zu spüren. Wenn ich die Augen schloss und so da lag, sah ich wieder die züngelnden Flammen, die Louans Leichnam verzehrten. Was mir am Ende geblieben war, war die Asche. Mit meinen eigenen Händen hatte ich sie in ein Urnengefäß gefüllt und es dann sorgfältig verschlossen. Dann hatte ich sie vor der Stadt unter einer Esche vergraben. Louan hatte Eschen gemocht. Unser Großvater hatte immer erzählt, Eschen seien mächtige Bäume, die viel Schutz boten. Keiner unseres Volkes würde es wagen, je eine Esche zu fällen.
    Für seine Reise hatte ich Louan einige wichtige Dinge mitgegeben. Da waren seine Pinsel, mit denen er so gerne gemalt hatte und das bronzene Pferdchen, das ich als Anhänger um meinen Hals getragen hatte. Sein Dolch, den er in seiner Hand gehalten hatte, als er starb, legte ich als letztes zu der Urne in das Grab. Einer der Sklaven hatte ihn zuvor unbrauchbar gemacht, indem er die Klinge mit einigen gezielten Hammerschlägen verbog.
    Ich allein hatte mit meinen Händen das kleine Erdloch aufgegraben und ich war es auch, die es wieder mit Erde verfüllte, nachdem ich noch einige Gebete gesprochen hatte. Mochte Louan eine gute Reise haben und ein langes Leben auf ihn warten, dort, wo er jetzt war.


    Ich weiß nicht, wie viele Tage seitdem vergangen waren. Ich hatte sie nicht gezählt. Genauso wenig konnte ich sagen, wie lange ich schon hier war. Hier war ein Tag, wie der andere. Ich stand morgens, kurz vor Sonnenaufgang auf, aß eine Kleinigkeit und ging mit den anderen zur Arbeit. Der Aufseher hatte gemeint, ich müsse das nicht tun. Aber wenn ich es nicht getan hätte, dann wäre ich verrückt geworden. Ich konnte nicht einfach nur dasitzen und nicht tun.
    Es gab immer etwas zu tun. Man meint, Oliven machen wenig Arbeit. Aber das stimmt nicht. Im Winter beginnt die Ernte und dann beginnt die Weiterverarbeitung. Die meisten Früchte werden zu Öl gepresst. Die besonders guten werden eingelegt. Und den Rest des Jahres verbringt man damit, die Bäume und die Felder auf denen sie stehen, zu pflegen. Nur dann wird die Ernte im Winter wieder reichlich sein.
    An guten Tagen erinnerte ich mich kaum noch an Rom. Denn dann hatte ich gar keine Zeit zum Grübeln. Die Arbeit ließ das nicht zu.
    An manchen Abenden hatte ich mir schon oft überlegt, nicht doch einmal einen Brief nach Rom zu schreiben. Aber dann verwarf ich den Gedanken wieder, weil ich mich im Grunde schämte, noch am Leben zu sein.

  • Meine Hände zeugten von Arbeit. Sie waren rau geworden und die Haut hatte Risse bekommen. Nicht nur das hatte sich verändert. Wenn ich mich nach getaner Arbeit wusch und sich mein Bild im Wasser spiegelte, bemerkte ich, wie müde meine Augen geworden waren. Kein Glanz spiegelte sich mehr darin. Der Mund hatte schon lange nicht mehr gelacht. Überhaupt war er sehr verschlossen gegenüber dem anderen. Ich erzählte nicht viel. Behielt meinen Kram für mich, wie auch die anderen ihren für sich behielten. Wer hier landete gehörte entweder zu den Feldsklaven, die speziell für die Arbeiten auf der Villa rustica oder dem Feld gekauft worden waren. Oder es waren unliebsamgewordene Gestallten, die irgendwann einmal in der Nähe der Herrschaften dienen durften aber dann in Ungnade gefallen waren. Bei meiner Ankunft brodelte die Gerüchteküche und sie kochte über, als ich mich dazu entschloss, stumm zu bleiben und keinerlei Fragen zu beantworten, warum ich hier war.
    Ein bisschen mehr Farbe hatte ich bekommen, weil ich ja fast den ganzen Tag draußen war. Ich war gerne draußen. Erinnerte mich irgendwie an früher, zu Hause in Augustodunum.
    Wenn ich damals hier gelandet wäre, statt nach Rom zu kommen, dann wäre vermutlich mein Bruder noch am Leben. Wenn, wenn, wenn! Wenn ich nicht so furchtbar eitel gewesen wäre und partout meine verdammte Freiheit zurückhaben wollte, dann wäre vieles nicht passiert. Ich hasste mich dafür. Immer war ich im Leben auf die Nase gefallen, aber diesmal hatte ich alles mit mir gerissen, was mir wichtig war.


