Cubiculum MFG | Vetternwirtschaft

  • Piso stand vor der Türe seines Vetters und wagte nicht zu klopfen. Tausend Gedanken gingen durch seinen Kopf. Er hatte schon vor ein paar Sekunden seine Hand zum Klopfen gehoben, sie aber doch wieder sinken lassen. Solch eine Ankündigung Gracchus zuteil werden zu lassen, war doch ein ziemlicher Schritt. Er würde den angestrebten Karrierewechsel unumkehrbar machen.
    Und aus noch einem Grund zögerte er zu klopfen. Dieser Grund steckte in seinem Gürtel und hatte die Form einer Schriftrolle. Es war die Schriftrolle des Aristides.
    Als Piso jene erhalten hatte, hatte er sie erstaunt gelesen. Zuerst hatte er ihre Botschaft nicht richtig absorbiert, nur entnommen, dass Arsitides gegangen war. Er war noch in den Hof gestürmt damals, und hatte gefragt nach seinem Vetter. Doch immer wieder hatte er die selbe Antwort erhalten. Dein Vetter ist weg. Tut mir Leid, Herr, hatten ihm die Sklaven gesagt, und frustriert war Piso in sein Zimmer wieder zurückgekehrt.
    Wo er dann seinen Brief aufgenommen hatte und ihn studierte. Noch einmal, dieses Mal sorgfältig. Und dieses zweite, gründliche Durchlesen, inklusive des Anhangs, hatte ihn berührt. Ehrlich berührt. Er wusste nicht, was er dazu hätte sagen können.
    Er war also nur über jenem Brief gesessen, sicherlich minutenlang, und war immer wieder über die selbe Zeile gegangen. Ich habe nie schlecht über dich gedacht, hatte Aristides geschrieben. Es hatte Piso gerührt. Endlich Anerkennung. Es war die erste, die er jemals in seinem Leben von einem Angehörigen der flavischen Familie bekommen hatte, nahm man vielleicht einmal Vera aus.
    Und eine zweite Zeile hatte ihm noch Fragen bereitet. Wir sind uns ähnlicher, wie du denkst. Inwieweit ähnlicher? Was wusste Aristides von ihm? Und wie waren sie sich ähnlicher?
    Und er hatte ihm geraten, sich an Gracchus zu wenden. Doch Piso hatte lange davor zurückgeschreckt. Er wusste, dass Gracchus in letzter Zeit, seiner Ausgelaugtheit wegen, nicht zur Verfügung gestanden war. Doch gekuppelt mit seinem Verlangen, welches er hatte, war dies nun wohl die rechte Zeit, bei ihm vorbeizuschauen.
    Er hob abermals seine Faust – und dieses mal klopfte er. Es erstaunte ihn fast selber. Seine Faust erstaunt ansehend wie ein fremdartiges Objekt, ließ er sie sinken. Seine Augen folgten der Bewegung seiner Hand, die sich nur allmählich wieder entspannte.
    Nun blieb ihm nichts anderes, als vor der Tür des Gracchus zu warten, bis dass er hereingebeten wurde.

  • Zurückgelehnt, die Beine ausgestreckt, die Augen geschlossen, saß Gracchus hinter dem massiven, hölzernen Schreibtisch und ließ die Worte seines Sklaven durch seinen Geist sickern, suchte sich auf den Inhalt zu konzentrieren und in sich schlüssige Zusammenhänge daraus zu finden. Es waren politische Entscheidungen, aber auch Gerüchte und scheinbar belanglose Kleinigkeiten aus dem alltäglichen Leben Roms, welche Sciurus seinem Herrn in komprimierter Form vorlas, dass jener zumindest über die wichtigsten Geschehnisse im Imperium würde informiert sein. Es fiel Gracchus noch immer schwer, sich auf längere Reden zu konzentrieren, weshalb der Sklave nicht nur versuchte abwechslungsreich vorzutragen, sondern gleichsam immer wieder gänzlich überflüssige Pausen einflocht. In eine solche Pause indes trat ein anderes Geräusch, ein hölzernes Tönen von der Türe her - unschwer als Klopfen zu identifizieren. Während Gracchus nach einem Nicken die Lider hob und seine Füße näher zu sich heran zog, trat Sciurus zur Türe hin und öffnete. Demütig nickte er dem davor stehenden Flavier zu und wandte sich kurz zu seinem Herrn um. "Dein Vetter Aulus Piso, Herr." Ein unscheinbares Nicken von Gracchus' Seite folgte, auf welches der Sklave die Tür gänzlich aufzog, dass Piso konnte eintreten.
    "Komme herein, Vetter! Ich hörte von deiner Erhe..bung in den Ritterstand, meinen Glückwunsch hierzu."
    Obgleich es ohnehin nur eine Frage der Zeit war gewesen, so war es doch ein pläsierliches Ereignis, insbezüglich seine Karriere betreffend.

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  • Die Türe ging auf. Es war natürlich Sciurus. Piso bedachte den Sklaven mit einem kurzen Blick. Er musste sagen, dieser Kerl war ihm noch immer nicht ganz und gar geheuer. Er hätte unmöglich sagen können, wieso... aber ihm würde er nie zu gleichen Maßen vertrauen, wie es sein Vetter zu tun schien. Obwohl, Sciurus schien als Verwalter der Angelegenheiten des Gracchus erfolgreich und kompetent zu sein. Einen ähnlichen Sklaven hatte Piso noch nicht auftreiben können. Antiochos, obwohl gebildet, war chaotisch und ohne jegliche Eigeninitiative. Seine übrigen Sklaven waren ohnehin jenseits aller Kritik.
    Doch er war nicht hierher gekommen, um über seine Sklaven zu hadern. Er wandte seinen Kopf zu Gracchus hin. „Danke vielmals!“, rief er, als er herangerufen wurde. Die nächsten Worte jedoch gaben ihm ein kleines Rätsel auf. Ritterstand? Nein, Ritter war er nicht geworden. „Ach so!“, meinte er nach einem sekundenlangen Nachdenken. „Du meinst den ordo senatorius. Ja, ich danke dir.“ Die Implikationen dieser Erhebung waren nicht ungewaltig. Nicht nur, dass Piso jetzt kandidieren konnte – er musste auch seine Position gegenüber Vescularius Salinator noch einmal überlegen. Er würde sie nicht ändern, aber doch war es jetzt so, dass er ihm zu Dank verpflichtet sein würde. Piso schmeckte dies nicht.
    Dass seinem Vetter ein Versprecher entfahren war, sah Piso jenem nach, das passierte, und so ging er gar nicht mehr darauf an.
    „Vetter, ich bin zu dir gekommen, weil... ich dir etwas sagen wollte. Die Kanzlei bietet mir keine Zukunftaussichten. Die Wege nach oben bleiben mir versperrt. Gleichzeitig merke ich, wie es mich immer mehr in den Dienst der Götter zieht. Seitdem ich begonnen habe, mich eingehend mit unserer Religion zu beschäftigen, habe ich gesehen, wie sehr mich die Theologie fasziniert.“ Er machte eine kleine Pause. „Bei den Septemviri wurde jüngst ein Platz frei, und ich habe mich entschlossen, mich dafür zu bewerben. Und ich wollte dazu deine Unterstützung als Pontifex und Vetter erbitten.“, schloss er.

