• Sibel hustete den letzten Rest des Wassers heraus und sog die lebensnotwendige Luft ein. Ihr Retter hatte sie inzwischen auf die Seite gerollt und klopfte ihr mehrmals auf den Rücken, um es ihr so leichter zu machen, ihre Lungen vom Wasser zu befreien. Nun, da sie wieder zurück im Leben war, konnte er von ihr ablassen. Das tat er, ohne ein Wort zu verlieren.
    Sibel lag nun da, nackt, nass und verloren. Sie begann allmählich zu frieren. Die Sklavin, die neben ihr gekauert hatte, löste sich langsam aus ihrer Starre. Die Götter mussten ihr und dieser Fremden heute wohlgesonnen sein!


    Die geröteten Augen der Lykierin fingen schließlich ein Bild ein. Avianus, dem der Schrecken noch in den Knochen steckte, war zu ihr heran getreten.
    Ja, sie lebte! Obwohl sie ihm soch eigentlich nicht länger zur Last fallen wollte. Das war es doch letztlich, was sie nach unten gezogen hatte. Und der Schmerz, der auf diese Weise nachgelassen hatte...

    Avianus bedeckte ihren Körper mit einem Tuch und strich ihr die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Nun, da sie doch noch da war, sehnte sie sich nach ihm. Wenigstens noch einmal bei ihm liegen und seine Nähe spüren. Das wünschte sie sich. Wie aber würde Avianus nun reagieren? Nachdem was sie gerade getan hatte? Würde er sich nun endgültig von ihr abwenden?


    Doch zunächst war sicher ein Medicus von Nöten. Die Sklavin neben ihr erhob sich, trocknete sich schnell ab und zog sich ihre Tunika wieder über. Dann rannte sie schnell aus dem Balneum.

  • Die arme Corinna, die musste wohl sehr durcheinander sein, dass sie nicht ihn fragte, was sie tun sollte, sondern schon so rausstürmen wollte, ohne dass Atticus etwas dazu gesagt hatte. “Halt, Corinna. Schick Agnodice. Ruh' du dich aus. Nimm dir ruhig den restlichen Tag frei“, sagte er in seinem besten Hausherren-Ton zu ihr, als sie grade an ihm vorbei wollte. In dem Zustand und so nass konnte er die ja nicht auf die Straße scheuchen! Da würde er nichtmal Pontus vor die Tür scheuchen, und der war ein Hund! Am Ende war dann Corinna noch krank oder stürzte auf der Straße, weil sie so durcheinander war. Nein, nein, Agnodice war da die bessere Wahl. Abgesehen davon würde der Medicus sich auch nicht trauen, zu DER 'nein' zu sagen, wenn er grade nicht kommen wollte.


    Malachi stand einfach nur so ruhig wie immer an der Seite, hob gerade noch das Schild von Atticus auf, und sagte nichts. Allerdings hatte Atticus wie immer bei dem Gladiator das Gefühl, dass er vielleicht auch etwas zu ihm sagen sollte. Atticus nannte das immer 'auffordernde Schweigsamkeit'. Ein Trick, den er sich auch schon das ein oder andere Mal zueigen gemacht hatte. Wenn man nur lange genug scheinbar gleichgültig und schweigend bei einem anderen Menschen herumstand, dann sagte der irgendwann von ganz allein irgendwas, einfach, weil ihm die Stille unheimlich war. Nur Malachi konnte das ganze weit besser als Atticus. “Ähm, du kannst auch gehen, Malachi. Ich denke, wir kommen hier zurecht.“
    Malachi nickte nur kurz und machte sich auf den Weg.


    Jetzt hatte sich Atticus auch endlich mal so weit gesammelt, dass er nicht mehr wie ein Blasebalg dastand und einigermaßen hausherrenmäßig auftreten konnte. Zumindest, sofern das für einen Fünfzehnjährigen gegenüber einem Älteren denn möglich war. Zumindest stand er jetzt gerade und hatte wieder richtig Luft.
    “Ähm, ja, salve. Ich... ich weiß eigentlich gar nicht, was hier passiert ist. Du.. du kennst das Mädchen? Ähm, Frau?“ Da Atticus reichlich wenig von eben jener gesehen hatte, maßte er sich kein Urteil über deren Alter an.

  • Wer konkret dafür sorgte, dass ein Medicus kam, spielte für Avianus definitiv keine Rolle. Viel zu sehr war er mit Sibel beschäftigt. Bestimmt war ihr kalt, immerhin lag sie nun doch schon eine Weile da, und er konnte sehen, wie sie inzwischen eine Gänsehaut bekam und leicht zu zittern begann, obwohl der Grund dafür nicht nur Kälte sein konnte sondern auch schlicht der Schock, den ihr Körper sicherlich hinter sich hatte.
    "Ja … sie gehört zu mir. Ich danke euch, wären du und dein Begleiter nicht hier gewesen, wäre sie jetzt vielleicht tot", antwortete er und wollte auch gar nicht genauer auf die komplizierte Beziehung zwischen ihm und Sibel eingehen, zumal er den Jungen ja nicht einmal richtig einordnen konnte. Und dann war da noch Sibel, die seine Aufmerksamkeit bitter nötig hatte.
    Während er sprach, legte er ihr einen Arm um die Schultern um sie aufzusetzen, konnte so das Handtuch zurechtziehen und besser um ihre Schultern legen, und hob sie schließlich hoch, sodass sie endlich nicht mehr in den Pfützen lag, die sich unter ihr auf dem Boden ausgebreitet hatten. All das tat er, ohne erneut ein Wort an Sibel zu richten. Was sollte er auch sagen. Danach zu fragen, was genau passiert war – wobei er nach ihrem seltsamen Verhalten und aufgrund der Tatsache, dass sie nicht verletzt schien, so eine Ahnung hatte –, dafür war es wahrscheinlich noch zu früh. Und vermutlich wäre sie auch noch gar nicht in der Lage, ihm richtig zu antworten.
    "Mein Name ist Iunius Avianus … und du bist wohl … ebenfalls ein Iunius? Entschuldige, aber ich bin nur selten hier im Haus", startete er stattdessen einen Versuch zu klären, wer der Blondschopf war, der da noch im Balneum herumstand, auch weil er sich blöd vorkäme, nichts zu sagen. Unterdessen trug er sie hinüber zu einer der Bänke, setzte sich vorerst dort mit ihr und drückte sie an sich. Sollte er sie gleich in sein Cubiculum tragen? Oder erst auf den Medicus warten?
    "Vielleicht sollte ich sie nach oben tragen …?", stellte Avianus eine Frage in den Raum. Zweifellos würde er sie später hoch in sein Cubiculum bringen, damit sie sich ausruhen konnte und dann wäre sie vielleicht auch soweit, ein paar Worte mit ihm zu wechseln, aber noch war er schwer beschäftigt, das geschehene zu verarbeiten und war selbst noch merklich durch den Wind. Der Anblick ihres leblosen Körpers hatte sich in seinen Verstand gefressen und er würde ihn sicherlich länger nicht loswerden, selbst wenn er gerade einfach nur erleichtert war, ihre schweren Atemzüge zu spüren.

