[Vor den Toren Roms] Ein Herbsttag

  • Altweibersommer, so nannte man den Herbst, wenn er sich von seiner schönsten Seite zeigte und die Sonne das bunte Laub zum leuchten brachte. Rot, braun und gelb, das waren die vorherrschenden Farben an den Bäumen. Aber einige wenige Spätblüher zeigten sich an diesen Tag in ihrer schönsten Pracht. Etwas unruhig stampfte die rotbraune Stute auf, während der schwarze Wallach daneben etwas gelangweilt am Wegesrand am Gras zupfte. Sacht tätschelte sie den Tieren den Hals und lächelte dem Stallburschen zu. Es waren ihre Pferde, Geschenke von Avarus und hin und wieder genoss sie die Ausflüge hoch zu Ross. Meist aber nur um Rom herum und dann gleich wieder nach Hause. Die Satteltaschen des Wallachs waren gut gefüllt und Simplex, ihr Leibwächtersklave stand mit missmutiger Miene an die Stallwand gelehnt. Er hatte sie nur bis zu dem Stall kurz vor Roms Toren begleitet und würde auch hier auf sie warten, bis sie mit Valerian zurück kam. Aber sie hatte nicht vor ihn mitzunehmen. Dennoch hatte sie sich als großzügig erwiesen und ihm einige Sesterzen gegeben.
    „Geh und amüsier dich, entweder in einer Taverne oder Lupaner! Aber wehe du bist nachher betrunken oder zu spät dran!“ hatte sie ihn ernst ermahnt. Simplex hatte nur genickt und das Geld an sich genommen, nun wartete er nur noch bis der Begleiter seiner Herrin da war, ehe er im Gewimmel der Stadt verschwinden würde. Eigentlich hatte er großes Glück mit seiner Herrin, sie war nicht wirklich streng und er hatte jede Menge Freiheiten, aber seinen Pflichten ging er nach. Aber er hasste es zu warten, vorallem auf den zukünftigen Mann seiner Herrin. Wenn eien Frau heiratete dann verkaufte sie meist ihre Sklaven, oder vielmehr der Ehemann und eigentlich wollte er sein geruhsames Leben nicht aufgeben.
    Sacht streichelte sie über das Fell der beiden Tiere und flüsterte ihnen einige Worte zu, während sie die Tiere mit Karotten fütterte.

  • Wofür konnte man einen freien Tag besser nutzen als für einen Ausflug mit der Frau, die man liebe und die man zu heiraten gedachte. Heute wollten sie sich vor den Toren der Stadt treffen. Zu einem, und das war der einzige negative Punkt für diesen Tag, Ausritt. Sie hatte versprochen, ihm ein zuverlässiges, ruhiges Pferd zu besorgen. Und er konnte ja auch so weit reiten, daß das Pferd in die Richtung ging, die er wünschte. Aber so richtig warm war er mit dieser Art der Fortbewegung nie geworden.


    Als er den Treffpunkt erreichte, war sie natürlich schon da. Zwei Pferde standen bereit. Und der Sklave, der ihr als Leibwächter diente, war ebenfalls anwesend. "Salve, Calvena." Seine Augen leuchteten vor Freude, als er ihrer angesichtig wurde. "Was für ein herrliches Wetter! Ich nehme an, Du hast es extra für uns bestellt, ja?" Er lachte über das ganze Gesicht und mußte sich schwer zusammenreißen, sie nicht in seine Arme zu ziehen und zu küssen. Das wäre wirklich nicht schicklich! Und hier gab es viel zu viele Zeugen.

  • Die Tiere genossen ihre Zuneigung, zumal die Bewegung ihnen gut tun würde. Ein wenig hatte sie schmunzeln müssen, als Valerian ihr anvertraut hatte, dass Reiten nicht zu seinen Stärken gehörte. Calvena machte sich über diese Schwäche nicht lustig, fand es aber doch etwas amüsant, dass ihr Liebster sich nicht Pferden anfreunden konnte. Aber solche Probleme konnte man ja umgehen und die Stute, deren weiche Nase gerade über ihre Handfläche strich, war ein ruhiges und sanftmütiges Tier, was man von dem Wallach zwar auch behaupten konnte, er hatte nur etwas mehr Temperament und brauchte eine entschlossene Hand.