    Ich begann die Olivenbäume zu mögen. Sie stellten keine dummen Fragen und ich musste mich nicht vor ihnen rechtfertigen. Wenn der Wind durch ihre Blätter und Zweige blies, entstand ein Rauschen, als ob jemand mir etwas zuflüsterte. Vielleicht war das Louan.

  • Wieder neigte sich ein Tag seinem Ende. Die Sonne ging hinter den Bergen unter. Die Nacht brach langsam herein.
    Ich war kein Freund der Nacht. In der Nacht war alles ruhig und man hatte zu viel Zeit zum Nachdenken. So manche Nacht hatte ich einfach nur raus gemusst. Ich hielt es drinnen nicht aus. Dann hatte ich zu den Sternen hinauf geschaut und zum Mond. Aber dann fühlte ich mich auch dort draußen gefangen. Ich war gefangen in dieser Haut, in diesem Leben und es gab keine Chance mehr, eines Tages auf etwas Besseres zu hoffen. Es gab niemand mehr, mit dem ich das hätte teilen können.
    Der nächste Tag war dann immer wieder wie eine Erlösung, bis ich aber dann wieder erkennen musste, dass auch er nur ein Trugbild war. Ich sollte hier Erholung finden, so hatte es Ursus ausgedrückt, als er mich weggeschickt hatte. Erholung! Ich fand hier keine Erholung, jedenfalls nicht, solange ich ständig alles vor mir sah, was passiert war. Erholung war das nicht. Sie wollte auch nicht enden, diese Erholung. Woche um Woche hatte ich gehofft, er würde mich zurückholen. Ich hatte mir sogar eingebildet, er würde eines Tages persönlich hier vorbei kommen, um mich abzuholen. Aber er kam nicht. Niemand kam! Es kam auch kein Brief. Nichts kam. Nichts!
    Vielleicht war ich ja auch eine von den Unliebsamen geworden und war hierher abgeschoben worden. Die Wochen und Monate vergingen und langsam wurde es zur stillen Gewissheit.

  • Nachdem das Schiff angekommen war und Cimon sich von so einigen verabschiedete, die ihm versicherten, das seine Rückreise, würde er sie mit diesem Schiff unternehmen ihm nichts kosten würde, machte er sich auf dem Weg. Sein Gepäck war zusammengeschnürt auf seinem Rücken und belastete ihn nicht wirklich.
    Sein Herr hatte ihm den Weg beschrieben, dennoch fragte er sich zur Sicherheit am Anfang etwas durch. Alles war so fremd und neu. Nach kurzer Zeit nahm er die Einladung eines Reisenden war, bei diesem auf dem Karren mitzufahren. Doch irgendwann merkte er die unruhigen Beine und verabschiedete sich erneut bei dem Herren.
    Den Rest des Weges ging er lieber zu Fuß und sah schon bald die Ausläufer von Gebäudekomplexen. Dazu schienen irgendwelche Felder zu gehören. Das Land war recht weitläufig und sehr schön anzusehen.
    An der Porta des Haupthauses klopfte Cimon dann an und wartete geduldig ab, was geschehen mochte. Der große Nubier schien recht emotionslos, doch seine Augen leuchteten und nahmen jede Kleinigkeit mit Freuden in sich auf.

  • Oxyntas, ein weißhaariger aus Numidia stammender Sklave, öffnete die porta der villa rustica. Seit mehr als dreißig Jahren schon war das seine Aufgabe und sie würde es wahrscheinlich auch noch die nächsten Jahre bleiben. Routiniert sah er nach, wer da geklopft hatte. Die Jahre an der porta hatten ihn gelehrt, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, was das Äußere der Besucher anging. Auch wenn der Mann, der vor der Tür stand mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Sklave war, war er ihm doch freundlich gesinnt und stellte seine Frage, die er immer stellte, sobald es klopfte mit einem freundlichen Lächeln. "Salve, was kann ich für dich tun?"

