Appellation

  • Nachdem sein Antrag bei der Veränderung der Instanzen bei der Abstimmung Erfolg gehabt hatte, machte sich der Consul daran, seine davon abhängigen weiteren Pläne umzusetzen.


    So stand er wieder einmal im Senat auf, um eine Rede zu halten - diesmal stand die Appellation auf der Tagesordnung:


    Senatoren!


    Ich hatte ja bereits angekündigt, dass ich vor habe, die Frage der Berufungsverfahren noch einmal zu diskutieren, da sie meiner Meinung nach nicht in der langen und erhabenen Tradition unseres ehrwürdigen Rechtssystem stehen.


    Doch warum sollte man die Paragraphen 42 und 43 abschaffen?


    Die Antwort ist leicht, selbst wenn man die Mores Maiorum beiseite lässt. Ein Iudex wird durch den Praetor eingesetzt, ein Praetor wiederum gewählt durch die besten Männer unseres Staates. Ich gehe daher nicht davon aus, dass ein Gericht fehlt - zumindest in der Regel nicht. Dennoch steht es jedem Verurteilten frei, um Berufung zu bitten, steht es ihm frei, einen Beamtenapparat der Praetoren anzustrengen, seine Bitte zu prüfen, obwohl unsere Vorväter für diesen Fall eine eigene Instanz geschaffen haben, die wir nicht vergessen sollten: Die Volkstribunen! Ihnen obliegt es, bei Entscheidungen parteiischer oder schlechter Magistrate einzuschreiten und die Rechte der Bürger zu schützen. Ihnen hinzugetreten ist schließlich auch der Kaiser, der nicht umsonst als Pater Patriae als Patron aller Bewohner des Reiches gelten kann und daher auch die Tribunicia Potestas inne hat.


    All das spricht dafür, dass es besser ist, die Gerichte zu entlasten und stattdessen jenen Institutionen die Arbeit der Prüfung von Urteilen zu überlassen, die dafür vorgesehen sind. Dementsprechend lautet mein Antrag wie folgt:


    Streichung der §§ 42.1, 43 und Ersatz des § 42 durch


    § 42 Appelatio
    (1) Gegen Urteile sämtlicher ordentlicher Gerichte kann vom Angeklagten oder Kläger an den Kaiser oder die Tribuni Plebis kraft deren tribunizischer Gewalt um Neuverhandlung appelliert werden.
    (2) Erkennen sie gravierende Formfehler oder aber haben sie begründete Bedenken an der Entscheidung, so kann der Kaiser einen Fall neu verhandeln. Die Form erfolgt dabei nach den kaiserlichen Bestimmungen.
    (3) Ist beides für ihn nicht erkennbar, so kann er die Appelatio ablehnen und bestätigt somit das verkündete Urteil.
    (4) Es steht ihm weiterhin frei das Strafmaß zwischen Freiheits- und Geldstrafe angemessen umzuwandeln.

  • Kaum war eine Gesetzesänderung beschlossen, setzte der Consul die nächste Auf die Tagesordnung, was Macer aber nicht weiter überraschte, denn schließlich hatte er bei seiner Kandidatur eine große Reform angekündigt. Jetzt ließ er also auch tatsächlich Taten folgen.


    Da er als Praetor erneut selber betroffen war, hörte Macer erneut aufmerksam zu und meldete sich dann rasch zu Wort. "Auf den ersten Blick mag mir dein Formulierungsvorschlag nicht ganz ausgereift erscheinen. Zunächst beziehst du dich sowohl auf den Tribunus Plebis als auch auf den Kaiser, an die appelliert werde kann, um dann fortzufahren, dass alleine der Kaiser einen Fall neu verhandeln kann. Letzteres ist schlüssig, aber es erklärt mir nicht, welche Folgen ein Einwand des Tribunus Plebis hat. Was hat ein Bürger davon, sich an den Tribunus Plebis zu wenden, wenn er letztlich ohne das Vorum des Kaisers nicht zu einer neuen Verhandlung kommt?" Macer blickte den Consul fragend an, fuhr aber gleich mit einem weiteren Punkt fort.


    "Noch später formulierst du dann auch explizit, dass es darauf ankommt, dass alleine die Erkenntnis des Kaisers ausschlaggebend ist, um eine Appelatio anzuerkennen oder aufzuheben. Spätestens hier stellt sich die Frage, welche Handlungsmöglichkeiten ein Tribunus Plebis dann im Rahmen der Appelatio überhaupt hat." Dass er mit einem Veto einen Praetor am Sprechen des Urteils hindern konnte, war ihm zwar klar, aber ein unterbundenes Urteil führte in seinem Augen nicht zwangsweise zur Neuverhandlung im Sinne einer Appelatio.