    Sie strahlte über beide Ohren, als Valerian dann dazu kam. „Salve, Valerian!“ lächelte sie ihm entgegen. Kurz strich sie beiden Tieren über den Hals ehe sie ihrem zukünftigen Mann entgegen ging. Mit einiger Mühe hielt sie sich zurück und fiel ihm nicht sogleich um den Hals, sondern beließ es bei einem eher flüchtigen Kuss auf seine Wange. Ihr Blick glitt zum Himmel. „Natürlich hab ich das Wetter bestellt. Was denkst du denn“, zwinkerte sie ihm zu. Sie nahm seine Hand und führte ihn dann direkt zu der rotbraunen Stute. „Darf ich dir vorstellen, diese sensible Dame ist Phoibe. Sie dürfte dir keine Schwierigkeiten machen!“ sagte sie recht zuversichtlich. „Und der hübsche Knabe neben ihr ist Koios!“ stellte sie ihm die Pferde vor. Sacht streichelte sie beide Tiere noch einmal.


    „Kann es losgehen oder willst du dich mit Beiden noch anfreunden?“ fragte sie Valerian. Zwar hatte sie keinen großen Pferdeverstand, aber sie mochte diese edlen Tiere offensichtlich.

  • "Nana, Vorsicht. Wir sind hier nicht allein", raunte Valerian ihr zu, als sie ihn auf die Wange küßte. Nicht, daß er es nicht genossen hätte. Aber er wollte nicht riskieren, daß sie aufgrund solcher Unvorsichtigkeiten ihrer Ehe weitere Hindernisse in den Weg legten. "So, Du bist also Phoibe." Er trat an das Pferd heran und klopfte ihm den Hals. Dabei seufzte er leise. Worauf hatte er sich hier nur eingelassen. "Sensibel... hoffentlich nicht zu sensibel." Er holte Schwung und schwang sich dann in den Sattel. Na bitte, das zumindest hatte geklappt. Ohne daß er auf der anderen Seite gleich wieder herunterfiel!


    "Meinetwegen können wir los." Zwar sah er immer noch nicht besonders begeistert aus von der Fortbewegungsart, aber gar so eine schlechte Figur machte er gar nicht. Schließlich saß er ja auch nicht zum ersten mal auf einem Pferd. Nur fühlte er sich darauf weder wohl noch sicher.


    "Willst Du die Richtung vorgeben oder soll ich?" Er wußte ja nicht, wie genau sie den Ausflug geplant hatte. Fragend schaute er zu ihr herüber. Und bewunderte wieder einmal, wie schön und anmutig sie war.

  • Natürlich war sie sich der neugierigen Blicke bewusst und zumindest Simplex schien recht missmutig zu sein, der Stallbursche wirkte eher vergnügt und die übrigen Reisenden, die an ihnen vorbeizogen, schenkten ihnen nur wenig Aufmerksamkeit. Aber gerade wegen dieser Blicke hatte sie sich nur auf einen Kuss auf seine Wange beschränkt und nicht mehr. Etwas amüsiert beobachtete sie, wie Valerian sich mehr oder weniger vorsichtig an die Stute heran tastete, aber dann doch recht sicher im Sattel landete. „Sie wird dich nicht abwerfen!“ versicherte sie ihm. Er bot ihr einen recht stattlichen Blick, wie er da auf dem Pferderücken thronte. „Phoebe ist ganz lieb“, fügte sie ihm zu.


    Schließlich folgte sie seinem Beispiel und schwang sich ebenfalls in den Sattel. Die jahrelangen Akrobatikübungen ließen es bei ihr wesentlich anmutiger wirken. Kurz zupfte sie ihre Tunika und auch ihre pala zurecht, ehe sie Valerian ein Lächeln schenkte. Dies war der Moment indem sich nun Simplex mehr oder weniger wortlos verabschiedete und von dannen stapfte.
    Sie machte eine einladende Geste. „Du darfst gern die Richtung vorgeben!“ lächelte sie ihm zu. Sie hatte diese Ausflüge wirklich vermisst. In den letzten Wochen hatten sie sich leider nicht ganz so oft gesehen, wie sie es sich gewünscht hatte. „Viel geplant hab ich nicht, ich wollte nur, das wir wieder einmal nur Zeit für uns Beide haben“, gab sie zu. Das klang zwar etwas egoistisch, aber war ihr völlig egal. Sie war glücklich, wenn sie mit Valerian etwas Zeit verbringen konnte. Ungestört und weit entfernt von neugierigen Blicken und Klatschmäulern. Bei dem fest in der Casa Germanica waren sie ja ständig unter Beobachtung gewesen, außerdem wäre es aufgefallen, wenn sie als Gastgeberin nicht bei den Gästen war, sondern sich in irgend einer dunklen Ecke herumdrückte.