  • Als ein alter Mann an die Tür kam sah Cimon diesen freundlich an. Zwar versuchte er immer seine Emotionen zu verbergen doch er war sehr geprägt von der überwältigenden Reise. Die freundliche Nachfrage machte es nur noch besser, denn die Menschen redeten normalerweise nicht so nett mit ihm, einem Sklaven...einem Nubier. Sein Geischt zeigte kurz ein offenes Lächeln.


    "Salve, Ich bin Cimon. Mein Herr Tribun Ursus aus Matua schickt mich. Er gab mir ein Schreiben und bat mich Caelyn aufzusuchen."


    Ob das wohl ausreichen würde? Cimon wusste nicht ob er seinen Herren richtig benannt hatte. War er doch in Mantua der Tribunus Laticlavius. Der Nubier wirkte nun immer unsicherer und senkte nur leicht den Kopf. Sicher nicht so stark wie sonst, aber merklich. Rasch aber ging wie ein Ruck durch seinen Körper und er fand den Stolz wieder, den sein Herr an ihm sehen mochte. Sicher dieser war nicht hier, aber Cimon wollte seinem Dominus immer und überall gerecht werden.
    Wesewegen er Teile der Überfahrt auch gerne verdrengte.

  • Oxyntas nahm das Schreiben entgegen, rollte es auf und betrachtete es. Seine Stirn legte sich in Falten. Er hatte nie Lesen und Schreiben gelernt. Aber er erkannte das Siegel der Aurelier, das er schon tausendmal gesehen hatte.
    "Melde dich am besten sofort beim Verwalter. Er wird dir weiterhelfen können." Das Mädchen, von dem der Nubier gesprochen hatte, kannte Oxyntas nicht. Es gab so viele Sklaven in der villa rustica. Da konnte er nicht jeden einzelnen mit Namen kennen. "Geh einfach über den Hof und frage nach Cephisodotus, dem Verwalter!"
    Der ianitor wies dem Sklaven den Weg, den er gehen sollte, um dort den Verwalter des Gutes zu finden.

  • Cimon betrachtete den Mann, wie er das Schreiben aufrollte...hatte er es ihm wirklich gegeben? Cimon verfluchte sich in diesem Moment...und war es nicht für Caelyn? DDer Nubier sah nun mit eigenen Augen wie wenig eigenes Leben ein Sklave haben konnte...keines. Er senkte leicht den Kopf und folgte den Anweisungen des anderen, dessen Namen er nicht kannte. Auch dies zeigte Cimon wie weit unten er stand.
    Seine Hand griff wie nebenbei nach dem Schreiben und er nahm sich vor es nun ganz nah am Körper zu halten und nicht mehr einfach so herauszugeben. Er wusste nicht was darin stand aber er konnte es doch nicht einfach jedem zeigen.


    So ging er über den Hof und fragte sich durch nach diesem... Cephisodotus... klang irgendwie römisch... ob er auch ein Sklave war? Aber als Verwalter doch sicher nicht..Cimon kannte sich zu wenig aus, so entschied er sich dazu einfach zu diesem Mann zu gehen und trotz der stolzen Körperhaltung den Kopf leicht zu senken.


    "Salve Cephisodotus? Ich bin Cimon. Mein Herr Tribun Ursus schickt mich aus Mantua. Er gab mir ein Schreiben mit. Mein Auftrag ist es Caelyn nach Rom zu bringen."


    Nun wartete Cimon, denn er wusste nicht ob er wirklich mit dem Verwalter sprach oder ob er nicht noch mit jemandem anderen reden musste. Dies war ganz offensichtlich der schwierigste Teil der Reise.

