Domus Aeliana - Cubiculum Archias

  • Er sah sie noch immer etwas überlegend an, dann nahm er ihr die Tasse mit dem heißen Wein weg. Kurz streiften ihre Lippen sich, aber Axilla war sich nicht sicher, ob es Absicht oder Zufall war. Sie fühlte sich schlecht, weil sie etwas hoffte, dass eigentlich nichts gutes war, und trotzdem konnte sie nicht anders.
    Seine Worte dann schließlich ließen sie zittern. Glaubte sie wirklich, dass es sie vom denken abhalten würde, wenn sie miteinander schliefen? Wenn sie ehrlich war, glaubte Axilla das nicht. Sie wusste sogar, dass sie zu einer Schuld nur eine neue hinzuaddieren würde, und der Schmerz nur etwas aufgeschoben sein würde. Aber sie fühlte sich so allein, und das war schlimmer als alles andere.
    “Ich weiß es nicht“, gestand sie also leise flüsternd, kurz bevor Archias sie dann doch küsste. Zunächst zaghaft, dann intensiver erwiderte sie seine Zärtlichkeit. Es war anders als in Alexandria, weniger stürmisch und sanfter, und doch nicht weniger zielstrebig.
    Bald schon störte die Kleidung, so dass Fibeln und Gürtel gelöst wurden, Kleid und Tunika irgendwo zwischen Kisten und Paketen verschwanden, ehe Axilla ihren besten Freund sanft auf sich zog. Und die nächste viertel Stunde fühlte sich Axilla nicht mehr allein und dachte auch nicht nach.

  • Eine schwitzige Weile später wälzte Caius sich von Axilla und seufzte aus zwei Gründen. Erstens war ihm recht angenehm zumute. Zweitens dachte er an Seiana und hatte ein ungeheuerlich schlechtes Gewissen. Er sah Axilla nicht an. Caius legte einen Unterarm auf seine Stirn und schnaufte nur leise. Ein Kissen fiel vom Bett und rasselnd in das Muschelmalheur auf dem Boden.


    Bona Dea, was war er für ein Aufreißer. Und das, wo er verlobt war. Jetzt im Nachhinein erschien ihm die Ausrede mit dem Freundschaftsdienst nur noch schäbig. Er richtete sich halb auf, zog sich eine zerwühlte dünne Decke um die Hüften und streifte Axilla mit einem deutlich zerknischt-bedauernden Blick.
    »Axilla...« begann er, sprach aber dann nicht weiter, sondern zog nur die Mundwinkel kurz nach oben.

  • Auch Axilla war eine Weile einfach nur damit beschäftigt, zu atmen. Sie versuchte, das angenehme Gefühl noch ein wenig zu behalten, aber es entglitt ihr viel zu schnell, während die Welt um sie herum wieder auf sie einstürmte. Was hatte sie sich dabei gedacht? Sie hatte gewusst, dass sie sich danach gräßlich fühlen würde, noch schlechter als davor, aber trotzdem hatte sie es nicht lassen können. Sie hatte gewusst, dass auch Archias sich schlecht fühlen würde. Sie beide liebten sich nicht, er liebte Seiana. Und sie... auch ihr Herz gehörte doch eigentlich einem anderen, selbst wenn der davon nichts wusste. Sie fühlte sich elend und schäbig, dass sie ihren Freund dazu überredet hatte, nur aus Selbstsucht.
    Als er sie ansprach, sah Axilla zu ihm herüber. In ihrem Blick lag unendliches Bedauern. Nicht wegen der Sache selbst, denn so groß die Schuldgefühle waren, es war schön gewesen. Archias und sie harmonierten miteinander. Aber wegen dem ganzen drumherum.
    “Ich weiß. Ich hätte nicht...“ Auch Axilla brach ab und schenkte ihm statt dessen ein trauriges Lächeln. Nichts desto trotz kuschelte sie sich an ihn, holte sich so die Wärme, die sie so dringend benötigte. “Soll ich gehen?“ fragte sie leise, ohne jeden Vorwurf. Sie wusste einfach nicht, was sie machen sollte. Sie hatte den Weg verloren.

  • Während sie also so dalagen und sich jeweils die Schuld an ihrem Techtelmechtel gaben, realisierte Caius, dass es so nicht weitergehen konnte. Er liebte Seiana und würde sie heiraten. Er mochte aber auch Axilla, nur eben als Freundin, und das wusste sie auch und es war ihr ganz recht, wie sie in Ägypten schon festgestellt hatten. Nun gab es ja eine ganze Menge Römer (vor allem die reichen Schnösel), die so viele Liebeleien und Affären nebenher hatten, dass man sie nicht an zwei Händen mehr abzählen konnten. Nur so einer war Caius nicht. Gut, man konnte auch nicht gerade behaupten, dass er jemals ein Kind von Traurigkeit gewesen wäre. Ebenso wenig konnte man behaupten, dass er normalerweise nicht so war, denn bisher war er nur einmal verlobt gewesen, und das war mit Seiana. Und deswegen konnte man das auch gar nicht vergleichen. Nur... Caius' Problem war, wie er sowohl seine Freundin als auch eine Verlobte so unter einen Hut bringen konnte, dass kein Streit und keine verfänglichen Situationen entstanden. Im Moment erschien ihm das unmöglich. Aber auf eine der beiden verzichten wollte er auch nicht.