  • "Das will ich hoffen, daß sie ganz lieb ist und mich nicht abwirft", lachte Valerian. Er schaute zu Calvena. Wenn es ihr so viel Freude machte, dann würde er sich da schon durchbeißen. Außerdem konnte es nicht schaden, etwas Übung im Reiten zu bekommen. Es konnte immer mal sein, daß er einen Auftrag zu Pferde erhielt, auch wenn dafür natürlich bevorzugt Equetes eingesetzt wurden. Doch ausschließen konnte man es nie.


    Calvena bot natürlich schon einen ganz anderen Anblick zu Pferd. Sie saß darauf, als wäre sie darauf geboren. Ganz einfach und selbstverständlich sah es bei ihr aus. Anmutig und schön. Er war so damit beschäftigt, ihren Anblick zu genießen, daß er von einem plötzlichen Vorwärtshüpfer der Stute überrascht wurde. Zwar warf ihn dies nicht aus dem Sattel, aber er schaute nun nach vorne. Auch wenn er das bedauerte.


    "Gut, dann bestimme ich die Richtung. Da entlang!" Sie folgten der Ausfallstraße an den Grabmalen vornehmer Familien vorbei, bis sie schließlich ländlichere Gefilde erreichten. Hier bog Valerian auf einen Naturpfad ab, der sich durch sanfte Hügel hindurchschlängelte.

  • Sie stimmte in sein Lachen ein und schmunzelte insgeheim etwas darüber, das ausgerechnet ein tapferer Soldat und kampferprobter Mann sich auf dem Rücken eines friedlichen Pferdes, völlig unsicher fühlte. Aber sie liebte ihn dafür, dass er Schwächen hatte, es machte ihn zu den Mann in den sie sich verliebt hatte und mit dem sie nur zu gern ihre Zeit verbrachte. Und nur um ihr einen Gefallen zu tun, hatte er in diesen Ausflug zugestimmt, dafür liebte sie ihn noch mehr.
    Nicht nur ihre Akrobatikerfahrungen auch das jahrelange herum ziehen von Ort zu Ort hatten ihr die nötige Erfahrung im Umgang mit Pferden beigebracht. Wenn man auf den Straßen des Imperiums lebte, dann lernte man schnell, auch ein Pferd reiten. Aber bei den Pferden die sie gehabt hatten, hatte es sich nicht um so edle und stolze Tiere gehandelt, sondern um zottige kräftige Ponys, die in der Lage waren die bunt bemalten Wagen über die unebenen Straßen zu ziehen. Valerian ließ sich wohl lang genug von ihrem Anblick ablenken, sodass die Stute unter seinem Hintern etwas ungeduldig wurde und einfach einen Schritt nach vorn machte. Bei dem verdutzen Gesichtsausdruck ihres Zukünftigen musste sie kichern. "Wie es aussieht, will Phoebe deine Aufmerksamkeit haben. Ich glaub sie ist Eifersüchtig!" neckte sie ihn und zog dabei die Nase kurz kraus.


    Mit einem leichten Stupps in die Flanke trieb sie dann ihr eigenes Pferd an und lenkte es direkt neben Valerian, so dass sie sich zumindest ein wenig nahe waren für den Moment. Sie gaben den Tieren ein gemächliches Tempo vor, schließlich hatten sie es nicht wirklich eilig. "Sag mal, hast du inzwischen herausgefunden, wer das Mädchen war, das sich bei den Ludi so um Sermo gesorgt hat?" fragte sie ihn dann. Sie konnte ja nicht ahnen, dass Valerian mit dieser Kratzbürste direkt verwandt war.

  • "Eifersüchtige Frauen, das hat mir gerade noch gefehlt! Damit kann ich doch so gar nicht umgehen!" Valerian tat entsetzt, lachte aber doch wieder. Er tätschelte der Stute den Hals und konzentrierte sich dann ein bißchen mehr darauf, dem Tier die richtigen Hilfen zu geben. Und so ging es eigentlich ganz gut mit den beiden. Solange ihnen keine Kunststücke abverlangt wurden.