  • Im Hof herrschte geschäftiges Treiben. Alles musste für die Ernte, die in wenigen Wochen begann, vorbereitet werden. Das Ganze wurde vom Verwalter, einem Freigelassenen, der einst auch Sklave gewesen war, überwacht. Cephisodotus, der Grieche tat dies sehr gewissenhaft. Denn bis ins kleinste Detail sollte alles korrekt sein, um am Ende ein möglichst gutes Ergebnis erzielen zu können. Er wusste, was er den Aureliern zu verdanken hatte und was seine Pflicht war.
    Den Nubier, der sich ihm näherte, hatte er erst registriert, als der direkt vor ihm stand und ihn ansprach.
    "Ja! Der bin ich. Wer, wen suchst du? Caelyn? Tribunus Ursus? Ach ja, ich weiß!" Der Verwalter erinnerte sich wieder! Die keltische Sklavin, die man vor Monaten aus Rom her geschickt hatte. Eigentlich sollte sie sich hier erholen und ausruhen. Aber genau das Gegenteil war der Fall gewesen. Die Gallierin hatte vom ersten Tag an fest mit angepackt, was dem Verwalter sehr imponiert hatte. Allerdings war es ihm nie richtig gelungen, an sie heranzukommen, um herauszufinden, was mit ihr los war.
    "Warte, ich lasse sie rufen!" Cephisodotus rief einen Jungen herbei und trug ihm auf, Caelyn holen zu lassen. "Darf ich das Schreiben einmal sehen?", fragte er den Nubier.
    "Aus Mantua bist du, ja? Ich war schon lange nicht mehr auf dem Festland! Aber vielleicht eines Tages", sinnierte er und wartete, bis die Keltin gebracht wurde.

  • Der Verwalter schien recht freundlich zu sein und Cimon nickte ihm nur kurz lächelnd zu. Sein Kopf blieb noch immer ganz leicht gesenkt doch sein Stolz umfasste immer mehr von seinem Körper, bis hin zu seinen Augen. Er war für seinen Herren hier, er sprach für ihn und er ... er war doch etwas besonderes...
    Auf die Frage des Verwalters hin sah Cimon das Schreiben und dann Cephisodotus unsicher an.


    "Ich glaube ich möchte es erst Caelyn geben, Herr."


    Bei seinen Worten sah man deutlich wie Cimon innerlich etwas auskämpfte. Er wollte keine Fehler machen, wollte aber auch niemanden verärgern der deutlich über ihm stand. Und das waren doch recht viele Menschen.
    Die weiteren Worte ließen den Sklaven nachdenken. Musste, sollte er jetzt antworten? Eine kurze Stille schloß sich an.


    "Ja, ich komme aus Mantua, Herr. Ja, sicher eines Tages."


    Cimon wollte den Mann bestätigen und dabei dennoch der untergebene Sklave sein. Er wusste nicht ob er es gut machte, aber seit einiger Zeit schon lernte er das es nicht unbedingt mit Schlägen beantwortet wurde, wenn der Sklave etwas audprobierte. Sein neuer Herr tat ihm gut und ließ Cimon sogar den einen oder anderen Tag genießen. Auf der Reise hatte er sogar kurz mal das Zeichen vergessen, das er ihm nochimmer übel nahm.

  • Ich war gerade dabei gewesen, eines der Sammelnetze, die für die Olivenerntegebraucht wurden, zu flicken. Das war doch echt komisch. Wenn mir vor Monaten einer gesagt hätte, ich solle was nähen oder etwas flicken, dann hätte ich alles dafür getan, um dem zu entgehen. Ich hatte Nähen immer wie die Pest gehasst und jetzt machte ich es sogar freiwillig! Und als so ein kleiner Knirps zu mir gerannt kam und etwas von einem schwarzen Mann erzählte, der auf mich wartete, sagte ich ihm, der könne ja noch ein bisschen länger warten, bis ich hier fertig sei. Der Knirps ließ aber nicht locker und erzählte, der Verwalter würde auch auf mich warten.
    "Na,dann!", sagte ich und ging mit dem Jungen mit. Tatsächlich, da wartete ein schwarzer Mann auf mich, den ich noch nie gesehen hatte. Ich kannte nur einen einzigen Schwarzen und das war Leone. Den musste man aber erst von der porta der Villa in Rom abschweißen, bevor der irgendwohin ging. Dieser Kerl da war wirklich schwarz, wie die Nacht. Ich konnte mir auch nicht erklären, was der von mir wollte und ganz ehrlich war mir das auch ziemlich Schnuppe.
    "Was gibt´s?", fragte ich den Verwalter, dessen Name ich mir nie merken konnte. Den Fremden ließ ich erst mal links liegen. Ich strich auch meine zerknitterten Klamotten nicht glatt oder machte meine Haar wieder ordentlich zusammen, das irgendwann heute Morgen von einem Band zusammengehalten worden war, aber mir jetzt stränenweise im Gesicht hing.