  • Corinna, die Sklavin die den Medicus holen sollte, kam noch einmal zurück, nachdem sie das Rufen ihres Namens vernommen hatte. Jemand anders sollte ihre Aufgabe übernehmen und sie sollte sich den Rest des Tages frei nehmen. Sie dankte Atticus vielmals für seine Freundlichkeit, denn nach allem was geschehen war, hatte sie ein paar freie Stunden mehr als nötig. Sollte also Agnodice den Medicus holen.


    Von all dem hatte Sibel wenig mitbekommen. Sie lag noch auf dem Boden, frierend und zitternd. Endlich dann half Avianus ihr auf. Er legte ihr seinen Arm um die Schultern und hob sie auf. Ihr trauriger und schuldbewusster Blick traf ihn. Ihre Lippen zitterten. Sie versuchte Worte zu finden, fand aber keine.
    Es tat ihr alles so leid, was passiert war. Doch nun da er sie hielt, schmiegte sie sich an ihn und genoss die Wärme seines Körpers.
    Sie hatte nach einem Ausweg gesucht, aus ihrer aussichtslosen Lage. Ein Ausweg, der ihm hätte helfen sollen, von ihr loszukommen. Denn sie hatte fest daran geglaubt, dass nur der Tod sie trennen konnte. Ein Leben ohne ihn war undenkbar für sie. Deswegen hatte sie gar nicht anders gekonnt. Ihr Plan aber war nicht aufgegangen. Was sollte jetzt nur werden?


    Wie ein Häufchen Elend saß sie nun dich an ihn gelehnt, nachdem er sie auf einer Bank abgesetzt hatte. Ihre Arme klammerten sich inzwischen um ihn, denn sie wollte ihn um keinen Preis mehr verlieren. Sie schloss ihre Augen und erinnerte sich daran, wie glücklich sie noch gestern und die Tage davor gewesen war. Er war alles für sie, der einzige Halt, den sie im Leben noch hatte. Wenn sie ihn verlor, dann verlor sie ihren Halt… dann verlor sie alles und stürzte ins Chaos.

  • Gut, das Mädchen gehörte also zu Iunius Avianus. Damit wusste Atticus dann zumindest schonmal, welcher seiner Cousins der Mann hier war. Er verkniff sich die Frage, warum dessen Freundin beinahe im Balneum ertrank. (An mangelnden Schwimmfähigkeiten konnte es nicht liegen, in dem Wasser konnte man problemlos stehen.) Stattdessen erinnerte er sich wieder an seine Manieren und stellte sich artig vor. “Ich bin Titus Pompeius Atticus, Sohn von Gaius Pompeius Imperiosus und Iunia Axilla. Meiner Mutter und meinem Vetter Silanus gehört das Haus hier.“ Atticus zuckte kurz die Schultern. “Aber es sagt irgendwie trotzdem jeder, ich wär ein Iunius. Also von daher ist das irgendwie schon in Ordnung.“ Atticus hatte sich an diesen Umstand schon mehr als gewöhnt. Zuweilen musste er selbst aufpassen, sich nicht als Iunius Atticus vorzustellen.
    “Um ehrlich zu sein hab ich gar nichts gemacht“, fuhr er dann fort, während sein Vetter die Frau in seinen Armen wiegte. Jetzt schien sie auch wach zu sein, wenngleich sie noch gesprächiger war als Malachi. “Ich hab nur dabei gestanden, als Malachi... ähm....“ sie geküsst hat. Nun, das konnte er seinem Vetter so wohl nicht sagen. So wie er sie im Arm hielt, das erkannte Atticus schon. Er konnte mit dieser ganzen Mädchen-Junge-Kiste zwar nichts anfangen, aber dass das wohl so war, das erkannte ja selbst ein Blinder mit Krückstock. Da redete man besser nicht darüber, dass irgendjemand anders sie geküsst hatte, auch wenn das anscheinend zur Rettung beigetragen hatte.


    So oder so aber hörte Avianus wohl auch gar nicht richtig zu und machte sich eher Sorgen um das Mädchen. Er fragte, ob er sie hochtragen sollte. War vermutlich auf Dauer bequemer als hier auf dem Boden. Hier war es zwar gut geheizt und deshalb bei weitem nicht kalt, aber sicher nass und unbequem.
    “Oh, sicher. Hat man schon ein Zimmer für sie hergerichtet? Sonst sag ich schnell bescheid, damit sie sich ausruhen kann.“

  • Nicht mehr als ein Schatten ihrer selbst war sie, wie sie sich an ihn klammerte, und das Gefühl, sie so sehen zu müssen, war beinahe unerträglich. Nur wusste er nicht, wie er ihr in diesem Augenblick helfen sollte. Er war kein Medicus und vor den Augen anderer allzu viele Zärtlichkeiten auszutauschen, um sie zu trösten, schickte sich ja nicht. Aber sie im Arm zu halten, das ließ er sich nicht nehmen.
    Mit einem Ohr hörte er dabei Atticus zu. Einer von Axillas Söhnen also … zu was machte ihn das dann? Zum Onkel? Oder Vetter? Jedenfalls sprach der junge Pompeius beinahe so, als wäre Avianus noch nie hier gewesen.
    "Nun, ich kenne Axilla …" – Sie war immerhin seine direkte Cousine. – "… und auch Silanus", sprach er und brachte endlich ein mildes Lächeln zustande, selbst wenn es dank der jüngsten Ereignisse recht schnell wieder verblasste. Er mochte die Casa Iunia nur selten besuchen, doch ein vollkommen Fremder war er auch wieder nicht. "Aber vielleicht finden wir später einen geeigneteren Augenblick, uns genauer darüber zu unterhalten."
    Als Atticus vorschlug ein Cubiculum für sie herrichten zu lassen, nickte er. "Ja … das wäre gut. Und meines sollte anschließend auch gleich vorbereitet werden. Ich werde mit ihr vorerst hier bleiben." Sicherlich hätte er auch selbst einem Sklaven Bescheid geben können, doch in der gegenwärtigen Situation war er durchaus dankbar, wenn jemand seine Hilfe anbot.
    Sanft strich er Sibel noch über die wirren Haare. "Na komm schon …", murmelte er dann mehr zu sich selbst, hatte einen Arm bereits um ihren Oberkörper gelegt, schob nun den anderen unter ihren Beinen durch und hob sie erneut hoch, um sie nach oben zu tragen. Ein weiches Bett war sicherlich besser zum Ausruhen geeignet als harte Fliesen oder Steinbänke, erst recht in ihrem Zustand. Wie es für die übrigen Hausbewohner aussehen musste, wenn der vermeintliche Dominus seine in ein Handtuch eingewickelte Sklavin durch die Casa trug, war ihm dabei gerade herzlich egal. Die würden früher oder später ohnehin erfahren, dass Sibel nicht einfach irgendeine Sklavin war, oder hatten das vielleicht schon, bei dem Lärm, den sie zuvor im Atrium produziert hatten.

