Natürlich kannte Nigrina ihren Bruder – und wusste nur zu gut, wie sie ihn ärgern konnte. Oder wenigstens ein bisschen aufziehen. Sie musste gar nicht darüber nachdenken. Gewisse Dinge schliffen sich einfach ein unter Geschwistern, und selbst wenn sie etwas daran hätte ändern wollen, hätte sie zunächst Schwierigkeiten gehabt, aus der Rolle auszubrechen, die sie als kleine, als jüngste Schwester, kombiniert mit ihrem Charakter, im Lauf der Zeit eingenommen hatte. Allerdings wollte sie gar nicht ausbrechen, im Gegenteil – sie persönlich fand, dass es einen großen Nutzen hatte, wenn man in der Lage war andere zu ärgern, oder wenigstens wusste, wie man sie ärgern konnte. Es gab einem nur einen zusätzlichen Trumpf in die Hand, den man spielen konnte, vorausgesetzt man war sich bewusst darüber. War man es nicht, konnte sich der Trumpf nur allzu schnell ins Gegenteil verkehren… aber auch darüber war Nigrina sich, inzwischen, bewusst.
Sie ließ sich also ein wenig Zeit, erzählte über die Gladiatorenkämpfe, war fast ein wenig enttäuscht, dass er nicht nachfragte, und kam dann endlich auf den Punkt. Was aber dann geschah, war… nahezu unbeschreiblich. Pisos Reaktion, als sie Priscas Namen nannte, übertraf jede Erwartung, die Nigrina gehegt hätte. Sie hatte darauf spekuliert, dass er irgendwie reagierte, dass ja. Aber so… Einige Momente lang musterte sie ihren Bruder, fast verblüfft, fragte sich für einen winzigen Augenblick gar, was wohl vorgefallen sein mochte zwischen den beiden, denn zunächst wirkte Piso so schockiert, dass sie eher dazu tendierte, Negatives anzunehmen. Dann jedoch schlich sich zunehmend ein Lächeln auf ihre Lippen, und sie musste sich zusammenreißen, um es nicht zu einem ausgewachsenen Grinsen werden zu lassen. Piso war verliebt. VERLIEBT! Na wenn ihr das nicht hervorragend in die Hände spielte! Nigrina dachte nicht unbedingt hoch von Verliebten, aber Fakt war, dass sie sehr leicht zu kontrollieren waren, Männer wie Frauen.
„Ja?“ wiederholte sie mit einem strahlenden Lächeln. „Das ist toll, danke!“ Und dann, endlich, fing sie doch an ein wenig zu grinsen. „Was ist denn mit dir los?“