Eine Kaskade des Schmerzes war über den parthischen Sklaven hereingebrochen. Der Flavier hatte all seine Drohungen wahrgemacht und ihn unerbittlich leiden lassen. Bis zur Bewusstlosigkeit hatte man ihn, an dem Holzkreuz hängend, geschlagen. Erst dann, als er verstummte und keine Schrei mehr kamen, hatten sie ihn abgenommen und ihn in die Sklavenunterkunft gebracht, wo man sich anschließend um seine Wunden kümmerte. Auf keinen Fall durfte der Parther sein Leben aushauchen!
In der Nacht hatte ihn das Fieber heimgesucht. In ihm selbst war ein erbitterter Kampf ausgebrochen, um Leben und Tod. Nach einigen Tagen hatte das Leben obsiegt. Der Kampf war vorbei. Das Fieber sank und der Schleider der Bewusstlosigkeit hob sich langsam.
Als Cassim zum ersten Mal wieder die Augen aufschlug, fand er sich in einem dunklen Raum wieder. Zuerst glaubte er, wieder im carcer zu sein. Dort, wo man ihn und Hannibal gebracht hatte, nachdem der Sklavenfänger sie wieder zurückgebracht hatte. War das Erlebte am Ende nur ein böser Traum gewesen? Der Gefährte saß wahrscheinlich in seiner Ecke und lebte noch. Cassim hielt den Atem an, um Hannibals Röcheln zu hören. Aber nur die blanke Stille schlug ihm entgegen. Gar nichts hörte er, nicht einmal das leise Rascheln der Mäuse, die sich im carcer eingenistet hatten.
"Hannibal?", rief er mit schwacher Stimme. Casim erhielt keine Antwort. Der Gefährte war wohl doch seinen Verletzungen erlegen. Aber nein! Allmählich wurde ihm bewußt, er war nicht in einer der Zellen. Er lag nicht auf dem Boden im Stroh. Es war der Bettkasten seines Lagers im Sklavenquartier! Also war es doch kein Traum gewesen! Auch die Schmerzen, die die Wunden auf seinem Rücken verursachten, fühlten sich sehr real an.
Plötzlich drang ein heller Lichtstrahl in den dunklen Raum. Eine weibliche Gestalt näherte sich ihm. In der einen Hand hielt sie eine Lampe, in der anderen einen tönernen Tigel. Sie leuchtete sich den Weg zu dem Sklaven hin, stellte die Lampe ab und wollte damit beginnen, Cassims Wunden zu versorgen.
"Wer bist du?", fragte der Parther. Die Sklavin erschrak so sehr. Beinahe hätte sie den Tiegel fallen lassen. Eigentlich hatte sie gehofft, nicht in die Verlegenheit zu kommen und mit dem Sklaven sprechen zu müssen. Ihre Anweisungen waren sonnenklar. Sie durfte keinesfalls mit dem Sklaven in Kontakt treten. Wer ihn wie Dreck behandelt, der hat es gut, wer nicht, der wird leiden, wie er, hatte es geheißen.
Cassim hatte nicht die Kraft dazu, weitere Fragen zu stellen. Es war ihm auch gleichgültig, wer sie war. Die Sklavin begann nun vorsichtig auf die Wunden des Parthers eine Salbe aufzutragen, die die Heilung fördern sollte. Dann verschwand sie wieder, genauso stumm, wie sie gekommen war.
Cassim fiel wieder in einen Zustand des Dämmerns und schlief. Wie lange er schlief konnte er nicht sagen. Doch es mussten einige Tage vergangen sein, als einer der custodes, die ihn bewacht hatten, zu ihm ans Lager kam und ihm einen Tritt in die Seite verpasste.
"He, du! Steh auf du faules Schwein und zieh dir die Tunika über! Du hast dich lange genug ausgeruht! Ab jetzt wird gearbeitet!" Er warf ihm eine frische, grobgewebte Tunika zu. Anschließend packten ihn seine groben Hände am Arm und rissen ihn nach oben. Cassim verzerrte sein Gesicht vor Schmerz und nicht nur das! Er hatte Schwierigkeiten, sein Gleichgewicht zu halten. Jede einzelne Bewegung war die reinste Tortur. Dem custos störte das keineswegs. Er ignorierte es einfach und schob ihn erbarmungslos hinaus aus dem Raum auf einen hellen Gang zu. Dann brachte er ihn hinaus auf den Hof. Die Augen des Parthers mussten sich erst mühevoll an die Lichtverhältnisse gewöhnen. Einzig die frische Luft hieß ihn willkommen.
Der custos drängte ihn weiter zum Pferdestall und blieb davor stehen.
"Ab heute wirst du hier arbeiten. Aber bilde dir bloß nicht ein, du dürftest dich um die Pferde kümmern. Du wirst hier nur den Dreck weg machen, wenn´s sein muss, auch mit deinen bloßen Händen. Und schlafen wirst du in Zukunft da drüben."
Er deutete auf einen Schuppen, der sich neben dem Stall befand, in dem die einfachen Knechte hausten.