Andere Länder, andere Sitten

  • Sim-Off:

    Und wie schon gesagt: Mach dir nicht so viele Sorgen ;) Schon okay


    Auch Axilla fiel nicht weiter auf, dass Piso sie so vertraulich beim Cognomen genannt hatte. Überhaupt war sie jemand, der schnell vertraulich mit der Umgebung umging und darüber vergaß, dass es so etwas wie Stand und Rang gab, auf das man achten musste. Sobald erst einmal das erste Eis gebrochen war, fühlte sie sich frei und handelte dann auch dementsprechend, ohne groß darüber nachzudenken. Förmliche Titel und Anreden hinderten da nur. Vielmehr nahm sie seine Vertraulichkeit als Geste auf, dass sie selbiges auch tun konnte, und damit war alles in bester Ordnung.
    “Priester? Weißt du schon, für welche Gottheit?“ Axilla war einfach neugierig. Auch ihre Cousine Serrana wollte Priesterin werden, sie hatte sich ja erst von ein paar Tagen im Bad mit ihr darüber unterhalten. Axilla konnte sich gar nicht vorstellen, wieso man so etwas machen wollen sollte. Es war nicht, dass sie sich vor dem Opfern ekelte oder ihr der Dienst etwas ausmachen würde. Sie sah nur den großen Nutzen dahinter einfach nicht. “Hast du denn dann noch genug Zeit, um das Gedicht zu schreiben?“


    Als Piso dann allerdings sagte, dass es wirklich Faunalia waren, war sowieso alles andere vergessen. Anstatt einer richtigen Antwort, ob sie hingehen und schauen sollten, bekam Piso nur einen Blick, der wohl nur von der Begeisterung eines kleinen Kindes noch getoppt werden könnte, und einen freudigen Hüpfer schon in die Richtung, der nur durch eine drehung gebremst wurde, ob er denn auch wirklich mitkam. Axilla lliebte die Faunalia. Sie liebte Faunus. Das war Freiheit, das war Leben, das war einfach tun und lassen, was man fühlte. Nichts mit strenger Zurückhaltung, Würde und Regeln, sondern Natur in ihrer wildesten und ursprünglichsten Form. Axilla liebte es einfach, weil sie darüber nicht nachdenken musste.
    Kurzerhand griff sie nach Pisos Hand, ließ sie aber gleich erschrocken doch noch einmal los und schaute betreten zu ihm hoch. Sie erinnerte sich an einen anderen, grauäugigen Herren, der auf eine so plötzliche Annäherung sehr ungehalten reagiert hatte, und sie wollte denselben Fehler nicht zweimal begehen. “Tut mir leid. Wollen wir?“ gab sie ihm nun einen Wink und konnte die Vorfreude kaum verhehlen, dorthin zu gelangen. Die Pferde waren vollkommen vergessen.


    Insgesamt waren es drei Faune, die dort musizierten. Oder besser gesagt, die Männer hatten sich wie Faune geschmückt. Von oben bis unten war der Körper der Männer mit roter Farbe bemalt. Mit Kalkwasser war das Haar versteift und so wie Hörner auf dem Kopf eingedreht. Sie alle trugen nur grob gegerbte Schaf- und Ziegenfelle, die auch einiges der roten Farbe abbekommen hatten. Einer spielte eine Trommel, ein anderer Flöten. Der dritte tanzte und hüpfte und versuchte, die Leute ringsum in seinen Reigen zu bekommen und sie zum mittanzen zu animieren. Die umstehenden klatschten zwar im Takt mit und einige wippten sogar zur Musik, aber immer, wenn der Faun wild auf einen zusprang, um ihn zu packen und in die Mitte des Kreises zum Tanzen mitzuziehen, fuhren die meisten erschreckt und dann lachend zurück.
    Axilla sah von einem Ohr zum anderen grinsend zu Piso hoch und lachte und klatschte auch mit. Verträumt schloss sie dabei die Augen und ließ sich einen Moment ganz von der Musik tragen, wiegte sich zu den erdigen Klängen der Flöte leicht hin und her, und merkte erst, dass der Faun nun bei ihr sein Glück versuchte, als sie seine Hände auf ihren Armen fühlte und den sanften Zug, mit der er sie zur Mitte bewegen wollte.
    Verwirrt öffnete sie die Augen, sah die feuerroten Hände auf ihrer gebräunten Haut… und ging mit. Wie von selber folgte sie dem Faun wie im Traum, und ihre Füße fanden die Schritte des hüpfenden Tanzes. Und wo die meisten anderen Zuschauer sich erschreckt hatten, lachte sie einfach, während sie ausgelassen sich mit dem Faun im Kreis drehte, bis ihr schwindelig war und sie glückselig stehen blieb, während ihr Faun sich schon ein neues Opfer auserkor. Mit ganz verklärtem Blick sah sie zu Piso hinüber und war für einen Moment einfach nur voll der Euphorie des Moments.

  • „Welche Gottheit?“ Piso lachte leise. „Keiner und allen. Ich will Septemvir werden. Also Collegiatspriester. Als solcher wäre ich eher für die Organisation und die Verwaltung des Cultus Deorum verantwortlich, als einer Gottheit zu dienen.“, erklärte er. Er hatte keinen Zweifel daran, dass Axilla als gute Römerin Vorwissen hatte, was den Cultus Deorum und die Collegien anging. Natürlich verstand er, dass es Leute gab, die das Priestertum nicht als besonders weiterbringend betrachteten. Vielmehr aber war es nicht nur ein bloßes Amt, es war eine göttliche Ehre, ein solches zu bekleiden. Und wie ein Katapult für die Karriere. Wie auch kein zu unterschätzender Geldhahn.
    „Ob ich dann noch Zeit habe, weiß ich nicht. Die eine oder andere Mußestunde werde ich mir schon abzwicken können.“, meinte er, fuhr mit seinen Händen langsamüber seinem Schoß zusammen und faltete sie, bevor er sie wieder befreite und hinter seinen Rücken verschränkte. „Vielleicht aber werde ich vorher fertig. Nun, wissen werde ich es nicht.“, lächelte er. „Das Gedicht wird fertig werden. Ob morgen oder in Jahren, ist nicht wichtig. Es wird werden.“, meinte er entschlossen und ließ seine Arme wieder nach vorne schlenkern.
    Wenn er richtig darüber nachdachte, wunderte er sich nicht mehr darüber, dass gerade am Viehmarkt die Faunalia gefeiert wurde. Schließlich war die Faunalia ein ländliches, ein rustikales Fest, nicht unbeingt ein stadtrömisches. Und natürlich würden die Bauern am Viehmarkt dies feiern, nicht die feinen Pinkel in ihren auf Hochglanz gebohnerten Villen. Das Fest an sich hatte etwas Erdiges. Schon immer gehabt, und das tat es noch immer. Piso bekam nur noch mehr einen fast schon beängstigend enthusiastischen Blick, bevor Axilla weghüpfte. „He... wie...?“, brachte er nur noch heraus.Frauen! Niemand war so geübt darin, einfach zu verschwinden, wie dieses mysteriöse Geschlecht. Auf einmal jedoch fühlte er sich an der Hand gepackt, und Axilla war wieder vor ihm. Piso hatte keine Ahnung, ob er schimpfen oder vor lauter Lachen laut losprusten sollte, als sie betreten ihre Hand zurückzog und sich entschuldigte.
    „Hm, ja, sicher...“, machte er also nur, ohne zum Ausdruck zu geben, ob er für gut befand, dass sie ihn angefasst hatte, oder nicht. Nun, was für ein angehender Priester wäre er, würde er die Gelegenheit auslassen, an einem fest zur Ehre eines Gottes mitzumachen? Es ging um keinen besonders hochrangigen oder olympischen Gott, aber auch Faunus war eines der unzählbaren göttlichen Gestalten, die die Welt der Römer bevölkerten.
    Er erblickte auch sogleich die drei maskierten Gesellen, die auf ihren Flöten herumtröteten. Piso kam eine distante Kindheitserinnerung. Eine Faunalia am Markt von Ravenna. Er konnte nicht mehr genau sagen, was dort getrieben worden war – er wusste nur noch, dass einer der Faune ihn, das kleine Kind, das er damals gewesen war, zum Tanze mitgerissen hatte. Und es hatte Spaß gemacht.
    Wie aufs Stichwort ging er nun seiner Begleiterin verlustig. Einer der Faune hatte sie sich geschnappt und hüpfte nun sehr wild mit ihr herum. Der Flavier schaute genau. Die Drehungen, die Schritte, die Wiegungen... er wusste nicht recht, was er sagen sollte. Die Musik wirbelte in seinen Gedanken durcheinander, sowie die visuellen Eindrücke, die sich ihm boten. Doch irgendwie gefiel es ihm. Er begann zu grinsen.
    Der Faun ließ Axilla irgendwann alleine, und Piso begann, auf Axilla zuzuschreiten. „Liebe Axilla!“, meinte er. „Das war schon ganz ordentlich. Sollte ich dir zeigen, was du besser machen könntest?“, fragte er. Tanzen war schließlich eine Kunstform – und somit lag sie komplett innerhalb von Pisos Metier.