    Ob sein erneuter Fauxpas daran lag, dass Seiana sich ihm bisher verweigert hatte? Wohl kaum. Immerhin hatte sie ihm gesagt, warum sie bis zur Nacht ihrer Hochzeit warten wollte, und er hatte es respektiert, auch wenn es ihm bis dato schwer fiel, die Finger von ihr zu lassen. Axilla enthielt sich ihm nicht und würde das vermutlich auch zukünftig nicht tun, wenn er das wollte, aber das kam ihm nun irgendwie doch zu...hm, schäbig vor. Er wollte sie ja nicht zu einer Hure abstempeln! Caius legte seinen Arm um Axilla und dachte weiter. Sowas machte man nicht mit Freunden, und daran dachte Caius auch in keinster Weise. Weswegen es ihm auch so schwer vorkam, die Situation zu ihrer aller Wohl zu entschärfen.


    Mitten in seine Grübeleien hinein fragte Axilla, ob sie gehen sollte. Caius blinzelte und sah Axilla unverständlich an. Schon wollte er fragen, warum sie das fragte, da hielt er sich am Riemen und runzelte die Stirn.
    »Nein«, war die einfache Antwort.
    »Wenn du möchtest, kannst du heute Nacht hier bleiben. Ich würde dann deine Verwandten benachrichtigen.«
    Er würde Axilla in ein Gästezimmer verfrachten. Oder sie hier schlafen lassen und selbst eine Liege hereinbringen lassen, um darauf zu schlafen. Oder...sich neben sie legen. Sonst nichts, bei Iuppiters Stein! Wie das vielleicht ankommen mochte bei den Iuniern, daran dachte er nicht. Das hier war immerhin eine Ausnahmesituation. Also, Axillas Zustand.

  • Die Situation war irgendwie noch schwieriger als die in Ägypten. Oder vielleicht kam es Axilla auch nur so vor, da dieses Mal sie diejenige war, die nicht zuhause war und irgendwann wieder gehen musste. Aber sie wusste nicht, wie. Sie wollte nicht wieder allein sein, und in ihrer Casa war die Situation so schwierig. Sie hatte Serrana, der sie sich wohl anvertrauen konnte, aber das war nicht dasselbe. Die Situation zwischen ihr und Silanus war schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Und Brutus kannte sie nicht – und noch dazu würde der es vielleicht auch anders aufnehmen, wenn sie sich an ihn schmiegte auf der Suche nach Zuversicht und Schutz. Am Boden zerschmettert realisierte Axilla, dass sie eigentlich nirgends anderes hätte hingehen können. Archias war der einzige, der ihr die Nähe geben konnte, die sie gerade brauchte. Es war nicht einmal der Sex, auch wenn er schön gewesen war, sondern die Vertrautheit und Zärtlichkeit, die Wärme. Auch wenn sie sich wie ein Eindringling vorkam.
    Bei Archias Angebot also schaute sie dankbar auf und schmiegte sich statt einer Antwort einmal ganz eng an ihn, allerdings nicht in einer Art, die auf eine zweite Runde schließen ließ. Ein paar Tränen liefen wieder still und leise, während sie sich so an ihm fest hielt und von seiner Wärme zehrte.
    “Ich weiß nicht, was ich ohne dich hätte machen sollen“, gestand sie ganz leise und traurig. Sie wusste ja noch nicht einmal, was sie jetzt machen sollte, obwohl sie bei ihm war. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was gewesen wäre, wäre sie wirklich ganz alleine gewesen. Oder wäre sie in Ägypten noch gewesen...
    “Was werden deine Verwandten sagen, wenn ich hierbleibe?“ fragte Axilla noch einmal. Es waren nicht ihre Verwandten, um die sie sich sorgte. Sie würde vielleicht in den Senkel gestellt werden, aber ernste Konsequenzen fürchtete sie eigentlich nicht. Silanus war nicht der Typ Mann, der harte Konsequenzen zog. Und kein anderer hatte das Recht, ihr etwas zu sagen.
    Aber seine Verwandten waren etwas anderes. Sie wusste nicht genau, wie er zu ihnen stand, und was sie sagen würden, wenn er eine Fremde einfach im Palast übernachten ließ.

  • Caius hatte bei ihrem ersten Satz ein ganz und gar ungehöriges Bild von Axilla allein im Kopf, aber er besaß genug Geistesgegenwart, um das Bild nicht in Worte umzuformen und Axilla zu antworten. Lieber ließ er das Bild fallen und ging ernsthaft an die Sache heran.
    »Dafür sind Freunde doch da«, sagte er. Dann sah er an ihnen beiden hinunter, grinste schief und fügte hinzu:
    »Naja, vielleicht nicht dafür... Aber du kannst immer zu mir kommen, wenn es dir schlecht geht. Solange du nicht nur kommst, wenn es dir schlecht geht.«


    Caius lächelte Axilla zu. Ja, was würde Quarto sagen? Kurz grübelte Caius darüber nach. Er war sich aber sicher, dass Quarto nichts dagegen haben würde, solange man den Anstand wahrte und die Iunier über Axillas Verbleib informierte.
    »Mach dir keine Gedanken. Quarto und ich sind momentan die einzigen Aelier hier in der domus. Und Quarto ist sicherlich damit einverstanden. Ich kann ihn aber fragen, wenn dir das lieber ist«, erwiderte Caius und drückte Axilla kurz.
    »Möchtest du denn? Und was würden deine Verwandten sagen? Ich möchte ja nicht, dass du Ärger bekommst.«

  • “Nein, ich komm nicht nur, wenn es mir schlecht geht, versprochen.“ Erleichtert wiegte sich Axilla in seinen Armen einmal leicht, und gab ihm dann noch einen sanften Kuss auf die Wange. Ihr fiel es einfach leichter, ihre Gefühle in Gesten auszudrücken als in Worten, und sie war Archias einfach dankbar.