    "Oh, das Mädchen!" Valerian seufzte. Warum schafften Frauen es immer, genau den Punkt zu treffen, der vielleicht gerade nicht so angenehm war? Sicher, er hätte Calvena auf jeden Fall von Melina erzählt. Aber er hätte dafür einen besseren Zeitpunkt gewählt. "Ja, das habe ich. Leider, möchte ich fast sagen. Dieses ungezogen und ungepflegte Gör ist leider meine Cousine. Sermos kleine Schwester. Sie war vor Jahren von zuhause davongelaufen. Und nun ist sie heimgekehrt. Ich hoffe, das schreckt Dich jetzt nicht von meiner Familie ab?" Wenn sie heirateten, mußte Calvena sich zwangsläufig auch mit Melina auseinandersetzen. Von daher war diese Frage von großer Wichtigkeit.

  • Glockenhell stimmte sie in sein Lachen ein. Aber wie es aussah verstanden sich Phoebe und Valerian zumindest ein bisschen, denn sie war weder bockig noch warf sie ihn ab. Eher ertrug sie ihren Reiter wohl mit stoischer Sanftmut.


    Verblüfft sah sie ihn dann an, als er ihr von dem Mädchen erzählte, welches sich als seine Cousine herausstellte. Leicht schüttelte sie den Kopf und förderte das Bild zu Tage, welches sie bei den Ludi geboten hatte. „So sah sie auch aus…“, meinte Calvena nachdenklich. Es konnte eine Menge Gründe geben, warum sich ein Mädchen so verhielt. Wut auf die Welt, war wohl einer der Hauptgründe, ebenso Rebellion gegen die Normen oder sie hatte einfach Schwierigkeiten sich anzupassen.
    Aufmunternd lächelte sie Valerian zu. „Da müsste schon mehr kommen“, erklärte sie ihm. So schnell brachte man sie nicht aus der Fassung. „Sie macht euch gewaltige Schwierigkeiten, oder?“ fragte sie nach. Vielleicht konnte sie Valerian ja irgendwie helfen, mit dem Mädchen fertig zu werden. So lang war es nun auch nicht her, dass sie sich mitten in der Adoleszenz befunden hatte. Die Veränderungen die damit einhergingen waren nicht für jedes Mädchen zu verkraften und manchmal sehr erschreckend. Vor allem wenn die Familie dann von einem erwartete ein gutes Mädchen zu sein und sich den Regeln zu fügen. Gerade in dieser Zeit kämpfte man gegen alles und jeden an, vorallem gegen Autoritäten oder Väter. Sie kontne sich nur zu gut daran erinnern, wie sie selbst mit ihrem Ziehvater dem großen Nubier zusammen gestossen war. Fast alle Gaukler waren Impulsiv und Adae hatte wenig Geduld mit ihr gehabt, aber am Ende hatte er einen Weg gefunden, sich damit abzufinden, dass sie kein Kind mehr war.

  • Hätte Valerian auch nur geahnt, was Calvena dachte, dann wäre er sofort umgekehrt. Zu Fuß. Schon allein, daß sie die Möglichkeit in Betracht zog, Phoebe könnte bockig sein oder ihn gar abwerfen, war erschreckend. Immerhin hatte sie ihm ein absolut sanftes Pferd versprochen. Er ging davon aus, daß dieses niemals so etwas tun würde.


    "Ja, sie macht uns gewaltigen Ärger. Die Einsicht, daß sie sich ändern muß, fehlt vollkommen. Sobald sie kritisiert wird, schaltet sie auf Durchzug. Selbst die vernünftigsten und einleuchtensten Argumente dringen nicht durch." Er selbst hatte ja sehr konkrete Vorstellungen davon, wie man diese Sturheit durchbrechen konnte. Immerhin war er selbst so erzogen worden. Und wenn es sich nicht bald besserte, dann würde er diese Erziehung wohl durchsetzen müssen. Das Problem war dabei nur, daß er kaum zuhause war. Es lag bei Sermo, das Mädchen an die Kandare zu nehmen.


    "Sie begreift nicht, daß jede Lebensweise ihren Preis hat. Völlige Freiheit bedeutet eben, kein festes Dach über dem Kopf und Hunger. Sobald man Sicherheit will, muß man den Preis dafür bezahlen. Wir nehmen sie ja gerne. Und sie soll alles bekommen, das sie braucht. Der Preis dafür ist Sauberkeit und Benehmen. Aber das will sie nicht verstehen."