    ~~~


    Cephisodotus war dem Nuber nicht böse gewesen, weil er ihm das Schriftstück vorenthielt. "Wenn das der Wille deines Herrn ist!", meinte er und zuckte mit den Schultern.
    Endlich kam die keltische Sklavin mit samt dem Jungen, den der Verwalter losgeschickt hatte. "Ah, da bist du ja, Caelyn! Hier ist jemand für dich, der den Auftrag hat, dich zurück nach Rom zu bringen."

    Ich sah erstaunt auf und zuckte bei dem Wort Rom sogar etwas zusammen, denn damit hatte ich eigentlich gar nicht mehr gerechnet. Ich war jetzt fast ein ganzes Jahr hier und hatte mich fast schon damit abgefunden, für immer zu bleiben, was mich auch nicht weiter gestört hätte. Eigentlich hatte ich keinen gesteigerten Wert mehr darauf gelegt, wieder nach Rom zu zurückzukommen. Dort gab es nichts mehr, was mir etwas bedeutet hätte. Ich musste nur wieder an die Asche meines Bruders denken, die ich in das Urnengefäß gefüllt und unter der Esche vergraben hatte.


    "Nach Rom?" Endlich drehte ich mich zu dem Fremden hin und seufzte laut hörbar. Vielleicht hatte er geglaubt, ich würde in Freudentänze ausbrechen, weil ich wieder nach Rom durfte. Das tat ich aber nicht. Ich machte eher einen gleichgültigen, gelangweilten Eindruck.
    "Ja, was? Freust du dich denn nicht, endlich wieder von deinem Herrn zu hören?", fragte der Verwalter neugierig. Man konnte ganz deutlich seine Enttäuschung heraushören. Er hatte wohl geglaubt, es sei für mich eine Strafe gewesen, hier sein zu müssen.
    "Von Ursus? Von mir aus!", sagte ich in dem selben gleichgütigen Ton.

  • Als der Verwalter so verständnissvoll reagierte schaute der Nubier ihn verblüfft an. Wäre es doch richtig gewesen ihm das Schreiben zu geben? Cimon blieb ruhig stehen und zeigte mit keiner Regung seine Überlegungen.
    Als dann eine hübsche wenn auch leicht mitgenommene Frau erschien sah er diese kurz an. Aus dem Gespräch nahm er das es Caelyn sein musste. Aber sie schien so...gleichgültig. Eigendlich wollte der Sklave sich zurückhalten, doch vieleicht würden die Worte seines Herren sie aufmuntern.


    "Salve, Caelyn. Mein Name ist Cimon. Unser Herr schickt mich. Er gab mir dies mit."


    Er überreichte ihr die Worte seines Herren und senkte leicht den Kopf dabei. Trotz das sie eine Sklavin war, wirkte sie doch mit jeder Faser so viel freier und damit doch auch besser als er.
    Langsam sah er auf, ihr in die Augen und sein Körper streckte sich in voller stolzer Größe. Trotz allem wirkte er noch recht devensiv in seiner Haltung. Seine Augen waren neugierig und man konnte dahinter sehen wie sehr es in dem Nubier arbeitete. SSein Körper schien ansonsten recht ruhig und er hatte in der Zwischenzeit auch sein Gepäck beiseite gelegt. Auch wenn das Gewicht ihn nicht wirklich übervorderte, so konnte er so doch um einiges entspannter gerade stehen.


  • Salve, Caelyn!


    Nun ist fast ein Jahr vergangen und ich hege die Hoffnung, daß Du Dich erholt hast und vielleicht sogar dem Leben wieder ein wenig Freude abgewinnen kannst. Ein Verlust, wie Du ihn erlitten hast, kann niemals wirklich überwunden werden. Doch frage Dich einmal, was Louan sagen würde, wenn Du Dich für den Rest Deines Lebens verkriechst und Trübsal bläst? Er würde Dich ausschimpfen, und das zu Recht!


