Domus Aeliana - Cubiculum Archias

  • Auch wenn sie sich eigentlich inzwischen recht gut kennen sollten, so kannte Seiana Caius doch schlecht. Für ihn wär das keine Krankheit gewesen, wenn sie das so gesagt hätte. Es wäre der Weltuntergang gewesen. Na gut, er war nicht besonders toll in so Gefühlduseleien, aber er war eben auch nicht der Typ, der ein Gespräch in dieser Richtung einfach abschmettern oder ignorieren würde. Caius hätte wohl gehörig Muffensausen bekommen, wenn Seiana das angesprochen hätte.


    Und andersrum war das mit dem Kennen übrigens genauso: Obwohl Seiana Einkaufen über die Maßen hasste, glaubte Caius nach wie vor, dass ihr größter geheimer Wunsch dem von jeder Frau entsprach: Einmal bei Dulcus & Gabbana eingeschlossen werden. Mit anderen Worten glaubte er, dass man ihr mit einer spontanen Zusage zu einem Einkauf die Freudentränen aufs Gesicht treiben konnte. Caius sah aus dem Fenster. Er hatte noch weniger als so überhaupt keine Lust auf einen Bummel, obwohl doch sonst er derjenige war, der jeden Scheiß kaufte, ohne ihn zu brauchen. Aber er wollte auch nicht, dass Seiana traurig war, nur weil er Probleme mit sich selbst und seinem Kopf hatte.


    »Ist ja noch ein bisschen Zeit. Was hältst du von einem kleinen EInkaufsbummel? Bis zur cena haben wir sicher noch zwei oder drei Stunden Zeit. Vielleicht findest du was Schönes«, hörte er sich sagen, und das sogar mit einem recht enthusiastischen Ton in der Stimme. Bona Dea, der Weltuntergang nahte. Und zwar mit verdammt großen Schritten.

  • Ein bisschen mulmig war Axilla schon. Oder was hieß ein bisschen. Ungefähr so wie ein Elefant ein bisschen dick war oder ein Pferd ein bisschen schneller als ein Mensch oder die Sterne ein bisschen höher am Himmelszelt hingen. So ein bisschen mulmig war Axilla, als sie zu ihrem ersten Arbeitstag nach der verunglückten Abtreibung ging.
    Sie hatte keine Ahnung, wie es werden würde. Archias hatte sich so aufbrausend benommen bei der Hochzeit, und danach hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Sie kannte ihn so gar nicht, und sie konnte bis jetzt noch nicht so wirklich begreifen, was da eigentlich passiert war. Sie hatte es zwar miterlebt, und es auch gehört, aber begreifen konnte sie es nicht. Nichtmal ansatzweise. Sie wollte es auch irgendwie nicht so wirklich wahrhaben. Und das machte sie noch ein kleines elefantenmäßiges bisschen nervöser.


    Von der Tür wurde sie von einem Sklavenjungen auch direkt weitergeleitet, direkt bis zu Archias' Cubiculum. Ob er es wohl aufgeräumt hatte? Ein widersinniger Gedanke, trotzdem schoss er Axilla durch den Kopf, als sie anklopfte und nach der Reaktion von drinnen vorsichtig die Tür öffnete und herein kam.
    “Hey...“, war die einzige Bemerkung, die ihr auf die Schnelle einfiel. War Archias wohl noch immer wütend? Sie wusste es nicht, sie tapste nur in den Raum und machte hinter sich die Tür zu, während sie zu ihm rübersah. Sie war sich ja noch nichtmal sicher, ob sie selbst ihm wütend sein sollte.

  • Caius saß am Schreibtisch und versuchte zumindest, die Ordnung auch in seinen Papierkram zu bringen. Trotz Bauchschmerzen, aber nicht nur deshalb vergeblich. Er wusste, dass Axilla kommen würde. Aber er wähnte sich noch in Sicherheit, denn er hatte die Zeit aus den Augen verloren und glaubte es früher als es war.


    Und dann klopfte es doch, und Caius rutschte das Herz in die Tunika. Aber er sagte trotzdem, dass man eintreten könne und drehte sich auf seinem Schreibtischstuhl herum, bis er Axilla sah. Aufgeräumt hatte er. Piccobello sah hier alles aus. Naja, alles bis auf Caius, der gerade eine Grimasse zog, die irgendwo zwischen Bauchschmerzen und Zahnweh lag, aber doch den Ansatz eines Lächelns beinhaltete.


    »Na du«, sagte er matt und legte den stylus hin. Er hatte keine Ahnung, was er nun sagen sollte. Erstmal rutschte er so rum, dass er nicht mehr richtig am Schreibtisch saß, sondern zu Axilla gewandt. Einen zweiten Stuhl hatte er nicht organisiert, das hatte er vergessen. Unsicher beobachtete Caius Axilla.
    »Du bist mir auch böse.«