  • Besonders viel Ahnung hatte Axilla von den Collegien nicht. Aber natürlich wusste sie, dass es auch solche Beamte dort gab, die sich nur um die Verwaltung des Ganzen kümmerten. In etwa so, wie es Urgulania in Alexandria als Exegete tat. Genaue Abläufe interessierten sie dabei eher weniger, und ihre Gedanken waren ohnehin zu diesem Zeitpunkt schon viel zu sehr bei dem Spektakel und dem Tanz, als dass sie mit Piso da vernünftig hätte diskutieren können.


    Ihr Herz schlug noch immer wie ein gefangener Schmetterling in der Brust, als Piso zu ihr herüberkam und sie fragte, ob er ihr zeigen sollte, wie sie es besser machen könnte. Verwirrt, aber nicht böse, schaute Axilla zu ihm hoch und legte leicht den Kopf dabei schief. Besser tanzen? Konnte man denn besser und schlechter tanzen?
    Für Axilla war Tanz kein Ausdruck von Kunst, für sie war das reines Gefühl, ungebändigt, ungebremst. Die Musik spielte nicht neben ihr, sondern floss dabei durch ihren Körper hindurch, zog ihn mit sich, so lange sie sich nur treiben ließ. Es gab keine Regel, kein kosmisches Gesetz. Es war nicht der Ordnung unterworfen. Für Axilla war Tanzen etwas urtümliches, instinktives, das Chaos selbst, die Domäne von Faunus. Nicht Apoll mit seinen schönen Klängen, den mathematischen, geordneten Regeln und Bahnen.
    Von daher verstand sie nicht, was es daran geben könnte, was man besser machen könnte. Gab es ein besser und ein schlechter beim Fühlen? Man fühlte, oder man fühlte nicht, man gab sich der Musik hin, oder man tat es nicht. Daher verwirrte sie die Frage ein wenig. Aber gleich darauf lächelte sie offen und ehrlich. Vielleicht war es ja nur seine Art, sie darum zu bitten, mit ihm zu tanzen? Immerhin war er Patrizier, da war er mehr Regeln unterworfen als ein Plebejer, auch wenn es da auch schon genügend gab.
    “Ja, zeig es mir, Piso“, meinte sie also freudig und stellte sich direkt vor ihn hin, streckte ihm schon leicht die Hände entgegen, damit er sie ergreifen konnte, wenn er wollte. Axilla hatte keine Angst vor Berührungen, im Gegenteil. Eigentlich waren sie ihr sogar sehr wichtig, zumindest bei denen, die sie mochte, als müsse sie sich damit überzeugen, dass sie wirklich da waren. Und sie hatte beschlossen, Piso gern zu mögen.

  • Das Tanzen war als Kunstform der Ästhetik unterworfen, und diese wiederum ganz spezifischen Regelungen, die, wenn es nach Piso ging, nur er in aller Deutlichkeit kannte. Alles außerhalb war Banausentum. Und das konnte man keinem Gott zumuten, nicht einmal dem wilden Faunus. Ihre Aufforderung, ihr zu zeigen, wie man ordentlich tanzte, nahm Piso also gerne auf. Denn er hielt Axilla nicht für eine Banausin. "Gut. Dann schauen wir mal, was passiert." Denn er selber wusste noch nicht, was als Tanz passend war.
    Er ergriff also ihre beiden Hände. Mit festem Griff, aber nicht zu fest. Eine Sekunde hörte er auf die Musik und dachte nach. Fröhliche Musik, kein Trauermarsch. Reigen. Lustig im Reigen tanzen. Terpsichore, Muse des Tanzes. Fast extasisch, wie bei Dionysien bei den Griechen.
    Der Flavier packte sich seine Tanzpartnerin und wuselte mit ihr nach links, wo er sich rasch rückwartig bei ihr einhackte und begann, rund um Axilla zu hüpfen. Kenner der Materie würden unweigerlich erkennen, dass Piso eine ein wenig primitive Form der Polka aus dem Hut gezaubert hatte. Der Flavier hatte keine Ahnung, ob Axilla wusste, wie ihr geschah, auf jeden Fall legte er eine rapide Drehung ein und tanzte nun in die andere Richtung, fast instinktiv, im Takt der Musik vorwärtshüpfend, mit den Beinen nach vorne schwingend. Die Musik wurde immer schneller, und so akzelerierten sich auch die Bewegungen des Flaviers.
    Schließlich ergriff er sie wieder und hastete wieder an ihre vorherige Position zurück, wo er sie losließ bis auf die linke Hand, die er noch immer mit der rechten umklammert hielt, und hob jene, um die Iunierin zu erlauben (oder zu zwingen, je nach dem, wie man es sah), sich im Kreis zu drehen.

  • Seine Hände waren wärmer als ihre, wie Axilla bemerkte, und größer. Es war ein lustiges Gefühl, ihn so bei den Händen zu halten, wenn es auch nur für ein paar Augenblicke war, in denen er einfach dastand und zu überlegen schien. Und dann hatte er schienbar eine ziemlich wilde Entscheidung getroffen.
    Mit einem erstaunten, kleinen Ausruf folgte Axilla dem Flavier. Sie brauchte einen kurzen Moment, bis sie begriff, was er da mit ihr machte, und dann folgte sie ihm instinktiv in dem kleinen Hopserlauf einmal rechtsrum, einmal linksrum. Er ging dabei so zielstrebig und bewusst an die Sache, dass Axilla ihm nur die Führung überlassen musste, um ihm gut folgen zu können, und damit hatte sie kein Problem. Schließlich hielt er ihre Linke nach oben, während er die Rechte freigab, und fast wie automatisch drehte sie sich einmal auf den Zehenspitzen um die eigene Achse. Die ganze Zeit jauchzte und lachte Axilla dabei, denn es machte unheimlich viel Spaß so. Sie musste nicht nachdenken, nur folgen, sie musste nicht planen, wie es weiterging, sondern nur vertrauen. Und sie vertraute Piso, ließ sich von ihm hierhin und dorthin drehen, bis ihr schließlich schwindelig war.
    Aus der Drehung kam sie mit etwas zu viel Schwung und Elan, und ganz leicht taumelte sie so gegen ihn. Nicht stark genug, um ihn damit umzureißen, aber ihre Körper stießen kurz zusammen und Axilla hielt sich kurz an seine Brust gestützt noch immer strahlend an ihm fest. “Mir ist schwindelig“ gab sie leicht kichernd zu und strahlte dann zu ihm hoch. “Du tanzt wirklich gut, vielleicht solltest du zu den Saliern.“

  • Und sie drehte sich im Kreis, so, wie es sich gehörte. Und hatte scheinends Spaß daran. Ebenso wie Piso, der nun endlich wieder einmal öffentlich seine eigenwillige Vorstellung der Ästhetik zelebrieren konnte. Der verrückte Flavier und die womöglich nicht minder verrückte Iunierin bekamen den einen oder anderen Blick, aber es waren Faunalien, und niemand schien sich groß zu scheren. Gerade wollte Piso kühn vorwärts preschen und einen neuen Tanzschritt ausprobieren (es wäre wohl eine verdrehte Mazurka rausgekommen). Da geschah es aber, dass Axilla in ihn reinrumste statt er in sie, wie geplant. Der Rumser war wirklich nicht stark, und resultierte nur darinnen, dass er mit dem linken Fuß zwei oder drei Zoll zurücktrat, um jegliches Risiko, nach hinten zu kippen, aus dem Wege zu schaffen. Zumal, da sie sich nun an ihm abstützte.
    „Schwindlig ist dir? Du solltest was trinken.“, meinte er fröhlich zurück, untermalt von farbenfroher Gestik seiner linken Hand, mit der er hinaufzuwedeln schien. Bei ihrer nächsten Ansage musste er aber lachen. „Ich und Salier? Nein, sicher nicht! Und außerdem, ich kann jetzt eh nicht mehr Salier werden. Ich bin nämlich schon Arvalbruder.“ Er grinste. „Dort tanzt man nicht, nein, man frönt höheren Künsten. Man... singt.“ Das letzte Wort sprach er voller Ehrfurcht und Demut aus, als ob er von einer Gottheit reden würde. In seinen Augen funkelte die Begeisterung. „Du musst wissen, ich singe sehr gerne.“ Wenn es auch nur die Wenigsten schätzen.

