Im Gebäude – Ein Rundgang

  • Romana blickte eine Sekunde lang verblüfft drein, dann lachte sie. „Du hast wohl Recht, ich mache mir zuviele Sorgen.“ Sie schüttelte ihren Kopf, sodass ihre Lockenpracht ihr ums Gesicht flog. Das widerspenstige Haar strich sie sorgsam aus ihrem Gesicht, bevor sie Calvena weiter zuhörte.


    Bei jedem anderen Menschen hätte Romana damit gerade noch leben können, dass er mit den Göttern nichts am Hut hatte, bei einem Senator aber sah sie eine potentielle Gefährdung der Pax Deorum. Gleichzeitig hoffte sie aber, Sedulus würde schon wissen, was er tat. Schließlich hatte er ja mit seiner Nichte eine Priesterin zur Seite. Dieser Gedanke beruhigte die Claudierin wieder. „Mit den Decimi?“, fragte sie aber interessiert. „Ich kann mich noch erinnern, ein Decimer war Praetor, als meine Captio war. Decimus Livianus. Aber bevor du mich fragst – ich kenne ihn nicht.“ Sie zuckte die Achseln.


    „Gut, sehr gut“, machte Romana, als sie versprach, Sabina einzuführen in die Religion. Jemandem das Wissen darüber zu verwehren, und somit auszuschließen, dass dieser jemand jemals von den Göttern Unterstützung einfordern könnte, empfände sie als schreiende Ungerechtigkeit.


    Kurz blickte sie in den Himmel hinauf und blinzelte, sicherlich etwas erstaunt. „Du, Calvena... es ist schon später, als ich gedacht habe...“, begann sie ihrer Freundin zu beichten. „Und ich glaube, länger lassen mich die Vestalinnen sicherlich nicht jemanden das Atrium zeigen.“ Sie ließ die Schultern hängen. „Ich glaube, ihr solltet jetzt schön langsam gehen... aber wenn du dann heiratest, sehe ich dich gewiss zur Vestalia hier im Haus der Vestalinnen wieder!“, warf sie ein. Die Matronen Roms kamen dann, um einfache Lebensmittel zu opfern, und sicherlich wäre auch Romana darin eingebunden.

  • Schade das Romana sich entschieden hatte dem Ruf Vestas zu folgen, sie wäre sicherlich eine großartige Mutter geworden. Aber sie wollte das Glück ihrer Freundin schmälern, in dem sie diesen Gedanken unbedacht laut äußerte. Die Claudia war glücklich und da sollte man nicht nach dem einzigen Haar in der Suppe suchen, sondern es als das sehen was es war: ein wichtiger Dienst an den Göttern und an Rom. „Ich finde es gut, dass du dir sorgen um deine Gäste machst“, lächelte sie ihr zu. „Und Sabina kann schon manchmal ziemlich übermütig sein. Deine Ermahnung war also durchaus angebracht. Ich denke, das Sabina aber gerade einfach zu überwältigt ist, als das sie an Unfug denken würde!“ An sich war Sabina sehr gut erzogen, Bia hatte ganze Arbeit geleistet und auch Sabinas Mutter hatte wohl viel dazu beigetragen. Doch seit deren Tod, versuchte das Mädchen ihre Grenzen auszuloten.


    „Decimus Livianus und Decimus Mattiacus waren Gäste bei den Fontinalien. Aber näher kennen gelernt hab ich sie nicht. Dazu war ich viel zu sehr abgelenkt. Aber ich glaub sie haben mich auch nicht wirklich vermisst“, grinste sie. „Du weißt ja wie Senatoren sein können, immer in ein ernstes Gespräch über Politik verwickelt.“ Sie dachte gern an die Fontinalien zurück, es war ihr erstes Fest gewesen, das sie selbst ausgerichtet hatte und es war ihr gelungen. Nur das kurze unangenehme Zwischenspiel mit Laevina versuchte sie zu verdrängen. Sie hatte das Bad im Impluvium durchaus verdient.


    „Ich kann nicht zulassen, dass Sabina keine Ahnung von der wichtigsten Grundlage unseres Staates hat. Sie muss ja nicht Priesterin werden, aber es sollte jemanden in der Casa Germanica geben, dem die Religion am Herzen liegt, wenn ich ausziehe.“ Sie klang ziemlich entschlossen und würde diesen Plan in die Tat umsetzen. Wobei sie aber mit Bedacht vorgehen würde und die natürliche Neugierde ausnutzen würde, mit der ihre Base ausgestattet war.
    Bei den Worten ihrer Freundin wanderte ihr Blick auch zum Horizont. „Du hast Recht! Wir sollten wohl langsam nach Hause gehen. Ich danke dir für deine Einladung. Das Atrium Vestae ist wunderschön und es ist eine große Ehre einmal den Fuß in dieses Gebäude gesetzt zu haben!“ sie drehte sich um und winkte Sabina zu sich. „Komm her Sabina“, rief sie gedämpft, sie wollte keine Vestalin stören. „Ich werde zu den Vestalia gern wieder kommen.“