  • "Ordo senatorius … natürlich …"
    , murmelte Gracchus nach dem Hinweis seines Vetters, konnte indes nicht gar so einfach darüber hinwegsehen, war es schlussendlich doch nicht nur ein gewöhnlicher Lapsus Linguae gewesen, sondern ein kognitiver Fauxpas, was ihm stets einen Stich in sein Gemüt versetzte, welches ob der beständigen geistigen Mängel seit seinem Kollaps bereits regelrecht durchlöchert war - gleichwohl er zudem vermutete, den Großteil seiner Missgriffe selbst nicht einmal zu bemerken. Piso indes ergoss sich nach kurzem Zögern noch im Stehen in einen regelrechten Strom aus Worten, gar so als hätte jemand einen Damm hinfort genommen, welcher zuvor all seine Buchstaben zu einem See hatte aufgestaut.
    "Mö'htes du dich nicht setzen?"
    Er wies in einer flüchtigen Bewegung auf einen der Stühle, die ihm gegenüber auf der anderen Seite des Schreibtisches waren platziert, und dachte in der so gewonnenen Pause über die Worte seines Vetters nach.
    "Die Septemviri sind ein ehrbares Collegium, doch wolltest du nicht für den Cursus Honorum kandidieren? Selbstredend schließt sich beides ni'ht aus, doch würde ich dir nicht empfehlen, kurz nach der Annahme kultischer Plichten zugleich um ein Vigintivirat zu ersu'hen, schlussendlich ist es nicht mehr allzu lange hin bis zu den Wahlen. Unabhängig jeglicher Tatsachen würden missge..neigte Senatoren zu bedenken geben, du könntest mit beiden Aufgaben zuglei'h überfordert werden, so dass man dir besser eine Amtszeit sollte Zeit lassen, dich in deine neue Pfli'ht einzufinden."
    Nachdenklich hob Gracchus die Linke und begann seine Unterlippe zu kneten.
    "Womögli'h könnte man die Cooptation der Epulonen bis nach der Wahl hinauszögern. Die Mühlen kultischer Collegien mahlen ohnehin langsam, und bisweilen rei'ht es bereits aus, einen Punkt von der Tagesor..dnung zu streichen, dass darauf eine Weile vergessen wird."
    Die Frage nach seiner Unterstützung indes stellte sich für Gracchus nicht. Ein Septemvirat war mehr als adäquat für einen Patrizier, obgleich es Piso auf Dauer unbezweifelt nur als Durchgangsstation würde dienen, würde doch Gracchus hernach auch dafür Sorge tragen, dass er im Falle eines frei werdenden Sitzes und notwendiger Neukooptation für ein Amt im Collegium Pontificium würde berücksichtigt werden.

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  • „Oh. Danke. Sicher.“ Piso hatte vor lauter Eifer und Energieüberschuss (zapfte er vielleicht mysteriöserweise die Energiereserven des Gracchus an, um sie mittels dunkler Rituale zu absorbieren? Wer weiß?) gar nicht daran gedacht, Platz zu nehmen. Er ließ sich mit einer flüssigen Bewegung nieder und blickte seinen Vetter frohen Mutes an. Jener nahm sich ein wenig Zeit, bevor er anhub zu sprechen. Piso platzierte brav seine Hande auf seinen Oberschenkeln, als er sich Gracchus anhörte.
    Gracchus ließ die Frage der Unterstützung in seiner Rede aus. Natürlich würde er ihn unterstützen, Blut war dicker als Wasser. Und doch blieb ein kleines, aber nagendes Gefühl der Ungewissheit. Es war natürlich irrational, aber Piso war Anwalt. Ihm wäre eine hieb- und stichfestere Zusage lieb gewesen. Doch nachhacken würde er nicht, denn es war implizit von den Worten des Gracchus, dass er ihn unterstützte. Nichtsdestotrotz musste er noch einen Punkt herausstreichen. „Ein Empfehlungsschreiben...“ Er hielt inne. Wieso fühlte er sich immer so schlecht, wenn er andere Leute um Gefallen bat? Er sollte das nicht tun, vor allem, wenn es sich um Familienmitglieder handelte. „...wäre gut. Pontifex Tiberius hat mir eines zugesagt. Pontifex Aurelius wird zumindest ein gutes Wort für mich einlegen. Könntest du so etwas... in der Art... einrichten?“ Diese Formulierung war leicht schwammig, doch ließ sie Gracchus angemessenen Handlungsspielraum.
    Erst jetzt begann er, auf den eigentlichen Punkt, der Gracchus am Herzen lag, einzugehen. „Nun, das stimmt.“, meinte er. Darüber hatte er gar nicht noch nachgedacht, auch, weil sich diese Frage noch gar nicht für ihn gestellt hatte. Er war sich sicher, dass er simultan seine Aufgabe als Septemvir und Vigintivir ausfüllen konnte. Doch andere könnten da nicht allzu sicher sein.
    Er lachte also nur. „Herauszögern, finde ich fast, ist kaum nötig. Ich kenne die Mühlen der römischen Administration, und zuweilen habe ich in der Kanzlei mit Anliegen religiöser Institutionen zu tun. Diese handeln nicht schneller als weltliche Einrichtungen... eher langsamer noch.“ Piso hielt sich für einen sehr gut informierten Menschen, durchaus zu recht, saß er doch am Dreh- und Angelpunkt der Neuigkeiten aus dem Imperium.
    „Aber hinauszögern würde eine Täuschung des Senats beinhalten. Ob dies eine gute Idee ist? Vor allem, da alle Septemviri und Pontifices im Senat von einem anstehenden Antritt wissen würden.“, gab er noch zu Bedenken. Manche Senatoren hatten ein langes Gedächtnis, wie ein Elefant, so kam es ihm einmal vor.