    Sie hörte ihm zu, als er von Quarto erzählte, dem Bruder des Kaisers. Axilla kam sich wieder einen kurzen Moment so klein und unbedeutend vor, aber nur kurz. Ihr wäre es wirklich mehr als nur recht, wenn der zumindest Bescheid wüsste und sie nicht am nächsten Morgen noch vor Schreck von den Prätorianern in Ketten schlagen ließ.
    “Ja, frag ihn bitte. Ich will nicht, dass er denkt... oder dass du noch Ärger bekommst, weil er denkt, dass...“ Naja, dass sie miteinander geschlafen hatten, was sie ja auch getan hatten. Trotzdem wollte Axilla nicht, dass der Bruder des Kaisers so von ihr dachte.
    Als Archias aber auf ihre Verwandten zu sprechen kam, wurde Axilla wieder etwas ruhiger und trauriger, und beinahe resignierend legte sie sich wieder auf seine Brust, kuschelte sich ganz leicht an.
    “Meine Familie... Serrana würde mich vielleicht fragen, warum ich hier war, aber sie würde mir glauben, egal, was ich sage. Sie ist sehr lieb und rein... wie Schnee...“ Ja, Serrana war rein und weiß wie Schnee, das fühlte Axilla, auch wenn sie die Cousine im Grunde gar nicht kannte. Aber in Bildern und Metaphern denken konnte sie auch besser als in Worten und Zahlen.
    “Aber Silanus... Ich glaube nicht, dass er es überhaupt bemerken würde... Ich hab ihn einmal sehr geliebt, Caius...“ Axilla wusste, dass sie das nie sagen durfte, aber im Moment war einfach alles so viel, und Archias war ihr Freund. Sie dachte nicht daran, dass sie ihm vielleicht den Schlüssel für ihren Untergang in die Hände legte, und sie wollte sich so unbedingt endlich jemandem anvertrauen. “... ich weiß nicht, ob er mich auch geliebt hat. Es ist so lange her, ich weiß nichtmal, ob es wirklich war. Es verschwimmt alles und entgleitet mir. Wie ein Traum.“ Axilla sah mit tränengefüllten Augen zu Archias hoch. Auch das hier schien ihr beinahe unwirklich zu sein, und sie musste ihn einfach anschauen, um sicherzugehen, dass er noch da war. “Aber das darf nicht sein, weißt du. Und weil ich es ihm gesagt habe...“ Axillas Blick driftete in weite Ferne, wurde dabei verzweifelt. “... er ist kalt zu mir, weißt du. Ganz kalt, und gleichgültig.
    Urgulania war die Einzige, die... der ich nicht egal war. Sie wollte, dass... dass ich in Sicherheit bin, und hat sich darum gekümmert, dass ich erfolgreich bin, und... dass mein Stand... besser wird und...“
    Axilla musste immer schwerer schlucken beim Sprechen, und die Tränen fingen an, über ihre Wangen zu kullern. Auch wenn alles über ihr einstürzte, Axilla musste jetzt einfach darüber reden. “Seit Vaters Tod war sie die einzige, die genau gewusst hat, was ich.. tun soll. Sie hat sich um mich gesorgt... und... Es war so lange her.... Vater ist schon so lange tot... und ich weiß doch nicht, was ich tun soll. Ich weiß es doch nicht...“ Und jetzt weinte Axilla doch wieder richtig und ohne Halt, klammerte sich an Archias fest und ließ einfach den ganzen Schmerz und die ganze Verzweiflung für einen Moment zu. Es war nicht nur Urgulanias Tod, es war alles. Es war der Tod ihres Vaters, die lange Krankheit der Mutter, ihre Liebe, ihre Affäre, wie sie sich mehr und mehr verlor und den Weg einfach nicht mehr fand. Und nun war der Mensch, der sie noch einigermaßen auf Kurs gehalten hatte, tot, ermordet, und sie war wieder allein. Wenn sie Archias nicht hätte, wäre sie sogar ganz allein gewesen.


    Es dauerte eine Weile, bis Axilla sich wieder soweit beruhigt hatte, dass sie aufhörte, zu weinen. Müde und erschöpft kuschelte sie sich noch an ihn, ihr war wieder so entsetzlich kalt.
    “Ich vermisse ihn so sehr. Vater hat immer gewusst, was zu tun war. Er hat immer gewusst, wo der Weg war. Ich vermisse ihn so unendlich...“ Vielleicht würde Archias nicht einmal wissen, dass er der erste Mensch war, mit dem Axilla darüber redete, aber das war nicht wichtig. Auch, dass er den Zusammenhang nicht verstehen würde, nicht verstehen konnte, war nicht wichtig. Axilla war einfach nur froh, dass er jetzt da war und sie es ihm erzählen konnte.

  • Caius knuffte Axiilla kurz zusammen.
    »Quarto ist schwer in Ordnung. Mach dir keine Gedanken. Aber ich werde ihn fragen, wenn es dir dann besser geht«, versprach er und hielt schon mal Ausschau nach seiner Tunika. Die würde er immerhin brauchen, wenn er gleich das Zimmer verlassen würde.


