Dunkle Schatten - ein Mord

  • Es war ein kalter regnerischer Tag, Alaina hatte beschlossen einen Umweg auf dem Heimweg zu nehmen, um sich mit einem ihrer Informanten zu treffen. Tief hatte sie sich die Kapuze ihres Mantels ins Gesicht gezogen und sich fest in den Stoff gewickelt. Kälte war nicht das Problem, aber sie konnte diesen beständigen Regen nicht ausstehen.
    Sie bog um eine Ecke, hinein in eine dunkle Gasse. Sie bemerkte gar nicht das sie verfolgt wurde, auch hörte sie nicht die schweren Schritte den das beständige Tropfen des Regens ließ die Welt schrumpfen. Doch dann wurde sie am Kragen gepackt und mit dem Bauch gegen die schiefe Wand eines Hauses gepresst. Plötzlich schlug ihr das Herz bis zu Kehle und panisch tastete sie in den Falten ihrer Kleidung nach einem Dolch.


    "Her mit deinem Geld!" knurrte es hinter ihr. Eine schwielige Hand tastete an ihrer Hüfte nach dem kleinen Geldbeutel. Wie erstarrt, ließ sie den fremden gewähren, lieber das Geld, als ihr Leben. "Was haben wir denn her?" fragte er dann plötzlich lüstern, als seine Hand ihre Brüste ertastete. Anscheinend hatte er gedacht, er habe es mit einem schmächtigen Burschen zu tun, dass er aber eine Frau erwischt hatte, schien nun sein Blut in Wallung zu bringen. Kurz presste sie ihre Lippen auf einander und schloss die Augen.
    "Nun nimm schon das Geld!" sagte sie. Die Keltin klang mutiger, als sie sich fühlte. Ein heiseres Lachen erklang. "So einfach kommst du mir nicht davon", erklärte er und wirbelte sie herum. Alaina fand sich nun einem großen groben Kerl gegenüber wieder und presste sich angstvoll an die Wand. Endlich ertastete sie den Griff ihres Dolches. Hinter dem Mann konnte sie einen weiteren Schatten erahnen. Ihre Chancen standen nicht gut, aber ihr Stolz verbot es, sich einfach kampflos zu ergeben. Mit einem wütenden Aufschrei stürtzte sie sich dann auf ihren Angreifer und stieß ihm ihren Dolch tief in den Unterleib, gleichzeitig schnellte ihr Knie in die Höhe und traf ihn genau im Schritt. Mit einem verblüfften Wimmern brach er dann einfach zusammen, sein Blick wurde glasig und dann starr. Zitternd starrte sie auf ihre blutverschmierte Hand. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie jemanden getötet.


    "Verdammte Lupa!" erklang es vom zweiten Schatten. Ihr Kopf ruckte zur Seite, als ein schwerer Schlag sie traf. Sie taumelte und stürtzte. Wie wild versuchte sie sich nun auch gegen den zweiten Mann zu wehren, doch er packte sie, trat ihr das Messer aus der Hand und drückte sie dann mit Gewalt auf den Boden. "Das wirst du büßen!" zischte der Mann und umschloss ihre zarte Kehle mit seinen Händen. Mit einem wahnsinnigen Glitzern in den Augend rückte er zu. Verzweifelt versuchte sie seine Hände weg zu ziehen, doch schon wurde es ihr schwarz. Alaina wimmerte und Tränen traten ihr in die Augen. Immer noch versuchte sie zu kämpfen, doch ihre Kräfte ließen schnell nach. Dann sanken ihre Hände kraftlos zu Boden und ihre grünen Augen sahen in die leere. Erblickten etwas, was wohl nur sie sehen konnte.
    Ihr Lebenshauch hatte sie verlassen und der Fremde ließ von ihr ab. keuchend sah er sich um, leckte sich das Blut ab, welches aus unzähligen Kratzern an seinen Händen tropfte und ergriff dann Flucht.


    Im frühen Morgengrauen sollte sie dann von einer Lupa gefunden werden, welche einen Soldaten alarmierte. Denn auch die Leiches des Mannes, welches sie getötet hatte, lag noch in seinem Blut nur wenige Schritte von ihr entfernt. Es handelte sich um einen recht brutalen Schläger und Zuhälter.

  • Noch bevor zum Wecken geblasen wurde, warf man mich aus dem Bett, mit der Nachricht, dass es zwei Morde in der Subura gegeben hatte. Ein kalter Nieselregen begrüsste mich, als ich aus meiner Unterkunft trat. Es war wieder mal einer dieser Tage.
    Graue Wolken hingen regenschwer über der Stadt. Mit einem Contubernium machte ich mich auf den Weg in die Subura, zum Fundort der Leichen. Die Kollegen von der nächsten Urbaner-Station, der am Argiletum, waren schon dort, sie standen in ihre Paenulae gehüllt im Regen herum, die Köpfe in den Kaputzen verborgen. Vereinzelte Gaffer drückten sich in der Nähe herum, warfen uns feindselige Blicke zu. Die Gasse war so dreckig und trist wie unzählige andere. Willkommen in der Subura.
    Ein Princeps Prior vom Argiletum erstatte mir Bericht. Vor etwa einer Stunde hatte eine Hure die Leichen entdeckt. Der Mann war den Kollegen bekannt, ein Lude mit dem Namen Vorax, der ihnen schon mal Ärger gemacht hatte. Das Mädchen kannten sie nicht, sie schien der Kleidung nach aus einem wohlhabenderen Viertel zu kommen. In der Nähe hatten sie einen Dolch aufgesammelt. Nach einem Libitinarius war schon geschickt worden.