  • Allein dass er sie die ganze Zeit über im Arm hielt, half ihr, wieder zu sich selbst zu finden. Immer wieder fielen ihr die Augen zu und sie wanderte zwischen wachen und schlafen. Dadurch hatte sie dem Gespräch zwischen Avianus und dem Jungen nicht richtig folgen können. Es ging wohl um Familiendinge, um die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den beiden. Für Avianus hatte dies schon immer einen hohen Stellenwert gehabt. Sie selbst hatte sich nie wirklich einer Familie angehörig gefühlt, außer ihrer eigenen natürlich, die sie aber verloren hatte. Manchmal hatte sie sich dabei erwischt, wie sie darüber nachdachte, ob es diese Verwandten auf Rhodus noch gäbe? Die Schwester ihre Mutter und deren Mann. Sie konnte sich kaum noch an ihre Namen erinnern.


    Im Augenblick war sie einfach nur froh, dass er da war. Er war für sie zu einer Art Familie geworden. Daher war es für sie wichtig, ganz nah bi ihm zu sein. Vielleicht wäre Sibel nicht zum äußersten gegangen, wenn er bei ihr geblieben wäre. Dabei war sie es gewesen, die ihm nach der Unterhaltung mit Seneca die kalte Schulter gezeigt hatte. Sibel hatte mit dieser Situation nicht umgehen können, obwohl sie die ganze Zeit über gewusst hatte, dass dieser Tag irgendwann kommen würde…


    Ob sich dadurch irgendetwas für sie geändert hatte? Wahrscheinlich nicht. Doch vielleicht war dies der Anlass dazu, alles noch einmal zu überdenken.
    Irgendwann nahm er sie wieder auf und trug sie nach draußen. Inzwischen lag sie ganz entspannt in seinen Armen und vertraute auf ihn. Ganz gleich, wohin er sie nun brachte, es wäre gut für sie.

  • Nachdem die Sklavin den neuen Hausbewohner zum Balneum geführt und ihn fast entschuldigend um einen Moment Geduld gebeten hatte, machte sie sich daran, das zentrale Badebecken mit warmem Wasser zu füllen. Agricola lehnte sich an ein brusthohes Ablagebord und schaute ihr zu. Die Sklavin war zwar keine ganz junge Frau mehr und auch keine ausgesprochen ansehnliche, aber eine Frau. Das war nicht zu übersehen. Bei jeder ihrer ausladenden Bewegungen, vor allem wenn sie die dampfenden Kessel vom Ofen nahm und in’s Becken ergoss, schwollen ihren Rundungen unter der braunen Tunika an wie überdimensionierte Feldfrüchte. Vielleicht sollte er sie bitten, nach verrichteter Arbeit noch ein wenig zu bleiben? Um ihm den Schwamm zu reichen oder so, nichts weiter. Nur so als Weidegrund seiner grasenden Blicke. Das würde wohl schon reichen. Zumindest den interessanten Erfahrungen nach, die er in den letzen Monaten hatte machen dürfen. Nun ja. Seufzend sah er sie den letzten Kessel lehren. Nach einem prüfenden Blick auf die bereit liegenden Badeutensilien verabschiedete sie sich mit einem beiläufigen Nicken, und verschwand. Die Tür fiel sachte zu. Er war allein. Durchblutet für zwei.


    Nun erst fand er die Muße, sich das iunische Balneum genauer zu betrachten. Was er sah, beeindruckte ihn. Vor allem durch die Harmonie und die schlichte Anmut, die der weite hohe Raum ausstrahlte. Auch hier setzte sich die klare funktionale Eleganz fort, die ihm bereits in Atrium und Officium aufgefallen war. Großspuriger Protz und eitles Geschnörkel schien der Iunii Sache nicht zu sein. Trotzdem wirkte alles auf eine besondere Art vornehm und erhaben. Im Vergleich dazu war das Balneum auf dem iturischen Gut nicht viel mehr als ein ummauertes Wasserloch, vollgestopft mit Büsten, Statuetten und anderem repräsentativem Krempel, der seiner Meinung nach in einem Balneum rein gar nichts zu suchen hatte. Hier fehlte der ganze unnötige Ramsch, das heißt, hier fehlte er eben nicht. Hier fehlte gar nichts. Das Muster des Bodenmosaiks war in unaufdringlichen erdigen Farben gehalten, Ocker, Olive, Kastanie, Ton und Schilf. Keine schrille Effekthascherei, nur schlichte Schönheit. Die hohen Wände erstrahlten in einem milchigen sonnigen Rotgelb und wurden von einem gemalten Wandfries geteilt, auf dem Szenen aus der römischen und hellenischen Mythologie zu bestaunen waren, ebenfalls ausgeführt in gedeckten erdigen Farbtönen. Auch die Ausstattung ließ keine Wünsche offen. Tücher und Schwämme verschiedenster Größe lagen bereit. Fläschchen mit Ölen, Töpfchen mit Lotionen, sogar ein Körbchen mit getrockneten Rosenblättern. Es war, ohne jede Übertreibung, perfekt. Allerdings kam Agricola sich in dieser sauberen und duftenden Umgebung nun noch dreckiger vor, und beeilte sich daher, seine Kleider loszuwerden und sich im dampfenden Nass zu versenken.