    Caius kannte keine Serrana und auch keinen Silanus, das hieß, letzteren nur vom Namen her. Trotzdem hörte er Axilla zu und machte ein bestürztes Gesicht, als sie von Liebe zu ihrem Verwandten sprach. Nun gut, das war unter Cousins vielleicht nicht unüblich, aber Caius hatte keine Ahnung, wie Axilla zu diesem Silanus stand. Fragen wollte er aber auch nicht. Axilla weinte ja schon, da würde eine Frage die Schleusen nur noch weiter öffnen, dachte er sich.
    Die weiteren Enthüllungen riefen so etwas wie seinen Beschützerinstinkt in ihm wach. Er drückte Axilla ein bisschen mehr an sich heran, unterbrach sie aber nicht. Erst, als sie wieder richtig dolle weinte und er deswegen eine Schnute zog, sagte er dann doch was.
    »Ich kenne diesen Silanus nicht. Aber weißt du was? Er ist ein Dummkopf, wenn er herzlos zu dir ist. Du bist so eine Liebe und Herzliche, da versteh ich nicht, wieso er dich schlecht behandelt«, sagte er.
    »Er sollte sich glücklich schätzen, dass du so ehrlich zu ihm warst. Nicht dich dafür ignorieren, egal was er darüber denkt.«


    Caius dachte kurz an seine Eltern. Wenn einer von ihnen sterben würde, wäre er auch traurig und betroffen, aber vom Weg abkommen würde er wohl nicht. Sein Weg war ja aber ohnehin ein verschlungener, schlammiger Trampelpfad. Als Weg konnte man das wohl kaum bezeichnen. Aber Caius konnte sich schon vorstellen, was Axilla damit meinte.
    »Weißt du, wenn deine Familie dir keinen Halt geben kann, kommst du eben zu mir. Ich bin für dich da. Und wir finden schon einen Weg für dich. « Er lächelte verschmitzt.
    »Aber du musst mir dabei helfen, den passenden zu finden. Ich seh nämlich ziemlich viele Wege für dich.« Caius schmunzelte und piekste Axilla in die Seite.
    »So. Und jetzt kümmere ich mich erstmal darum, dass du heute Nacht hierbleiben kannst. Ähm, reichst du mir mal die Tunika? Danke.«


    Wenig später stand Caius vollständig bekleidet zwischen den am Boden liegenden Muscheln vor seinem Bett und sah auf Axilla hinunter.
    »Hast du Hunger? Ich könnte nämlich ein halbes Spanferkel verdrücken«, sagte er.
    »Ach, ich bring einfach was mit.« Frauen sagten nämlich ständig, dass sie keinen Hunger hatten. Und dann aßen sie doch was.
    »Ähm. Ziehst du dich an? Nur, falls Quarto zufällig...naja«, sagte er. Dann lächelte er kurz und verließ den Raum, um Quarto zu fragen, ob die Übernachtung klar ging.

  • Wahrscheinlich überforderte Axilla Archias gerade ein wenig, aber er tat sein bestes, um sie zu trösten und ihr Halt zu geben. Auch wenn Axilla das leichte Gefühl hatte, dass er vor all dem floh, was sie ihm hatte sagen wollen.
    Sie konnte und wollte Silanus nicht als Dummkopf sehen. In ihren Augen hatte sie es verdient, dass er so zu ihr war, immerhin hatte sie ihn mit ihrer Ablehnung ja irgendwo auch beleidigt. Ganz bestimmt sogar. Trotzdem war es unendlich lieb von Archias, das so zu sagen. Bei seinen Worten musste sie sogar etwas verlegen lächeln. Sie war lieb und herzlich? Das fand er wirklich? Axilla glaubte nicht, dass er das nur sagte, um sie zu trösten, auch wenn sie sich selbst nicht so sehen konnte. Sie sah viel eher ihre Fehler, ihr Talent, sich selbst ins Unglück zu stürzen und ihre Unfähigkeit, Folgen ihrer Handlungen abzuschätzen.


    Als er dann noch schließlich meinte, dass er für sie den Weg schon wieder finden wollte, schaute Axilla schließlich vollständig erleichtert hoch. Das wollte er wirklich machen? Er sah sogar mehrere Wege für sie? Axilla sah nämlich keinen einzigen, höchstens den, den sie sich nicht zu gehen traute. Sie war so erleichtert allein von der Hoffnung, dass ihr nicht einmal der Gedanke an Zweifel kamen. Archias würde das schon machen. Statt einer Antwort umarmte sie ihn dankbar, stürmisch und eindeutig sprachlos und hielt ihn so einige Momente, ehe sie ihm die Tunika gab und ihm so ermöglichte, sich anzuziehen.


    “Nein, ich hab keinen Hunger...“ versuchte Axilla noch abzuwiegeln, aber Archias beschloss gleich schon, etwas einfach mitzubringen und bat sie noch kurz, sich anzuziehen, ehe er auch schon aus dem Zimmer verschwunden war.
    Kurz zuckte etwas wie ein Lächeln in Axillas Mundwinkeln, ehe sie den Kopf hängen ließ und sich kurz erstmal umsah. Überall lagen Kisten und Säckchen mit Dingen aus Ägypten. Vorhin war Axilla das Zimmer gar nicht aufgefallen. Vorsichtig schälte sie sich aus dem Bett und suchte zwischen den Kisten nach ihrem Kleid und ihren Fibeln. Sie war etwas zittrig auf den Beinen, denn die ganze Aufregung und das Liebesspiel eben hatten sie doch sehr erschöpft. Aber sie hoffte, dass nicht sofort ein wutentbrannter Aelier durch die Tür kommen und sie so nackt überraschen würde. Langsam und sorgfältig zog Axilla sich wieder an. Ihre Frisur war ein einziges Durcheinander, und so zog Axilla die verbliebenen beiden Haarnadeln auch noch heraus und versuchte zunächst mit Händen, den Haaren sowas wie Form zu geben, bis sie sich doch nach einem Kamm umsah. Allerdings fand sie keinen und setzte sich so etwas zerzaust wieder aufs Bett. Ihr war ein wenig kalt, so dass sie die Füße anzog und den Kopf auf den Händen über ihren Knien auflegte. Zudecken wollte sie sich nicht, zumindest nicht, bis Archias wieder zurück wäre mit dem Einverständnis seines Vetters.