    Noch kann ich nicht aus Mantua fort, um Dich selbst heimzuholen. Doch ich schicke Dir Cimon, der seit kurzem in meinen Diensten steht. Er soll mir hauptsächlich als Leibwächter dienen und wird wohl in Zukunft eng mit Dir zusammenarbeiten. Lernt euch kennen, freundet euch an. Laßt euch ruhig Zeit auf der Reise, denn es wird noch etwas dauern, bis ich nach Rom zurückkehren kann.


    Ich wünsche euch eine gute Reise und freue mich sehr auf unser Wiedersehen!


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  • Cimon? Kannte ich nicht! Und unser Herr? Was sollte das denn? Dabei hätte mir doch einleuchten können, dass Ursus sich nach all dem Schlammassel und der langen Zeit einen Ersatz besorgt hatte. Eigentlich hätte es mir ja auch gleichgültig sein können. Aber das war es auf einmal nicht mehr. Ich sah den Nubier jetzt mit ganz anderen Augen an, fast feindselig betrachtete ihn. Alles an ihm, von der Körperhaltung angefangen, war das komplette Gegenteil von mir. Na dann, sagte ich mir, warum lässt er mich dann nicht einfach hier, wenn er endlich den perfekten Sklaven gefunden hatte, den er sich wahrscheinlich immer gewünscht hatte.
    Widerwillig nahm ich den Brief entgegen und öffnete ihn. Ich hatte das Übliche erwartet. Ursus gezückter Zeigefinger, der mir immer vor Augen hielt, was ich alles falsch gemacht hatte. Aber was er mir schrieb war anders. Irgendwie mitfühlender, persönlicher. Mir standen die Tränen in den Augen. Die wischte ich mir schnell weg, denn ich wusste ja, der Verwalter und dieser Cimon, oder wie sein Name, beobachteten mich die ganze Zeit.
    Den Brief hatte ich mir zwei oderdreimal durchgelesen, bis ich ihn sinken ließ, noch einmal schniefte und mich dann an den Nubier wandte. "Wann reisen wir ab?", fragte ich, wobei ich meine wahren Gefühle verbarg. Nicht etwa, weil ich es nicht mehr abwarten konnte, endlich die villa rustica wieder verlassen zu können. Mir war es hier ganz gut ergangen. Vor allem hatte ich Zuflucht in der Arbeit gefunden.

  • Der Nubier wartete ob oder was die Sklavin entscheiden würde. Neugierig beobachtete er wie sie das Schreiben des Herren laß. Als sie sich dann an ihn wand, sah er sie aus großen Augen an. Er war gerade erst nach einer anstrengenden Reise angekommen und nun wollte sie wieder los? Oder verstand er sie etwa falsch?


    "Wann immer du bereit und willens bist, können wir reisen. Es ist nur ... eine kleine Pause könnte von Vorteil für mich sein."


    Cimon versuchte seine Worte mit einem Lächeln begleiten zu lassen, doch sein Gesicht zeigte rasch wieder sein geübtes eher neutrales Gesicht. Doch seine Augen sahen sie schon fast flehend an.
    Den Verwalter sah er nun nicht mehr wirklich an dabei fühlte Cimon sich sehr unwohl. Er konnte die beiden nicht einschätzen und wusste nicht ob sein Verhalten gut war. Die Furcht zu versagen war stätig in ihm auch wenn er sich bemühte dies nicht zu zeigen.
    Der Sklave wusste das er Caelyn nicht einfach nur begleiten sollte, er war für ihren Schutz zuständig. Diesen konnte er am besten gewährleisten, wenn er ausgeruht war. Aber konnte er es so deutlich sagen? Es kämpfte in ihm, allerdings entschied er sich wie so oft für die Stille.

  • Cephisodotus war nur stummer Beobachter gewesen. Das Verhalten der Sklavin jedoch erstaunte ihn. Bisher war sie sehr zurückhaltend gewesen, hatte kaum mit jemanden ein Wort gewechselt und wenn dies doch einmal geschah, hatte er sie niemals so gereizt erlebt.
    "Caelyn! Was ist nur los mit dir!", schalt er mit ihr und richtete sich dann wieder an den Nubier. "Wenn es dir möglich ist, kannst du gerne noch ein paar Tage hier bleiben, bevor ihr beide dann gemeinsam abreist! Caelyn, du könntest unserem Gast eine Unterkunft bereiten!"