  • Sabina betrachtete das tiefe dunkle Wasser. Spiegelglatt war die Oberfläche und es juckte ihr in den Fingern einen kleinen Stein hinein zu werfen, nur um zu schauen, ob es dann Wellen schlug. Kurz warf sie einen Blick zu den Frauen herüber und entschied sich dann dagegen. Romana würde das sicher nicht gut finden, vielleicht würde sie damit auch die Götter erzürnen. Ganz schnell faltete sie die Hände in einander und drückte diese ganz fest zusammen. Stattdessen ging sie nun noch einige Schritte weiter, ehe sie gerufen wurde. Mit wehenden Röcken kam sie angerannt und sah Romana an. Ihre Augen strahlten. Dieser Ausflug war etwas ganz besonderes gewesen. Es hatte ihr viel Spaß gemacht und sie hatte viel gelernt.


    „Romana, es ist schön hier!“ sagte sie im kindlich naiven Ton. „Ich würde dich gern wieder einmal besuchen, wenn ich darf“, sie warf einen Blick zu Calvena herüber. Mit Sicherheit würde diese sie wieder besuchen.
    „Aber vorher musst du uns besuchen kommen“, lud sie die Claudia lächelnd ein. Ohne zu Fragen, aber eigentlich war es doch eine Ehre eine Vestalin zu gast zu haben.

  • Calvena versicherte Romana, dass sie sich nicht zu viele Sorgen machte, und diese nickte daraufhin vage. Es wird schon so sein, bei Kindern konnte man nie vorsichtig genug sein, dachte sie sich, unwillkürlich nach ihrem Bauch tastend, ohne es selber zu bemerken. Sie fühlte sich an diese Träume erinnert, die sie in letzter Zeit hatte. Dass sie schwanger war, dass sie verheiratet war, dass sie... es war müßig, darüber nachzudenken. „Ich bin mir ganz sicher, dass sie nicht an Unfug denkt“, versicherte sie Calvena und lugte wieder zu Sabina hin unter. Sie war so ein süßes Mädchen, es war zum Hinwegschmelzen.


    „Wirklich, waren sie das? Gesehen habe ich sie nicht... Mattiacus, ist das nicht dieser Rechtsverdreher, der die arme alte Frau... na, wie heiß sie denn... aus dem Impluvium gerettet hat?“ Sie lächelte. „Ja, sicherlich, die Senatoren... man unterschätzt uns Frauen einfach, was Politik angeht, und das ist unser großer Vorteil.“ Sie lachte. Sie könnte dem Kaiser einfach einen Brief schreiben, um das Schicksal eines Mannes zu besiegeln, einmal war sie dessen ganz sicher.


    „Genau, du ziehst ja aus... ja... Sabina wird sicher die religiösen Traditionen hoch halten, wenn sie nach dir gerät.“ Sie lächelte leicht. „Vielleicht will sie ja auch einmal Vestalin werden, wie ich.“ Oh ja, Romana hielt an diesem Wunschdenken fest wie ein Hund an seinem Knochen.


    Sie nickte ein wenig betrübt, als Calvena ihr Recht gab. „Tja. Also, es war sehr, sehr schön mit euch beiden. Wir sehen uns sicher bald wieder.“ Sabina kam daher gewirbelt, und mit einem amüsierten Lachen wandte sich Romana ihr zu. „Ach Sabina, ja, das würde mich freuen!“ Sie beugte sich sehr weit hinunter und umarmte die Kleine herzlich. „Ich käme gerne wieder zu euch.“ Sie ließ von Sabina ab und ließ auch Calvena eine Umarmung angedeihen, um einiges kräftiger als die von vorhin – die Götter geben, dass es der Germanicerin nicht den Atem abschnüre!


    Endlich ließ sie Calvena wieder los und deutete zum Vestibulum hin. „Da geht es raus, durchs Vestibulum durch die Porta, ihr wisst sicher, wie.“

  • So sicher konnte man sich nie sein, ob hinter der hübschen glatten Stirn nicht gerade ein großer Streich sich versteckte. Sabina war in dieser Hinsicht sehr kreativ und fand es mitunter sehr witzig sich etwas auszudenken, womit sie Andere Ärgern konnte. Aber es waren immer nur gut gemeinte Streiche, nichts schlimmes, von daher konnte man es ihr nachsehen, dass sie etwas übermütig war.


    „Du meinst meine Großtante Laevina“, berichtete sie. „Sie ist ins Becken gefallen“, sie unterließ es lieber Romana gegenüber zu erwähnen, dass sie der Meinung war, dass der Drachen es durchaus verdient hatte.
    „Sollen sie uns doch unterschätzen“, zwinkerte sie ihr zu.