  • Eine Weile ließ er sich einfach treiben, gab sich dem unbeschreiblichen Gefühl hin, keinen Körper zu besitzen und nur aus Geist zu bestehen, aus einem stillen passiven Geist, über den die Gedanken zogen wie Gestirne über das nächtliche Firmament. Agricola sah sie unbeteiligt vorüber gleiten, nahm sie wahr, betrachtete sie ein paar Augenblicke und ließ sie dann wieder unbehelligt seinem Blickfeld entschwinden. Die meisten davon waren Fragen, was nicht verwundern konnte, sogar wenn er sich dazu hätte hinreißen lassen, seinen unbewegten Geist aufzuwühlen, um sich zu wundern. Ob wohl noch weitere Iunii in dieser Domus lebten? Wenn ja, wer waren sie und wieviele? Würden sie ihn ebenso akzeptieren wie Avianus? War er schon ein ganzer Iunier für sie oder musste er sich in ihren Augen erst zum Iunier mausern? Gab es hier eine Bibliothek und einen Garten? Gab es irgend etwas, das ihm die ländliche Freiheit ersetzen konnte? Konnte sich ein Sterblicher jemals in diesem furchterregenden Wirrwarr dort draußen zurecht finden? Solche und andere Fragen sah er aufsteigen und niedergehen. Wozu sich jetzt damit befassen? Das würde er alles früh genug erfahren. Hier befand er sich, wie es schien, auf einer ruhigen schattigen Insel inmitten eines brodelnden Ozeans aus Stein und Fleisch. Nur der Klang einer Kithara, einer ganz bestimmten Kithara, fehlte noch zur vollkommenen Glückseligkeit, und ein Hauch von Rosenwasser auf Irisöl. Was hätte er dafür gegeben. Noch einmal schwelgen in diesen vertrauten Wahrnehmungen, und sei es auch nur für Momente. Das Saitenspiel seiner Mutter und ihr Duft dazu. Verklungen und verweht.


    Mit geschlossenen Augen tastete er über den Beckenrand hinweg nach einem der vielen kleinen Behältnisse, die auf einem niederen Beistelltisch bereitstanden. Wenn er schon nicht in den Genuss tröstender Klänge kam, so war doch wenigstens für ätherische Hochgenüsse gesorgt. Ohne hinzusehen öffnete er fingerfertig das erstbeste Fläschchen und ließ etwas von dem Inhalt in’s Wasser tropfen. Es roch nach gar nichts, fühlte sich nur fettig an. Er schnüffelte enttäuscht am Stöpsel. Olivenöl. Zum Einreiben. Gut, schadete ja nichts. Und sonst? Den Duft des zweiten Fläschchens, dessen er habhaft wurde, erkannte er sofort: Lavendel. Rein damit. Augenblicklich stieg eine betörende Woge wildsüßen Dampfes aus dem Wasser. Herrlich. Bedauerlich nur, dass Fundula, die Gattin seines Onkels Geta, immer sehr penetrant danach gerochen hatte. Als nächstes erwischte er eine Fiola mit leicht scharfem, würzigen Inhalt. Das musste Thymian sein. Der eignete sich hervorragend, um dem Lavendel etwas die Süße zu nehmen. Bei den beiden folgenden Aromen war er sich nicht sicher. Im Behältnis rochen die Flüssigkeiten wie Salbei und Pinienharz, im Badewasser aufgelöst erinnerten sie aber eher an Wacholder. Alle beide.
    Der Guss aus einem weiteren Fläschchen legte sich schwer und animalisch über das Becken. Agricola vermeinte, ähnliches schon einmal gerochen zu haben, erinnerte sich aber nicht mehr, wo. Jedenfalls ganz gewiss nicht in einem Balneum. Die letzten drei Duftrichtungen sagten ihm gar nichts. Vielleicht war sogar Irisöl darunter, nur machte es sich nicht bemerkbar. Rosenwasser fand er keines. Vermutlich waren die getrockneten Rosenblätter im Korb als Ersatz für dieses göttliche Destillat gedacht. In seinem Bündel befand sich ein Phiole des edlen Stoffes, nur war er viel zu träge, um aus dem Becken zu steigen. Das Beduften des Badewassers hatte ihn schon lange genug aufgehalten, jetzt wollte er endlich genießen, was er kreiert hatte. Und das tat er auch. Er ließ das warme Wasser um sich schwappen, legte den Kopf in den Nacken und genoss die aromatischen Wolken mit tiefen gleichmäßigen Atemzügen. Das ging etwa so lange gut, wie ein Hofhund brauchte, um einen Knochen zu vergraben. Obwohl redlich darum bemüht, allen Ingredienzien mit seiner empfindsamen Nase nachzuspüren, musste er sich doch nach kurzer Zeit eingestehen, dass das präparierte Badewasser nicht den erwarteten Sinnenrausch bei ihm auslöste. Tatsache war, die Brühe stank wie gekochter Schafspansen.

  • Vielleicht wäre es Agricola geglückt, seinen Mageninhalt bei sich zu behalten, wenn er nur beizeiten eingesehen hätte, dass auch die edelsten Essenzen in der Summe eine atemberaubende Jauche ergeben konnten. Dummerweise war er aber wild entschlossen, sein Bad zu genießen, und redete sich ein, dass seine provinzielle Nase derlei erlesene Aromen einfach noch nicht gewohnt war. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass nicht die Nase das Problem war, sondern der Kopf. Einmal angedacht ging ihm die Vision von der fetten Kochbrühe nicht mehr aus dem Sinn. Schwammiger Pansen in labberige Kaldaunen zerschnitten, Bries, Brägen, Lunge, all das unsägliche Zeug, das er an Schlachttagen immer vorgesetzt bekommen hatte. Der erste erbrochene Schwall des eben genossenen iunischen Weines machte die Sache nicht besser, im Gegenteil. Die roten Schlieren im Badewasser beschworen das Bild von dampfender Blutsuppe herauf, eine Erinnerung, die Agricola schließlich leer pumpte bis auf den letzten bitteren Rest der Gerstengrütze, die er am Vormittag gelöffelt hatte. Danach ging es ihm besser. Bedeutend besser. Zwar sah er seinen Körper noch beschmutzter als vor dem Bad, inwendig aber fühlte er sich frisch und gereinigt. Beinahe beschwingt. Wäre da nicht die Sauerei gewesen, die er hinterlassen hatte.