  • Leicht nachdenklich runzelte Calvena die Stirn. Anscheinend prallten im Hause Quintilia die Vorstellungen aufeinander. Was vermutlich daran lag, das Melina in den vergangenen Jahren keine Grenzen auferlegt waren. Selbst in ihrem wilden und bunten Leben hatte sie Regeln folgen müssen und auch eine gewisse Verantwortung übernehmen müssen. „Weißt du warum sie weggelaufen ist? Es muss doch einen Grund geben“, meinte sie nachdenklich. Sie wollte erst einmal nicht wirklich schlecht von dem Mädchen denken. „Hat sie noch mehr Geschwister außer Sermo?“ hackte sie dann nach. Jedes Verhalten hatte eine Ursache, vor allem bei Mädchen in einem gewissen Alter. Meist ging es damit einher, dass sie zu wenig Aufmerksamkeit bekamen.


    Leicht legte sie den Kopf schief und sah Valerian nachdenklich an. Melina schien derzeit in einem Männerhaushalt zu sein und meist hatten größere Brüder andere Vorstellung von dem was ein Mädchen oder eine junge Frau ausmachte, als Frauen selbst. „Kann es sein, dass du und Sermo.. nun ja, eben die Sache wie Männer anpacken wolltet?“ hackte sie vorsichtig nach. Sie wollte Valerian nicht vor den Kopf stoßen oder kritisieren, aber es gab nun mal verschiedene Möglichkeiten auf ein rebellisches Mädchen zu zu gehen. „Also ich meine, sie grimmig anstarren, eindringlich auf sie einzureden, an die Vernunft appellieren und wenn es nicht mehr anders geht laut werden und mit Strafe drohen...“, fragend sah sie ihn an. Valerian hatte sich ihr Gegenüber immer nur liebevoll verhalten, aber auch er konnte sich vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn er gegen eine Wand aus Sturheit redete. Frauen waren nun einmal komplizierte Geschöpfe. Sie selbst eingeschlossen, sie hatte eine Menge Schwächen und Fehler und nicht alle waren Valerian bisher bekannt. Sie wollte ihn auch nicht sofort überfordern. Er musste ja bereits mit ihrer Impulsiven Art zurecht kommen, aber in der Hinsicht schienen sie sich ja gut auszugleichen. „Ich will damit sagen, dass das vielleicht nicht der beste Weg ist, etwas bei ihr zu erreichen. Das erweckt den Eindruck, dass ihr Despoten seid und ihr keinen Spaß gönnt. Und einmal ehrlich du hast dir auch nicht alles von deinem Vater gefallen lassen, ab einem bestimmten Alter!“ lächelte sie ihm zu. „Ich weiß, das du kein Despot bist“, fügte sie dann noch mit einem kleinen Zwinkern hinzu. "Aber Mächen in einem bestimmten Alter empfinden nun mal so. Glaub mir! Ich hab mich unzählige Male mit meinem Ziehvater angelegt und das kam meist einem Vulkanausbruch gleich", gab sie zu. Erstaunlicher Weise schmerzte der Gedanke nicht mehr allzu sehr, sie würde ihre Ziehfamilie nie vergessen, aber so langsam ließ sie die Trauer hinter sich und die Wunden ihrer Seele verheilten.


    Der schmale Pfad führte sie über einen sanften Hügel, dort hinter konnten sie ein Wäldchen entdecken und vor ihnen breiteten sich unzählige Felder aus. Da das Wetter so wunderbar Mild war, herrschte regsame Betriebsamkeit, Bauern, ihre Knechte und Sklaven arbeiteten Hand in Hand. Ein schöner friedvoller Anblick den sie genoss.

  • "Ich habe keine Ahnung, warum sie fortgelaufen ist. Sie hat noch weitere Geschwister. Aber das ist doch normal, daß man viele Geschwister hat." Valerian seufzte. Dies war wirklich nicht das angenehmste Thema. "Natürlich haben wir es wie Männer angefangen, wir sind schließlich Männer. Sie muß lernen, daß es Grenzen gibt. Sie kann mit sechzehn nicht mit einer Bande durch die Straßen ziehen, schmutzig und wild, und alten Frauen Gegenstände an den Schädel werfen."