  • Oh, ja, trinken wäre jetzt gut. Axilla war zwar nicht kurzatmig, aber ein bisschen außer Atem war sie schon. Problem war nur: Hier gab es nichts zu trinken. “Ich glaube, um was zu trinken, müssen wir entweder in eine Schenke oder zu einem Brunnen. Ich seh hier nichts.“ Dass sie ihn bei dem Plan, etwas zu trinken, gleich mit einschloss,, war für Axilla irgendwie selbstverständlich. Sie unterhielt sich grade so toll mit ihm und es machte so viel Spaß, da kam ihr nichtmal in den Sinn, dass sie ihn vorher vielleicht hätte fragen sollen – oder noch besser, er hätte sie fragen sollen, immerhin war er der Mann.
    Sie hörte ihm zu, wie er vom Singen sprach, und lächelte zu ihm hoch. Seine grauen Augen blitzten geradezu, als er es erwähnte, und Axilla ließ sich nur zu gerne von Begeisterung anstecken. Fast schon schwärmerisch sah sie zu ihm hoch und bemerkte dabei die leicht belustigten Blicke so mancher Passanten nicht, die wohl hauptsächlich daraus resultierten, dass sie direkt vor ihm stand und zu ihm hinauflächelte, eine Hand noch immer unbewusst an seiner Brust, die andere noch immer in seiner Rechten, und ihm einfach mit leuchtenden Augen zuhörte. Wahrscheinlich sah es für Umstehende ein wenig anders aus, als es eigentlich in unschuldiger Naivität war.
    “Wirklich? Ich kann leider nicht Singen. Wenn ich's versuche, wird die Milch schlecht, zumindest sagen das immer alle. Aber ich hör sehr gerne zu. Vielleicht singst du mir bei Gelegenheit was vor? In Alexandria waren erst Spiele, wo auch sehr viele Künstler im Odeion gesungen haben. Das war sehr schön“, schwärmte Axilla dem Flavier vor, ehe sie dann doch den ein oder anderen Blick spürte und erst verwirrt dreinschaute. Mit einem erschrockenen “Oh!“ trat sie schließlich von Piso zurück, als sie bemerkte, was wohl so lustig war und sah mit immer röter werdenden Wangen zu ihm hoch. “Oh, das tut mir leid. Ich wollte dir … ähm... nicht zu nahe treten.“

  • Sim-Off:

    Und wieder mal: Verzeihung... ich komm zu gar nix mehr... :(


    Piso hob seine rechte Augenbraue doch ein wenig, als sie seine Aufforderung, etwas zu trinken, gleich in eine Einladung auf einen Drink zusammen umdeutete. Aber nun, wieso nicht? Es gab sicherlich schlechtere Leute, mit denen man einen heben konnte. „Natürlich!“, erwiderte er also. „Ich lade dich gerne ein. Wenn du mir sagst, wo hier eine Schänke ist...“ Wenn es hart auf hart kam, mussten sie bis zum Tiber trotten. Dort gäbe es sicherlich Trinkgelegenheiten en masse geben (was vielleicht ein Grund war, wieso so viele Besoffene in den Tiber auf Nimmerwiedersehen fielen...). Demonstrativ blickte er sich in einer vielleicht übertriebenen Geste um, sein Blick fand jedoch überhaupt nichts (und es war ja nicht so, dass er ein Zwerg war).
    Sie schenkte dem guten Piso wohl uneingeschränkt Glauben. Jener genoss natürlich das gefühl, für einen bedeutenden Künstler gehalten zu werden, und lächelte zurück. Dass die allgemeine Geste vielleicht ein bisschen anstößig aussah, das fand Piso nicht. Man sollte ja liberal und tolerant sein heutzutage!
    Nochmals hob er seine Augenbraue, dieses Mal aber die rechte, als Axilla begann, ihren eigenen Gesang zu verdammen. „Ich bin sicher, du kannst singen. Jeder kann singen, manche haben gefälligere Stimmen und manche extravagantere. So ist das.“, meinte Piso im Brustton der Überzeugung. „Und ich singe dir gerne vor. Wenn du bereit bist, auch mal die eine oder andere ungewöhnliche Nuance zu hören. Aber - wenn ich dir was vorsinge, musst du mir versprechen, dass du mir auch was vorsingst.“ Darauf wäre er gespannt. „Ach ja, von diesen Spielen habe ich gehört. Ich wäre gerne gekommen, aber man muss halt arbeiten.“ Er zuckte die Achseln. „Aber ich glaube dir, dass es schön war. Die Ägypter haben so ein gutes ästhetisches Empfinden... die ägyptischen Griechen, sollte man sagen.“, korrigierte er sich. „Wer hat denn gewonnen?“, fragte er neugierig nach. Den Namen sollte er sich vielleicht merken.
    Plötzlich bemerkte er, wie Axilla sich von ihm loslöste und irgendwelche seltsamen Vögel auf sie starrten, und zwar schon die längste Zeit. Er blickte auf und blickte entrüstst um sich. „Was soll das? Gibt es hier was Besonderes zu sehen, ha?“, fragte er ungewohnt provokant, woraufhin die Köpfe aber rasch eingezogen wurden.
    „Komm, Axilla.“, schlug Piso vor. „Hier gibt es nichts mehr für uns. Suchen wir was, wo wir was trinken können. In welche Richtung sollen wir gehen?“, fragte er.

  • Sim-Off:

    Nur kein Stress, läuft ja nicht weg


    Axilla war gerade mal ein paar Tage in Rom, und sie hatte natürlich keine Ahnung, wo eine Schänke sein könnte. Aber es freute sie, dass Piso der Vorschlag überhaupt gefiel. Sie hatte schon Befürchtungen gehabt, sie könnte mal wieder zu schnell gewesen sein, aber offenbar freute er sich auch darauf. Er lächelte ihr zumindest zu, nachdem er sich umgeschaut hatte.
    “Ich weiß keine, ich bin nicht ja erst so kurz hier, und allein in einer Schänke ist es doch langweilig, nicht?“ Sie lächelte zu diesem Zeitpunkt noch immer zu ihm hinauf und dachte sich nichts dabei. “Aber ich denke, wir finden schon irgendwo was geeignetes.
    Und keine Minute später brachte Piso Axilla dazu, ganz leicht rot zu werden. Er schien so sicher zu sein, dass ihre Stimme nicht so schlimm wäre, dass sie sich direkt ein wenig verlegen fühlte. Irgendwie war das ja süß, denn sie wusste, dass ihre Stimme wirklich nicht nur nichts besonderes, sondern zum Singen nicht geeignet war. Sobald sie laut sang, traf sie die Töne nicht mehr richtig, und im Flüsterton sang es sich selten gut. Aber ihre Neugier, ihn einmal singen zu hören, war zu diesem Zeitpunkt einfach größer als irgendwelche Scham, er könne sie wegen ihrer Stimme doch am Ende auslachen. Überhaupt war er so nett, dass sie nicht glaubte, er würde sie auslachen, selbst wenn sie schief sang.
    “Gut, abgemacht. Wenn du für mich etwas singst, singe ich dann auch ein Lied.“
    Axilla wollte gerade schon auf seine Frage nach den Spielen antworten, als Piso offenbar die Leute ebenso wie sie bemerkt hatte. Anders als sie war er aber mitnichten peinlich berührt. Nein, im Gegenteil, er scheuchte die Leute fort. Kurz stutzte Axilla und sah Piso an, als würde sie ihn erst jetzt richtig sehen. Und in gewisser Weise war das auch so, denn irgendwo in ihr machte etwas ganz tief innen drinnen einmal 'klick', als sie ihren Gesprächspartner das erste Mal bewusst als Mann wahrnahm. Er hatte sie verteidigt und beschützt. Nungut, vielleicht auch nur sich selber, weil die Blicke ihn geärgert hatten. Aber er hatte sich eben wie ein Kerl benommen, und nicht immer diplomatisch, korrekt und schüchtern wie ein geschlechtsloses Neutrum.
    Axilla war noch dabei, etwas überrascht zu ihm aufzuschauen, als er sie aufforderte, mit ihm zu kommen. Ganz automatisch trat sie zu ihm, in den Schatten seines Schutzes, ohne darüber nachzudenken, und erst seine Frage brachte sie dazu, aus dem beinahe tranceartigen Zustand herauszukommen. “Ich weiß nicht. Wo gibt es wohl am ehesten eine Schänke?“ Eigentlich war ihr die Schänke in diesem Moment doch recht egal, aber irgendwas musste sie ja sagen und irgendwohin mussten sie ja auch gehen. Also gingen sie schließlich in eine Richtung los, und Axilla hoffte nur, dass Piso die Veränderung in ihren Augen nicht sehen konnte. Und so ging sie ein paar schritte schweigend neben ihm her, bemüht, eben nicht zu ihm zu schauen (obwohl sie es wollte), nicht nahe bei ihm zu laufen (obwohl sie es wollte) und zu dem belanglosen Gesichtsausdruck zurückzufinden, der lediglich eine gewisse Schwärmerei für den Dichter offenbarte, und mehr nicht.
    “Oh, die Spiele“, fiel ihr dann nach einigen stillen Momenten doch wieder ein, und verlegen sah sie zu Piso hoch, musste kurz lächeln und sah deswegen fast gleich wieder schüchtern weg. “Also, gewonnen hat Penelope Bantotakis aus Alexandria. Sie ist Lehrerin am Museion, und ihr Großvater hat wohl auch schonmal sowas gewonnen. Aber nicht in Alexandria, sondern... ich hab's mir nicht gemerkt. Ich glaube, es war Delphi. Oder Korinth.“ Axilla zuckte mit den Schultern und merkte gar nicht, wie sie wieder ins Plappern abdriftete. “Auf jeden Fall ist sie jetzt am Museion, und ist die Frau vom Agoranomos, und die Schwägerin vom Strategos. Und es war wirklich sehr schön, auch wenn das Lied eigentlich ziemlich traurig war. Die anderen Lieder über Merkur – also, das war das Thema des Wettkampfes, die Leider waren alle über Hermes, die meisten über die Geschichte mit der Schildkröte und der Lyra – die waren fröhlich, aber ihres war eher dunkel. Naja, sie hat ja auch von der Totenstraße gesungen, da muss das wohl so sein. Aber es war wirklich sehr schön. Ein paar Zuhörer hatten sogar Tränen in den Augen.“
    Kurz fühlte Axilla sowas wie ein schlechtes Gewissen, weil sie dachte, sie hätte Nikolaos jetzt verpetzt. Aber sie hatte die Ergriffenheit des Gymnasiarchos schon bemerkt, auch wenn Pompeius Imperiosus sie insgesamt den ganzen Abend sehr abgelenkt hatte.
    Lächelnd sah sie wieder zu Piso hinüber. Er hatte schöne Hände. Und graue Augen. “tut mir leid, ich plappere glaub ich schon wieder.“

  • „Alleine in einer Schenke, das ist nie gut, da kann ich dir zustimmen.“, machte Piso freundlich. Tatsächlich hatte er sich schon das eine oder andere mal in der Taverne angesoffen, ganz alleine, ohne Unterhaltung, allenfalls mit Cassivellaunus, den er zwang mitzutrinken. Sein britischer Sklave erinnerte ihn immer wieder daran, dass er es schlechter hätte treffen können, dass er dümmer, hässlicher, unsympathischer sein könnte, als er es war. Und doch, hie und da fühlte er sich so alleine, wie er es hie und da in Tavernen war. Weil seine Decima nicht da war. Er verzog kurz das Gesicht, bevor e nach oben schaute und in ihm ein Plan reifte. Möglicherweise gab es da eine Art und Weise, wie er seinen Liebeskummer abschütteln konnte. Er müsste dafür sich noch erkundigen, was für ein Opfer am Angemessensten wäre für Venus. Doch er hatte schon eine Ahnung... ein Lächeln erschien auf seinen Lippen, und er wirkte auf ein Mal noch fröhlicher.
    „Sicher. Vor dir steht ein ausgemachter Tavernenexperte. Wir finden sicher was.“ Wo ich nicht schon Hausverbot habe – ach, die Geschichte würde ihm wohl ewig nachhängen. „Und ich freue mich schon auf deine Gesangskunst.“, machte er in froher Erwartung der Töne, die schon bald Rom durchschwirren würden.
    Als Piso den Kerlen rund um sich seine Meinung kund getan hatte, blickte niemand mehr zu ihnen hin. Erstens war der Flavier ein Patrizier, und dann war er auch nicht so elend schmächtig. Er sollte wirklich schauen, ob er ein Tribunat bekommen würde, dachte er sich. Er mit soldatisch gebundenem, klirrendem Gürtel, mit wildem Blick und Bartstoppeln durch Rom schreitend – das wäre mal was anderes. Da würde ihm niemand mehr dumm kommen. Ha! Wenn er daran dachte, wie oft er als Kind ob seiner merkwürdigen Neigungen von den Straßenbengeln verprügelt worden war. Die würden noch schauen.
    Er bemerkte gar nicht, dass Axillas Bewegungen nun wohl ein wenig seltsam wurden, er blickte nur rund um sich. „Da lang.“, beantwortete er Axillas Frage und deutete in die Richtung, wo sich wohl der Tiber befinden mochte. Fast schon hätte er nach Axillas Hand gegriffen, um sie mit sich zu zerren, da fiel ihm ein, dass das möglicherweise auf Widerstand stoßen konnte. „Öhm... Axilla? Soll ich deine Hand nehmen? Damit wir uns nicht verlieren?“ Er blickte nach hinten zu ihr, ein bisschen länger als nötig, aus seinen silbrig-farbenen Augen, ohne dass er wusste, was für einen Effekt gerade diese Augenfarbe auf Axilla hatte.
    Als sie sich endlich daran machten, durch die Menschenmenge zu gehen, hörte er doch endlich noch die Antwort auf seine Frage. Er blickte neugierig zu ihr hin, um ihr sein Interesse zu signalisieren. „Penelope Banthotakis. Hmm. Ich muss mir den Namen merken.“ Er fühlte sich aber nun doch mit dem Wortschwall, dem ihr Axilla angedeihen ließ, etwas überfordert. „Mensch, ich hätte nach Aegyptus geschickt werden sollen, und nicht Imperiosus. Borks.“, meinte er. „Ich hätte da vielleicht auch noch eine Aufführung gemacht, ganz sicher sogar!“ Mit seiner linken Hand fuhr er sich stolz an die Brust, mit seinen Fingerspitzen gerade einmal seinen Brustkorb berührend. „Aber das Schicksal meinte es anders. Vielleicht gibt es auch einmal einen solchen Wettbewerb in Rom.“ Für Piso müsste man hoffen, das niemand in Rom jemals auf solch eine Idee käme.
    „Du hast da aber nicht teilgenommen?“, fragte er, nur um sich ganz sicher zu sein.
    Genau in diesem Moment schien er aber etwas zu erblicken, genau in dem Moment, in dem sie aus dem Viehmarkt herauskamen. „Ah, schau einmal da vorne, Axilla! Das...“ Er blickte auf eine Taberna, die er entdeckt hatte, und rümpfte seine Nase. „Oder nein, doch nicht. Schau einmal, was sie dort anbieten. Gallischen Caecuber. Gallischen, stelle dir das einmal vor! Die Gallier können niemals einen guten Wein machen.“, war er sich sicher. „Bald einmal müssten wir beim Tiber sein. Dort gibt es sicher Besseres als das.“ Eine Taberna sollte doch gewisse Anforderungen erfüllen. Doch er wollte jetzt sicher nicht mit Axilla den ganzen Weg zum Forum Romanum gehen, wo sein Lieblingslokal stand.