    Zuallererst musste mal das verunreinigte Wasser aus dem Becken. Aber wie? Gewiss, da gab es einen bronzenen Rost am Beckenboden, unter dem sich aller Wahrscheinlichkeit nach ein geschlossener Abfluss befand, aber wie man den frei bekam, war ihm ein Rätsel. Um derlei Dinge hatte er sich nie kümmern müssen, das war Sache des zuständigen Sklaven, in diesem Fall der appetitanregenden Sklavin. Eben deswegen wollte er sich die Schande tunlichst ersparen, auch wenn es ihn eigentlich nicht im Geringsten zu interessieren hatte, was eine Sklavin über ihn dachte. Zuerst ging er auf die Knie, steckte seine Finger durch die Ritzen des Rostes und zog mit aller Kraft. Da war nichts zu machen. Den konnte man nicht rausziehen, und selbst wenn, da war auch noch die Metallplatte darunter, die den Abfluss verriegelte. Dann entstieg er ratlos dem Becken und suchte außerhalb nach irgendwelchen Vorrichtungen. Nichts. Verfahrene Situation. Um den Gestank loszuwerden, musste er sich waschen. Den Göttern sei Dank standen noch gefüllte Holzbottiche für kalte Güsse bereit. Nur brauchte er dazu ein leeres Becken, er konnte ja schlecht das ganze Balneum überschwemmen. Also noch mal von vorn. Hinein in die lauwarme Gülle. Nach dem Rost getastet und gezogen. Agricola war alles andere als ein Schwächling, das Landleben und die Übungen mit Potitius Carus hatten ihn kräftig und ausdauernd gemacht, aber diesen verfluchten Rost bekam er trotzdem keinen fingerbreit aus dem Beckenboden. Vielleicht sollte er nicht ziehen sondern drücken? Er drückte. Vergeblich. Drehen? Er umklammerte die Stäbe und versuchte, den Rost zu drehen. Das ging. Spielend leicht sogar. Ein schabendes Geräusch war zu hören, dann begann sich der Wasserspiegel leise gluckernd zu senken. Agricola war unsagbar stolz auf sich.


    Als ihm das Schmutzwasser nur noch zu bis zu den Knöcheln reichte, schnappte er sich beherzt einen der Bottiche und übergoss sich prustend mit eiskaltem Wasser. Durch seine klappernden Zahnreihen gellte ein schriller Schrei. Götter! Welch eine Wonne! Noch ein Guss und noch einer, bis er sich endlich auch oberflächlich ähnlich rein fühlte wie in seinem Inneren. Den Rest des kalten Wassers schüttete er in’s Becken, um die letzten Spuren seine wiedergegebenen Morgenmahles durch den Rost zu spülen. Ein aufrechter Römer war er! Ein Mensch mit Prinzipien! Einer, der die Verantwortung für seine Taten übernahm und die Konsequenzen trug! Jawohl! Tief zufrieden mit sich und der Welt trocknete er sich ab, kramte seine leichte Tunika aus dem Bündel und warf sie sich über. Nun konnte der Tag beginnen. Er war zu allem bereit. Da fiel ihm auf, dass es dunkel wurde. Durch die Oberlichter drang nur noch ein schwaches Abendglimmen. Nun gut, dann würde er eben morgen zu allem bereit sein. Reichte ja auch noch.


    Nachdem er die Schuhe angezogen und Sack und Mantel aufgesammelt hatte, schritt er wohlgemut zur Tür und hielt Ausschau nach der Serva. Die hatte sich – wohl durch das Geräusch des ablaufenden Wassers benachrichtigt – bereits an der gegenüberliegenden Wand des Flures postiert. Agricola beeilte sich, das Balneum zu verlassen und die Tür hinter sich zu schließen. Dort drinnen stank es noch immer erbärmlich. „Wenn du mich jetzt zu meinem neuen Cubiculum führen könntest?“
    Die Sklavin nickte wieder ihr ergebenes Nicken und ging mit anmutig grazilen Schritten voraus. Agricola trottete lüstern glotzend hinterher. Die Wirkung des kalten Wassers verflog augenblicklich.

  • Mit Hiera im Schlepptau erreichte Axilla auch eilig das Bad. Unterwegs rief sie noch nach Corinna, denn hierbei würde sie ganz sicher Hilfe brauchen. Trotzdem führte Axilla vom Gestank der neuen Sklavin unbeirrt das Gespräch fort. “Von wo aus dem Osten kommst du denn? Asia? Iudaea? Aegyptus? Wir können uns auch auch Koine unterhalten, falls das hilft“, bot Axilla großzügig an. Das Mädchen schien zwar gut Latein zu sprechen, aber Axilla sprach auch hervorragend das Griechische, sogar mehrere Dialekte.
    “Was hast du denn bei deinem letzten Herrn gemacht? Überhaupt, wer war denn dein letzter Besitzer? Von wem hat dich Silanus überhaupt gekauft?“ Silanus hatte ja nur etwas von einem Podest gesagt, aber mit keinem Wort, wem das Podest gehörte.


    Im Bad war es wie immer etwas wärmer. Axilla blieb mit Hiera im Vorraum stehen und wies sie an, stehen zu bleiben. “So, Decke weg. Ich fürchte, wir müssen dich erstmal Abspülen und kräftig einseifen, bevor wir dich ins Wasser lassen können. Vielleicht auch mehrfach. Und was haben die nur mit deinen Haaren angestellt?“