  • Neuerlich begann Gracchus an seiner Unterlippe zu kneten, als könne diese Bewegung dafür Sorge tragen, dass in seinem Gedankengebäude die richtigen Türen und Schubladen sich öffneten, um eine Entscheidung zu treffen, sein Blick dabei inwendig auf der Suche. Eine Täuschung des Senates war in keinem Falle eine gute Idee, gleichsam nichts, das Gracchus bewusst in Angriff würde nehmen, wiewohl er eine Verzögerung der Aufnahme in das Collegium nicht als solcherlei hätte angesehen, wäre damit doch Piso die Gelegenheit gegeben, sich erst in das politische und hernach in das kultische Amt einzufinden. Hinsichtlich dessen, dass sein Vetter jedoch bereits an anderer Stelle um Unterstützung hatte gebeten, war seine Absicht indes bekannt, die Situation somit eine andere.
    "In diesem Falle ist es wohl wirkli'h besser, auf die Mühlen der Administration zu vertrauen."
    Im Zweifelsfalle brauchte es letztlich nur mehr Überzeugungskraft bei Pisos Vorsprache vor dem Senat, wofür Gracchus sich ohnehin noch würde passende Worte der Unterstützung überlegen und im rechten Augenblicke sich auch zu deren Aussprache würde überwinden müssen.
    "Also nur ein Empfehlungsschreiben. Sciurus, eine Tabula!"
    Er blickte zu seinem Vilicus hin, welcher wortlos eine leere Wachstafel von einem kleinen Stapel in einem der Regale in die eine und einen Griffel in die andere Hand nahm, wandelte sodann innerhalb seines inwendigen Wort-Archives, in welchem seine Gedanken sich am einfachsten zu adäquaten Sätzen arrangieren ließen.
    "M.F.G. Magistro Septemvirorum - Name - s.p.d. Für den zu koop..tierenden Platz im Collegium Septemvirorum möchte ich dir - was ist wohl angebra'hter, dich als Person deines Amtes anzupreisen, oder als mein Vetter?"
    Fragend blickte er zu Piso, fasste seinen Entschluss jedoch bereits noch vor dessen Antwort.
    "Ich denke, wir sollten die familiäre Beziehung durchaus hervorheben, wird doch dadur'h pointiert, wem sie im Falle einer Ablehnung vor den Kopf stoßen. Also weiter - mö'hte ich dir meinen Vetter Aulus Flavius Piso auf das Beste empfehlen. Nicht nur, dass er eine vorzügli'he kultische Erziehung genossen hat und der Götter Wohl ihm stets ein großes Anliegen ist, in den letzten Jahren machte er sich zudem im Verwaltungsapparat des kaiserli'hen Palastes überaus verdient, ist mit aller Arten Aufgaben planerischer, wie verwaltungstechnischer Art - nein, das sind zwei Arten, streiche aller Arten - ist mit sämtlichen Aufgaben planerischer, wie verwaltungste'hnischer Art somit bestens vertraut. Nun ist es ihm darüber hinaus ein besonderes Bedürfnis, dem Staate ni'ht nur in seinem bisherigen Amte dienlich zu sein, sondern glei'hwohl in den Reihen des Cultus Deorum, wofür ein Septemvirat in Hinblick auf seine administra..tiven Kompetenzen geradezu prädestiniert scheint, wiewohl das Collegium sich eines zuverlässigen, emsigen - nein, streiche das - sich eines zuverlässigen, pfli'hteifrigen und fleißigen Collegae könnte versichert sein. Es ist wichtig hervorzuheben, dass du ein pflichtbewusster Mensch bist"
    , erklärte er Piso.
    "Die meisten Epulonen sind Männer, denen ein kultisches Amt zu Ansehen und Vorteil gerei'ht, so dass all jene Aufgaben, welche dem Collegium zufallen, wie in allen anderen Collegien au'h auf den Schultern weniger zum liegen kommen. Wie du selbst dies handhaben magst, wirst du entscheiden müssen, wenn es soweit ist, doch im Vorhinein ist es gut, dich als einen sol'hen Mann anzupreisen, der gewillt ist, die kultischen Aufgaben tatsächli'h zu übernehmen - so wirst du auf der Liste möglicher Kandidaten sehr weit nach oben rücken. Fehlt sonstig noch etwas deiner Ansi'ht nach, was Erwähnung sollte finden?"

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  • „Auf ihre Langsamkeit kann man sich verlassen.“ Zumeist, hieß das. Pisos Argument, dass eine Delusion des Senates keinen guten Eindruck machen würde, sah Gracchus wohl ein, woraufhin er auf diesen Einschlag nicht mehr einging. Selbst wenn Piso seine Intentionen nicht schon verlautbart hätte, früher oder später hätte der Senat herausgefunden, was gespielt wurde.
    Nur ein Empfehlungsschreiben, so drückte Gracchus es aus. Piso erfreute sich daran, dass Gracchus so bereitwillig eine Empfehlung abzugeben gewillt war. Er nahm Unterstützung längst nicht als selbstverständlich hin, und hatte insgeheim sich schon auf das Szenario vorbereitet, von Gracchus abgewiesen zu werden. Doch Gracchus sah es wohl gerne, wenn die Flavia wieder verstärkt in den Collegien vertreten war.
    „Danke, vielen Dank.“, meinte er zu seinem Vetter hin, als jener begann, seinem Unsympathler von Sklaven den Text zu diktieren. Andächtig saß Piso da, frohen Mutes zuhörend.
    Piso selber hätte eine neutralere Ansprache präferiert, um den Eindruck zu verwischen, dass es sich hierbei um Familienklüngelei handelte. Doch Gracchus hatte recht, die Erwähnung des Wortes Vetter wäre effektiver. Denn jeder Blinde konnte sehen, dass es sich hierbei um Klüngelei, um Vetternwirtschaft (im wahrsten Sinne des Wortes) handelte. Da konfrontierte man die Tatsache, dass ein Vetter einen anderen empfohl, lieber selbstbewusst und ohne Scham. Er nickte also nur.
    Der Brief selber klang sehr schön, nicht nur der wie immer tadellose Stil trug dazu bei, sondern auch die schillernden Farben, in denen Piso darin beschrieben wurde. Piso lächelte glücklich und nickte, als sein Vetter ihm ob der Wichtigkeit der Herausdeutung von Pflichtbewusstsein erzählte. Er wusste dies selbst. Obwohl er vielen nicht so schien, er war durchaus ein pflichtbewusster und genauer Mensch. Pflichtvergessenheit und Inpräzision empfand er als – wie könnte es anders sein – unästhetisch. Was nur zeigte, wie man den Begriff der Ästhetik dehnen und dadurch für alles Mögliche ge- und missbrauchen konnte.
    „Ja, kultische Aufgaben würde ich selbstredend übernehmen. Ich würde so ein Amt nicht anstreben, trachtete ich danach, meinen Trieben zu frönen und zu faulenzen.“ Bei Gracchus fielen leichter die Hemmungen, sich gewählter als sonst auszudrücken, aus Furcht, man könne besserwisserisch klingen. „Ich bin es gewohnt, für bare Münze gut zu arbeiten. Auch wenn dies vor dem Senat nicht gar erwähnenswert ist.“, warf er ein. „Was sonst noch. Hmm. Meine Mitgliedschaft bei den Arvalbrüdern? Ich muss sagen, viel habe ich dort noch nicht gemacht, außer, dann und wann den Hain der Dea Dia aufgesucht. Aber es würde gut klingen, vielleicht. Meine juristische, architektonische und ökonomische Ausbildung wäre hingegen gar nicht relevant in diesem Zusammenhang. Und sonst... kann ich an nichts denken.“, gestand er.
    „Nur eines noch, Vetter... es gibt eine Sache, die mir auf dem Herzen drückt, und die ganz und gar nicht mit den Spetemviri zu tun hat...“, verkündete er, schon etwas leiser.