    Gedanken kamen wieder in die Stille, und es schüttelte sie ein wenig. Allerdings weinte Axilla nicht mehr. Sie dachte an ihren Vater, sah ihn vor sich, als wäre es erst gestern. Sie schloss die Erinnerung wieder tief in sich ein, so tief, dass es nicht mehr schmerzte. Archias hatte die Tür, die sie geöffnet hatte, nicht durchbrochen, und so verschloss Axilla sich wieder, und nahm die Erinnerung an die strenge und schöne Urgulania gleich mit dorthin.

  • Es hatte unfreiwillig ein klein wenig länger gedauert als beabsichtigt, aber irgendwann kam Caius dann doch zurück. Mit dem Ellbogen drückte er die Klinke hinunter und trat ein. Er sah Axilla auf dem Bett sitzen und lächelte ihr flüchtig zu. Dann suchte er mit den Augen einen Platz für das Tablett, was gar nicht so einfach war. Der einzig freie Platz befand sich auf dem Stuhl, auf dem er zuvor gesessen hatte. Also stellte er seine Last da ab.
    »So, jetzt wird erstmal was gegessen«, verkündete er. Und Axilla konnte wählen aus einem grünen Apfel, einer Schale mit warmen Hirsebrei mit Honig, einer Handvoll Datteln und Fegen, einer Orange, einer halben kalten Wachtel und einem Schälchen Oliven. Oder sie aß einfach alles nacheinander. Caius sah sich um. Es war nur noch neben Axilla Platz, wenn er sich nicht auf eine der Kisten setzen wollte, also setzte er sich neben Axilla und strich ihr dabei kurz über die Wange.
    »Du kannst hier bleiben. Quarto hat nichts dagegen. Du kannst das Gästezimmer nehmen«, informierte er sie.
    »Aber ich schreibe deiner Familie, dass du hier bei uns bist.«

  • Jedesmal, wenn Axilla Schritte im Gang vor der Tür hörte, spannte sie sich innerlich an. Die ersten zwei Mal waren es wohl nur irgendwelche Sklaven oder andere Hausbewohner, aber beim dritten mal bewegte sich die Türklinke und die Tür wurde aufgestoßen. Kurz spannte sich Axilla mehr an und richtete sich gerader auf, bis sie Archias mit seinem Tablett erkannte. Er balancierte es an Kisten und Truhen vorbei und stellte es auf dem Stuhl ihr gegenüber ab, ehe er sich neben sie setzte und die frohe Nachricht verkündete.
    Dankbar fiel Axilla ihm um den Hals und drückte ihn einmal sanft an sich. In Gesten war sie einfach besser als mit Worten, und sie war so unendlich erleichtert und dankbar, dass sie bleiben konnte. “Danke. Dankedankedanke“, flüsterte sie nur ganz dicht an seinem Ohr, ehe sie ihn wieder losließ und das Herzklopfen, das sich aufgrund der Erleichterung wieder eingestellt hatte, wieder zu beruhigen versuchte.
    Ein wenig missmutig sah sie zu dem Essen hinüber. Sie hatte wirklich keinen Hunger. Um ganz ehrlich zu sein, war ihr schon wieder ein wenig schlecht, wie so häufig, seit sie in Rom war. Irgendwas hier bekam ihr wohl nicht und schlug ihr auf den Magen. “Eigentlich hab ich gar keinen Hunger...“, begann sie ein wenig unsicher, angelte dann aber doch eine Olive vom Tablett. Sie war ölig und salzig, wie Oliven nunmal waren, und erinnerte Axilla daran, warum sie eigentlich keine Oliven mochte. Sie war doch eher eine Süße oder Scharfe, weniger salzig. Trotzdem fischte sie sich noch eine Zweite aus der Schale. “Eigentlich mag ich die gar nicht...“, murmelte sie mehr zu sich selbst und kaute ein wenig auf der Frucht herum. Aber ihrem magen schien das wenigstens ncihts auszumachen.

  • »Bitte bitte«, sagte Caius, dem es eigentlich ganz gut tat, dass Axlla ihm dankbar war. Er mochte es, wenn er andere glücklich machen konnte, und dass er Axilla damit jetzt hatte ablenken können (zumindest ein wenig), machte iihn froh.


    Als sie dann nach dem Schälchen mit den Oliven griff, lehnte er sich zurück und stützte die Hände hinter sich aufs Bett. Dabei sah er ihr dann beim Essen zu. Sie hatte die Haare gelöst und wirkte ein wenig zerzusselt, was sie aber eigentlich recht süß aussehen ließ.
    »Dann iss doch was anderes, ist doch genug da«, kommentierte er ihre Bemerkung und grinste. Dann lehnte er sich wieder weit vor und zog ächzend eine kleine Schublade von seinem Schreibtisch auf. Allerdings schien er das Erhoffte darin nicht zu finden, so musste er wohl oder übel aufstehen. Er seufzte und tat es, dann räumte er die Schublade aus. Ein gebrauchtes Taschentuch förderte er zu Tage, dann einen kaputten Gürtel und eine kleine Schatulle aus Perlmutt, das an den Ecken schon abgeblättert war. Und dann, endlich, fand er eine unbeschriebene Wachstafel.
    »Hm«, machte er und drehte sie hin und her. Jetzt brauchte er nur noch einen stiyus. Er wühlte ein wenig in dem Unmus auf seinem Schreibtisch herum und zog dann ein Stäbchen hervor. Damit setzte er sich wieder neben Axilla und begann zu schreiben. Anschließend las er Axilla vor.