  • Archias sah nicht gut aus. Irgendwie wirkte er ein wenig blass, oder bildete Axilla sich das ein. Oder aber er war noch immer grantig, das mochte auch sein. Auf jeden Fall sah er aus, als hätte er eben in einen sehr sauren Apfel gebissen, als er sich zu einem Lächeln durchrang und sie ansah.
    Doch dann sagte er etwas, das Axilla überraschte. Er glaubte, sie sei ihm böse? Sah sie böse aus? Sie sah an sich runter, legte eine Hand an ihren Bauch und suchte kurz nach den richtigen Worten. Sie wusste es nicht wirklich. “Böse... also... ja... also, ich meine, nein. Ich....“
    Da Archias keinen weiteren Stuhl hatte, Axilla aber nicht rumstehen wollte, ging sie kurzerhand zum Bett und setzte sich darauf. Es war frisch gemacht, und ein wenig hatte sie ja schon ein schlechtes gewissen, nun die Decke zu zerknittern. Überhaupt, hier war alles so... so... sauber. Er musste nicht nur aufgeräumt sondern regelrecht geschrubbt haben. Nicht ein Sandkörnchen lag herum – und das, obwohl in der zerbrochenen Sanduhr genug Sand gewesen wäre.
    “Ich versteh nur nicht so ganz, warum. Ich meine....“
    Puh, das war schwierig. Axilla mochte schwierig nicht. Und eigentlich war es ihr gar nicht so dringend, sich mit Archias darüber auszusprechen. Es gab viel wichtigere Dinge, die sie ihm sagen sollte. Die sie allerdings auch noch viel weniger besprechen wollte.
    Sie atmete einmal durch und machte dann das, was sie eigentlich immer in einer schwierigen Situation machte, die ihr über den Kopf zu wachsen schien. Sie versuchte einfach, das Thema zu wechseln. Sie mussten nicht unbedingt darüber reden, wenn Archias es nicht unbedingt wollte. Böse war sie ihm nicht. Zumindest nicht im eigentlichen Sinne des Wortes.
    “Ähm... was hast du denn da für Papiere? Ich meine... kann ich dir davon was abnehmen, so als dein scriba...?“

  • Na prima. Mit seiner Feststellung hatte er gleich wieder ein Golden Goal geschossen. Er hätte die Schnauze halten sollen. Mannmannmann, das ging ihm alles an die Nieren. Er sah Axilla zerknirscht an, folgte ihr mit dem Blick und seufzte leise. Sie musterte sein Zimmer. Gut, darauf war Caius ein kleinwenig stolz, auch wenn sich der Status nicht allzu lange halten würde.


    Sie verstand nicht ganz warum? Caius sah aus wie ein fleischgewordenes Fragezeichen. Eigentlich verstand er selbst nicht ganz warum. Das hieß, es gab da schon einen Verdacht, den er hatte. Das Gespräch mit Piso war da zwar schon etwas aufklärend gewesen, aber Caius war trotzdem nach wie vor misstrauisch, was sich selbst anging. Er hörte Seiana wieder sagen Sie ist siebzehn! und sah Axilla mal diesbezüglich genauer an. Ach, die paar Jahre, die Seiana älter war. Sie war auch jünger als er, na und? Wen kümmerte das schon?


    »Naja...« begann Caius und sah auf den Boden zwischen seinen Sandalen. Aber Axilla wich jetzt aus und deutete auf das, was er arbeitete. Caius sah sie überrascht an. Warum lenkte sie ab? Nicht dass ihm das nicht gefallen würde. Er ergriff die Reißleine, wenn sie ihm schon so hingehalten wurde.
    »Ach das... Das sind Rechnungen. Irgendwo ist da ein Zahlendreher drin, ich find ihn nur nicht«, ging er also bereitwillig auf das Ablenkungsmanöver ein und zuckte mit den Schultern.
    »Magst du mal schauen?«

  • Kurz zögerte Archias, dann machte er mit. Axilla war froh, das andere Thema war doch etwas sehr bedrückend und seltsam, und so genau wollte sie darüber nicht nachdenken. Zumindest nicht jetzt. Und solange sie prokrastinieren konnte, würde sie das auch tun. Früher oder später musste sie sowieso darauf zu sprechen kommen. Und auf andere Dinge...


    So aber sah sie interessiert rüber und kletterte schließlich wieder gelenkig aus dem Bett, um zu Archias rüberzukommen. Natürlich woltle sie mal drüberschauen.
    “hmmhmmhmm...“ machte sie und kaute sich auf der Unterlippe rum, während sie so direkt neben ihm stehen blieb und auf den Papierkrieg schaute. “Bona Dea, was rechnest du da aus?“ fragte sie einmal zweifelnd und grinste dann zu ihm herüber. Sie fing an, das alles durchzusehen, und über ihrem Kopf enstanden mehrere, fast sichtbare Fragezeichen dabei. “Da hat aber einer eine Sauklaue...“ murmelte sie und überlegte, ob dieser komische Haken da ein X oder ein U war.
    Sie sah kurz zu Archias runter, kaute dabei noch immer auf ihrer Unterlippe rum. “Du hast nicht zufällig einen Abakus irgendwo rumliegen?“ fragte sie ein wenig kleinlaut. Sie konnte zwar gut kopfrechnen, aber das war schon etwas komplizierter.

  • Einen Moment später also stand Axilla neben Caius und sah auf die Papyri und Wachstafeln runter, die er vor sich ausgebreitet hatte. Caius hörte zwar ihre Frage, sah aber nur ihr Gesicht. Er betrachtete sie aufmerksam. Plötzlich war alles wie immer. Unbeschwert und leicht. Axilla roch gut. Nach Blumen. Nicht zu plüschig, sondern fruchtig. Caius mochte das. Aber er sollte an etwas anderes denken.


    »Hm? Oh, ja, meine halt«, beeilte er sich, Anschluss zu finden und zuckte mit den Schultern. Er rutschte herum und stand auf.
    »Setz dich«, forderte er sie auf, ging um den Stuhl herum, setzte sich selbst aufs Bett und brachte damit Axilla in Sicherheit vor sich selbst. Er gab sich wirklich Mühe, alls einfach für den Moment zu verdrängen, aber das schlechte Gefühl blieb. Wie Mundgeruch, wenn man nur mit Wasser gurgelte. Man fühlte sich zwar kurz frischer, aber eigentlich war alles noch da.