  • Die Fragen prasselten nur so auf sie ein und sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, aber die Befragung durch die Prätorianer war bei weitem nicht so schlimm gewesen wie das hier gerade. Denn da hatte sie einfach nur wahrheitsgemäß antworten können. Aber... hier und jetzt? Ihr Herr hatte der Axilla hier mal eben eine faustdicke Lüge aufgetischt und sie musste es nun ausbaden.
    So zog sie es erst mal vor zu schweigen bis sie im Bad angekommen waren. Die Decke? Welche Decke.. ach ja die Decke. Hiera war so in Gedanken, was sie der Frau erzählen sollte vertieft, dass sie schon gar nicht mehr an das Ding dachte, welches gerade ihren Körper umschlang. „Decke!“ Sagte sie nun auch mit einem strahlenden Lächeln, als sie begriff was sie tun sollte und im selben Moment schälte sie sich aus eben dieser. Abspülen und einseifen. Hiera nickte eifrig. Alles bloß nicht gezwungen sein auf die fragen zu antworten. So wickelte sie nun auch den Wickel ab, der Ihre Brüste umschlang, damit diese beim kämpfen nicht störten. Und schwuppdiwupp war auch der Lendenschutz weg. Der jungen Frau schoss plötzlich ein 'Ich habs.' durch den Kopf so setzte sie nun einfach ein dümmliches Grinsen auf. Sie hoffte zumindest, dass es dümmlich genug wirkte. „Aus dem Osten von da.“ Hiera zeigte in die Richtung in der sie Osten vermutete. „Latein, kann ich.“ Sagte sie mit einem triumphierenden Grinsen. Nun galt es die Klippen ihres letzten Herren zu umschiffen... aber Moment mal. Sie beschrieb nun einfach den Mann, der sie an der Villa Claudia in Gewahrsam genommen hatte. Genau genommen war das ihr letzter Herr. „Er war ein alter Soldat und hatte keine Verwendung mehr für mich.“ sagte sie, was ja gewissermaßen der Wahrheit entsprach. „Er gab mich an den Herrn weiter.“ Auch das stimmte nur das kein Geld geflossen ist. „Der Herr hat mich gewissermaßen gerettet.“ Auch das war die Wahrheit, zwar nicht die ganze aber ein Teil davon.
    Mit den Haaren? Was war mit ihren Haaren? Hiera griff sich unwillkürlich an den Kopf wobei mal wohl auch diese für Soldaten so typischen Narben an den Händen sehen konnte. „Ehm... sie sind zu kleinen Zöpfen gedreht.“ Sagte sie obwohl das ja offensichtlich war.
    Die Sklavin nahm einfach mal ihre Tätigkeit auf und übergoss Hiera mit einem Eimer Wasser und begann sie abzuseifen. Wie nötig das war, konnte man gut an der braunen Brühe erkennen, die sich unter ihren Füßen in einer Pfütze sammelte. „Hocke dich mal hin, ich komm gar nicht an deine Haare.“ Sagte sie zu Hiera, die ja sogar den Silanus um ein paar wenige Zentimeter übertraf. Hiera tat wie ihr gesagt wurde. Die arme Corinna mühte sich nun redlich um die doch recht verfilzten Haare zu entknoten. Sie zerrte und ziepte, was ihr den ein oder anderen unwirschen Blick einbrachte, aber Hiera hielt ruhig. Es dauerte eine Weile bis die Sklavin nun endlich damit begann auch die Haare einzuseifen. „Ich werde sie schneiden müssen.“ sagte sie. Scheiden? Hiera warf der Frau einen Blick zu, der ihr bestimmt das Blut in den Adern gefrieren ließ und schüttelte den Kopf.
    „Nicht scheiden!“ Sagte sie zu Corinna. „Doch schau.“ Corinna hielt Hiera die verfilzten Enden der Haare unter die Nase. „Das muss ab, da kommt kein Kamm mehr durch. „Aber nur das.“ brummte Hiera zurück. „Ich schere dich schon nicht kahl.“ sagte Corinna freundlich um die Situation aufzulockern. Schnipschnap waren die Enden der haare ab. Nun konnte Corinna auch endlich die Haare vom Schmutz befreien und wenn von Hieras Körper schon eine Brühe geflossen war, dann konnten die Haare noch toppen. Erst als nach mehrfachen Abspülen klares Wasser floss, sah Corinna zu Axilla. „Domina, ich denke jetzt kann sie ins Bad.“

  • Als Axilla die Antworten des Mädchens hörte, wunderte sich Axilla eher noch mehr, warum Silanus sie mitgenommen hatte. Hiera schien schwachsinnig zu sein. Anders war das dümmliche Grinsen und die seltsamen Antworten ja gar nicht zu erklären. “Und wie hieß dein letzter Herr?“ fragte Axilla trotzdem nochmal, während Corinna kräftig schrubbte. Wie viel Dreck von einem einzelnen Körper runterkommen konnte, war kaum zu glauben. Und dabei hatte Axilla zwei Jungs, die als Kinder gerne im Dreck rumgematscht hatten! Vor allen Dingen aus den Haaren kam eine dicke, braune Brühe heraus... Glücklicherweise war das Haus an die Kanalisation angeschlossen, so dass alles einfach den Ablauf hinauslaufen konnte und niemand die eklige Brühe noch wegtragen musste.


    Aber je mehr Dreck herunterkam, umso deutlicher wurde etwas anderes: Was Axilla vorhin als Striemen wahrgenommen hatte, waren eigentlich Narben. Fast alle waren älter und schon gut abgeheilt, aber dennoch deutlich auf der sauberen Haut zu sehen. Und das Mädchen musste verprügelt worden sein, so viele blaue Flecke wie sie hatte. Corinna schnappte auch nach Luft, als sie das sah, und Axilla stand mit besorgter Miene auf und begutachtete das junge, nasse Mädchen vor ihr. “Isis, Mutter der Gnade... Wer hat dir das angetan, Kind? Wer hat dich so verprügelt?“ Sogar an den Händen hatte Hiera ein paar Narben, die Axilla seltsam vertraut vorkamen. Sie nahm Hieras Rechte in einem Reflex in ihre Hand und fuhr mit dem Daumen über die Narben. Dabei fühlte sie auch die Schwielen, die Hiera an den Händen hatte. “Welche Arbeiten hast du zuletzt verrichtet?“ fragte sie noch einmal nach. Da war etwas mit dieser Hand, das so fürchterlich vertraut war, dass Axilla einfach nicht darauf kam, was genau nun daran ihre Aufmerksamkeit so auf sich zog.

  • Fragen über Fragen und die Frau hörte einfach nicht auf. Woher zum Geier sollte sie wissen wie der Mann hieß. „Ähm...Herr?“ Wie heißen die denn sonst ach ja. „Dominus ließ er sich auch nennen.“ Sagte sie und setzte doch einfach lieber das dümmliche Grinsen auf, dass schien zumindest zu wirken.
    Was? Nun musste sie den dümmlich Ausdruck nicht mal spielen, dieses Mal kam er von Herzen, denn sie wusste im ersten Moment nicht wovon die Frau sprach. „Verprügelt?“
    Sie sah erst die Frau an, dann an sich herunter, dann wieder zu der Frau. „Ach das... das ist nichts.“ Die paar blauen Flecke waren ja nun wirklich nicht der Rede wert. Also zumindest aus Hieras Sicht nicht. Sie konnte der Frau ja auch schlecht erzählen, dass sie nicht verprügelt wurde, sondern das sie sich geprügelt und gewonnen hatte.
    Als die Frau nun ihre Hand ergriff, hätte Hiera ihr diese am liebsten sofort wieder entzogen. Der Daumen der über die Narben fuhr, war nicht körperlich unangenehm und doch fühlte Hiera sich gerade hundeelend. Sie wollte sie Frau einfach nicht weiter anlügen. „Ich habe gekämpft.“ Sagte sie also der Wahrheit entsprechend, dass dies nicht nur ihre letzte Arbeit war die sie verrichtet hat sondern eigentlich das Einzige war, dass sie konnte sagte sie nicht sie konnte es nicht. Hiera entzog der Frau sanft ihre Hand und ein trauriger Blick traf die Frau. „Bitte.. der Herr... ich kann nicht.“ Ja sie würde der Frau gern die Wahrheit sahen, ds dümmliche Grinsen war einem ernsten traurigen Gesichtsausdruck gewichen. „Wenn der Herr es erlaubt, kann ich es dir deine Fragen alle beantworten... wenn du es dann überhaupt noch möchtest.“ Sagte sie und schaute nun an der Frau vorbei, wahrscheinlich würde sie, wenn sie denn die Wahrheit wüsste Hiera ganz schnell vor die Tür setzte beziehungsweise drauf bestehen, dass der Mann sie dahin brachte wo er sie her hatte.