    Eigentlich war es fast zum Lachen. Wenn es nicht die eigene Familie betreffen würde. "Deine Tante, Großtante oder was auch immer sie ist, war übrigens ihr Opfer. Und sie mußte diese Geschichte ausgerechnet dann breittreten, als ich bei Deinem Onkel war, um ihn um Deine Hand zu bitten." Das war auch noch so eine Geschichte. Er mußte sich dringend um die Wiedergutmachung kümmern.


    Für die idyllische Umgebung hatte er überhaupt keinen Blick bei diesen Themen, die sie gerade wälzten. Da konnte einem aber auch wirklich alle Freude an Sonnenschein und dem Anblick letzter Feldarbeiten vergehen.

  • Nachdenklich hörte sie ihm zu und nickte dann verstehend. Vermutlich würden sie Beide sich früher oder später in die Haare geraten, weil sie eine jeweils andere Vorstellung von Erziehung hatten. Nicht das sie ohne Regeln aufgewachsen war, aber sie war wesentlich freier in ihrer Entwicklung gewesen, zumal sie nicht in die Rolle der treuen und ergebenen Tochter gedrängt worden war. Aber Valerian hatte Recht, Melina würde sich selbst nur in Schwierigkeiten bringen, wenn sie so weiter machte wie bisher. Doch sie wusste nicht wirklich wie sie ihm helfen konnte, auch weil sie Melina nicht kannte.
    Verdutzt sah sie dann Valerian an, als er ihr erzählte Melina habe Laevina einen Ball an den Kopf geworfen. Sie stellte sich dabei den Gesichtsausdruck der Alten vor und musste loslachen. Sie konnte einfach nicht anders, wohl auch, weil sie und Laevina sich gegenseitig das Leben schwer machten. Vermutlich war das wohl auch der Grund, warum Laevina ausgerechnet diesen Moment dazu genutzt hatte, Valerian von diesem Attentat auf sie zu erzählen.


    Vergnügt kichernd sah sie ihn an. „Entschuldige“, meinte sie dann zu ihm. Nicht wirklich zerknirscht, dennoch meinte sie es ernst. „Aber du weißt, Laevina und ich, wir kommen nicht wirklich mit einander zurecht. Aber bei der Vorstellung wie sie einen Ball an den Kopf bekommt ist einfach zu witzig!“ grinste sie. Nachdenklich runzelte sie dann die Stirn. „Laevina ist so etwas wie eine Großtante… wir sind höchstens über fünf Ecken miteinander Verwandt!“ Sie wollte ihn ein wenig aufmuntern, schließlich hatten sie sich getroffen um zusammen zu sein. Da brauchten sie sich nicht die Laune wegen verkorkster Verwandten verderben lassen. Calvena lenkte ihr Pferd ein wenig näher an Valerians heran.


    „Kennst du ein nettes Fleckchen für eine Pause oder wollen wir einfach alles auf uns zu kommen lassen?“ fragte sie ihn, nachdem sie ihn noch einen Moment hatte Grübeln lassen.

  • Eigentlich war Valerian gar nicht nach Lachen zumute bei diesem Thema. Im Gegenteil belastete es ihn ziemlich. Doch Calvenas Lachen wr dennoch ansteckend. Vielleicht war es auch einfach der Wunsch, gerade heute, hier und jetzt alles nicht so eng zu sehen. Und die etwas verkniffene Laevina sich vorzustellen, wie sie wohl dreingeblickt haben mochte, als der Ball sie traf, war doch köstlichst. Und so lachte Valerian einfach mit.


    Als Calvena ihr Pferd näher zu dem seinen lenkte, streckte er eine Hand aus, um ihre zu ergreifen. "Ich weiß einen schönen Ort. Es ist nicht mehr weit. Siehst Du den Hügel dort? Da entspringt ein kleiner Bach mitten in einem Kastanienhain. Die Kastanien dürften reif sein, wir könnten sie rösten. Und es ist dort wirklich schön, ich bin sicher, es wird Dir gefallen."

  • Ohne lang zu zögern, reichte sie ihm dann ihre Hand. Nun wo sie endlich den aufmerksamen Blicken der Bürger Roms entkommen waren, konnte sie kleine Zärtlichkeiten Austauschen, ohne das gleich Gerüchte über eine mögliche Schwangerschaft oder andere Unsitten aufkamen. Es war eben nicht immer einfach sich den Regeln zu beugen. Zumal es ihr deutlich schwer fiel ihre impulsive Ader zu unterdrücken.