    »Hm?« machte er wieder. Seine Gedanken zogen Kreise, bei denen er einfach nicht mitkam.
    »Äh, schau mal da im Schrank«, sagte er abwesend und deutete irgendwo unbestimt auf den Schreibtisch, der vorn eine große Tür hatte. Was er dabei vergessen hatte, war dass der schöne Schein seines Zimmer nur trog. Wenn man die Schränke aufmachte, kamen nämlich kleine Lawinen heraus. Caius dachte weiter nach und betrachtete Axilla, wie sie auf ihrer Lippe herumkaute.

  • Von Archis Gedankengängen und Gefühlen bekam Axilla nichts mit. Sie sah nicht, wie er sie ansah, weil sie nicht zu ihm hinschaute, sondern verbissen die Rechnungen entzifferte. Als er aufstand, blickte sie ihm nur kurz nach und setzte sich dann auf den Stuhl. “Du hast 'nen warmen Hintern“, meinte sie neckisch, weil die Sitzfläche noch so aufgeheizt war, dass sie im ersten Moment erschrak.
    Dann beugte sie sich leicht über die Rechnungen und versuchte, zu entziffern, was da überhaupt stand. Archias antwortete auf die Frage nach dem Abakus, und sofort beugte sich Axilla in Richtung des Schrankes. Leider kam sie vom sitzen aus nicht ganz rüber, auch wenn sie sich so sehr streckte, dass sie vom Stuhl zu fallen drohte. Blieb nur aufstehen und zwei Schritte gehen. Naja, man war ja jung, und die Füße reichten bis zum Boden.
    Axilla taperte also zum Schrank und öffnete völlig unbedarft dessen Tür. Heraus ergoss sich ein Katarakt Myriaden kleinster Einzelteile, Wäschestücke und Klimbim, und Axilla stand auf einmal in einer Lawine von Zeug, das fröhlich um ihre Füße kullerte. “Äääääähm...“ Sie sah etwas ungläubig an sich herunter. “Wie hast du den Schrank zugekriegt?“ war das erste, was ihr einfiel, als sie sich das durcheinander ansah. Konnte sie sich gefahrlos bewegen, oder würde sie sich dann was eintreten? “Heb mich mal eben raus hier“, winkte sie ihrem Freund, weil sie sich wirklich nicht traute, einfach aus diesem Berg an Zeug herauszustiefeln.

  • »Mhm«, machte Caius nur. Gut, hatte er halt nen warmen Hintern. So lang wie er heute schon auf dem Stuhl gesesse hatte, war das wohl kein Wunder, dass der angenehm warm war. Caius bekam nicht so richtig mit, dass Axilla sich die Zähne an der Rechnung ausbiss. Er betrachtete gedankenverloren ihr Haar, den geraden Rücken, die Beine, die Füße und seufzte. Gaius sollte also Gallina nehmen. Das hatte Piso zumindest gesagt. Caius dachte an Seiana.


    Eine niedergehende Schüttung aus dem Schrank verursachte verschiedene Geräusche, die Caius dann dazu brachten, seine Aufmerksamkeit wieder auf Axilla zu lenken, die inmitten der Flut stand. Da gab es natürlich die Muscheln, die als letztes da reingequetscht worden waren, dann eine kleine Spieluhr, deren Deckel beim Purzeln aufgegangen war. Das gewünschte Rechenbrett war dabei, und eine Hand voll alter Griffel, ein ramponiertes Glasauge, ein gebrauchtes Käsemesser und zwei alte Gürtel und noch einiges anderes.
    »Feste gedrückt«, sagte Caius nur und stand auf, um langsam zu Axilla zu schlurfen. Am Rand des Chaos blieb er stehen, machte aber keine Anstalten, sie tatsächlich hochzuheben. Er stand nur da und sah sie ernst an.

  • Auf seine Bemerkung hin musste Axilla grinsen. Feste gedrückt war gut. Er musste alles reingeworfen und die Tür dahinter panisch zugeschlagen haben, und den zurückrollenden Berg dann wie Sisyphus langsam aber stetig vor sich hergeschoben haben, bis der Schrank verschlossen war. Sie jedenfalls rührte sich nicht von der Stelle, sie sah oben auf dem Berg unter anderem ein Messer liegen und wusste nicht, wie scharf es war. Und wenn da schon ein Messer lag, wer wusste, was da noch lag? Vielleicht waren auch Scherben darunter, Axilla hatte irgendwas aus Glas vorhin gesehen.
    Archias kam zu ihr rüber, stand aber einfach nur da und schaute sie an. Axilla lächelte ihn an, bis sie seinen ernsten Blick bemerkte. Da wurde ihr Gesichtsausdruck doch eher fragend. “Was ist? Magst du mir nicht helfen. Soll ich in alle Ewigkeit hier stehen, gefangen von Chaos und Käsemessern?“
    Sie zog ihn auf und lachte frech, hauptsächlich, weil sie ihn aufmuntern wollte. Er schaute grade so komisch drein und Axilla mochte ihn lieber fröhlich. Mit ihm konnte man toll herumalbern, aber im Moment schien ihm etwas anderes im Kopf rumzugehen.
    Er stand auf Armeslänge von ihr Weg, und da er keine Anstalten machte, beugte sich Axilla einfach leicht vor und zu ihm, legte schon die Hände auf seine Schultern und wartete, dass er sie herausheben würde. War ja nichts dabei, benötigte nur einen kleinen Griff von ihm um ihre Taille und einen kleinen Ruck. “Nun, mein Titan?“ neckte sie ihn leicht und sah ihn einfach nur erwartungsvoll an.

  • Caius hob einen Mundwinkel und brachte damit ein schräges Lächeln zustande, das aber nur den Mund umspielte, sonst nichts. Er sah Axilla ein wenig gequält an. Und er dachte an den Duccier, der ihm geweissagt hatte, dass er irgendwann für Axillas Tod verantwortlich sein würde. Unter anderen Umständen hätte er sich gefreut, dass sie wenigstens seine Schranklawine schon mal überlebt hatte. So aber verschwand das halbe Grinsen gleich wieder.