  • "Wenn der Tribunus Plebis interveniert, wird das Urteil ausgesetzt und der Delinquent kann nicht bestraft werden. Es entspricht nicht der Tradition, dass ein Volkstribun Dinge neu verhandeln kann - nur der Kaiser.


    Allerdings könnte man die Formulierung dahingehend spezifizieren, dass ein Volkstribun Veto gegen ein konkretes Urteil einlegen kann, sodass das Gericht gezwungen ist, sich erneut zu beraten."

  • Macer wollte gerade schon antworten, als ihm noch etwas völlig anderes einfiel. "Bist du dir sicher, dass dies so ist? Haben wir nicht kürzlich erst beschlossen, dass das Gericht vom Praetor eingesetzt wird, aber der Praetor ihm nicht zwangsläufig vorsitzen muss? Kann ein Tribunus Plebis dann überhaupt die Handlung des eingesetzten Iudex unterbinden? Sein Vetorecht steht ihm ja nur gegen die Amtshandlung von Magistraten zu." Macer kam dieser Punkt zumindest sehr wichtig vor, auch wenn er sich nach einer formellen Spitzfindigkeit anhörte. "Und selbst wenn er dies kann, kann er damit nur die Verkündung eines Urteils verhindern, aber das Gericht nicht zwingen, seine Meinung zu ändern", ergänzte er dann das, was er in jedem Fall auch erwidern wollte.

  • “Ich sehe es so: ein Praetor setzt ein Gericht ein. Er überträgt also seine Befugnisse zur Rechtsprechung auf dieses Gericht, auch wenn er ihm selbst nicht angehört. Es handelt also in seinem Auftrag und spricht von ihm beauftragt Recht.
    Deshalb ist es meine Rechtsauffassung, dass ein Volkstribun selbstverständlich ein Gerichtsverfahren per Veto unterbinden kann. Ebenso übrigens ein Consul oder ein anderer Praetor.
    Aber ebenso ist es meine Auffassung, dass ein einmal gefasstes Urteil nicht mehr von einem Veto unterbunden werden kann. Denn mit einem Veto kann nur etwas aufgehalten werden, was noch nicht vollendet wurde.
    Wollen wir etwas anderes, dann müssen wir es in den Gesetzen konkret niederschreiben. So denke ich darüber.“

  • "Ich gebe euch Recht, dass ein Iudex im Grunde nur der Erfüllungsgehilfe des Praetors ist, er also in seinem Auftrag urteilt. Dementsprechend ist jedoch auch das Urteil des Iudex dem eines Praetors gleichzusetzen. Demnach kann er jedoch auch ein gefälltes Urteil verbieten, denn was ist ein Urteil anderes als ein Beschluss eines Magistraten in einem bestimmten Falle, etwa mit einem Mandatum vergleichbar?


    Damit kann er das Gericht nicht zwingen seine Meinung zu ändern, doch besteht die Möglichkeit einen Beschluss gänzlich unwirksam zu machen. Allein diese - nennen wir es 'Drohung' wird die Iudices jedoch wohl zu Sorgfalt zwingen, denn immerhin möchten sie auch, dass ihr Urteil wirksam wird! Abgesehen davon kann auch ein Angeklagter während des Prozesses an die Volkstribunen appellieren, sodass diese als seine Fürsprecher den Iudices im Vorfeld explizit androhen, in bestimmten Fällen ein Veto gegen das Urteil einzulegen."


    erwiderte Durus, wobei ihm klar wurde, dass es äußerst problematisch war, die traditionellen Rechte der Magistrate genauer zu spezifizieren - zwar gab es einige geschriebene Gesetze dazu, doch vieles war nur Tradition und in bestimmten Fällen war diese Tradition wohl unklar.

  • "Mit anderen Worten, ein Tribunus Plebis kann nicht mehr und nicht weniger, als jegliche Urteilsverkündung durch ein vom Praetor eingesetztes Gericht verhindern", fasste Macer das Ergebnis zusammen. Er konnte damit durchaus leben, insofern, dass die Kompetenzen geklärt waren. "Was hat das nun für Folgen? Erzwingt dies schon, dass der Fall vor dem Kaiser verhandelt werden muss oder der Kaiser das Veto des Volkstribunen überstimmt? Es müsste ja fast so sein, nicht wahr? Sonst würde ja einfach alles nur bis zur nächsten Wahl blockiert, was sicher keinem etwas bringt." Und ein sonderlicher Fortschritt in der Rechtssicherheit wäre es in Macers Augen auch nicht.