    "Das klingt verlockend!" stimmte sie ihm lächelnd zu und suchte am Horizont nach dem beschriebenem Fleckchen Erde, aber noch versperrte der Hügel die Sicht darauf.


    "Hast du eigentlich Geschwister?" fragte sie ihn dann. Trotz zahlreicher vertrauter Gespräche hatte sie das ihn noch nicht gefragt und da sie gerade bei diesem Thema waren, wollte sie die Gelegenheit beim Schopfe packen.

  • Ihre Hände faßten ineinander. Ein wunderschönes Gefühl. Und auch wenn es jetzt für ihn schwieriger wurde, das Pferd zu lenken, genoß er diese kleine zärtliche Geste sehr. Sie ritten nicht schnell. Wozu auch? Sie hatten doch den ganzen Tag Zeit.


    "Haben wir wirklich noch nicht daraüber gesprochen? Meine Schwester Valentina lebt in Mogontiacum. Sie war mir damals nachgereist, als ich zur Legion ging. Als ich dann aber nach Rom versetzt wurde, ist sie mir leider nicht wieder gefolgt. Schon oft habe ich ihr geschrieben, daß sie nachkommen soll, aber sie möchte nicht. Dabei geht es ihr dort nicht gut. Eigentlich müßte ich sie zwingen, herzukommen. Ich bin immerhin ihr Vormund. Aber ich weiß genau, wie sie auf Zwang reagiert. Ehrlich gesagt, bin ich bei ihr genauso ratlos wie bei Melina." Er seufzte. "Wie Du siehst, sind die Frauen in meiner Familie nicht gerade leicht zu handhaben."

  • Auch wenn sie die Pferde nun nur noch mit jeweils einer Hand führten, war es nicht schwierig. Beide Tiere waren wohl ebenso froh mal Rom hinter sich zu lassen, wie ihre Reiter. Zumal Calvena auch ein wenig Geschick darin bewies, den Wallach nur mit den Schenkel und leichtem Druck zu lenken. Manche erlernten Fähigkeiten aus der Zeit der Gaukler kamen ihr wirklich zu Gute.


    Leicht schüttelte sie den Kopf, bisher hatte er ihr noch nichts über seine Schwester erzählt. Eigentlich war es ja rührend, dass sie nach Mogontiacium gereist war, um ihm nah zu sein. Nachdenklich runzelte sie die Stirn, wirkliches Geschick im Umgang mit seinen nächsten Verwandten schien er nicht zu besitzen, oder aber es lag einfach an den Frauen der Gens. „Wie gut das die Frauen der Germanica etwas umgänglicher sind“, grinste sie ihm zu, wobei sie sich ziemlich sicher war, das er mit der ein oder anderen ihrer eigenen Marotten nicht wirklich umgehen konnte. Ihre impulsive Ader, welche sich bisher immer nur in Zärtlichkeiten geäußert hatte, konnte auch reichlich umschlagen und führte dann zu meist zu Streit. Zumal sie auch reichlich Stur sein konnte wenn sie wollte.
    „Du solltest deiner Schwester Zeit geben, wenn sie wirklich so Unglücklich ist, wird sie das eines Tages einsehen. Solltest du sie jedoch zwingen, würde sie dir dies vermutlich nicht verzeihen. Sie sollte ihre eigenen Erfahrungen machen“, meinte sie dann nachdenklich und mit einem leichten Schulterzucken. Sie selbst reagierte auf Zwang und Druck auch etwas Dickköpfig und vor allem zickig. „Eigentlich reagieren fast alle Frauen bockig, wenn sie zu etwas gezwungen werden…“, sinnierte sie dann nachdenklich und kicherte dann. Arme Männerwelt, mussten sie doch mit den Launen der Frauen Leben und Zurechtkommen. Aber Valerian schien sich ja ihr gegenüber recht gut zu halten. Wobei sie ja auch noch nicht wegen einer Kleinigkeit aneinander geraten waren. Was wohl auch daran lag, dass sie nicht ganz so viel zeit miteinander verbrachten, wie sie es Beide gern wollten. „Muss wohl in unserer Natur liegen!“ witzelte sie dann.