    Axilla wollte herumalbern. Caius ja eigentlich auch. Alles war ihm lieb, um den Stein zu vergessen, der ihm schwer im Bauch lag und Magenschmerzen verursachte. Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und zog ihn auf. Er dachte an alles, nur nicht daran, sie aus dem Chaos zu ziehen. Und sie nannte ihn wieder ihren Titan, was Caius schmerzlich in Erinnerung brachte, wann sie das zum letzten mal gesagt hatte. Caius holte tief Luft, umfing Axilas Taille und hob sie hoch. Hastig setzte er sie wieder ab und machte einen Schritt rückwärts. Das war zwar albern, verhinderte aber, dass er seine Hände am Ende ganz dort ließ. Er hielt es nur zwei Augenblicke so aus, dann ließ er die Schultern sacken und sah Axilla gemartert an.


    »Das geht so nicht«, murmelte er mehr zu sich selbst als zu ihr.
    »Das ist doch Mist so.«

  • Archias hob sie heraus und ließ sie danach gleich wieder los, als hätte er sich an ihr verbrannt. Er ging sogar einen Schritt rückwärts, um nicht mehr direkt bei ihr zu stehen, und sah ganz reumütig drein. Axilla traf das. Sie traf es sogar sehr. Hatte sie sich bis eben noch vorgemacht, sie könnten vielleicht beide die Situation einfach überspielen und so fortfahren, als wäre nichts gewesen, so zerbrach er jetzt ihre Hoffnungen auf eine leichte und unkomplizierte Lösung mit seinen Worten.
    Betroffen schaute Axilla zu Boden. Wie von allein legte sich ihre Linke wieder auf ihren Bauch, bis sie es merkte und die Hand energisch runternahm. Sie überlegte, aber ihr fiel nichts lässiges ein, dass die Situation auflösen würde. Ein ganz seltsames Gefühl schlich sich in ihr Bewusstsein und legte sich wie eine Eishand um ihr Herz. Die Worte waren wie Steine, aber dennoch sagte Axilla sie.
    “Caius? Wenn es wegen Seiana ist... ich... ich kann gehen. Ich meine, du musst nicht das hier machen, für mich. Ich meine... ich will nicht, dass du leidest, verstehst du? Ich will, dass du glücklich bist.“
    Es war die einzige Theorie für sein Verhalten, die Axilla hatte. Seiana war eifersüchtig und er suchte nach einem Weg, Axilla zu sagen, dass sie gehen solle, weil er sonst Stress mit seiner Verlobten bekäme. Sie wollte bestimmt nicht gehen, und es gab auch noch eine Sache, die sie ihm sagen musste. Sie hatte es ihm versprochen. Sie durfte es nicht nochmal verschweigen. Aber erst sollte er seine Entscheidung fällen, auch wenn Axilla vor seiner Antwort furchtbare Angst hatte.

  • Axilla wich seinem Blick irgendwann auf und starrte auf den Boden. Caius sah sie weiterhin an. Auch als sie vorschlug zu gehen, was runzelige Stirnrunzeln auf Caius' Stirn entstehen ließ. Verwirrt sah er sie an. Sie wollte nicht, dass er litt? Caius überlegte. Litt er denn? Er hatte ein schlechtes Gewissen, das einmal um das ganze Römische Imperium reichte und vielleicht noch mal den halben Weg zurück noch dazu. Er fühlte sich schlecht, weil er Seiana quasi betrogen hatte, aus ihrer Sicht, und weil er sie hintergangen hatte, und er fühlte sich mieserabel, weil Axilla seinetwegen ein Kind abgetrieben hatte und Probleme wegen seiner Aktion bei den Aureliern bekommen würde.


    Caius fuhr sich durch die Haare, wandte sich nach links und ließ sich sitzend aufs Bett fallen. Arme und Beine ließ er hängen als er Axilla ansah.
    »Es ist wegen ihr, aber nicht nur. Und du gehst nirgendwo hin«, fasste er kategorisch zusammen.
    »Ich hab mir selbst eingeredet, dass ich zufrieden bin, verstehst du? Ich hab eine prima Verlobte gehabt, eine gute Arbeit und tolle Freunde. Aber irgendwas hat nicht gestimmt, und ich weiß jetzt glaube, was das ist. Das bist du. Du bist total falsch, am falschen Platz.« Caius holte tief Luft.


    »Seiana weiß es. Das mit uns. Ich hab es ihr erzählt. Wir haben uns nach dieser Hochzeitsfeier gestritten. Wegen Vala und wegen dir auch. Ich hab einfach nicht nachgedacht und dann war es zu spät. Ich hab das nicht gemacht, weil ich ihn nicht mag oder so. Sondern wegen dir.«