  • “Aber wie war sein NAME?“ fragte Axilla noch einmal und betonte das Wort dabei extra deutlich. So dumm konnte doch wirklich kein Mensch sein, der andererseits noch hier und da gerade Sätze herausbrachte?


    Doch dann war es, als würde die Fassade der jungen Frau bröckeln. Als Axilla sich die blauen Flecken und die Narben besah, schien es das erste Mal, als würde sie die junge Frau vor ihr irgendwie erreichen. Auch wenn die sich da gleich zurückzog und es abwinken wollte – jetzt wieder scheinbar klar.
    “Gekämpft?“ fragte Axilla einmal verwirrt nach, als ihr zu dämmern anfing, woher ihr die Kratzer und Schwielen an den Händen so bekannt vorkamen. Ihr Vater hatte ähnliche Hände gehabt. Malachi hatte fast dieselben Hände, nur sehr viel größer. Auch bei Silanus, Avianus und Seneca würde man ähnliche Spuren finden, mal ausgeprägter, mal weniger ausgeprägt. Das war eine Hand, die ein Schwert gehalten hatte.
    Und gerade, als Axilla dies endlich verstanden hatte und verstand, dass die Sklavin jetzt gerade nichts vorspielte, just da zog sie ihre Hand weg und stammelte ziemlich verlegen, dass Silanus es ihr nicht erlaubt habe. “Heißt das, mein Cousin Silanus hat dich angewiesen, mich anzulügen?“ formulierte Axilla die Sachlage mal etwas weniger nett, und dafür sehr genau auf den Punkt. Und wie Axilla jetzt die ganze Wahrheit wissen wollte. Jetzt erst recht!

  • Sie sagte nichts zur Nachfrage des Namens ihre angeblichen früheren Herren. Sie wollte einfach nicht mehr lügen und so nickte sie auch auf die verwirrte Nachfrage hin. "Ja gekämpft." sagte sie leise ohne aber weitere Erklärungen abzugeben. Dann aber riss sie entsetzt die Augen auf. Was? Nein! Sie starrte die Frau, die gerade vollkommen falschen Schlüsse zog erschrocken an. “Nein bei der großen Göttin.“ entfuhr es der Amazone. “Aber…die Geschichte die er…es ist kompliziert. Er hat es nicht verboten, aber auch nicht ausdrücklich erlaubt. Bitte frag ihn.“ Sagte sie und hoffte, dass die Frau ihre Fragen nun an ihren verwandten richten würde. Und innerlich bereitete Hiera sich auch schon darauf vor, des Hauses verwiesen zu werden. Denn die Frau hier hatte sehr deutlich gemacht, wer hier im Haus das sagen hatte.

  • Oh, für Axilla war die Sache ganz und gar nicht kompliziert. Silanus hatte sie angelogen, ganz einfach. Und Axilla war dahinter gekommen. Auch ganz einfach. Da war absolut nichts kompliziertes dran. Nur etwas, das Axilla verdammt wütend machte.
    “Oh, ich werd ihn fragen, da kannst du dir absolut sicher sein“, schnaufte sie einmal ärgerlich und ihre Augen blitzten.
    “Er hat also gelogen, und du willst ihn nur nicht verraten, richtig?“ Die Geschichte, die er... Ja, Axilla hatte für so etwas schon ein feines Gehör. Die Geschichte, die er ihr gerade eben aufgetischt hatte, die war also Mumpitz. Und die Kleine wusste nun nur nicht, wie sie das retten sollte, was er vermasselt hatte. Na, wenigstens war sie treu, das war ja schonmal etwas. Trotzdem war Axilla in ihrer Wut jetzt gerade nicht darauf aus, sowas zu honorieren.
    “Ich will jetzt die Wahrheit wissen, und zwar die ganze Wahrheit. Wenn er es nicht verboten hat, dann sag sie besser jetzt, dann bin ich nur noch auf ihn sauer. Aber rausfinden werd ich die Wahrheit, und wenn ich den Kerl wie einen fünfjährigen übers Knie legen muss!“

  • Die Frau würde wirklich einen gute Prätorianer abgeben. Hiera fühlte sich unwohl, viel viel viel unwohler als in der Zelle. Ja sogar unwohl als man ihr eröffnet hatte, dass sie zum Tode verurteilt war. Ihr kam sogar kurz der Gedanke, dass das vielleicht sogar die bessere Lösung gewesen wäre.
    Sie klappte kurz den Mund auf und wieder zu.
    Auch wenn die Vorstelllug, wie sie ihren Herren übers Knie legte wirklich urkomisch war, Hiera war gerade nicht nach lachen zu Mute. „Es ist nicht seine Schuld.“ Sagte sie schließlich leise. „Es ist allein meine Schuld.“ Wieder machte sie eine Pause, dann straffte sie ihre Schultern und richtete sich zu voller Größe auf, nicht um bedrohlich zu wirken sondern aufrecht wollte sie sein. „Es ist wie ich gesagt habe, er hat mich gerettet.“ Einmal atmete sie noch tief durch. „Mein Name ist Hiera Tochter der Antiophe ich komme aus Themiskyra und stamme aus dem gleichen Volk wie Varia.“ Hiera nahm an, dass der Frau der Name sicherlich etwas sagte. „Man nahm mich gefangen und erklärte mir, dass aufgrund der Taten von Varia mein ganzes Volk, einschließlich mir zum Tode verurteilt wurde. Dein Verwandter selbst war es, der mir dieses Urteil überbrachte. Ich nahm es an und war bereit zu sterben. Der Tod ist der ständige Begleiter einer Kriegerin und daher nichts was mich erschreckt. Ich denke dein Verwandter hatte Mitleid. einer freiwilligen Versklavung die vielleicht mein Leben retten könnte, konnte ich nicht zustimmen. Aber gemäß unserer Tradition unterwerfe ich mich dem Mann, der mich zum Kampf fordert und besiegt? Dein Verwandter tat nun genau das und so schwor ich ihm meine Treue bis in den Tod. Genau aus diesem Grund übergab ich ihm auch meinen Gürtel. Er steht bei uns für Eigenständigkeit. Ich übergab ihn dem Herrn und bat ihn mir diesen wiederzugeben, wenn ich eines Tages meine letzte Reise antrete. Ich würde nur ungern ohne ihn vor meine Göttin treten." Die ganze Zeit ruhte Hieras ruhiger Blick auf der Frau. "Bitte..“ Oh ja dieses Wort kam ihr nur schwer über die Lippe normalerweise bat sie nie um etwas. „...Bitte du darfst ihn nicht …. er wusste wahrscheinlich nur nicht wie er dir das erklären sollte.“ Sagte sie und setzte auch gleich nach. „Ich würde es verstehen, wenn du mich nicht hier im Haus haben möchtest.“ Sie sah die Frau nun mit offenen ehrlich Blick an. „Eines möchte ich dir jedoch unabhängig von deiner Entscheidung versichern. Ich weiß nicht was mit Varia hier in Rom geschehen ist. Ich kannte eine ganz andere Frau. Ich würde und ich werde mich nicht gegen meinen Herren oder gegen Rom stellen. Lieber töte ich mich selbst.“ Ihre Stimme war ruhig und fest während sie das Versprechen gab und in ihren Augen konnte man wohl sehen, dass es keine Lüge war und sie ernst meinte was sie gerade versicherte. „Bitte mach deinem Verwandten... meinem Herrn keine Vorwürfe.“ Bat sie noch einmal.