    „Ob ich wirklich so ein gutes Vorbild bin...“, sagte sie mit einem leisen Zweifel in der Stimme. Solange Sabina ihr in religiösen Dingen nacheiferte war es durchaus gut, aber sie hatte jede Menge schwächen, an denen sich Sabina lieber nicht orientieren sollte. „Ach lassen wir das. Sabina wird ihren Weg gehen, ob sie meinem Beispiel folgt, oder deinem oder einem anderen, wird sich mit der Zukunft zeigen. Bis dahin soll sie ihre Kindheit genießen!“ Sie ging mit Absicht nicht auf den Wunsch ihrer Freundin ein. Sedulus wollte Sabina keineswegs als Vestalin wissen und auch sie glaubte nicht daran, dass es das Richtige für das Mädchen war.


    „Ich würde mich auch sehr freuen, wenn du bald wieder unser Gast bist!“ lächelte sie und erwiderte die feste Umarmung der Freundin. „Du wirst immer ein gern gesehener Gast sein“, fügte sie zum Abschied hinzu. „Wir finden allein raus. Wache du über das Feuer der Vesta, liebe Romana. Vale! Mögen die Götter über dich wachen!“ verabschiedete sie sich wortreich und strecke Sabina die Hand entgegen. Das Mädchen ergriff diese und gemeinsam flanierten sie durch die Gänge, wenig später schloss sich die schwere Tür hinter ihnen und sie standen wieder mitten im Tumult der Stadt. Ihr war gar nicht aufgefallen, welch ein Ort der Ruhe das Atrium Vestae war. Kurz blickte sie über die Schulter und ein leises Lächeln umspielte ihre Lippen. Ein wahrer Schatz verbarg sich hinter dem dunklen Holz. Eine eigene Welt, in die sie blicken durfte. Leicht neigte sie ehrfurchtsvoll das Haupt.


    „Große Vesta, behüte mir meine Freundin Romana, wie sie es verdient. Sie ist dir eine gute und treue Dienerin. Die Beste die du je bekommen kannst!“ mit diesen leisen Worten setzte sie sich in die wartende Sänfte, Sabina kuschelte sich an ihre Seite.

  • Sabina strahlte, als Romana sagte, dass sie sie gern wieder als Gäste hätte und das sie gern auch mal wieder bei ihnen zu Besuch sein wollte. Etwas zögerlich erwiderte sie die Umarmung und strahlte dann die große Frau von unten herauf an. „Wenn du kommst musst du mir viel über Vesta erzählen!“ sagte sie begeistert. „Vale Romana!“ sie winkte der Claudia eifrig zu und ließ sich dann willig hinaus führen. So viele Eindrücke, so viel Neues.
    Etwas irritiert sah sie ihre Cousine an, als diese leise vor sich hin murmelte und zuckte dann leicht die Schultern.
    „Du hast sie sehr gern!“ es war eine Feststellung. „Ich mag sie auch! Sie ist sehr nett!“ sagte sie und kletterte in die Sänfte. Auf dem Rückweg löcherte sie dann Calvena mit dutzenden Fragen.

  • Romana nickte, unglücklicherweise würde sie wieder vergessen, was Calvena über ihre Großtante gesagt hatte. Nur so war es wohl erklärlich, dass sie Laevina bei der iulisch-furischen Verlobung noch einmal ihren Namen und ihr Verwandschaftsverhältnis zu Calvena abfragen würde.


    „Ha! Ist schon unglaublich, wie sie das immer wieder tun und dann auf die Nase fallen. Diese armen Narren.“ Sie lachte und zwinkerte übermütig zurück.


    Romana schüttelte tadelnd ihren Kopf, als Calvena ihre Vorbildstellung anzweifelte. „Wenn du kein Vorbild bist, ist es niemand mehr.“ Sie wirkte recht amüsiert, und drückte das mit einem Lächeln aus, welches eigentlich schon ein Grinsen war. „Nun gut...“, gab Romana zu bedenken. Sie wollte noch hinzufügen, dass Sabina bald einmal im Alter wäre, aufgenommen zu werden... aber sie war noch 5. Zeit genug, um ihr zu erlauben, es sich zu überlegen, schließlich konnte man Vestalin werden bis 10. Und es gab auch noch Ausnahmeregelungen, wie für sie. Obwohl sie selber dachte, sie war nur aufgenommen worden, weil sich die Göttin direkt an sich gewandt hatte und außerdem, weil sie einem der ältesten Adelsgeschlechter Roms angehörte.


    „Vielen Dank!“, erwiderte sie auf die Einladung. „Ich werde dem gerne nachkommen, wenn die Möglichkeit sich ergibt. Und ja, ich sage dir alles über Vesta, was du wissen willst, wenn ich zu euch komme, Sabina.“ Sie lachte, etwas überwältigt von der Fülle der Worte, die aus Calvena herauszusprudeln schien. „Über dich ebenfalls, Calvena, und über dich, Sabina. Valete!“


    Sie wartete, bis die beiden das Peristylium verlassen hatten, bevor sie sich hinsetzte auf der selben Bank, die vorhin noch Sabina benutzt hatte. Ihre Gedanken schweiften hinweg... über das Peristyl hinaus, über die Mauern des Atrium Vestae, die Stadtmauern Roms, zu einen Punkt, der imaginär oder auch wirklich sein konnte. Sie überschlug die Beine und lächelte, als sie sich zurücklehnte.

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