  • Axilla war bislang weder allein noch in Gesellschaft in einer Schenke gewesen, außer, Nikolaos brauchte etwas geschäftliches von Cleonymus und dieser befand sich gerade in seiner Schenke. Nun, außer das eine Mal mit Timos, aber daran hatte sie keine rechte Erinnerung mehr, weshalb es nicht wirklich zählte. Aber da sie ohnehin von einem halben Becher Rotwein schon betrunken wurde, war das auch eigentlich ganz gut so. Ob es allerdings in diesem Zusammenhang auch so gut war, dass Piso ein 'Tavernenexperte' war, war wohl zu bezweifeln. Ein klein wenig hatte Axilla ja schon Angst, dass er wesentlich früher eine Gesangsprobe bekommen könnte, als sie plante, aber andererseits wollte sie jetzt noch ein Weilchen bei ihm sein. Und so schlimm würde es schon nicht werden, bestimmt hatte die Schenke auch etwas, wovon man nicht so schnell betrunken wurde.


    Und dann, als Axilla gerade noch damit beschäftigt war, nicht zu tun, was sie wollte, kam Piso und schaute sie so lange und eindringlich an und fragte nach ihrer Hand. Einen Moment schaute sie ihn an wie vom Blitz getroffen, schaute einfach nur zurück in seine Augen und wusste nicht, was sie antworten sollte. Er hatte wunderschöne Augen.
    “Ähm, ja, das ist eine gute Idee“, meinte sie dann, als sich ihr Blick geradezu auf den Boden schräg vor ihr tackerte und sie sich wieder gefangen hatte. Nur kurz schaute sie etwas vorsichtig zu seiner Hand auf, um sie zu ergreifen.
    Es fühlte sich irgendwie interessant an, sie war schon eine Ewigkeit mit niemandem mehr so gelaufen. Seine Hand war größer als ihre, die Finger fühlten sich interessant an. Sie waren gepflegt und weich, aber doch fühlte sie die ganz feinen Stellen vom Üben mit den Saiten seines Instrumentes, wo die Haut etwas dicker war. Sie kannte solche Hände noch nicht. Sie versuchte, dem Drang zu widerstehen, sie sich genau anzusehen und zu befühlen.
    Sie gingen so weiter, und Piso ärgerte sich, dass er nicht in Ägypten gewesen war. “Naja, vielleicht kannst du ja nochmal hinreisen? Es ist wirklich sehr schön da. Naja, das weißt du ja...“ Immerhin hatte er vorhin noch erzählt, dass er schon einmal dort gewesen war.
    “Wie, ich?“ schaute Axilla dann doch noch einmal verwirrt auf in seine Augen, als er sie fragte, ob sie daran teilgenommen hatte. “Nein, ich doch nicht. Ich kann ja nichtmal ein Instrument spielen.“ Sie reckte ihre freie, rechte Hand vor und zeigte sie ihm wie zum Beweis. “Zu kurze Finger“ meinte sie nur und schaute etwas zweifelnd auf ihre Hand. Schwerthand huschte durch ihren Geist. Gut, um einen Griff zu halten, schlecht für Instrumente. Schade nur, dass sie kein Junge war.
    Beinahe etwas verlegen ließ sie die Hand wieder sinken und schaute weiterhin in der Gegend herum, um nicht in Versuchung zu geraten, zu Piso zu schauen. “Aber dir würde ich gerne mal zuhören“, meinte sie noch, als sie scheinbar interessiert einem Straßenköter hinterherblickte, der versuchte, hier und da ein paar Schlachtabfälle zu erhaschen.


    Dann richtete der Flavier ihre Aufmerksamkeit auf eine Schenke, entschied sich dann aber doch dagegen, und sie gingen weiter. “Ist gallischer Wein denn so schlecht? Ich hab noch nie welchen getrunken. Nur den ägyptischen, aber der ist fast immer mit Palmwein versetzt. Ar... also, Aelius Archias, meinte, dass der sehr stark sei im Vergleich zu anderen Weinen. Aber ich kenn sonst nur den, den mein Vater in Tarraco selber gekeltert hat. Und der zählt nicht.“ Sie lächelte kurz verlegen zu ihm hoch. “Vater meinte immer, der rollt einem die Zehennägel hoch, so schlecht wäre er. Aber es war seiner.“ Sie schenkte Piso einen entschuldigenden Blick und hatte keine Ahnung, warum sie das überhaupt erzählt hatte. “Aber du kannst mich ja beraten, so als Experte“, setzte sie noch rasch hinzu.

  • Hmm, ja, das war ein gutes Gefühl, als sie seine Hand ergriff, geradezu FANTASTISCH, wollte man direktgehend sagen. Piso blickte angestrengt nach vorne, als ob er dort etwas sähe, und verbiss sich ein Grinsen. Nur aus seinen Augen heraus konnte man ein Leuchten sehen, das Leuchten aus den Augen eines Menschen, der sich der Tatsache bewusst sein schien, dass es gut lief mit den Mädels.
    Ihre Hand fühlte sich samtig an. Ein wenig, als ob man in den Sand griff und sich diesen durch die Finger rieseln ließ. Oder als ob man in einen Stoffballen hineingriff und dort herumwühlte. Ja, vielleicht könnte man sagen, ihre Hand fühlte sich stoffig an. Was war das für ein seltsamer Gedanke? Er hielt ein, schüttelte den Kopf und zog Axilla weiter. Keine Zeit verlieren.
    „Na ja, wann gibt es denn wieder so einen Wettbewerb?“, fragte er. „Sicher einige Zeit nicht mehr. Vielleicht bin ich bis dahin schon Senator. Kannst du dir das vorstellen?“ Er lachte glucksend. „Ich weiß nicht, aber ich weiß nicht, ob ich noch nach Aegyptus komme. Vielleicht in einem anderen Leben. Nun ja, vielleicht machen sie so einen Wettbewerb mal in Rom, wie gesagt.“ Er zuckte die Schultern und schlängelte sich vorsichtig weiter durch die Menschenmenge durch.
    Er blickte sich nur kurz um, um zu zeigen, wieso sie kein Instrument spielte. „Das ist doch Unsinn.“ Er hatte zwar durchaus lange, dünne Uhrmacherfinger, aber davon hängte das nicht ab, war er sich sicher.
    „Jeder kann Instrumente spielen. Axilla, nimm einfach einmal ein Instrument zur Hand, und klimpere darauf herum. Die Musik wird zu dir kommen, du wirst dem nicht widerstehen können.“ Er blieb stehen und blickte sie wieder an. „Die Musik ist in jedem von uns. Du musst sie nur finden. Probiere es einfach einmal aus.“ Große Worte! Doch ob sie wahr waren? Piso hielt sie für goldrichtig, drehte sich wieder um und schleppte die Iunierin weiter.
    „Gerne zuhören? Oh sicher, das lässt sich einrichten!“, meinte er und blinzelte freundlich zu ihr zurück. „Es freut mich, in dir habe ich sicher eine gute Zuhörerin!“ Nochmal lachte er. „Du bist nämlich keine Banausin, das sehe ich gleich.“ Wenn so etwas von Piso kam, war das ein sehr großes Kompliment, dass konnte man gar nicht wirklich schätzen, wenn man ihn nicht gut kannte.
    „Gallischer Wein!“, kam er dann auf etwas anderes zu sprechen, als sie die Schenke passierten. „Der absolute Abschaum ist das! Grausam! Fürchterlich!“ Es schüttelte ihn. „Es ist, als ob man aus einer Kloake trinkt. Jedes Mal, wenn ich gallischen Wein trinke, denke ich, da hat jemand in letzter Sekunde noch einem Löffel aus einem Jauchenfass dazu gegeben!“ Er schüttelte energisch den Kopf. „Und die Aegypter, die panschen ihre Weine? Hätte ich mir auch denken können. In Aegyptus kannst du sowieso nichts Gescheites trinken außer Bier, so barbarisch das Gesöff auch ist. Sag, wieso zählt der Wein deines Vaters nicht?“, fragte er erstaunt und bekam sogleich die Antwort. „Hmm. Dann muss das schlechter Wein sein. Aber ich frage mich, wieso man die eigenen Produkte so runterzieht. Man sollte stolz auf das sein, was man erreicht.“, war er sich sicher. Dass Axilla sich fragte, wieso sie ihn so zulaberte, verstand Piso nicht. Er mochte den Klang seiner eigenen Stimme und verstand es auch, wenn andere Leute das taten.
    „Sicher mache ich das!“, versicherte er ihr. „Zum Beispiel hier!“ Sie blieben wieder stehen, und er deutete auf einen Laden. Ein normales Gasthaus, zwischen zwei Insulae hineingebaut, doch die Ziegel schienen ein wenig dunkler als die der Häuser rundherum. „Taberna Fenicularia“ hieß sie. „Die Fencheltaverne. Da frage ich mich, was es damit auf sich hat.“, meinte er befriedigt. „Und da! Kampanischer Wein. Das beste vom Besten.“ Er deutete auf das Schild vor der Taverne. „Versuchen wir das?“