  • Sie ging nirgendwo hin? Gut, dann blieb sie stehen. Während Archias sich also aufs Bett setzte, stand Axilla nur da und rieb sich mit ihrer rechten Hand ein wenig den linken Unterarm. Ihr war irgendwie wieder ein klein wenig kalt, zumindest redete sie sich das ein, und während Archias redete, wurde es noch ein klein wenig kälter, hatte sie das Gefühl.
    Es war bei ihm alles wunderbar gewesen, bis sie kam. So verstand sie siene Worte. Sie hatte alles kaputt gemacht. Das alles war ihre Schuld. Er sagte es zwar nicht direkt, aber Axilla wusste es, und er hatte recht. Es war alles ihre Schuld, hätte sie nicht angefangen, mit ihm herumzualbern, währe sie nicht nach Urgulanias Tod hierher gelaufen, hätte ihr Sklave nicht im betrunkenen Zustand sich verplappert, wäre für ihn noch alles in Ordnung. Es war ihre Schuld, ganz allein. Auch das mit Vala.
    Axilla fühlte einen dicken Klos im Hals und versuchte, ihn wegzuschlucken, aber es ging nicht. Am liebsten wollte sie nun doch weglaufen und sich nicht dieser Situation stellen, denn es tat sehr weh, was Archias sagte. Vor allem, weil Axilla es als Wahrheit fühlte. Sie hatte Schuld an all dem, und es tat ihr dennoch nicht wirklich leid. Vielleicht war das das schlimmste daran.
    “Caius... ich wollte nicht, dass das passiert. Und du kannst das doch noch haben. Ich geh einfach wieder nach Ägypten, und dann ist doch alles wieder... ich meine, Seiana kann dir doch vergeben! Ich....“
    Axilla blinzelte eine Träne weg. Sie wollte jetzt nicht heulen, aber wenn sie weiterredete, würde sie genau das tun. Sie schluckte nochmal und wischte sich mit dem Handrücken schnell übers Gesicht, um die verräterischen Tropfen zu entfernen.
    “Ich muss dir noch was sagen...“, wimmerte sie noch halblaut. Sie hatte es ihm versprochen, und eigentlich wollte sie es ihm gar nicht sagen. Erst recht nicht jetzt, wo er dann am Ende noch dachte, es wäre ein Trick, um ihn zu halten. Ihre Hand legte sich wieder wie automatisch auf ihren Bauch, während sie nach den Worten rang, die eigenltich so einfach waren, die sich aber trotzdem so falsch anfühlten.
    “Ich... ich will nicht, dass du denkst... ich würds auch gar nicht sagen, wenn ich's nicht versprochen hätte... und du musst dir auch keine Gedanken machen. Ich werd dich da nicht mit reinziehen. Ich werd einfach aufs Land fahren... und vielleicht ist es ja auch zu klein....“
    Sie wollte es ihm nicht sagen, aber wenn sie gleich für immer ging, musste sie vorher ihr Versprechen einlösen. Das schuldete sie ihm.

  • Caius ging es schlecht, aber Axilla schien es jetzt noch schlechter zu gehen. Er sah sie aufmerksam an, verstand aber die Reaktion nicht wirklich. Sie wollte nicht, das was passierte? Das mit ihm und ihr? Caius sah sie einfach nur verständnislos an, und dann wischte Axilla eine Träne weg und Caius' schlechtes Gewissen reichte für dreimal ums Römische Reich. Bedröppelt sah er zu ihr hoch. Ihr schien schlecht zu sein. Kein Wunder, schlecht war ihm auch. Caius stand auf. Nach zwei Schritten war er bei Axilla, und als er sie diesmal umarmte, war es fest und warm und nicht so, als sei sie eine heiße Kartoffel. Ihre Worte hörte er kaum noch. Irgendwer war zu klein für eine Landpartie, aber er fragte sich nur kurz, was das für einen Sinn machte, jetzt davon zu reden.


    »Bitte nicht weinen«, sagte er zu Axilla und hielt sie an sich gedrückt. In diesem Moment wusste er es irgendwie. Es war eigentlich ganz einfach, und jetzt wo er es wusste, machte auch alles irgendwie Sinn. Trotzdem war es ein komisches Gefühl. So als hätte sich ein Knoten in Luft aufgelöst. Verdutzt blinzelte er seinen Schreibtisch an und hatte Axilla immer noch nicht losgelassen.


    »Du kannst nicht weggehen. Du musst hierbleiben.« Caius legte seine Wange an Axillas Kopf, fasziniert von der Klarheit seiner Gedanken. Sogar die Bauchschmerzen waren weg.
    »Ich muss dir auch was sagen.« Er holte Luft und schob Axilla soweit zurück, dass sie ihn anschauen konnte, wenn sie wollte. Caius jedenfalls sah sie jetzt an, und das, was er ihr zu sagen hatte, klang kitschig, war ihm aber ernst und erschien ihm notwendig.


    »Ich glaube nicht, dass Seiana mich noch will, weißt du. Ich hoffe, dass sie mir irgendwann verzeihen kann. Aber ich weiß jetzt, was ich will, und das ist nicht Seiana. Sondern du.«