    ~~


    Ich hörte ja wohl nicht richtig! Jetzt sollte ich diesem Kerl auch noch ein Zimmer fertig machen! Eigentlich wusste ich ja auch nicht, warum ich plötzlich so wütend wurde. Der Nubier konnte dafür am wenigsten. Er tat nur das, was ihm befohlen worden war. Außerdem sah er ganz schön mitgenommen aus. Es war eben doch eine lange Reise. Und was den Brief anging, so stand ja ganz eindeutig drin, dass ich diesen Cimon kennen lernen sollte und mich, wenn möglich auch mit ihm anfreunden sollte. Ob das mit dem anfreunden tatsächlich klappen würde, war mehr als fraglich. Vorerst war dieser Nubier eine Konkurrenz für mich. Ich wollte erst gar nicht dran denken, was sich in Rom alles verändert hatte, seit ich weg war. Außerdem hatte ich mir meine Rückkehr ganz anders vorgestellt. Ich hatte gehofft, Ursus käme selbst vorbei, um mich abzuholen. Aber nein, er schickt mir seinen neuen Sklaven, damit ich gleich sehen konnte, dass von nun ab ein anderer wind wehte. Wirklich toll!
    Ohne noch die Antwort von Ursus´ neuem Sklaven abzuwarten, ging ich einfach weg, um ein Zimmer zu richten. Für Cimon.


    ~~


    Der Verwalter sah Caelyn noch kopfschüttelnd nach. Er war über ihr Verhalten etwas verärgert. Bevor sie die villa rustica verlassen würde, wollte er mit ihr noch einige ernste Worte wechseln.
    "Du solltest etwas Nachsicht mit ihr haben. Eigentlich ist sie ganz umgänglich. Ich weiß auch nicht, was in sie gefahren ist!"

  • Cimon sah sich verwirrt um und war zuerst nicht in der lage etwas...irgendetwas sinnvolles zu sagen. Erst als der Verwalter ihn ansprach sah der Nubier diesen mit Unverständniss direkt in die Augen.


    "Nachsicht? Es steht mir nicht zu negativ von ihr zu denken. Ich bin nicht mehr oder weniger Gast als sie. Auch ich bin Sklave...Herr.
    Aber danke für die freundliche Einladung, Herr. Besser ich folge ihr und mache, was meine Arbeit ist."


    Langsam senkte er den Kopf und nahm sein Gepäck auf. Ein ergebenes Nicken sollte seine ansonsten stolze Körperhaltung abmildern. Und er machte sich rasch daran der Frau zu folgen. Er hatte mühe, doch er holte sie bei einem Gebäude ein, in dem er wohl die folgenden Nächte verbringen sollte.


    "Caelyn? Zeig mit bitte nur wo ich was finde, bitte. Es steht mir nicht zu, das du mich bedienst."


    Seine Worte waren ehrlich und von einem klaren Latain. Der Blick nur kurz gesenkt, bis er aufschaute und ihre Augen mit den seinen suchte. Sie war so voller Energie und schien viel freier zu sein als ehr... Der Nubier konnte nicht aufhören sie für diese Kraft zu beneiden.

  • Ich war wütend! Ich war mehr als wütend und stampfte einfach davon. Auf wen ich wütend war, wusste ich selbst nicht so genau. Auf Cimon vielleicht, weil er neu war und weil er es war, der mich abholen sollte. Auf Ursus, weil er mir nach der langen Zeit einfach den Prototypen des perfekten Sklaven schickte und nicht den Mut hatte, selbst herzukommen. Oder war ich auf mich selbst wütend, weil ich es mal wieder vermasselt hatte?
    Dass der Nubier mich einholen könnte, daran hatte ich nicht eine Minute lang gedacht. Aber dann stand er plötzlich neben mir und begann auf mich einzureden. Aber jedes Wort von ihm machte mich nur noch wütender, bis ich mich nicht mehr zurückhalten konnte.
    "Ach hör doch auf! Tu doch nicht so! Ich bin auch nur eine verdammte Sklavin! Genau wie du einer bist! Also komm mir nicht mit diesem unterwürfigem Gehabe! Das kannst du dir für Ursus aufheben!"
    Ich ließ den Nubier einfach stehen und betrat die Unterkünfte. Dort stand für Cimon ein separates Zimmer zur Verfügung. Nachdem ich hinter mir die Tür zugeknallt hatte und das Bett zu beziehen begann, plagten mich doch tatsächlich einige Gewissensbisse. Was konnte denn schon der Nubier dafür, dass ich in einer so vertrackten Lage war? Allerdings fiel es mir nicht ein, mich bei ihm zu entschuldigen.