  • Für bare Münze zu arbeiten war Gracchus' Ansicht nach nicht unbedingt der beste Antrieb - gleichsam er solcherlei Anschauung sich konnte leisten, war die Münzkiste seiner Familie doch seit jeher stets prall gefüllt, so dass es schien als könne das flavische Vermögen ohnehin kaum jemals zuneige gehen -, andererseits indes war es auch nicht der schlechteste.
    "Die Arvales wird zweifelsohne Tiberius erwähnen, wiewohl ich kaum dazu prädesti..niert bin, über deine Aktivität dort eine Aussage zu treffen."
    Er wollte in seinem Schreiben keinesfalls den Eindruck erwecken, Lob nur des Lobes wegen anzubringen, ohne eigentlich darüber urteilen zu können. Zwar war Gracchus in diesem Sinne auch nicht dazu prädestiniert eine Aussage über Pisos Schaffen in der Verwaltung zu treffen, doch war dies eine etwas andere Gegebenheit.
    "Auf deinen juristischen Sa'hverstand indes könnte ein Hinweis nützlich sein, das kultische ist dem dem profanen Recht nicht unähnlich. Allerdings hast du dich dahingehend bisherig nicht öffentli'h betätigt, oder? In diesem Falle reicht es sicherli'h aus, wenn du dies, wie auch deine ökonomische Vorbildung bei der ersten Ladung vor das Collegium oder den Magister selbst erwähnst. Gut, dann nurmehr ein wohlwollender Gruß zum Abschied. Schreibe es so, Sciurus."
    Da die Fähigkeit zu Schreiben implizit an jener zu Lesen hing, musste Gracchus sich gänzlich darauf verlassen, dass sein Vilicus die Zeilen in jenem Wortlaut nieder schrieb, wie er sie hatte diktierte, so dass er nurmehr seinen Namen darunter setzte. Es war dazu indes kein übermäßig großer Schritt der Überwindung notwendig gewesen, hatte er seinem Leibsklaven doch auch vorig bereits vollends vertraut und viele seiner diktierten Briefe nicht mehr noch geprüft, ehedem er sie hatte unterschrieben, so dass auch gegenwärtig er daran keinen Gedanken verschwendete. Vielmehr wurde seine Aufmerksamkeit nun gänzlich von Piso eingenommen, denn dessen zögerliche Worte in Verbindung mit einer zurückhaltenden, beinahe desperaten Stimmlage führten dazu, dass in Gracchus jenes überaus reagible familiäre Pflichtbewusstsein anklang, welches ihn stets dazu drängte, sich für alles und jeden in der Verantwortung zu sehen - obgleich er bisweilen mehr oder minder erfolgreich dagegen ankämpfte.
    "Um was geht es?"
    fragte er ein wenig besorgt darüber, ob Piso allfällig in ernstlichen Schwierigkeiten - welche Art auch immer - mochte stecken.

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  • „Das wird sicherlich stimmen.“, meinte der Arvalbruder Piso zum Salier Gracchus. Da hatte sein Vetter ohne Zweifel Recht. Durus wäre der Mann, der am Besten eine Empfehlung schreiben könnte von der Warte eines Arvalbruders aus.
    Er nickte nur zu den Aussagen seines Vetter hin, als jener ihm Hinweise gab, wie er seine Qualifikationen beim Magister Septemvirorum anbringen könnte. Sicherlich, juristisches Denken war sicherlich nützlich bei den Epulonen, vor allem, da es durchaus denkbar war, dass ihre Tätigkeiten nicht nur religiöses, sondern auch weltliches Recht tangieren würde. Bei dieser Gelegenheit fiel ihm auf, dass er tatsächlich noch nie die Chance erhalten hatte, seine Künste vor Gericht zu beweisen. Die Leute klagten viel zu wenig heute. Schade.
    Die letzten Pinselzüge wurden am Dokument getätigt, und Piso blieb nicht viel anderes übrig, als sich abermals zu bedanken. Doch sein „Danke“ war nicht ohne einen Seitenblick zu Sciurus hin gemurmelt, dessen Geschreibsel von Gracchus nicht einmal durchgelesen wurde (außer, Gracchus las, während er unterschrieb, was schwer möglich war). Was, wenn der Sklave nun einen bösartigen Text geschrieben hatte, daraufhin gerichtet, der Flavia, insbesondere ihm und Gracchus, zu schaden? Er konnte nur hoffen, dies wäre so. Noch vertraute er seinem Schreiber Antiochos nicht so, dass er nicht nach jedem diktierten Brief (obwohl, seine Briefe schreib er am Liebsten selber) noch einmal darüber gehen würde.
    Wie dem auch sei, der Brief war nun nicht mehr das Thema, welches relevant war, und dem sich Piso noch mehr Zeit widmen wollte. Sein Problem war nun ein anderes. Er zog es aus einer Tasche hervor. Es hatte die Form einer Schriftrolle, die Piso sorgsam vor Gracchus ausrollte. Er wollte sie schon Gracchus zeigen, da hielt er inne. Zog die Schriftrolle wieder zu sich her und wendete sie, sodass das Geschriebene in seine Richtung zeigte. „Ich lese es dir vor, ja?“ Er räusperte sich und begann.
    „Es ist der Abschriedsbrief von Marcus. Marcus Aristides.“ Als ob Gracchus das nicht wüsste. „Es steht dort: Piso, mein guter Vetter, ich muss mich bei Dir entschuldigen, es kommt wohl leider doch nicht zu unserem Musikabend in nächster Zeit. Ich werde Rom verlassen und erstmal all dem Sumpf und dem Moloch dieser Stadt den Rücken zu wenden. Es ist für mich Zeit, etwas Ruhe und meinen inneren Frieden zu finden und das werde ich in der Hauptstadt nicht können. Ich bin mir sicher, daß Du Deinen Weg weiterhin großartig gehen wirst. Laß Dich nicht unterkriegen, glaube an Dich und höre nicht auf, Deine Lyra zu spielen, egal, was die Anderen sagen. Mögen Dir Götter über Dich wachen, dein Vetter.“
    Wieder räusperte er sich. „Doch dies ist nicht alles. Marcus fügte ein Post Scriptum ein. Es liest sich folgendermaßen: Piso, ich hab nie wirklich schlecht von Dir gedacht. Es wäre auch absurd, denn Du ahnst gar nicht, wie ähnlich wir uns doch sind. Vielleicht erzählt Dir Manius eines Tages davon.“
    Er ließ seine rechte Hand, mit der er die Rolle hochgehalten hatte, wieder sinken. „Der Gedanke daran, was er gemeint haben mochte, hat mich lange beschäftigt, gequält. Ich habe nachgedacht darüber, was er gemeint haben mochte... doch außer unseren offensichtlichen Gemeinsamkeiten, unzweifelbar im flavischen Blut verankert, habe ich nichts finden können. Ich ahnte es damals nicht, und heute auch noch nicht. Kannst du mir sagen, was Marcus damit gemeint hatte? Ich finde keine ruhige Sekunde mehr, wenn ich es nicht herausfinde.“, beichtete Piso Gracchus.