  • Axilla war mit Erklären nichtmal richtig fertig, als er zu ihr rüberkam und sie in die Arme nahm. Sie wollte nicht heulen, sie wollte wirklich ihm nur diese eine Sache sagen und dann gehen, möglichst würdevoll, aber als er sie in den Arm nahm und an sich zog, da ging es nicht. Es war, als würde ein Damm brechen und sie musste einfach heulen, was den Rest ihrer Worte zu unverständlichem Geschluchze werden ließ. Sie hielt sich an ihm fest und weinte ihm – mal wieder – die Tunika voll. Ihre Beine knickten leicht weg, aber er hielt sie fest genug, dass sie nicht hinfiel.
    Er tröstete sie, und Axilla meinte, sie müsse gleich zerspringen. Warum war er so lieb zu ihr, wo sie doch alles kaputt gemacht hatte? Sie verstand es einfach nicht. Und trotzdem wurde ihr Atem langsam ruhiger und sie stand wieder auf ihren eigenen Füßen, während Archias ihr sagte, dass sie bleiben müsse und er ihr was zu sagen hätte.
    Sie schniefte noch einmal, versuchte dann, ganz ruhig zu atmen – was nicht ganz gelang, immer wieder machte ihre Lunge einen kleinen Hüpfer, der sie durchschüttelte – und sah ihn vorsichtig aus verweinten Augen an. Er sah sie so ruhig und sicher an, dass Axilla gar nicht wusste, was hier eigentlich geschah. Ihr Verstand konnte schon eine Weile nichts mehr greifen von den Dingen, die hier passierten.
    Aber ich weiß jetzt, was ich will, und das ist nicht Seiana. Sondern du. Die Worte brauchten einen Moment, bis sie bei Axilla ankamen. Mit einem Mal versiegten die Tränen und auch ihr Atem ging nicht mehr so schüttelnd. Nicht, weil sie sich freute, sondern weil sie ganz und gar starr dastand und zu Archias hochschaute. Hatte er das gerade eben gesagt, oder hatte sie es sich eingebildet? Träumte sie das gerade? Wahr konnte es nicht sein. Das konnte nicht sein!
    Schnappend holte Axilla Luft. Irgendwie war alles durcheinander. Das konnte nicht richtig sein. “Aber... aber... du liebst Seiana, ich meine... du hast gesagt... und ihr heiratet doch bald... Ihre Augen huschten über sein Gesicht, suchten nach Anzeichen dafür, dass er sie aufzog, aber da waren keine. Er meinte es ernst. Er meinte das wirklich ernst! “Ich hab's kaputt gemacht...“ meinte Axilla in fast panischer Erkenntnis, und die Beine sackten ihr doch wieder weg. “Ich bringe Unglück...“ flüsterte sie noch und versuchte, wirklich zu greifen, was hier geschah. Er wollte sie? Sie, und nicht Seiana? “Mich, und nicht sie?“ wisperte sie noch einmal atemlos zu ihm hoch. Das konnte nicht sein, das konnte er nicht gesagt haben.

  • Sie wurde ein bisschen schwerer, aber Caius war ja kein Balsaholz, das einfach umknickte. Er hielt sie fest und stützte sie, auch wenn er keine Ahnung hatte, warum sie plötzlich schwächelte. Und sie weinte. Caius stand da und fühlte sich irgendwie elend. Er versuchte, nicht so viel darüber nachzudenken, in welche Situation er sie alle verfrachtet hatte.


    Als Axilla dann plötzlich erstarrte und ihn ansah, grinste er schief und ein bisschen wehmütig, und in der nächsten Sekunde war er es, der sie anstarrte. Axilla klickte zusammen und Caius hielt sie wieder fest.
    »Na was ist denn das heute mit dir, bist ja schlimmer als ein Kartenhaus« scholt er sie tadelnd und grinste danach. Und dann sah er sie prüfend an und brach in schallendes Gelächter aus. Es schnüttelte Caius, und Axilla wackelte natürlich mit, weil er sie ja fest hielt. Ihr Geflüster ging dabei fast unter, aber er hörte es nocht und ließ das Lachen in einem Seufzen ausgehen. Irgendwie war das total unangebracht, aber es war einfach so über ihn gekommen. Und Caius war irgendwie dankbar, dass er zumindest kurz ein körperlich gutes Gefühl hatte, auch wenn das irgendwie hysterisch wirkte. Ein bisschen zumindest. Er seufzte noch mal und war dann wieder ganz ernst.


    »Ich weiß. Die Hochzeit. Ich hab noch keine Ahnung, Axilla.« Er zog die Augenbrauen zusammen.
    »Aber du hast nichts kaputt gemacht. Es ist eben so wie es ist. Besser so als später. Findest du nicht? Und Unglück bringst du schon mal gar nicht. Wie kommst du auf so einen Käse?« Er schüttelte bestimmt den Kopf. Und beugte sich dann zu Axilla hin, um sie vorsichtig zu küssen.


    »Naja, ich...« begann Caius dann nach einem Moment und runzelte angestrengt die Stirn.
    »Ich weiß ja nicht, was du darüber denkst. Aber ich denke nicht, dass Seiana und ich heiraten werden. Nicht, nachdem ich sie und uns alle so dermaßen lächerlich gemacht hab. Wusstest du, dass dieser Aurelius ihr Patron ist?« Caius zog eine Grimasse und zuckte gleichzeitig mit den Schultern.
    »Ich weiß nur nicht, warum du mit diesem germanischen Luftikus da aufgetaucht bist.« Er sah Axilla wieder forschend an.
    »Verrätst du's mir?«

  • Er lachte! Axilla hatte keine Ahnung, warum er jetzt lachte. Sie fand die ganze Situation vieles, aber sicher nicht amüsant. Ihr war eher nach heulen zumute, was sie ja auch zum Teil tat. Axilla konnte sich nur an ihn klammern und versuchen, zu verstehen, was daran so amüsant war.
    Dann hörte er doch wieder auf und sah sie an, begann zu reden, von Seiana und der Hochzeit. Ob es wirklich besser war, wie es jetzt war, wusste Axilla nicht. Sie verstand nicht ganz, was er meinte. Er liebte Seiana doch? Was redete er dann, dass es so besser war? Sie verstand es einfach nicht. Irgendwo war da ein tiefes, schwarzes Loch in ihrem Kopf, in das diese ganzen Informationen einfach hineinfielen, ohne vorher Sinn zu ergeben.
    “Es ist so. Jeder, der...“ Weiter kam sie mit ihrer gemurmelten Erklärung zu ihrem Unglück nicht, denn da küsste Archias sie auch schon ganz vorsichtig. Einen Herzschlag lang hielt Axilla einfach nur wie versteinert still, dann küsste sie ihn zurück. Sie wollte ihn doch auch! Sie wollte bei ihm sein, auch wenn es nicht ging. Auch wenn er eine andere eigentlich liebte! Aber in diesem kurzen Moment war es wieder so, dass sie das ganze einfach ausblendete und einfach nur genoss, dass er für sie da war und sie küsste.