  • "Nur der Kaiser besitzt das Recht, ein höherrangiges Urteil als die Praetoren zu fällen, das ist korrekt. Dementsprechend wäre es wohl so, dass Volkstribune in der von dir genannten Weise zu verfahren haben - oder sich an den Kaiser wenden, der dann mit seiner Coercitio Extraordinaria das Veto überstimmen kann."


    bestätigte Durus und war gespannt, ob auch die übrigen Senatoren mit dieser Regelung leben konnten.

  • Da ergriff Sedulus zögerlich das Wort und reusperte sich zuvor.


    Da stellt sich mich gerade eine Frage welche von recht unangenhemer Natur ist. Ihr wißt unser Imperator ist sehr krank und derzeit nicht in Rom. Wir alle hoffen auf seine baldige Genesung und das er so schnell wie als nur möglich seinen Amtgeschäften wieder nachgehen kann. Nun zu meiner Frage.
    Wie sieht es aus wenn der Imperator aus gesundheitlichen Gründen diesem besagten Recht nicht nachkommen kann. Geht es dann auf seinen Vertreter über oder ist es dann nicht existent?


    Denn auch diese Möglichkeit sollte wenn man schon daüber sprach mit ins Auge fassen.

  • Eine weitere kleine Machtsäule für Vescularius Salinator also. Avarus hatte bis zu diesem Zeitpunkt vermutet, das sich jeder Patrizier eher als Vertreter des Kaisers sehen wollte, anstatt dieses Plebejers an Valerianus Seite. Doch dieser Diskussionsansatz spielte dem jetzigen starken Mann direkt in die Arme. Seine Augen suchten den Praefectus Urbi sein Geist malte sich bereits das breite Grinsen aus. Doch er wurde im Durchforsten der Ränge unterbrochen, als ein Senator neben ihm seine Toga zupfte. Es schien einer der Sprechwilligeren zu sein, denn er begann Germanicus Avarus ein Gespräch ans Knie zu nageln noch ehe dieser bewies ob er willig oder widerwillig dessen war. So mußte es eine abruppte Handbewegung verstummen lassen. Dieser Moment war zu intressant, um ihn nur im Unterwort aufzunehmen.


    Noch vor Tagen war ein Gerücht die Berge Roms herunter gekrochen, das sich eine Mauer erbaute, die die Befugnisse des PU abgrenzen wolle. Doch Gerüchte waren so oft einfach nur Schall und Rauch. Dieses auch?

  • “Der Vertreter verfügt über die gesamte Amtsgewalt des Imperators Caesar Augustus und über all seine Rechte, wenn der Imperator Caesar Augustus seinen Amtsgeschäften tatsächlich nicht mehr nachkommen kann oder eine Vertretung seiner Person anordnet. Das ist in § 20 Codex Universalis festgeschrieben.“, mischte sich Aelius Quarto wieder in die Diskussion ein.


    “Also beantwortete sich die Frage meines Freundes, des Senators Quintus Germanicus, wohl so:
    Ja, der Stellvertreter könnte ein Urteil aufheben oder das Veto eines Volkstribuns überstimmen, so wie es der Kaiser selbst könnte.“

  • Vielleicht sollte sich Sedulus ein wenig mehr mit dem Codex Universalis beschäftigen. Stellte er soeben fest. Anderseits, gab es ja zum Glück Männer wie seinen Schwager Quarto die ihn so gut wie auswendig konnten.
    Als dieser ihm dann die Antwort auf seine Frage gab, nickte ihm Sedulus dankend zu.


    Ich danke dir für deine Antwort Senator Aelius Quarto.


    Eigentlich war es ja auch mehr oder weniger logisch es sein denn man wollte auch noch ein klein wenig an diesem Paragraphen herumschrauben das der Vertreter des Imperators nicht ganz so viel Macht inne hatte und diese ein klein wenig verteilt wurde.

  • Eine ganze Zeit lang blickte Durus von seiner Sella Curulis aus in die Reihen der Senatoren, ob sich irgendwer erhob, um weitere Einwände zu bringen. Doch nichts geschah, sodass er schließlich verkündete:


    "Es gibt keine Einwände, daher beantrage ich die Abstimmung des Änderungsvorschlags."

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