  • Obgleich bei der Nennung seines Vetters Namen Gracchus den Mundwinkel zu einem halben Lächeln hob, so legte sich doch sogleich hernach eine trübe Bedrückung über sein Gemüt als Piso den Brief, die schwermütigen Worte verlas. Dennoch war es müßig darüber zu sinnieren, was Marcus derzeit wohl mochte tun, denn unbezweifelt hatte er sein Vergnügen in Baie, unbezweifelt genoss er das Leben in seiner ihm eigenen genügsamen Zufriedenheit. Die Andeutung eines Kopfschüttelns erfasste Gracchus' Kopf, dessen Blick aus der unendlichen Ferne unter der Tischplatte schlussendlich zurück zu Piso fand.
    "Ich kenne dich viel zu wenig, Aulus Piso, als dass ich eure Similaritäten könnte in Verglei'h setzen"
    , entgegnete er mit einer Spur von Bedauern über diesen Umstand in seiner Stimme. So Leontia überhaupt je von ihrem Bruder hatte gesprochen, so war es höchstens ein spöttisches 'Ach, mein Bruder Aulus ...' in Verbindung mit einer fortwischenden Geste gewesen, gleichsam hatten sie ohnehin kaum über familiäre oder sonstig das Leben beinträchtigende Umstände gesprochen, viel mehr sich in den Tiefen der Literatur und Philosophie verloren. Gracchus misste seine Base sehr, ihre elaborierten Briefe, ihre tiefgründigen Worte, ihr epiphanes Wesen, und wurde sich gleichsam wieder einmal dessen bewusst, dass das Leben ihm stets alle jene entriss, mit welchen er wahrhaft tief war verbunden, stets aus seiner eigenen Schuld heraus.
    "Ich kann dir nur von jenen Dingen berichten, welche ein gänzli'h untadeliger Patrizier Marcus könnte zum Vorwurfe machen, jene Ansprü'he unseres Standes, welche er nie war gewillt zu erfüllen, die schon meinen Vater noch schlecht haben über ihn sprechen lassen, die seine Mutter bisweilen in ihrem Ehrgeiz lassen ver..zweifeln, jene Dinge, welche von uns allen stets erwartet werden, ohne dass wir ein Re'ht hätten, ihre Sinnhaftigkeit in Frage zu stellen, in welche wir alle uns mehr oder minder bereitwillig einfügen, und die schlussendlich von jenen von uns, welche sich ihnen beugen, an die uns na'hfolgenden Generationen werden weitergegeben, ohne dass wir je darüber hätten ausreichend reflektiert. Marcus fröhnte lange Zeit dem Müßiggang - er liebt gutes Essen, guten Wein, gute Musik und natürlich die Frauen - und genoss all dies weit über seine Jugend hinaus in Baiae, Aegyptus und Achaia, ohne sich allzu tief mit Studien und Lernerei zu befassen. Marcus ist nicht dumm, doch es drängte ihn nie dana'h, in tiefere Gedankenschichten vorzudringen, er nimmt die Welt wie sie ist, ohne wissen zu müssen, wie sie inhärent aufgebaut ist, wie sie hinter der Oberflä'he funktioniert. Seine Mutter versuchte ihn lange Zeit in eine aktive staatspolitische Karriere zu drängen, doch obglei'h er sie abgöttisch liebt, so prallte dieser Wunsch an ihm ab wie der Regen an der steinernen Hülle einer Statue. Als er sich dann endlich dazu entschloss, seinen Beitrag für das Imperium Romanum zu leisten, so wählte er, was ihm persönli'h am meisten lag - eine militärische Laufbahn, die ihn weit von politischem Einfluss fort führte. Das ist es, was er stets getan hat, was er noch immer tut - er folgt nicht den Zwängen, welche seine Familie ihm auferlegt, er geht seinen eigenen Weg, jenen, welchen er als den besten erachtet - niemals gegen die Familie oder das Imperium, doch auch nicht immer für sie, sondern für sich selbst - und bewahrt sich dabei, was wohl die wenigsten von uns von sich können behaupten, die A'htung vor sich selbst, die eigene Integrität, die eigenen Ideale, und bleibt sich selbst treu bis zur letzten Konsequenz."
    Er dachte daran, wie er selbst hatte versucht, seinen Vetter in eine politische Karriere zu drängen, wie er ihn regelrecht hatte gezwungen, den Cursus Honorum zu beschreiten - letztlich war wohl dies mit einer der drängendsten Gründe, dass Marcus Rom hatte verlassen, sich diesen Zwängen zu entziehen. Im Nachhinein beschämte Gracchus sein Vorgehen überaus, mehr noch, da er selbst seinen Vetter hatte letztlich im Stich gelassen während dieser Amtszeit, ihn allein gelassen mit der Aufgabe, welche Epicharis und er ihm hatten aufgebürdet.
    "Allfällig ist es dies, was er dir will sagen, dich davor zu hüten, dich ver..biegen zu lassen durch familiäre, imperiale oder sonstige Ansprüche, welche nicht deinem eigenen Streben entspringen, nicht blindlings Idealen zu folgen, welche du nicht selbst durchda'ht, für dich selbst als wahr hast anerkannt, und niemals dir nehmen zu lassen, was dir Freude bereitet - denn außer dir wird kaum jemand je dafür Sorge tragen, und so du dich selbst vergisst, wird auch niemand sonst sich deiner Be..dürfnisse entsinnen."
    Was wohl mochte in Pisos Innerem vorgehen bei dem Gedanken an eine bevorstehende politische Karriere - gab er seinen Wünschen und Neigungen nach, oder nur äußeren Zwängen, was mochte ihn tief in seinem Inneren umtreiben? Nicht zum ersten Male in seinem Leben wünschte Gracchus sich, in eines anderen Menschen Gedankenwelt blicken zu können, nur um zu eruieren, ob auch in anderen tief verborgen stets diese Zweifel über sich selbst, das Hadern und Zögern, sowie wohl gehütete Abgründe waren verborgen. Mit Caius und auch mit Marcus hatte er die seinen Tiefen, die seinen Abgründe bisweilen geteilt, mit niemandem sonst - und nun waren sie beide weit fort, vor ihm geflohen, der sich so sehr in dieses System hatte eingefügt, dass er längst ein Teil dessen war, längst die Räder weiter drehte, welche es antrieben, dass er kaum noch sich Gedanken machte über die Sinnhaftigkeit seines Tuns. Mochte Piso in seinem Innersten sein wie er war, Gracchus wollte nicht dazu beitragen, ihn in sich selbst zu ersticken, bis dass auch er die Flucht antrat oder sich selbst verlor.
    "Du spielst also die Lyra? Ich habe es stets bedauert, niemals gelernt zu haben ein Instru..ment zu spielen, lässt sich in der Musik doch eine Harmonie erreichen, welche mit Worten sich kaum beschreiben lässt, lassen sich in ihr Schwingungen erzeugen, die einen Geist aus der Raserei zur Ruhe führen können oder umgekehrt, die weit über alles hinaus rei'hen, was der Mensch in seiner Rationalität erfassen kann."
    Ein leises Seufzen echappierte seiner Kehle, ehedem er in einer ihm gänzlich untypischen Art sich zu einem spontanen Entschluss durchrang, ein feines Lächeln seine Lippen umschmeicheln ließ.
    "Würdest du, in Ermangelung unseres Vetters, für einen musikalischen Abend mit meiner Person Vorlieb nehmen? Ich würde dich gerne spielen hören, obglei'h ich dein Spiel kaum werde begleiten können wie Marcus dies hätte getan."
    Einzig die Trommel zu schlagen wäre allfällig noch eine Möglichkeit, gehörte das Taktgefühl für solcherlei doch zum Grundrepertoire eines jeden Saliers - zwischen einem Schild und einem Schwert und einer Trommel samt Stab war der Unterschied aus Sicht eines Laien nicht übermäßig groß -, doch war Gracchus sich nicht gänzlich sicher, wieweit er selbst dies noch zu geben imstande war - sein Rhythmusgefühl hatte unbezweifelt gelitten, wie der der Tanz mit Hephaistion während der Meditrinalia deutlich hatte gezeigt, obgleich dies auch an ihrer beidem überaus hohem Weinkonsum, sowie der allgemeinen Ausgelassenheit gelegen haben mochte.