    Als der Kuss dann endete, waren die Worte, die sie sagen hatte wollen, wie weggeblasen. Sie hörte ihm zu, was er sagte, und stellte sich wieder auf ihre eigenen Füße richtig hin. Dennoch hielt sie sich weiterhin leicht an ihm fest und sah einfach zu ihm hoch. “Nein... also ja, er hat es mir gesagt. Also, Senator Aurelius hat gesagt, dass Seiana seine Klientin ist. Wir haben uns noch ein bisschen unterhalten.“
    Noch immer konnte Axilla es nicht wirklich glauben, dass er meinte, er und Seiana würden nicht heiraten. Aber sie war doch so perfekt! Sie war hübsch und gebildet und ruhig und edel und aus guter Familie und im richtigen Alter und Archias liebte sie.... Wieso ging das denn jetzt nicht mehr? Er war Aelier, da würde sie doch sicher... selbst wenn sie von dem zwischen Archias und Axilla wusste, das hieß doch nichts! Viele Männer hatten Geliebte, selbst während der Ehe. Und er war mit dem Kaiser verwandt, da war er doch trotz allem eine sehr gute Partie? Sie konnte es nicht so ganz greifen.
    Aber die Gedanken daran waren auch erstmal vergessen, als Archias auf Vala zu sprechen kam und sie dabei so eindringlich ansah. Einen Augenblick lang hielt Axilla dem Blick stand, dann senkte sie beschämt den Blick und trat einen winzigen Schritt vor Archias zurück. Es fühlte sich falsch an, in seinen Armen dabei zu stehen. Sie wischte sich die versiegten Tränen kurz vom Gesicht und kratzte sich verlegen am Unterarm.
    “Red' nicht so schlecht von ihm, bitte. Er ist ein sehr netter und ehrenhafter junger Mann, und ich kenn seine Familie jetzt schon eine ganze Weile. Ich meine... er sieht ja auch gut aus, und... also...“ Es kam Axilla falsch vor, davon zu reden, zumindest mit Archias. Was sollte sie ihm sagen? Dass sie ihn begehrte, seit sie ihn das erste Mal da am Hafen gesehen hatte? Dass es vielleicht keine wirkliche Liebe, aber doch zumindest genug Leidenschaft war, dass sie sich Hoffnung machen konnte? Dass er ja auch keine schlechte Partie wäre und sie hoffte, dass er dasselbe auch von ihr sagen würde?
    “Ich meine... wenn du zu Seiana gehst, sie vergibt dir doch sicher. Ich meine.... wie könnte sie nicht? Das war doch nur, weil du....“ Ja, warum hatte er das getan? Axilla sah kurz zu ihm hoch und suchte nach der Antwort, die sie eigentlich schon wusste, die sie sich aber nicht traute, einzugestehen. Dann aber wandte sie den Kopf wieder dem Boden zu und zuckte etwas resignierend mit den Schultern. “Und jetzt ist es ja ohnehin egal. Ich meine, Crios hat es mir gestern gesagt, bei der Hochzeit wusste ich es noch nicht. Aber jetzt muss ich sowieso erstmal warten, bis es... vorbei ist. Ich meine... also... du musst da gar nichts machen. Ich geh einfach aufs Land oder so, wenn man anfängt, es zu sehen. Das merkt bestimmt keiner. Und solang ist es ja sowieso egal, weil ja auch gar nichts weiter passieren kann, und... ich will ja auch nicht so richtig...“
    Ihr fielen diese Worte viel schwerer als alles andere. Bestimmt hasste Archias sie jetzt, für alles, was sie getan hatte. Aber sie wollte doch auch nur ein kleines bisschen Glück. So wie er es mit Seiana hatte. Oder auch nicht. Sie verstand es immer noch nicht wirklich.

  • Caius war es total egal, was jeder dachte. Für ihn war wichtig, was er selber dachte. Als sie wieder sebst sicher stand, beschloss er, sich hinzusetzen. Er warf einen Blick zum Bett und zog Axilla dann zur Kante, um sich draufzusetzen. Sie hatte also mit dem Aurelier geredet? Caius seufzte.


    »Ich hab ein schlechtes Gewissen. Meinst du, ich sollte mich entschuldigen? Bei den Aureliern, nicht bei diesem Germane«, fügte er erlärend hinzu. Während Axilla also über Seiana nachgrübelte, stieg Caius' Puls schon wieder an, als er an den Eindruck dachte, den er bei der Hochzeit hinterlassen hatte, und als er an Vala dachte. Vielleicht sollte er einen Leibwächter für Axilla beauftragen? Nein, das konnte er nicht machen. Erstmal musste er alles regeln und dann weitersehen. Axilla sprach weiter und Caius sah sie angesäuert an.


    »Er sieht gut aus?« Er schnaubte. Eigentlich unterschieden sich Caius und der Germane doch sehr voneinander. Und hatte sie nicht gesagt, dass sie ihn selber auch gutaussehend fand? Wo flunkerte sie nun also? Vermutlich bei ihm selbst. Sonst wäre sie doch nicht mit Vala dort aufgekreuzt, oder?
    »Was hat er denn bisher geleistet? Der ist ein Schreiber, sonst nichts«, nörgelte er.
    »Ich kenn die Duccier nicht. Nur ihn. Und er macht nicht einen ehrenhaften Eindruck auf mich.« Schon gar nicht nach der Drohung da, aber das wollte er Axilla besser nicht erzählen. Sicher hatte sie dann Angst. Obwohl... Er würde sie beschützen, so gut es ging. Und wenn er ihr erzählte, mit was Vala gedroht hatte, sah sie ihn vielleicht auch in anderem Licht...