    »Salvete, ich möchte euch darüber informieren, dass sich eure Verwandte Axilla für die heutige Nacht in der domus Aeliana aufhalten wird. Ich werde sie morgen zur domus Iuniana begleiten. Grüße und soweiter, ich. Meinst du, das reicht?«

  • Axilla würde ja was anderes essen wollen, aber... irgendwie wollte sie nicht. Eigentlich liebte sie alles, was mit Honig in Berührung gekommen ist, es konnte gar nicht genug Honig geben. Aber wenn sie jetzt an den süßen Geschmack dachte, rebellierte ihr Magen schon wieder. Sie nahm noch eine dritte Olive und würgte sie halb runter. “Vielleicht nachher“, meinte sie eher salopp und beobachtete Archias dann dabei, wie er seine Unordnung umordnete. Besonders neugierig betrachtete sie die Perlmuttschatulle. Ihre Mutter hatte eine ähnliche besessen, aber die hatte Axilla mit dem ganzen Hausrat verkauft. Interessant, woran man sich so alles erinnerte, was einem schon entfallen zu sein schien.
    Sie starrte noch etwas Gedankenverloren – und der mittlerweile achten Olive im Mund – auf das Schächtelchen, als Archias ihr den Brief vorlas und sie so aus ihren Gedanken riss. “Hm? Eigentlich reicht das, denk ich. Ich weiß nicht, ob man noch einen Grund hinschreiben sollte. Vielleicht... also, kann dein Bote den Brief von Merula mitnehmen, so als Anhang, damit die auch Bescheid wissen?“ Axilla sah sich dabei ein wenig um, sie wusste gar nicht, wo sie das zerknüllte Stück Papyrus denn gelassen hatte. Irgendwie war es weg.

  • Caius sah auf die Wachstafel hinunter.
    »Hm... Dann schreibe ich: ...euch mitteilen, dass sich eure Verwandte Axilla aufgrund der gegebenen Umstände für die heutige Nacht und so weiter. Ist das besser? Wo hast du denn deinen Brief?« Er sah Axilla fragend an, dann sah er sich im Raum um, aber den Brief entdeckte er nicht. Wie auch, immerhin stand, lag und fiel hier alles mögliche herum. Caius war noch nie ein Verfechter der Ordnung gewesen. Ein Genie beherrschte das Chaos, das war seine Devise. Und meistens funktionierte das auch.


    Dass man den Text auf der Tafel auch vollkommen falsch verstehen konnte, daran dachte Caius nicht. Und Axilla ganz offensichtlich auch nicht. Caius drückte seinen Siegelring ins Wachs der Tafel.
    »Ich lass das Katander bringen«, verkündete er und dachte an den kurzen Streit in der culina zurück, als er gerade die halbe Wachtel vor dem hungrigen Sklavenmund gerettet hatte. Katander hatte ihn direkt darauf angesprochen, was er sich da gerade wieder leistete, und Caius hatte das nicht hören wollen, obwohl er doch wusste, dass der Grieche im Grunde doch irgendwie recht hatte.
    »Jetzt müssen wir nur noch den Brief finden«, sagte er und hob die zerknautschte Decke an, um darunter zu sehen. Aber kein Papyrus war zu sehen.

  • “Ja, das klingt besser. Müssen wir nur den Brief finden.“
    Auch Axilla begann damit, beim Suchen zu helfen, allerdings ging sie dabei weitaus vorsichtiger als Archias voran. Immerhin waren es ja nicht ihre Sachen, und sie wollte ihm keine Unordnung in... die Unordnung bringen. So hob sie alles eher vorsichtig an, um darunter oder dazwischen zu schauen, und stellte alles dann möglichst wieder exakt wieder an den Platz, wo sie es weggenommen hatte. Sie fand noch mehr Schächtelchen. Aus einem hübschen Holzkästchen rieselte Sand, so dass sie es gleich erschrocken wieder hinstellte und unauffällig weiterging, in der Hoffnung, dass Archi es nicht bemerkt hatte. Allerdings kein Brief.
    Schließlich legte sich Axilla bäuchlings aufs Bett, ließ den Kopf nach unten hängen, um so unters bett zu schauen. Archias bekam nur ihre Rückseite und die spielerisch erhobenen Füße zu sehen. “Hier ist er auch nicht. Aber mitgebracht haben wir ihn, oder?“ echote es irgendwo unterm Bett hervor, ehe Axilla sich wieder aufrappelte und einmal ihre Haare zerwuschelte, die ihr in die Stirn gefallen waren.
    “Hmm... sonst muss es auch ohne gehen. Oder Katander könnte ja sagen, dass Urgulania... also... wenn wir ihn nicht finden...“ Der Klos in Axillas Hals nahm wieder zu und sie räusperte sich noch einmal, schnappte sich noch eine Olive – hatte sie jetzt wirklich das ganze Schälchen leergegessen? Irgendwie schüttelte es sie bei dem Gedanken – und setzte sich wieder aufs Bett.