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  • Gracchus sprach die Wahrheit aus, als er meinte, Piso und er hätten in der Vergangenheit zu wenig Kontakt miteinander gehabt, dass er ihn wirklich gut kennen lernen hätte können. Welch Wunder? Gracchus war schließlich lange in Griechenland gewesen und hat auch in Rom bisher zurückgezogen gelebt. Piso derenthalben hatte in der Kanzlei gearbeitet, war von kultischen oder gesellschaftlichen Verpflichtungen in Beschlag genommen worden, oder hatte einfach nur das Leben genossen. Wenn er daran dachte, musste er sich denken, dass es auch positive Seiten hatte, dass Gracchus nicht alles über Piso wusste. Sicher wäre er nicht sonderlich darüber erbaut gewesen, dass Piso sich in so diverse und ästhetische Freizeitvergnügungen einbrachte wie zum Beispiel ehrbare Patrizierinnen als billige Flittchen zu bezeichnen, osteuropäischen Tänzen vorzugreifen, Sklaven unter Lebensgefahr zu erstehen, ein Opfer an die Ahnen in einer stinkenden Sauerei enden zu lassen, Tabernae zu verwüsten, sich mit seinem Vater zu überwerfen oder einfach nur den Hypochonder heraushängen zu lassen. Und diese Aufzählung inkludierte nicht einmal die Sache am Markt... aiaiai... ja, Gracchus sollte wirklich nicht alles das wissen.
    Nichtsdestotrotz lächelte Piso und entgegnete: „Ich würde diesen Umstand wirklich gerne ändern, Gracchus. Wirklich gerne.“ Sein Lächeln verlor sich und sein Blick wanderte hinauf an die Decke, als ob es dort etwas Interessantes zu bestaunen gäbe. Abrupt aber schnellte seine Blickrichtung zu Gracchus zurück. Es schien fast so, als wolle er den Mund öffnen und etwas sagen, doch dann tat er es doch nicht. Als ob er die Gedanken des Gracchus erraten hätte, wollte er etwas über Leontia sagen. Doch er konnte nicht. Sein Mund klappte wieder zu, sodass er sich in Ruhe anhören konnte, was Gracchus über Aristides (er sollte ihn in Gedanken nicht so nennen – es war Marcus, sein Vetter Marcus, und trotzdem, er konnte diese Angewohnheit nicht abschütteln) zu sagen hatte.
    Es war eine längere Rede, während jener sich Piso zurücklehnte und analysierte. Ein untadeliger Patrizier, ja, wenn es überhaupt so etwas gab, könnte vielen Leuten etwas zum Vorwurf machen. Ansprüche seines Standes zu erfüllen war oft auch Piso zuwider. Lange dem Müssiggang frönen – ja, das hatte er auch gemacht (obwohl er dies weniger lange getan hatte als Aristides). Aber sich nicht in Studien zu vertiefen, das sah Piso nicht ähnlich, welcher in einem streberhaften Eifer Wissen schon seit einiger Zeit kontinuierlich absorbierte. Und das Militär? Nein, Piso konnte sich nicht damit identifizieren. Auch wenn er im Hinterkopf noch immer ein Jahr als Tribun hatte. Sich treu bleiben, zählte Gracchus auf. Piso dachte nach. War er sich treu geblieben? Konnte er dies sagen? Er musste sagen, er war in seiner Zeit in Rom reifer geworden. Erwachsener. Er war noch immer ein mächtiger Kindskopf, und würde es immer bleiben, doch es gab einige Sachen in seiner Vergangenheit, die Piso jetzt nicht mehr tun würde (einmal nicht öffentlich). Er strebte noch immer nach Ästhetik, wohin er auch ging, doch war sein Verstand davon nicht mehr komplett umwölkt. Er hatte seine Spiritualität gefunden. Er hatte seinen Ekel vor Blut abgeschüttelt. War er sich treu geblieben? Nicht im wahrsten Sinne. Er war erwachsener geworden, ja. War dies schlecht?
    Gracchus machte eine kleine Pause und setzte wieder an, zu reden. Piso hörte weiterhin zu. An der Ende der Rede angelangt, schwieg Piso ein paar Sekunden, bevor er etwas erwiderte.
    „Allfällig ist es dies...“, echote er die Formulierung des Gracchus. „Vielleicht.“ Kurz senkte er seinen Blick und sah dann wieder hinauf. „Ich möchte es nicht abstreiten, Vetter. Ich habe mich verändert. In manchen Dingen nicht ungewaltig. In manchen nur marginal. In manchen gar nicht.“ Er lächelte. „Und sei dir versichert, Vetter: es ist gut so. Es ist gut so.“ Er atmete schwer ein und wieder aus. „Vielleicht fragst du mich dies, weil ich ansuche um einen Platz bei den Septemviri, war ich doch ein komplett unspiritueller und wenig religiöser Mensch, als ich hier ankam. Dies ist eine von den Sachen, die sich geändert haben. Ich interessiere mich jetzt für kultische Angelegenheiten. Seitdem ich angefangen habe, den Göttern zu opfern und regelmäßiger zu beten, kann ich gar nicht mehr damit aufhören. Es gibt mir ein gutes, befreiendes Gefühl.“ Er lächelte kurz und wurde sofort wieder ernst. „Aber wenn du mich fragst wegen meiner Kandidatur zum Vigintivirat- dies habe ich schon immer geplant. Ich habe es schon immer wollen, mein Leben lang. Ich wollte höher hinaus als... als mein Vater. Der niemals auch nur sich interessiert hat für einen Platz bei den Decurionen Ravennas.“ Beim Gedanken an seinen Vater verdüsterten sich seine Gesichtszüge und er blickte weg.
    Erst wieder hinblicken zu Gracchus konnte er, als jener auf die Musik zu sprechen kam. Seine Miene hellte sich auf einen Schlag auf. Aller Anschein von Ernsthaftigkeit war plötzlich abgefallen von ihm, und er grinste breit. „Musik, mein lieber Gracchus, ist destillierte Ästhetik!“, drosch er eine seiner Lieblingsphrasen. „Es ist die höchste Kunst von allen, sage ich. Sie ist ausdrucksvoll und berührend. Und es ist in jedem von uns drinnen, Vetter. In jedem.“
    Seine Augen schienen aber schier überzuquellen, als Gracchus vorschlug, sie könnten einmal zusammen eine musikalische Sitzung abhalten. „Dies wäre einfach...“ Er rang nach Worten, fand aber keines auf die Schnelle und benutzte daher ein einfaches „...toll.“ Dankbar erstahlte sein Lächeln von einem Ohr zum Anderen. Vielleicht würde dies die Lethargie des Gracchus ein wenig auflockern, würde sie vertreiben. „Weißt du, ich glaube, du bist ein großartiger Musiker, anders kann es nicht sein.“ Er nickte begeistert. „Du solltest auch eine Lyra zur Hand nehmen. Glaube es mir, die Töne entströmen ganz alleine. Musikalische Schulung ist Humbug, lass deine Finger sprechen, das ist das Geheimnis!“ Dieser letzte Satz ließ schon Böses erahnen... doch es war schwer, von Pisos fast schon erdrückenden Enthusiasmus ob Gracchus‘ Ankündigung nicht mitgerissen zu werden.
    Nein, Piso war sich unzweifelhaft treu geblieben.
    Ob dies so gut war wie von Aristides propagiert, war eine andere Frage.