  • Soweit Axilla wusste, waren diese Wettbewerbe alle zwei oder vier Jahre, also eigentlich fast andauernd. Nungut, nicht unbedingt in Alexandria, aber dann eben irgendwo in Achaia. Wenn Piso bis dahin schon Senator war, dann war er sehr erfolgreich. Wobei... eigentlich wusste sie ja gar nicht, welche Stellung er hatte, vielleicht berief ihn der Kaiser ja schon bald zum Senator? Er sah zwar noch ein wenig jung dafür aus... wobei... bestimmt war er so alt wie Archias. Und wie alt war der eigentlich? 30? 35? Für eine Siebzehnjährige also kurz zusammengefasst 'alt', auch wenn er sich noch jung benahm, ebenso wie Piso.


    Sie war noch in Gedanken, als ihr Begleiter sie zu sich herumdrehte und ihr dabei ganz eindringlich und selbstsicher in die Augen sah. In ihr war Musik? Da war er sich sicher? Axilla würde verneinen, dass in ihr Musik war. Musik hatte etwas mit Harmonie und Ordnung zu tun, und wenn etwas in ihr war, dann sicher keine Harmonie und erst recht keine Ordnung. Ob eine Kakophonie wohl als Musik zählte? Das wagte Axilla zu bezweifeln.
    Aber Piso sah so selbstsicher drein und schaute sie so bestimmt an, dass Axilla ihm gerne glauben wollte. Widersprechen hätte sie sich so nicht getraut, und der Flavier hatte eine bestimmte Art bei diesen Worten an sich, dass Axilla bereit war, ihm alles einfach nur zu glauben und sich führen zu lassen, ohne zu hinterfragen.
    “Ich kanns ja mal versuchen“, meinte sie ein wenig unsicher und versuchte, nicht zu sehr die ganze Zeit in seine Augen zu schauen. Aber es ging nicht so leicht, übten sie doch eine magische Anziehung auf Axilla aus, so dass sie wohl doch mehr als schicklich hineinschaute. Erst sein Kompliment brachte sie schließlich wieder dazu, doch wieder mehr auf den Weg zu achten, weil sie verlegen wegschaute. Sie wusste nicht, was er mit Banausin genau meinte. Sie hatte eigentlich keine Ahnung von Musik, also war sie doch eigentlich eben das, was er abstritt, dass sie sei, oder? Aber es klang so nett, dass er es sagte, also widersprach sie auch hier wieder nicht und lief stattdessen lieber etwas schüchtern ganz leicht rot an.


    Sie hörte sich genau seine Einschätzung von gallischem Wein an. Ja, das klang wirklich furchtbar. “Na, da hab ich ja Glück, dich dabei zu haben, sonst wäre mein erster Tavernenbesuch in Rom sicher in einer Katastrophe geendet“, lächelte sie ihn an. Ihr Problem bei Wein bestand ja darin, dass sie gleich betrunken wurde. Aber wenn schon, dann wenigstens von etwas, das gut schmeckte. Nicht von etwas, dass nach Jauche schmeckte.
    Sie gingen noch weiter und Piso echauffierte sich über die Einschätzung ihres Vaters wegen des Weines. Das war wiederum ein Punkt, an dem sich in Axilla etwas regte. Er hatte ihn zwar nicht direkt angegriffen, dennoch drängte etwas in Axilla, sofort zur Verteidigung ihres Vaters einzuspringen und den Mund aufzumachen. “Aber er war stolz auf das, was er erreicht hat. Dennoch ist Ehrlichkeit eine Tugend, die höher einzuschätzen ist als Stolz. Und außerdem mag man Dinge wegen ihrer guten Eigenschaften, aber man liebt sie wegen ihrer Fehler.“
    Bumm! Betreten schaute Axilla danach zu Boden, aber der Rücken war gerade durchgestreckt. Es tat ihr leid, wie sie das eben gesagt hatte, aber nicht, was sie gesagt hatte. Auf ihren Vater ließ sie absolut nichts kommen, auch keine indirekte, kleine Anspielung. Da blockierte einfach etwas in ihr. Trotzdem fühlte sie sich schlecht und schuldig jetzt, weil sie es netter hätte sagen sollen. Piso hatte es sicher nicht böse gemeint.
    “Ähm, tut mir leid, ich bin manchmal... sehr direkt und denke nicht nach, bevor ich den Mund aufmache“, kam eine halblaute Entschuldigung.
    “Ähm, wollen wir in die Schenke gehen?“ Vielleicht wollte er jetzt ja gar nicht mehr? Sie kannte ihn nicht gut genug, um das abzuschätzen.

  • „Na also! Geht doch!“, freute sich Piso. Hatte er doch wieder jemanden breit geschlagen zum Ausprobieren von Musik! Und außergewöhnliche Stimmen waren doch immer wieder die Schönsten, dachte er zumindest, und lächelte befriedigt. Dass sie sich wunderte, wann er zum Senator berufen werden würde, oder ihre Sorgen, was ihre Gesangsstimme betraf, bekam er nicht mit. Wieso denn auch? Er konnte ja keine Gedanken lesen, und was er gedacht hätte, wenn er dies tun hätte können, war wohl müssig. Vielleicht hätte er einfach nur gelacht vor lauter Gaude. Jung benehmen, besonders über diesen Ausdruck hätte sich der geborene Kindskopf Piso zerkugelt.
    Was er aber mitbekam, war, dass sie rot anlief. Wieso denn das? Hatte er etwas falsches gesagt? Piso war sich natürlich der Tatsache bewusst, dass es Leute gab, die schnell erröteten – nicht jeder konnte so schneidig, so toll und so gut sein wie er, und nur so schwer rot anlaufen wie er, dachte er sich übermütig und erhöhte die Schnelligkeit seiner Schritte.
    Sie sprach davon, dass sie das Glück hatte, mit ihm zusammen zu sein? Ah, sehr gut. Sie erkannte, dass es nichts Besseres gab, als mit ihm zusammen zu sein, das war doch was! Und nicht nur, weil er ein Weinkenner von erlesenster Qualität (wenn schon nicht von Rang und Namen) war. Um ganz ehrlich zu sein – gallischer Wein war gar nicht so schlecht, aber für den Luxus liebenden Piso war das Beste gerade gut genug. Er gab also gar keine Antwort, sondern lächelte nur und nickte mit dem Kopf.
    Das Lächeln verging ihm aber, als sie sich plötzlich seltsam benahm. Fuhr sie ihn an, oder wie? Er blickte erstaunt auf die Iunierin, die plötzlich zusammenknickte und sich entschuldigte. Was? Er kam jetzt gar nicht mehr mit. Ehrlichkeit, das hatte er auch einmal als Ideal empfunden. Aber wer in der Politik ehrlich war, kam nicht weit. Wie sollte jemand vorm Senat stehen, sich bewerben und dabei unangenehme Sachen nicht verschweigen? Man musste ja nicht lügen. Aber die Wahrheit war nicht immer die Lösung. Er entschloss sich also zu einer diplomatischen Lösung.
    „Nein, Axilla! Ich muss mich entschuldigen! Ich habe impliziert, ich würde deinen Vater nicht für einen hervorragenden Mann halten. Wo sind meine Manieren geblieben? Es tut mir Leid.“ Er blickte sie mit einem verknitterten Gesichtsausdruck an wie ein alter Molosserhund mit faltigem Gesicht. „Du hast schon Recht, schon Recht...“ Auf das, was sie gesagt hatte, ging er aber nicht mehr ein.
    Er wandte sich stattdessen zur Taverne hin. „Gut, gehen wir hinein!“ Er betrat die Taverne und blickte sich um. Es sah eigentlich ganz ordentlich aus. Die Wände waren rot angekieselt. Es war recht voll, was Gutes versprach, doch nicht zu geschäftig. Zweier- oder Dreiergruppen von Leuten saßen an ihren Tischen herum und unterhielten sich halblaut. Es war recht hell, dafür sorgten mehrere Fenster, durch die tageslicht durchdrang. Es roch gut aus der Küche. Ein Kellner wieselte sofort zu ihnen hin. „Bitte, Herrschaften, nehmt Platz!“, bat er sie und wies auf einen Tisch. Piso setzte sich. „Worauf hättest du Lust, Axilla?“, fragte er.