  • Während Axilla vergebens versuchte, die Ordnung der Unordnung zu wahren, ging Caius gänzlich anders vor. Nämlich so, wie das vorhandene Chaos auch entstanden sein musste. Was er hoch nahm, flog irgendwo hin, fand aber nicht seinen Platz wieder. Einmal flog ein Kissen an Axillas Kopf, und als sie gerade bäuchlings auf dem Bett lag, traf sie eine Wachstafel am Oberarm.
    »Ups«, kommentierte Caius und grinste. Dann ließ er sich neben Axilla fallen.
    »Keine Ahnung. Naja, dann sagt er es einfach. Ich ruf ihn eben.« Und damit stand er wieder auf, öffnete die Tür und rief nach Katander, der wenig später eintrat, als Caius wieder neben Axilla aufm Bett saß.


    »Ja?« fragte er knapp und warf Axilla einen kurzen, aber knackigen Seitenblick zu.
    »Was gibt es?«
    »Hier. Bring das zur domus Iuniana«, sagte Caius unterkühlt und reichte ihm die Wachstafel. Katander nahm sie an sich, warf einen kurzen Blick darauf und hob eine Augenbraue. Sein Blick fiel auf Axilla.
    »Ich nehme an, das Gästezimmer soll dann auch vorbereitet werden«, stellte er fest, während er sie immer noch ansah. Caius runzelte verärgert die Stirn.
    »Du sollst die tabula überbringen, sonst nichts. Und wenn du unterwegs den Brief von Iunius Merula findest, gibst du den zusammen mit der Tafel ab«, befahl er. Katander sah ihn an und zog den Brief aus den Falten seiner Tunika, um ihn oben dauf zu legen.
    »Wie du wünschst, Herr Dann drehte er sich um und verschwand.


    Caius schloss die Tür und wandte sich zu Axilla um.
    »Tut mir leid«, sagte er.

  • “Au!“ tönte es einmal halb beleidigt, ehe die Tafel frech zurück Richtung Archias flog und ihn am Bauch traf. Wirklich weh hatte es nicht getan, aber da war Axilla zu verspielt, um das einfach ruhen zu lassen.
    “Hm, gut, dass Nikolaos das nicht sieht. Der wollte seine Briefe immer genau geordnet haben. Dem dürfte ich gar nicht erzählen, dass seine Scriba sowas wichtiges verliert“, kommentierte sie noch etwas zerknirscht. Ihr war es arg, dass der Brief weg war, aber ändern konnte sie es wohl nicht.
    Sie gaben die Suche nach dem Brief auf und Archias rief seinen Sklaven. Allerdings schien dem grade irgendwas die Petersilie verhagelt zu haben, denn er betrachtete Axilla, als hätte sie ihm etwas getan. Ganz kleinlaut und etwas verwirrt schaute sie unschuldig zurück, ließ ihren Blick dann aber mit jeder verstreichenden Sekunde mehr und mehr schuldbewusst zu Boden sinken.
    Als er schließlich den Raum verlassen hatte, war Axilla irgendwie erleichtert. Etwas verlegen kratzte sie sich am Ellbogen und sah zu Archias auf. “Habe ich ihn irgendwie beleidigt? Das wollte ich nämlich nicht. Meinst du, es hilft, wenn ich mich bei ihm entschuldige?“
    Dass Katander ein Sklave war und sie sich damit nicht entschuldigen musste, kam ihr dabei nicht in den Sinn. Axilla behandelte alle Menschen gleich freundlich, egal, ob das nun Patrizier oder Sklaven waren. Also war es für sie ganz selbstverständlich, dass sie sich entschuldigte, wenn sie ihm etwas getan hätte.

  • Caius hatte erstmal nichts zu Axillas Hinweis mit der Schreibertätigkeit gesagt, da war Katander zuvor gekommen. Als der jetzt aber weg war und sogar den Brief irgendwo her gezaubert hatte und Axilla Caius fragte, ob sie seinen Sklaven beleidigt hatte, guckte der nur krumm.
    »Beleidigt? Ihn? Wann denn?« fragte er verwundert und schüttelte dann den Kopf.
    »Glaub nicht. Der ist ja mir sauer, nicht dir.« Er zuckte mit den Schultern und setzte sich wieder neben Axilla. Für ihn war damit die Sache erstmal gegessen, aber Axilla würde sie wohhl kaum auf sich beruhen lassen.


    »Aber wie, du warst scriba?« fragte er erstaunt und ging automatisch davon aus, dass sich die Sache inzwischen schon gegessen hatte.
    »Wusste ich ja gar nicht. Sonst hätte ich dich schon längst mal gefragt, ob du mir nicht mal ein bisschen behilflich sein willst«, witzelte er und machte eine allumfassende Geste, die Schreibtisch, Unmus, Chaos und Wandregale betraf.
    »Meinen Gehilfen konnte ich leider nicht davon überzeugen, mit nach Rom zu kommen. Und neulich wollte ich eine Sklavin kaufen, aber die konnte nix und außerdem kam mir irgendso eine Tiberia zuvor.«