  • Mit Verwirrung sah Cimon Caelyn nach. Ihre Worte verletzten ihn sogar. Und er brauchte ein wenig um sich wieder bewegen zu können. Schwer schluckte er seine Worte hinunter die er noch hatte sagen wollen.
    Langsam nur kam er ihr nach, öffnete einige Türen, bis er die richtige gefunden hatte und stellte seine Sachen in eine Raumecke. Sein Blick ging umher und er sah das hier sonst niemand in diesem Raum untergebracht war. Der Schlag der Tür hatte ihn zuvor etwas zusammenzucken lassen und so stand er erstmal nur da und beobachtete Caelyn, wie sie sein Bett zurecht machte. Er biss auf seiner Unterlippe herum und wusste nicht was er getan oder gesagt hatte um sie so reagieren zu lassen. Seine Stimme klang fest aber zeigte keine Anzeichen von Verärgerung.


    "Darum habe ich das ja gesagt gehabt... wir sind beide Sklaven, Caelyn. Ich...ich verstehe nicht. Es ist kein Gehabe. Meinem, unserem Herren gegenüber ...entsprechend entgegenzutreten ist... richtig."


    Cimon wollte noch so viel mehr sagen, befürchtete aber Caelyn wieder zu verärgern. So trat er näher und sah sie fragend an. Seine Hände zeigten nach vorn und er wollte ihr zumindest behilflich sein, wenn sie dies zulassen würde.

  • Es blieb nicht aus, dass sich irgendwann die Tür öffnete und Cimon eintrat. Er blieb schweigend stehen. Ich hielt kurz inne, machte aber dann weiter, womit ich gerade beschäftigt war. Das Laken stellte sich als besonders widerspenstig heraus. Aber wenn ich ehrlich war, dann lag es an mir. Nur wegen mir war alles eskaliert. Ich besaß eben die besondere Gabe, alles klein zu kriegen. Den Nubier betrachtete ich mir aus dem Augenwinkel heraus, ohne etwas zu ihm sagen. Ich hatte ja schon genug gesagt. Das hatte wahrscheinlich hundertmal ausgereicht, um einen schlechten Eindruck zu hinterlassen.
    Nach einer Weile kam er dann auf mich zu. Ich tat so, als bemerkte ich ihn nicht. Erst als er zu mir sprach, hörte ich damit auf, das dämliche Laken über die Matratze zu spannen, sah ihn aber immer noch nicht an. Das konnte ich einfach nicht! Ich schämte mich, weil ich so ungerecht gewesen war und jetzt nicht über meinen eigenen Schatten springen konnte.
    Louan würde wahrscheinlich sagen, ich solle mich nicht so anstellen. Was hatte ich denn noch zu verlieren? Eigentlich gar nichts. Wenn man an so einem Punkt angekommen war, dann gab es nicht mehr viele Möglichkeiten. Dann musste man nehmen, was übrig blieb. Das kannte ich doch noch von früher!
    "Es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe. Das war gemein von mir. Es ist nur, ich hab mir das anders vorgestellt. Ich hab gehofft, Ursus würde selber her kommen und mich abholen." Und jetzt war alles anders gekommen. Er hatte einen, für mich, fremden Menschen geschickt, der mir mit jedem seiner noch so kleinen Handgriffe aufzeigte, wie wertlos ich doch war. Wenn das kein Schlag ins Gesicht war! Vielleicht war ja auch alles von Ursus völlig unbeabsichtigt gewesen und ich war nur über meine eigene Eifersucht gestoßen, die ab und zu ans Tageslicht trat. Seit Louans Tod war ich so leicht verletzbar geworden und es war immer leichter, den anderen die Schuld für etwas zu geben.

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