  • Ein wenig sinnierend war Gracchus' Blick bei den Worten seines Vetters. Ein gutes, befreiendes Gefühl - irgendwann hatte auch er dies einmal verspürt in Bezug auf die kultische Arbeit, doch im Laufe der Zeit hatte es sich gewandelt, war zu etwas anderem geworden. Macht. Der Cultus Deorum war Macht. Es war die einzige Macht, nach welcher es Gracchus je in seinem Leben hatte gelüstet, der doch sonstig solcherlei eher abgeneigt war. Doch die Macht des Cultus Deorum war die Macht über die Götter, war die Macht über sich selbst, und tief in ihm verborgen loderte in Gracchus der kleine, feine Funke des Wahnsinns, der darauf brannte, nach dieser Macht zu greifen - wenn auch unter allerlei Mauern und feuerfesten Käfigen verborgen. Den innigen Wunsch, seinen Vater zu überflügeln indes konnte Gracchus nicht nachvollziehen, gleichsam Piso es mit Aetius dabei nicht allzu schwer hatte - sein eigener Vater hatte das zeitliche gesegnet, eh er das Consulat hatte erreicht, und dennoch leuchtete das Erbe des ehemaligen Praefectus Urbi stets wie ein untadeliger Gott über Gracchus, und gleich was er in seinem Leben jemals würde unternehmen, er würde dieses hehre Abbild nie erreichen, würde stets nur versagen können.
    "Auch wenn Aetius nichts dazu hat beigetragen, mit seiner Karriere dir deinen eigenen Pfad zu ebnen, so solltest du nicht vergessen, dass er ihn gegentei..lig dir auch nicht verbaut hat."
    Obgleich er nicht derart wenig von Aetius hielt, wie jener von ihm, so hielt Gracchus nicht sonderlich viel von Pisos Vater, gleichsam entsprach es nicht seinem Naturell, über andere schlecht zu sprechen, sondern gegenteilig noch den geringsten Vorzug hervorzuheben, so es seine Familie betraf. Von Musik indes schien Piso wahrlich begeistert, seine gesamte Person schien während seiner Worte darüber aufzublühen wie die Knospen des Mandelbaumes im Frühling. Gracchus selbst drängte vielmehr als danach ein Musiker, ein Tänzer zu sein. Lange Zeit hatte er in seiner frühen Jugend heimlich davon geträumt, seine Herkunft hinter sich zu lassen - ähnlich wie der aus der Familienehre ausgestoßene Onkel Manius Sabinus - und einer Schauspieltruppe sich anzuschließen, jeden Tag auf einer anderen Bühne zu stehen, zu tanzen und zu singen. Die Mitgliedschaft bei den Salii palatini war darob für ihn nicht Pflicht und nicht Ehre, sie war die Erfüllung eines tief verborgenen Traumes, denn obgleich die archaischen Tänze wenig Spielraum für intuitive Interpretationen gewährten, so kamen sie doch seiner Neigung näher als alles andere. Doch auch dies hatten die Götter letztlich ihm genommen, diese heimliche Freude, diese heimliche Lust, so dass er bisweilen bereits darüber nachdachte, dort seinen Platz zu räumen, dies gleichsam stets hinauszögerte in Hoffnung auf bessere Tage. Trotz dieser Tristesse indes rang er sich ein neuerliches Lächeln ab, nickte seinem Vetter zu.
    "Ich werde es versu'hen an diesem Abend. Bei Marcus sah es stets so einfach aus wie er sein Instrument handhabte, doch ich denke, er hat tatsächli'h Talent."
    Allfällig hatte die Leichtigkeit auch stets nur daran gelegen, dass Gracchus seinen Vetter zuletzt in Achaia hatte Spielen gehört als das Leben noch um einiges unkomplizierter gewesen war. Er lehnte sich zurück und hatte in diesem Augenblick vergessen, ob oder was er noch hatte erwähnen wollen, so dass Schweigen sich über sie legte, nicht unangenehm für Gracchus, war es doch keine Sprachlosigkeit, sondern vielmehr unausgesprochene Übereinstimmung über eine zu begehende Tat.

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  • Hätte Piso des Gracchus Gedanken lesen können, er hätte ihm zugestimmt – wenn auch nur zögerlich, denn frank und frei, ohne Zögerlichkeit, mit der Wahrheit daherzukommen, das war nicht sein Stil. Macht, ja, nicht nur im geistlichen, metaphysischen Sinne, sondern auch greifbar. Nicht unmittelbar in diesem Sinne, aber in dem selben Ausmaß Macht, in dem ein Sprungbrett dies darstellt. Denn tief im Inneren betrachtete Piso den Cultus Deorum als die Basis, auf die er sich seine Macht aufbauen könnte. Das Kapital, die Erfahrung, die Reputation, die Beziehungen, und nicht zuletzt die guten Kontakte zum einen oder anderen Gott, die einhergehen mit der Ausübung einer Position in einem Collegium – all dies würde ihm unzweifelhaft helfen beim Cursus Honorum. Weltliche Macht durch geistliche Macht – zwei Fliegen würden mit einem Schlag geklatscht. Bevor er aber an solches denken konnte, müsste er zuerst schauen, dass er seine Aufgaben als Septemvir, sodenn er diesen Platz bekommen würde, tadellos ausüben würde.
    Gracchus konnte sich scheinends ein Kommentar zu seinem Vater nicht verkneifen. Piso, bestrebt darauf, vom Thema wegzukommen, zuckte gehaltslos mit den Achseln. Am Liebsten wäre er aufgebraust. Aetius, ihm seine Karriere blockieren! Das wäre ja noch schöner gewesen! Gracchus konnte sich kaum vorstellen, was Pisos Vater ihm verbaut hätte. Er hatte ihm seine Mutter verbaut. Seine Kindheit hatte er ihm verbaut. Väterliche Liebe, wie sehr hätte sie sich Piso gewunschen, wie wenig davon hatte er abbekommen! Das meiste davon war auf die Favoriten seines Vaters abgetröpfelt. Wie Leontia. Er biss mit seinen Zähnen aufeinander, sodass seitlich an den Kiefern die Gelenksknorpel leicht hervortraten. Sosehr Leontia hier in Rom wohl geschätzt war, so viele Sachen könnte Piso über sie erzählen, was das holde Bild um einiges qualifizieren würde. Doch er tat es nicht. Über die Toten spricht man nicht schlecht. Ebensowenig über den eigenen Vater, auch wenn die Flammen der Verachtung tief in ihm gegen Aetius brodelten. Dieser Mann hatte seine Mutter umgebracht, und das würde er nie verzeihen können. Nicht einmal Vera hatte er davon erzählt – er wollte nicht, dass sie die selben inneren Qualen durchleiden würde wie er.
    Welche er jedoch verdrängen konnte, wenn er nur an das ihm liebe Konzept der Ästhetik dachte, welche sich in ihrer pursten Form in Musik manifestierte. Und so war es ziemlich natürlich gewesen, dass er zu den singenden Arvalbrüdern gegangen war. Gut aber, dass er wieder nichts davon mitbekam, dass Gracchus ein Gaukler werden hatte wollen – er hatte sehr schlechte Erfahrungen mit fahrendem Volk gehabt. Das einzige, was Piso sah, war ein etwas wehmütiger Gesichtsausdruck im Antlitz seines Vetters, welches jedoch einem zuversichtlicheren wich.
    Piso lächelte breit, als Gracchus sich endgültig entschloss. Es freute ihn sehr, dass er die Möglichkeit erhalten würde, mit ihm ein wenig Musik zu machen – mochte sie auch ob der fehlenden Talente des Piso und der Ausgelaugtheit des Gracchus als die größte Katzenmusik bisheriger Zeiten sich entpuppen.
    „Das ist wunderbar. Wo sollen wir dies machen? Im Peristylium, würde ich vorschlagen. Oder doch leiber im Triclinium?“, brach Piso das Schweigen, welches zwischen den beiden ausgebreitet hatte. Impulsiv und energetisch, konnte er es gar nicht abwarten.

