Was machte ein kleiner Junge, wenn er Langeweile hatte und sich unbeobachtet fühlte? Genau. Er machte entweder Lärm, Dreck oder, wenn er ausnahmsweise von beidem mal absehen wollte und sich zudem in einer vollkommen neuen Umgebung befand, erfand er ein Spiel.
Für die kommenden Stunden war schnell eines gefunden.
In diesem Haus gab es nämlich unwahrscheinlich viele Türen. So viele Türen, dass es beinahe an Arbeit grenzte, jede zu öffnen und zu gucken, wohin das Dahinter führte. Nun war er es aber glücklicherweise so, dass Marcus mit einer gehörigen Portion Neugier ausgestattet war. So scheute er keinen Aufwand, als sich an die "Arbeit" machte.
Ausgangspunkt war das Zentrum seiner Welt, sein eigenes kleines Rom, sein Königreich. Es war sein Cubiculum. Die erste Tür, die er genau gegenüber seiner Zimmertür fand, öffnete sich in eine dunkle Leere, nachdem er zuerst höflich angeklopft und sie nur langsam geöffnet hatte. Ein verwaistes Zimmer. Wie langweilig. Die zweite Tür war verschlossen gewesen. Spielverderber.
Der Spaß, den das Spiel versprach, schmälerte sich nach diesen Misserfolgen natürlich dramatisch.
An der dritten Tür klopfte er nicht an, sondern trat einfach ein. Nun traf ihn die Überraschung doch, als er dieses Cubiculum alles andere als leer vor fand. Auf einem Stuhl saß das kleine Mädchen, mit dem er einen so unglücklichen Start hingelegt hatte. Neben ihr saß Bia, die nicht ihre Mutter war, sondern Bia.
Er blieb in der geöffneten Tür stehen, verschränkte die Hände hinter seinem Rücken und fragte: “Was mach ihr? Spielt ihr etwas?“