    Ich nickte zu dem kurzen Überblick und ging auf die Leichen zu, um selbst einen Blick auf sie zu werfen. Wenn das Mädchen ärmlich gekleidet gewesen wäre, dachte ich bei mir, hätten die Kollegen die Castra wahrscheinlich gar nicht informiert. In diesem Viertel schlugen sich die Leute doch ständig gegenseitig tot.
    Auf dem durchweichten Boden lag in einer halbversickerten Blutlache ein großer Kerl. Kräftige Statur, brutale Gesichtszüge, die in einem Ausdruck der Überraschung erstart waren. Er war offensichtlich erstochen worden, aus dem aufgeschlitzten Bauch blitzten die Gedärme hervor, und obwohl der Regen die Gerüche abmilderte, roch es unangenehm nach Blut und Scheiße.
    Ich ging ein paar Schritt weiter zu dem Mädchen – und sog scharf die Luft ein. Dieses rötliche Haar, das niedliche Gesicht, die weitaufgerissenen grünen Augen... erschrocken blickte ich auf Alaina hinab. An ihrem Hals leuchteten rote Würgemale auf der blassen Haut, wie ein makaberer Schmuck, und der Regen lief in kleinen Rinnsalen über ihre reglosen Züge. Ihre Kleidung war in Unordnung. Ich hatte Alaina ja ziemlich dubios gefunden, aber jetzt tat sie mir leid. Sie sah so ausgeliefert aus. Das Leben war verdammt zerbrechlich. Ich schluckte schwer und strich mir mit der Hand den Regen aus dem Gesicht.

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • "Hübsches Ding." bemerkte mein alter Kamerad Silio, der neben mich getreten war und ebenfalls auf den Leichnam hinabsah.
    "Verdammter Jammer."
    "Mhm..."
    Was in aller Welt hatte die Scriba meines Vaters in dieser runtergekommenen Gegend gewollt?
    Der Regen wurde stärker. Ein Sacerdos kam und führte die rituelle Reinigung der Toten durch, und auch die Sklaven des Libitinarius, der in diesem Viertel für den Abtransport von unbekannten Leichen und Tierkadavern zuständig war, waren schon eingetroffen und warteten mit ihren Bahren ungeduldig darauf dass sie die Körper mitnehmen konnten.
    Ich ließ mir den Dolch zeigen, den die Kollegen gefunden hatten, ging zu der Stelle an der er gelegen hatte, und versuchte mir vorzustellen, wie das ganze sich abgespielt haben könnte. War Alaina gemeinsam mit diesem Vorax unterwegs gewesen? Waren sie beide einem Raubmord zum Opfer gefallen? Oder hatte er sie angegriffen, sie sich zur Wehr gesetzt und ihn dabei getötet? Ich beugte mich runter und schlug Alainas Mantel zur Seite. An ihrem Gürtel hing eine leere Dolchscheide, die Waffe passte haargenau hinein. An ihrer Hand war ein Rest Blut zu finden.
    "Hmm..."
    Sie hatte keinen Geldbeutel mehr, aber eine abgerissene Lederschlaufe an ihrem Gürtel. Sonst hatte sie nichts weiter bei sich. Auch bei dem Mann war keine Börse mehr zu finden. Wobei das zu erwarten war, wenn eine Leiche eine Weile in der Subura herumgelegen hatte... Die Mäntel und Schuhe hatten sie allerdings noch. Ein gewöhnlicher Plünderer hätte auch diese nicht verschmäht... und die Ecke hier war wirklich abgelegen. Wenn er sie und sie ihn getötet hatte – wer hatte dann die Börsen mitgenommen? Jemand in Eile... oder jemand, der sich nicht mit Kleinkram wie Kleidung abgab.