    Im gemächlichen Tempo setzten sie ihren Weg vor, über Wiesen, vorbei an Feldern und auch dann langsam den Hügel hinauf.

  • Ja, vielleicht lag es an Valerian, daß es mit den Frauen der Quintilier nicht ganz so leicht lief. Er zuckte mit den Schultern. "Das ist beruhigend zu hören, Calvena. Ich glaube, ich mit damit ein wenig überfordert. Rekruten sind wesentlich einfacher zu führen und zu erziehen."


    Valentina war wirklich immer bockig gewesen, wenn man sie zu etwas hatte zwingen wollen. "Ich habe ihr ja Zeit gelassen. Aber nun sind es schon mehrere Jahre. Und ich habe beunruhigende Dinge über ihren Umgang gehört. Mein Optio ist gerade aus Germanien zurückgekehrt und ich hatte ihn gebeten, nach ihr zu sehen. Ich weiß nicht so recht, was ich von all dem halten soll, was er mir berichtet hat. Am liebsten würde ich hinreisen, sie einpacken und mit hierher bringen." Er schmunzelte leicht, als Calvena davon sprach, daß diese Bockigkeit in der Natur der Frauen läge. "Ich hoffe, ich kann bei Dir noch lernen, wie ich mit bockigen Frauen umgehen muß", lachte er schließlich, denn heute war wirklich nicht der Tag zum Trübsal blasen.

  • Ein wenig musste sie darüber schmunzeln, als er darüber sinnierte, das Rekruten einfacher zu handhaben waren, als Frauen. „Du bist nicht mit deiner Schwester zusammen aufgewachsen, oder?“ fragte sie nach. Das würde zumindest erklären, warum er dann nicht wirklich mit selbiger zu Recht kam. „Ansonsten wüsstest du, dass man Frauen ab einem bestimmten Alter nicht mehr erziehen kann!“ zog sie ihn auf. Ein wenig tat er ihr Leid, aber vielleicht konnte sie irgendwie dafür sorgen, dass sich beide Seiten besser verstanden.


    „Vermisst du Valentina?“ fragte sie ihn dann etwas unvermittelt. „Oder willst du sie nur in Rom haben, damit du ein wachsames Auge auf sie haben kannst?“ hackte sie dann etwas genauer nach. Sicher er war ihr Bruder, sorgte sich um ihr wohl, aber wenn er sie nur in Rom haben wollte, damit sie keinen Unfug anstellte, dann konnte sie ehrlich gesagt nachvollziehen, dass sie nicht zurück kommen wollte. „Vielleicht solltest du wirklich mal nach Germanien reisen und mit ihr darüber reden. Sie wird sicher ihre Gründe haben, warum sie dort bleiben sollte!“ meinte sie dann wieder versöhnlicher.


    Breit grinste sie ihn dann an. „Du willst also lernen mit bockigen Frauen umzugehen?“ sie kicherte. „Bist du sicher, dass ich dafür geeignet bin“, zwinkerte sie ihm zu.

  • Valerian lachte. "Doch, eigentlich schon. Aber natürlich wurden wir ab einem gewissen Alter getrennt unterrichtet und verbrachten nur noch wenig Zeit miteinander. Du weißt ja, wie das ist. Aber es ist schon eine herbe Erkenntnis, daß Frauen man ab einem gewissen Alter nicht mehr erziehen kann. Das nimmt mir jegliche Hoffnung." Er meinte das keineswegs so ernst, wie es in dem Moment klang. Seine übermütig blitzenden Augen verrieten ihn.


    Doch dann wurde er sehr ernst. "Nein, darum geht es mir nicht. Wenn es so wäre, hätte ich sie längst geholt. Ich mache mir Sorgen, daß sie kein gutes Leben führt. Daß es ihr an Mitteln fehlt und daß sie unglücklich ist. Ich habe Angst, daß sie sich mit den falschen Leuten abgibt. Daß sie in Schwierigkeiten gerät. Sie ist so weit weg, daß ich sie nicht beschützen kann, verstehst Du?" Echte Sorge stand in seinem Blick. Er atmete tief durch. Ein viel zu ernstes Thema für ihren Ausflug.


    Da versuchte er es lieber wieder mit Scherzen. "Ohja, das möchte ich unbedingt lernen. Und Du bist da goldrichtig für. Schließlich brauche ich diese Fähigkeit für unser zukünftiges Leben." Er lachte und zwinkerte zurück.

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