  • Und da kam sie, die Wahrheit. Axilla nahm an, dass es die Wahrheit war, denn mal ehrlich, wer würde sich sowas schon ausdenken? Und Axilla hörte zu, während die Worte erst langsam, dann immer mehr aus Hiera herauskamen wie aus einer Weintraube in der Presse. Nur einmal zuckte es kurz in Axillas Gesicht, als die junge Frau meinte, Silanus hätte sie in einem ehrlichen Zweikampf besiegt. Ja, Silanus war ein Mann und ein Soldat Roms und Axilla würde keine Kränkung ihm oder seinen Fähigkeiten gegenüber dulden. Aber sie war auch nicht so dumm, zu denken, dass er nach seinem langjährigen Lungenleiden nun auf einmal zu einem wahren Gladiator mutiert wäre. Entweder also war Hiera weniger kräftig, als sie aussah, oder sie hatte absichtlich verloren. Oder sie hatte irgendeinen ziemlich blöden Fehler beim Kämpfen gemacht. Aber Axilla hatte ihrem Sohn bei seinen Übungen mit Malachi lange genug zugesehen, um zu wissen, dass ein Zweikampf etwas gänzlich anderes war als der Kampf in einer Legion, und nur beständiges Training einen da wirklich weiter brachte.


    Axilla hörte also zu und schwieg. Sie musste das ganze erst einmal verdauen. Nicht so sehr, dass ihr Cousin ihr eine Amazone ins Haus geschleppt hatte. Das war zwar irgendwo Wahnsinn, aber da konnte man ja noch vernünftig drüber diskutieren. Aber dass er sie angelogen hatte, das lag schwer in Axillas Magen. Und vor allen Dingen verstand sie nicht, warum er sie angelogen hatte. Hiera schob es auf sein Mitleid, ja. Aber das hätte er Axilla doch auch einfach sagen können. Sie hätte ein wenig getobt und ihn gefragt, ob er noch alle Amphoren im Regal hatte, aber dann wäre es auch wieder gut gewesen und sie hätten sich eine Lösung überlegt. Aber dass er sie anlog, noch dazu bei etwas wichtigem – und Axilla war es sehr wichtig, zu wissen, wer unter ihrem Dach lebte – das verstand sie nicht.
    “Gut...“, sagte sie schließlich, als sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte. “Gut... Danke, dass du mir die Wahrheit gesagt hast.“ Ja, soviel musste Axilla letzten Endes doch honorieren. “Dann geh jetzt ins Bad, dir muss ja schon ganz kalt sein. Corinna... ich denke, das Veilchenöl wäre gut. Und sieh mal, ob wir noch ein wenig Arnika-Salbe haben für die Kratzer. Und eine blaue Wolltunika. Ja....“ Axilla sprach halb zu sich selbst, halb zu den Sklaven. Ja, sie musste das alles erst noch ein wenig verdauen. Und sie musste mit Silanus reden. Dringend.


    Corinna half also Hiera weiter mit dem Bad, dem Kämmen ihrer Haare und schließlich mit dem Ankleiden, während eine reichlich verwirrte Axilla das Balneum verließ. Silanus hatte gesagt, er erwarte Hiera in seinem Cubiculum. Also nahm Axilla an, dass er dort sein würde, und machte sich auf den Weg.

  • Hiera nickte nur noch. Sie konnte nichts mehr sagen, denn sie fühlte sich hundeelend. Einerseits war sie froh, dass sie nicht mehr lügen musste. Auf der anderen Seite fühlte e sich wie Verrat an. Bei der Göttin, warum musste hier in Rom alles so kompliziert sein? Sie ertappte sich dabei, dass sie sich in ihre Hierarchien zurückwünschte. Einfach einen klaren Befehl erhalten und diesen ausführen. Aber das hatte ihr Herr ja nicht getan. Hätte er doch einfach befohlen, dass sie kein Wort sagen sollte, schon wäre ihre Lippen versiegelt gewesen. Hätte er ihr befohlen, dass sie seine Geschichte bestätigen sollte, dann hätte sie eben dieses getan. Aber er hatte geschwiegen und nichts gesagt. Es war so wie die Frau gesagt hatte. Er hatte es nicht erlaubt, aber auch nicht verboten und dennoch fühlte sie sich hundeelend, als sie nun von der Sklavin ins Bad geführt wurde. Sie stieg in das ihr zugewiesene Becken. Und mahnte zur Eile, denn sie hatte wirklich die Befürchtung, dass die Frau dem Mann den Kopf abriss, zumindest hatte sie auf Hiera einen recht resoluten Eindruck gemacht.
    Corinna tat was ihr möglich war. Schrubbte die Frau gründlich ab und mit Veilchen-Öl wurde sie eingerieben, wusch die Haare erneut, kämmte diese und verpasste ihnen einen ordentlichen Schnitt. Hiera ließ alles über sich ergehen, fragte nur ab und an ob es noch lange dauern würde. Corinna war sichtlich genervt, ließ sich aber nicht beirren in ihrem Tun. Die Harre wurden sorgfältig getrocknet. Dann erst konnte Hiera die ihr zugedachten Sachen anlegen. Corinna nickte sichtlich zufrieden mit sich. Als Hiera ihr Spiegelbild erblickt schaute sie fast erschrocken. „Bin ich das?“ Corinna nickte lachend.
    „Komm ich bring dich zum Dominus.“

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