  • Für die Leichtigkeit des Seins, für erhabene Gedanken und unbeschwerte Kurzweil gab es zweifelsohne keinen besseren Ort innerhalb der Gefilde der Villa Flavia als das Peristylium, gleichsam bot es durch seine Transparenz, seine Öffnung zur Außenwelt hin nicht nur eine Möglichkeit zum Entweichen der Gedanken in ferne Gefilde, sondern gleichsam auch aller realen, gegenständlichen Lautäußerungen aller Arten. Mochte auch Piso ein begnadeter Musiker sein - denn dies war es, wovon er ausging -, so bezweifelte Gracchus doch, dass aus dem Tanz seiner eigenen Fingerkuppen über die Saiten der Lyra ein sonderlich wohlklingendes Ensemble sich würde ergeben - in keinem Falle zumindest auf Anhieb -, was im schlimmsten Falle einen zufällig an der seitlichen Straße vorübergehenden Passanten würde zur Verbreitung des Gerüchtes animieren, die Gens Flavia könne sich keine kompetenten Musiker mehr leisten, wodurch - der Natur Famas folgend - noch weitaus schlimmere Insultationen konnten erwachsen.
    "Ich würde das Triclinium bevorzugen, ist es doch sicherli'h dem Wohlklang der Musik kaum dienlich, wenn die Finger ob der winterli'hen Luft sich verkrampfen und ob der Kälte starr werden."
    Allfällig würden die Mauern des Raumes den Klang auch von den weiteren Räumlichkeiten der Villa fern halten, denn Zuhörer waren unbezweifelt nicht nur Gracchus' Verve überaus abträglich, sondern ebenso seinem Willen zur Überwindung des ihm innewohnenden Haders.

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  • „Sicherlich. Das Triclinium. Du hast recht.“ Es war ja kalt draußen. Noch waren die erlösenden Temperaturen, die den Beginn des Frühjahrs anzeigten, nicht gekommen. Zudem konnte es sein, dass den Instrumenten die kalten Temperaturen nicht gut bekommen würden. Zudem hatte das Triclinium noch einen Vorteil – es war weniger wahrscheinlich, dass ein Flavius Furianus des Weges kommen könnte und den Spaß verderben könnte, indem er mieselsüchtig auf das Ende der Katzenmusik (denn eine solche musste sich unweigerlich aus einem gracchisch-pisonischen Ensemble ergeben) beharrte und vielleicht noch eine Strafe für Piso in petto hatte, wie für einen kleinen Jungen, der unartig war. Ja, Piso fürchtete die cholerischen Anfälle des Furianus von Herzen – ein Haufen von blutlüsternen Germanen würden ihm nicht so ängstigen wie sein Vetter dann und wann.
    So waren wohl beide damit zufrieden, dass die musikalische Zusammenkunft im Triclinium stattfinden würde. Sie waren sich darin einig, doch eines musste Piso noch wissen. „Wann denn? Am Abend nach der cena, wenn alle Familienmitglieder sich zurückgezogen haben? Dann wären wir alleine, wir hätten unsere Ruhe.“ Seine Augen funkelten voller Begeisterung über diesen, wie er dachte, einmaligen Plan, und seine imminente Erfüllung. „Ich denke, das wäre die beste Zeit – am Abend ist die Muße am größten, und die Musen am gewogensten. Zumindest denke ich dies.“ Musik! Bald würde sie wieder die Villa Flavia erfüllen. Die Sklaven würden sich fürchten!

  • Über die musischen Musen wusste Gracchus wenig zu sagen, ließ er sonstig doch nur mit den poetischen sich ein, welche seiner Erfahrung nach in den Morgenstunden - zumindest ihm - am gewogensten waren, doch vertraute er in diesen Belangen ganz dem Urteil seines Vetters, wiewohl auch dessen pertinente Überlegungen nicht eines überzeugenden Sinnes entbehrten.
    "Der Abend scheint auch mir die op..portunste Zeit zu sein."
    Die Villa Flavia war nicht eben dafür berühmt, in den Abendstunden sonderlich gesellige Kurzweil zu bieten, zogen die meisten ihrer Mitglieder doch frühzeitig sich in die Einsamkeit ihrer Cubicula zurück oder aber suchten der Ennuyanz zu entkommen und flüchteten in das reichhaltige Nachtleben Roms, ob dessen sie ungestört würden sein.
    "Allerdings noch nicht heute."
    Es war einer der Tage, welche Gracchus seiner Gemahlin hatte abgerungen, an welchen er seinen Sohn würde zu Bett bringen, und während Minor über die Stimme Sciurus', welcher in Vertretung Gracchus' die Gutenachtgeschichte musste vorlesen, zumeist recht bald in die Tiefen des Traumreiches abdriftete, so genoss der Vater es stets, den Worten ein wenig länger zu lauschen.
    "In einigen Tagen?"

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  • Es war nicht so, dass Piso die Morgenstunden nicht gewogen waren, doch war er ein Langschläfer, der sich zudem viel Zeit mit seinem Frühstück ließ und irgenwann einmal zum Arbeiten anfing, mit der Intention, vor dem Mittagessen noch möglichst viel erledigen zu können. Am Abend oder aber am späten Nachmittag war deshalb die Zeit, wo er seinen Neigungen am Besten nachgehen konnte. Gut also, dass Gracchus ihm Recht gab. „Sehr gut.“ Ein Grinsen zog sich über sein Gesicht, welches sicher noch breiter geworden wäre als die eigentliche Oberfläche seines Antlitz, bevor ihn Gracchus wieder auf den Teppich brachte. Nicht heute! Wie schön hatte Piso sich den Abend schon ausgemalt. Nicht heute! Wie schrecklich war dieser Gedanke. Trübsal begann schon, die Heiterkeit in seinem Gesicht zu vertreiben, da lenkte der Ältere doch noch ein. In einigen Tagen.
    „Nun gut. Sicherlich. In einigen Tagen.“ Eine schwammige Formulierung war dies, doch Piso wäre sicher nicht Piso, wenn er nicht in spätestens 2 oder 3 Tagen nachhacken würde (wenn er es nicht vergessen würde, natürlich). Doch für jetzt gab er sich zufrieden. Vielleicht hätte er dann noch die Zeit, ein wenig zu üben (und dabei den Hörsinn der flavischen Sklavenschaft auf Jahre hinaus zu schädigen).
    Er nickte nochmals, zur Bestätigung. „Also. Ich möchte dir nochmals für alles danken... und freue mich schon auf unseren gemeinsamen Abend. Der noch nicht heute ist, sondern erst in ein paar Tagen. Vale – man sieht sich zur cena wieder.“, verabschiedete sich Piso frohen Mutes, als er sich aus seiner Sitzgelegenheit erhob.

  • "Bis später, Piso"
    , verabschiedete Gracchus seinen Vetter, und als dieser den Raum hatte verlassen, beschlichen ihn erste Zweifel, ob dies wahrhaft eine gute Idee war gewesen, der Spontanität nachzugeben. Andererseits hatte er mit Caius und Marcus oftmals überaus vergnügliche Abende verbracht, weshalb also nicht mit Piso? Einige Augenblicke verharrte Gracchus in trägem Sinnieren, ehedem er mehr schlecht als recht seinen Namen unter den Brief für den Magsiter der Septemviri kritzelte. Unbezweifelt saß er schon zu lange, so dass hernach er schwerfällig in die Höhe sich drückte, ein wenig im Garten zu flanieren.


    ~~~ finis ~~~

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