  • Im ersten Moment schaute Piso etwas verwirrt, doch dann sah Axilla aus den Augenwinkeln, wie sein Gesicht entschuldigender wurde. Und tatsächlich, er entschuldigte sich auch bei ihr und schien es ihr mitnichten übel zu nehmen, dass sie die Ehre ihres Vaters so vehement verteidigt hatte. Er gab ihr sogar Recht! Axilla blickte erst etwas unsicher auf und suchte in seinem Blick nach Anzeichen dafür, ob er es ihr auch wirklich nicht übel nahm und ehrlich meinte, aber sie konnte mal nichts finden. Etwas Unsicherheit blieb zwar zurück, wurde aber von der Freude erstmal überdeckt.


    Sie betraten also die Schenke, und etwas neugierig sah sich Axilla hir drinnen um. In Alexandria war sie ab und zu mal in eine Taverne hinein- und gleich wieder hinausgegangen, um irgendwelche Schreiben zu überbringen oder dergleichen, aber wirklich hingegangen, um etwas zu trinken, war sie nie. Essen hatte es an hunderten von Garküchen oder Ständen am Xenai Agorai gegeben,d a hatte man nirgends einkehren müssen. Bis auf den einen Besuch mit Timos war sie also noch nie in einer Schenke so wirklich gewesen, so dass das alles furchtbar aufregend war und ihr Herz heftig pochte.
    Sie suchten sich einen freien Platz, denn hier schien es gut besucht zu sein. Nicht so, dass es eng gewesen wäre, aber doch so, dass man es nicht als gruselige Spelunke betiteln würde. Überhaupt war der Raum sehr hell und gut gelüftet, so dass ein hungrig machender Duft von der Küche herüberzog.
    Kaum saßen sie, kam auch schon ein Angestellter, und Piso schien ihr die Bestellung überlassen zu wollen. Wollte er ihr nicht helfen? Sie hatte doch gesagt, sie kannte sich nicht aus! Sie sah einmal etwas hilflos zwischen Piso und dem Kellner hin und her, und überlegte, was sie sagen sollte.
    “Ähm... kampanischen Wein?“ Das war mehr eine Frage, als eine Bestellung, aber Piso war davon ja vorhin ganz begeistert gewesen, als er es gelesen hatte. Also riet Axilla einfach, dass er den wohl auch trinken wollte, und wenn jetzt kein Widerspruch kommen würde, dann lag sie damit wohl auch nicht zu sehr daneben.

  • Ja, diesen Zug hatte Axilla wohl gewonnen. Was heißt gewonnen? Piso mochte zwar nicht so aussehen, aber er hatte Manieren. Was sollte man einer Frau widersprechen in einer solch unwichtigen Angelegenheit – zumindest redete er sich ein, es wäre eine solche, auch wenn er innerlich sich dachte, es gäbe da ein größeres Bild, in dem er den Widerspruch sehen sollte. Wurscht. Apropos, es roch nach lukanischen Würsten. Der Geruch zog ihn zurück in die Wirklichkeit. Er saß an einem Tisch mit einer wunderschönen Frau, da galt es, fokussiert zu bleiben und nicht herumzuträumen, egal, in welcher Art auch immer.
    Er nahm ihre Bemerkung, die eher wie eine Frage klang, zur Kenntnis, unterdrückte ein resigniertes Seufzen, wandte sich an den Kellner und meinte zu ihm hin: „Komm später wieder, in so einer kurzen Zeit kann sich doch niemand entscheiden.“ Der Mann verneigte sich und eilte wortlos davon.
    Piso wandte sich wieder an Axilla. „Also, die Frage ist, was du willst. Willst du etwas ganz Edles? Etwas Rustikal-Bodenständiges? Etwas Herbes, oder eher etwas Lieblicheres? Säuerlich oder Süßlich, oder etwas in der Mitte? Rot oder Weiß?“ Er blickte sie fragend an. Vage schwebte die Einsicht in ihm herum, dass er sie mit seinem Frageschwall überfordern könnte, doch er verdrängte sich diesen Gedanken. Er hatte schon vor einer Stunde den Fehler gemacht, Axilla zu unterschätzen, er würde es einmal versuchen, indem er sie für voll nahm. „Hast du überhaupt eine Präferenz, was das angeht? Ob Rot- oder Weißwein?“ Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. Er nahm stark an, Axilla würde zumindest grob wissen, was sie in dieser Hinsicht mehr mochte. „Oder aber Roséwein?“, fiel ihm noch ein. Besonders verbreitet war er ja nicht, aber unter Frauen beliebt. „Wir könnten natürlich von allem etwas nehmen. Ein Sortiment an verschiedenem Wein. Oder... ist es überhaupt Wein, was du suchst? Würde dir vielleicht Bier, Most oder Schnaps mehr gefallen?“, wollte er wissen. Vielleicht konnte man alles zusammen nehmen und eine Sauforgie starten. Das wäre irgendwie schön.
    So, das waren jetzt genug Fragen, an denen Axilla herumnagen konnte. „Wenn dir ein Begriff nicht klar ist, frag einfach nach.“, bot er deshalb noch an.
    Mit Spannung erwartete er ihre Antwort, schließlich sagte der Weingeschmack einiges über die jeweilige Person aus – dachte sich Piso zumindest.

  • Offenbar war das die falsche Antwort gewesen, und Piso schickte den Kellner nochmal weg. Axilla sah entschuldigend drein, sie wusste es doch einfach nicht besser. Warum auch sollte ausgerechnet sie bestellen, wo der Experte doch eigentlich direkt daneben saß? Und dass er Experte war, bewies er gleich, indem er Axilla hundert Dinge fragte, über die sie sich noch nie in ihrem Leben Gedanken gemacht hatte. Was um Elysiums Willen war Roséwein?
    Axilla öffnete einmal den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder, als sie erstmal ihre Gedanken in die richtige Reihenfolge bringen musste. Sie sah dem Kellner nochmal hinterher, aber der war schon am Bedienen anderer Gäste. Hier war offensichtlich keine Hilfe zu erwarten. Etwas verlegen schaute sie wieder zu Piso rüber, und rückte näher, als müsse sie ihm ein Geheimnis anvertrauen. Sie flüsterte auch, damit niemand mithörte.
    “Ich weiß nicht, was für ein Wein gut ist. Ich trink eigentlich so gut wie nie welchen, weil ich immer ganz schnell betrunken werde. Ich hoffe, du hältst mich jetzt nicht für einfältig, aber ich hab einfach noch nie so wirklich Wein getrunken.“
    Sie sah ihn an, als hätte sie ihm eben gestanden, unfruchtbar zu sein oder ähnlich katastrophales. Sie hatte ihn gern und wollte, dass er eine gute Meinung von ihr hatte. Aber mit ihren 17 hatte sie von so einigem einfach mal keine Ahnung. Sie hoffte nur, dass das nicht zu schlimm war.
    “Vielleicht etwas süßeres, das nicht zu schwer ist? Rot, weiß... ich weiß nicht? Kannst du nicht was vorschlagen?“
    Hoffnungsvoll sah sie zu Piso auf und merkte dabei erst, dass sie ja noch immer ganz direkt neben ihm saß, so dass ihre Arme sich sogar berührten. Fast etwas verschreckt rückte sie wieder auf angemesseneren Abstand von ihm weg, mit einem gemurmelten “Entschuldige“ auf den Lippen.