    Caius überlegte noch angestrengt und mit Stirnfalte, als Axilla weitersprach und ihn ablenkte. Er machte ein ratloses Gesicht.
    »Meinst du?« fragte er zweifelnd. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Ich glaub nicht. Aber ich werd es auch nicht versuchen, Axilla. Das mit Seiana... Sie ist einfach zu perfekt, zumindest für jemanden wie mich. Ich hab sie gar nicht verdient. Und ich glaube auch, dass sie nicht glücklich wäre mit mir. Und ich wohl auch nicht.« Caius wandte Axilla den Kopf zu und begann zu sprechen, als Axilla auch anfing.
    »Ich werde... Du zuerst«, sagte er und ließ sie reden.


    Als sie von Crios redete, klingelte etwas in Caius. Trotzdem brauchte er eine Weile, bis ihm der milchgesichtige Arzt einfiel. Der Sinn ihrer Worte ging weitestgehend an ihm vorüber, weil er sich schon wieder aufregte.
    »Was! War der etwa schon wieder bei dir«, knurrte er leise. Dann blinzelte er irritiert.
    »Aufs Land? Wieso das? Gefällt dir Rom nicht mehr?« Dass er etwas hatte sagen wollen, war kurz vergessen.

  • Er zog sie leicht mit sich zum Bett, und Axillas Nervosität wuchs schon wieder sprunghaft an. Er würde doch nicht...? Nein, tat er auch nicht, er setzte sich nur und zog sie so mit sich, dass sie sich neben ihn setzte. Aber nicht mehr.
    “Naja, schlecht wäre es nicht. Ich denke, du hast schon einen bleibenden Eindruck hinterlassen, und... ich meine, es war ja eigentlich eine Hochzeitsfeierlichkeit... ich hab mich auch schon entschuldigt.“ Axilla würde Archias nicht zwingen oder ihn überreden, aber wenn er so wie jetzt ihren Rat hören wollte, bekam er den natürlich. Und der hieß, sich zu entschuldigen und eventuelle Wogen zu glätten.


    Dann aber kam ohnehin das Thema auf Vala und Archias reagierte schon erwartet ungehalten. Axilla fühlte sich schlecht, aber sie konnte seine Worte so nicht stehen lassen. “Bitte, Caius, er ist wirklich kein schlechter Mensch. Wenn du ihn besser kennen würdest... Er ist wirklich ein sehr freundlicher und ehrenhafter Mann, und er wird ja nicht immer Scriba sein.“ Axilla erinnerte sich an das Gespräch mit Vala. Er hatte gemeint, er würde größeres leisten als die anderen Duccier vor ihm, und Axilla hatte ihm geglaubt.
    Zu dem, ob er gutaussehend war, sagte Axilla nichts. Sie fand, das gehörte jetzt nicht hierhin. Und natürlich fand sie ihn sehr gutaussehend! Er hatte alles, was sie an einem Mann anziehend fand! Er war groß, kräftig, hatte gekämpft, war zwar nicht wirklich muskulös, sondern eher drahtig, aber das machte nichts. Und er hatte herrlich graue Augen, die so selbstsicher schauen konnten, dass man selbst dabei ganz sicher wurde. Eigentlich sollte Axilla mehr für ihn fühlen als nur Schmetterlinge und Verlangen, aber für Freundschaft kannte sie ihn zu wenig.
    Aber das alles hätte sie Archias nie sagen können, er hätte es falsch verstanden. Und vor allem wollte sie ihn nicht verletzen, denn dafür hatte sie ihn viel zu gern. Er war nicht so perfekt, aber genau das mochte sie an ihm ja gerade. Aber das konnte sie so nicht sagen, das hörte sich albern an.


    Aber warum er das mit Seiana nicht versuchen wollte, das konnte Axilla nicht verstehen. Wie konnte sie so perfekt sein, dass Archias nicht glücklich werden würde? War das nicht ein Widerspruch in sich? Wenn jemand perfekt war, dann musste man doch glücklich werden, oder nicht? Und warum sollte Archias das nicht verdient haben? “Warum sollst du sie nicht verdient haben? Du bist doch so... du bist der liebste Mensch, den ich kenne, und witzig und einfühlsam und trotzdem stark und... und ich meine, deine Familie ist ja auch sehr edel, und angesehen, und... warum solltest du es nicht verdient haben?“ Aus Axillas Warte aus gesehen hatte er sehr wohl jemand so perfekten wie Seiana verdient. Da verstand Axilla das einfach nicht. Er liebte die Decima doch? Er hatte sie die ganze Zeit geliebt? Und jetzt?


    Er kam in ihren Redeschwall, als sie unsicher versuchte, ihm klar zu machen, dass er keine Verantwortlichkeit für das Kind hatte, aber er ließ sie reden. Erst danach sah er sie böse an und fragte nochmal scharf nach. Axilla wurde noch ein bisschen kleiner. Ihr war es ja so schon peinlich, aber jetzt so direkt neben ihm dieses Geständnis machen zu müssen war schon sehr hart für sie. Am liebsten hätte sie einfach das Thema gewechselt und abgelenkt, aber das ging jetzt nicht. Sie hatte es ihm schließlich versprochen.
    “Doch, Rom ist toll, aber wie sähe das denn aus? Ich meine, ich kann hier ja nicht mit Babybauch dann herumlaufen. Was würden die Leute sagen? Ich mein, vielleicht verlier ich es ja schon vorher, Crios meinte, es wird ohnehin wohl sehr klein sein wegen... du weißt schon. Ich weiß ja auch nicht, warum das nicht geklappt hat. Aber... du musst dir wirklich keine Sorgen machen. Auf dem Land kennt mich keiner, und... da wird das schon irgendwie gehen für zwei, drei Monate, und dann kann ich ja wiederkommen.“

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!