    Um aus dem Regen rauszukommen ließ ich die Leichen unter das Vordach einer nahen Holzhandlung bringen. Die Milites setzten die Bahren auf einem Holzstapel ab und der Capsarius Regulus begann sie sich genauer anzusehen. Die Wunden zu inspizieren. Die steifen Gliedmassen zu biegen.
    "Was schätzt du wann es passiert ist?"
    "Während der ersten oder der zweiten Wache. Das Mädchen erwürgt, der Mann erstochen."
    "Haben sie sich gegenseitig getötet?" Vielleicht ein Verbrechen aus Leidenschaft. Das wäre mal was anderes als die üblichen Raubmorde. Erwürgen war eine sehr emotionale Art zu töten, und Alaina hatte bei unserem Ausflug einen leichtfertigen Eindruck auf mich gemacht.
    "So was gibt's nur in Theater, Centurio."
    Habe ich schon erwähnt, dass Regulus ein verdammter Besserwisser war? Trotzdem war ich froh ihn dabeizuhaben, er hatte jede Menge Erfahrung, wenn seine Methoden auch ziemlich unkonventinell waren. Wenn er sich über eine Leiche beugte, dann leuchtete sein hageres Gesicht auf wie... wie das eines Hundes, der gerade einen Knochen abnagt.
    "Er scheint mit ihrer Waffe getötet worden zu sein."
    "Von ihr?"
    "Sieht so aus."
    "So eine kleine Frau."
    "Hat sich wahrscheinlich gewehrt."
    "Aber um jemanden mit einem einzigen Stich in den Bauch ausbluten zu lassen braucht es Erfahrung."
    "Die scheint sie gehabt zu haben, Centurio. Das ging direkt in die Bauchschlagader."

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Skeptisch blickte ich auf die tote Keltin. Ich musste dringend mit Livianus sprechen. Man konnte nicht ausschließen, dass sich das ganze gegen ihn richtete.
    Regulus griff mit den Fingerspitzen nach den Lidern des Mädchens und zog auf unapetittliche Weise daran herum, wandte sich dann ihrem Hals zu.
    "Siehst du die Male hier an ihrem Hals?" fragte er schließlich. Ich betrachtete die roten Flecken. Schärfere Abdrücke mischten sich da hinein.
    "Wovon könnten die sein?"
    "Ringe. Der, der sie erwürgt hat, trug an der linken Hand zwei Ringe. Oder drei. Schau.... hier und hier haben sie sich ins Fleich gedrückt."
    Regulus sprach voll Überzeugung. Ich war wirklich erstaunt was er sich da alles zusammenreimte. Aber ich hatte nicht das Bedürfnis mir diesen zerquetschten Mädchenhals noch länger anzusehen. Es war was anderes wenn Soldaten starben, im Krieg, als wenn junge Frauen in Rom umgebracht wurden.
    "Es waren also mindestens zwei Angreifer. Der da und ein Würger mit Ringen an der linken Hand."
    "Und mit einer gelben Tunika."
    "Bist du unter die Hellseher gegangen, Capsarius?"
    Er deutete auf die Hände des Mädchens. Blut klebte unter den Fingernägeln, etwas das wie ein Hautfetzen aussah und – wenn man wirklich sehr genau hinsah – ein paar verfilzte Fäden in blassem Gelb. Ich blickte auf den toten Zuhälter. Der trug grau. An seinen Händen waren weder Ringe noch die Abdrücke, die sie bei längerem Tragen hinterlassen.
    "Sie hat sich gewehrt."
    "Mhm. Kannst du sagen ob sie geschändet wurde?"
    Nach dieser Frage wandte ich mich ab und betrachtete das stete Fallen des Regens. Meine Leute gingen mittlerweile herum und befragten die Neugierigen und die Anwohner. Aber es war wie immer: die Subura-Bewohner mieden uns als hätten wir die Krätze.
    Nach einer Weile räusperte sich Regulus.
    "Sieht nicht so aus."


    Ich wollte Alaina die Augen schließen, aber ihre Lider waren ganz starr. Richtig fest musste ich zudrücken um sie ganz zu schließen.
    Der Dolch, der kleine gelbe Fetzen, die abgerissenen Lederschnüre. Diese Dinge nahm ich an mich und schlug sie sorgfältig in ein Tuch ein. Dann winkte ich die Sklaven des Bestatters heran.
    "Ihr könnt sie mitnehmen. Der da geht in die Gruben. Für das Mädchen bezahle ich das Grab. Ich schicke später jemanden mit dem Geld vorbei."
    "Ja Centurio." Sie luden die Leichen auf ihre Bahren und trugen sie fort. Ihre Gestalten verschwammen hinter den Regenschleiern.


    "Wo hat Vorax sich rumgetrieben, Princeps Prior?"
    "Er hat ein paar Pferdchen an der milvischen Brücke laufen."
    "Dann schauen wir später dort vorbei."
    Während die anderen weiter versuchten, etwas aus den Anwohnern herauszukriegen, machte ich mich auf den Weg in die Casa Decima, um Livianus zu informieren. In meine Paenula gehüllt ging ich durch den Regen, durch die schmutzigen Gassen. Das Wasser troff von den Dächern, ließ aus jeder Ecke den Unrat hervorquellen. Überall winkte der Verfall, die Verdorbenheit der sich in dieser Stadt niemand entziehen konnte.


    Das ist Krieg schoß es mir durch den Kopf. Ein alter Optio hatte mir das einmal gesagt, zu der Zeit als ich voll Elan bei den Stadtkohorten angefangen hatte. Lass den Alten reden hatte ich damals gedacht. Aber er hatte recht.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!