  • Hatte er jetzt was Falsches gesagt? Axilla wirkte grundlegend verunsichert. Was Piso veranlasste, ebenfalls nicht eben selbstbewusst nun aus der Wäsche zu schauen. Er wollte gerade zu weiteren Ausführungen ansetzen, da hörte er, was Axilla zu ihm sagte, ganz leise, wispernd, in sein Ohr.
    „Hmm...“, wa das einzige, was ihm entfuhr. Er begann, feste an seinem Kinn zu knubbeln, und blickte sie konsterniert an. In diesem Moment kam ihm der Gedanke, sie könnte jünger sein, als er es angenommen hatte. Ei der Daus.
    „Das ist nicht schlimm.“ Seine Beschwichtigung wurde mit einem Lächeln untermalt. „Jeder hat mal klein angefangen, nicht wahr?“ Er selber hatte, durch seinen Vater, früh mit der Kunst der Alkoholvernichtung begonnen.
    „Also gut. Was Leichtes, Süßes.“ Kurz dachte er angestrengt nach, als ob es darum ginge, eine Entscheidung von richtiggehend politischen Ausmaßen zu fällen.
    „Nun gut. Ich würde vorschlagen, einen ganz leichten Rosé oder Weißwein. Fangen wir mit Weißwein an, oder? Ich denke, der sardische Weißwein würde dir gefallen. Er ist ziemlich lieblich und keine schwere Kost. Kampanischer Wein ist weniger etwas für den Anfang.“ Sein Entschluss stand fest, und sein Arm schoss hinauf. „Kellner!“, rief er, woraufhin jener sofort gewieselt kam (patrizische Schuhe zu haben war doch immer wieder eine feine Sache). „Sardischer Weißwein. Habt ihr das?“ Der Kellner nickte. „Zwei Amphoren. Willst du den leichteren oder den...“ „Den Leichteren!“, unterbrach Piso den Mann, der sich verneigte und hinfortrannte. Zackig brachte er den Wein daher und schenkte ihn in zwei Becher. Einen stellte er vor Piso hin, einen vor Axilla.
    Piso lächelte vergnügt und verbiss sich ein scharfes Kommando á la „Runter mit einem Zug!“. „Nimm es mit Ruhe.“, sagte er stattdessen. „Lass den Wein über deinen Gaumen rinnen. Nur einen kleinen Schluck. Und schmatze, wenn du ihn geschluckt hast. Kein Scherz. Ich zeige es dir.“ Er nahm einen winzigen Schluck aus seinem Becher, schluckte und schmatzte garstig. „Hmm! Sehr gut. Damit kannst du diekomplette Fülle des Geschmacks ausloten. Jetzt du.“

  • Zum Glück war ihr Piso auch dieses Mal nicht böse, auch nicht, dass sie ihm so auf die Pelle gerückt war. So langsam entspannte sie sich und begann zu glauben, dass Archias Freund vielleicht auch so unkompliziert war wie Archias selber. Dann brauchte sie sich über ihr loses Mundwerk keine Gedanken machen, oder über ihre Unkenntnis.
    Er orderte auch gleich einen Weißwein, und Axilla war erstaunt, wie sehr sich der Kellner beeilte. Das musste wohl eine sehr gute Taverne sein, oder der Mann musste wichtige Termine haben. Denn es dauerte keine zwei Minuten, da hatten sie auch schon einen Krug mit hellem Wein und zwei Becher vor sich stehen und bekamen sogar eingeschenkt, ehe der Mann weiter war. Axilla schaute ihm noch einen Moment verwundert hinterher, als Psio ihr das mit dem Wein erklärte.
    Sie drehte sich also wieder dem Flavier zu und lauschte genau, was er sagte. Bei dem Schmatzen allerdings glaubte sie, er wolle sie veralbern. Ganz kritisch beäugte sie ihn, wie er es vormachte und tatsächlich zufrieden wie eine Katze bei einem Schälchen voll Sahne vor sich hinschmatzte. Es kostete doch einiges an Selbstbeherrschung, das aufkeimende Grinsen zu unterdrücken, aber ihre Mundwinkel zuckten doch immer wieder. Doch schien das kein einseitiges Amusement zu werden, denn er forderte sie auch gleich dazu auf, sie solle jetzt trinken. Und schmatzen.
    “Meinst du wirklich?“ fragte sie ihn noch einmal, diesmal doch lächelnd, gab sich dann aber auch gleich einen Ruck und nahm einen Schluck Wein. Er war süß und leicht auf der Zunge, erinnerte ein wenig an Erdbeeren oder Pflaumen, und fühlte sich an wie flüssiger Honig. Axilla schluckte und schmatzte ein paar Mal leise, ehe sie lachen musste. Sie hielt sich den Mund mit der Hand, um das Kichern zu verbergen, aber sie kam sich dabei so unglaublich dämlich vor. Auf der anderen Seite, es machte Spaß.
    “Warte, ich mach nochmal“, meinte sie, als sie glaubte, sich gefangen zu haben. Beim Ansetzen des Bechers musste sie zwar einmal noch ganz kurz prusten, aber das war schnell unterdrückt. Mit dem Versuch, möglichst ernst zu bleiben, nahm sie also nochmal einen großen Schluck – schließlich sollte sie etwas schmecken – und schmatzte danach einmal.
    “Schmeckt nach Beeren, oder?“ fragte sie Piso, jetzt doch offen lächelnd. Auch wenn es nur ein paar Schlucke gewesen waren, zauberte der Wein einen ganz zarten, rosa Schimmer auf Axillas Wangen, der nichts mit Verlegenheit zu tun hatte.

  • Es war nicht nur so, dass Piso nicht nur nicht sauer gewesen war auf Axillas Aktionen, sondern sie gar nicht bemerkt hatte (der Grund war wohl eine sekundenlange delirische Umwolkung, die gerne dann und wann passierte). Er hätte wohl noch einmal vorm Abschicken Axillas Beitrag durchlesen sollen. :D
    Piso war, im Gegensatz zu Axilla, ganz und gar nicht erstaunt, dass der Kellner so spurte. Schließlich hatte er hier die Möglichkeit, einem reichen Patrizier ein gutes Trinkgeld abzuluchsen, oder auch nur dazu zu animieren, wieder zu kommen und sein Geld hierzulassen. Denn egal, wie gerne Piso über seine Armut lamentierte – er war nicht arm.
    Es war schon bewundernswert, wie Axilla Pisos Getue aufnahm. Der Patrizier nahm das, was er predigte, sowieso bierernst, und so fühlte er sich in seinen Worten nur allzu bestätigt. Ein Funkeln aus seinen Augen kündete davon, wie sehr Piso mittlerweile von sich selber eingenommen war.
    Doch da, ganz schien sie es sich nicht verkneifen zu können! Piso fiel dies ebenfalls auf, und in gespielter Oberlehrerhaftigkeit blickte er auf sie hinab. Dieser Gesichtsausdruck änderte sich zu einem Lächeln, als sie ihn nachfragte, ob sie das tun sollte. Er nickte auffordernd und schaute interessiert zu, wie sie einen Schluck Wein trank. Keinen großen, und sie schmatzte auch so, wie Piso es ihr empfohlen hatte, bevor sie loslachte. Pisos Lächeln verlor sich, als er seine Bemühungen, die Herrlichkeiten der Kultur zu verbreiten, darniedergeschmettert sah.
    Allerdings versuchte sie es nochmals. „Nicht so viel...“, mahnte der Flavier, doch es war schon zu spät, und Axilla hatte schon den größten Teil des Bechers hinuntergekippt.
    „Beeren? Hmm.“, dachte Piso nach, die Gesichtsverfärbung der Iunierin registrierend und gleichzeitig ignorierend. „Die meisten würden sicher sagen, es schmeckt nach getrockneten Feigen... aber das mag nicht für alle gelten.“ In Wirklichkeit schmeckte es, objektiv gesehen, tatsächlich nach Beeren, und zwar vor allem nach Waldbeeren, aber Piso war doch eben leider kein so großer Connoisseur, wie er sich gab. Er war eher der Hinunterschütter, was Weine anging.

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