  • Erst, nachdem Archias Katander losgeschickt hatte mit der Tafel und dem zerknüllten Brief, kam ihr Gespräch wieder in Gange. Warum allerdings der Sklave sauer auf Archias sein sollte, und dabei Axilla so böse angeguckt hatte, dauerte einen Moment, bis Axilla es verstanden hatte. Sie war gerade noch in Gedanken darüber, als Archias sie mit seinen Sticheleien zum Thema Scriba kurz ablenkte.
    “Na, bist du sicher, dass nicht irgendwo zwischen diesen Kisten ein paar Gehilfen begraben liegen?“ stichelte sie zurück. Hier sah es aus, als hätte ein Erdbeben stattgefunden, oder als hätte einer der griechischen Gelehrten ein paar chemische Versuche durchgeführt, die explodiert waren. “Und ich glaube, da bräuchtest du schon mehr als ein bisschen Hilfe, um das hier aufzuräumen.“ Jetzt lachte Axilla sogar, ehe sie vom Bett aufstand und sich vor Archias aufbaute und ein wenig groß machte, die Arme beinahe matronenhaft vor der Brust verschränkt. “Und ich bin sogar ein großartiger Scriba, nur damit du's weißt. Ich hab die gesamten Unterlagen für die Ephebia von ganz Alexandria verwaltet.“ Naja, zumindest die Listen und die Abschriften der Prüfungen. “Ich hatte die Aufsicht über die gesamten Schreiber des Gymnasions“, die das aber auch ohne ihre Hilfe hingekriegt hätten und eigentlich mehr ihr erklärt hatten als umgekehrt, “und nebenher habe ich noch zwei Betriebe für mich selber, die beide sehr erfolgreich laufen. Stell dir vor, meine Farben exportiere ich sogar bis hierher nach Rom.“ DAS zumindest stimmte, wenn sie ihrem Verwalter glauben durfte. Ihre Farbmischerei lief wirklich gut, und auch die Weberei lief beständig. “Ich kann griechisch schreiben, ich spreche fließend ionisch und Koine, ich kann attisch, nur beim dorischen verknotet sich immer meine Zunge, aber ich kann's zumindest verstehen. Und auf Demothisch kann ich fluchen!“ Nunja, sie konnte eigentlich nur einen einzigen Fluch in der Sprache der Ägypter, der etwas über die Abstammung des Betreffenden und Hunden und Ziegen aussagte, aber das reichte eigentlich und sollte ohnehin nicht ausgesprochen werden. Trotzdem stand Axilla da, die Nase leicht gereckt, um sich so größer zu machen – wobei sie immernoch einen Kopf kleiner war als Archias und eigentlich ein im Vergleich zu ihm sehr zierliches Persönchen – und funkelte ihn herausfordernd an. “Na, was sagst du jetzt?“ Hah!
    Dann aber erinnerte sich Axilla wieder an das, was sie ja eigentlich beschäftigt hatte, und sie ließ die stolze Haltung rasch fallen, um wieder etwas ernster zu werden. “Aber wegen Katander... ist es... also, weiß er, was...? Ich meine... er verrät doch nichts, oder? Und... kann ich mich irgendwie mit ihm da vertragen? Ich will nicht, dass er was falsches denkt.“ Wobei Axilla auch nicht wusste, was das richtige war, dass er denken sollte.

  • Caius kniff zur Erwiderung nur die Augen zusammen und schüttelte mit gespielt nachäffendem Gesichtsausdruck ganz leicht den Kopf.
    »Naain, ich bin sicher. Das hätt ich gerochen!« konterte er und verschränkte dann gespielt beleidigt auch die Arme vor der Brust, als Axilla sich vor ihm aufbaute und eine Moralpredigt begann. Er sah sich ein bisschen um... Naja, irgendwie hatte sie ja doch recht, zumindest ein klein bisschen. Sein cubiculum wirkte, als wäre die Prima einmal hier durch gerumpelt. Und danach eine Horde Germanen. Aber eine kleine Horde.


    Als er Axilla dann wieder ansah und sie ihm die Leviten las und von ihren Vorzügen sprach, schwieg er. Und staunte. Aber nur ein ganz klein wenig und gut verborgen. Bei den Betrieben wurde er hellhörig.
    »Moment, Farben?« fragte er dazwischen, doch Axilla sprach einfach weiter. Er kaufte ja immer schon Axillas Tinte, weil sie einfach von besserer Qualität war als die, die man sonst zum gleichen Preis kaufen konnte, aber dass sie Farben verkaufte, hatte er gar nicht gewusst. Und er kaufte die minderwertige und vollkommen überteuerte Pampe von so einem gallischen Halsabschneider!


    Was er jetzt sagte? Caius versuchte, sich an zumindest eine der Sprachen zu erinnern, von der Axilla eben geredet hatte.
    »Äh, Dorsch? Ist das nicht ein Fisch?« schoss er ins Blaue und machte ein fragendes Gesicht. Dann schubste er die verschränkten Arme Axillas mit seinen verschränkten Armen an.
    »Na was soll ich sagen, wenn du nicht so teuer bist, kauf ich dich«, witzelte er und grinste. Dann entfaltete er sich wieder und ließ sich erneut sitzend aufs Bett fallen, um sich sein Chaos anzuschauen.
    »Ich finde immerhin alles, was ich suche. Fast«, rechtfertigte er sich.
    »Aufräumen wir total überbewertet. Ich hab das damals schon immer gehasst und lieber mit Pi seine Schwester geärgert.«


    Als er dann zu Axilla aufsah, wirkte er ernster.
    »Eine von Katanders besten Eigenschaften ist, dass er nicht blöd ist. Klar weiß ers. Er hat mich drauf angesprochen, als ich deine Wachtel organisiert habe. Der hat nur Angst, dass er nicht mehr mit Elena rummachen kann. Das ist Seianas Sklavin«, versuchte er das Ganze runterzuspielen, auch wenn die Sorgenfalten auf seiner Stirn anderes erzählten.
    »Der sagt schon nix.« Und wenn doch, würde Caius....schnon irgendwas einfallen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!