hortus | Zeit für Spiele

  • Marei hatte wieder einmal nichts zu tun und sich an etwas errinnert, was die Langeweile gnadenlos vertreiben könnte. In ihren Augen war das Ballspiel geradezu harmlos, welchs nicht nur als Freizeitvergnügen für Kinder sondern auch für Frauen galt. Es wurde auch von Ärzten als gesundheitsfördernde Übung empfohlen, sagte man auf der Straße. Beliebt war das Spiel auf dem Marsfeld in Rom, auf Straßen und Plätzen und in den Sportanlagen der Thermen. Bälle verschiedener Größen und Arten wurden einzeln oder in Gruppen benutzt. Die "pila" war ein kleiner mit Haaren oder Federn gefüllter Ball, der außen mit farbigen Lappen benäht war. Der "follis" war eine mit Luft gefüllte Schweins- oder Rindsblase. Allein spielte man entweder den Ball auf den Boden oder an die Wand als eine Art Schlagball.


    Ziemlich lange hatte sie Niki bearbeiten müssen, ihr eine mit Federn gefüllte Pila herzustellen. Sogar für das ungeliebte Geschirr spülen hatte sie sich freiwillig gemeldet, um Niki eine Gegenleistung für ihre Mühe anzubieten. Irgendwie hatte Niki es geschafft viel mehr Federn zu besorgen als für das Spielgerät benötigt wurde und ein Bodenkissen extra für Marei allein angefertigt. Dieses konnte man auf den Boden legen und bei Nichtgebrauch unterm flach Bett verstauen. Mit Ball und Kissen sowie Puppe Nina unter den Armen eilte Marei in den Garten und suchte eine möglichst freiliegende Hauswand, die sich für das Spiel eignen würde, welches sie spielen wollte. Da drüben.. da war eine freie Hauswand. Marei hatte keine Ahnung, wer hinter dieser Villenwand wohnte.


    Sorgsam legte sie das Kissen auf den Boden, nahm Platz und warf den Ball an die Wand. Klatsch.. klatsch.. patsch... machte der federngefüllte Ball, wenn er an die Wand geworfen wurde. Sie fing den Ball nicht immer und musste manches Mal aufstehen, um ihn wieder zurückzuholen. "Oh, Nina.. hör mir zu, mir ist was feines zum Singen eingefallen. Und den Ball werf ich dabei weiter an die Wand. Nee, mache dir nur keine Sorgen, ich schaffe das ganz sicher." rief Marei atemlos aus, wischte die Haare aus der Stirn und nahm auf dem Bodenkissen Platz. Mit recht lauter Stimme sang sie drauflos. "Wer sitzt auf unsrer Mauer? Fari, fara, farum. Die Katz sitzt auf der Lauer, fari, fara, o Spätzelein, nimm dich in acht vorm Kätzelein! Fari, fara, farum! Die Katz ist heimgegangen! Fari, fara, farum! Den Spatz hat sie gefangen, fari, fara, o Spätzelein, sie bringt dich heim den Kätzelein! Fari, fara, farum!" Klatsch.. klatsch.. patsch... machte der federngefüllte Ball, wenn er an die Wand geworfen wurde.


    Sim-Off:

    Wer mag mitsingen und mitspielen?

  • Es war schon später Nachmittag, als sich Narcissa aus Floras Cubiculum zurückzog, in welchem die zwei Schwestern zusammengekommen waren, um gemeinsam eine Kleinigkeit zu essen und über die zurückliegenden Geschehenisse ausgiebig zu sprechen und zu diskutieren. Letzteres wurde durchaus mit einiger Leidenschaft getan, denn bei aller Ebenbildlichkeit, besaßen die beiden Schwestern durchaus sehr unterschiedliche Charaktere.
    Kurz ging sie in die Bibliotheca, um sich eines der Bücher des Herodot zu nehmen, das sie dort auf ihrem Rundgang mit ihrem Bruder Manius entdeckt hatte und wollte weiter in Richtung der exedra, um sich in diesem orientalischen Flair den Ausführungen des Historikers hinzugeben. Spontan entschloss sie dann jedoch den Umweg über den hortus zu wählen, um zumindest ein bisschen frische Luft zu schnuppern. Schon aus einiger Entfernung drang ein rhythmisches "Klatsch""Klatsch"Klatsch" an ihr. Verwundert beschleunigte sie ihre Schritte und vernahm bald auch eine Kinderstimme, die fröhlich ein Lied vor sich hin trällerte...""Wer sitzt auf unsrer Mauer? Fari, fara, farum...."....Der Text kam ihr überaus bekannt vor. In ihrer Kindheit hatte sie ihn oft selbst gemeinsam mit Flora gesungen und hatte ihren Lehrern damit fast in den Wahnsinn getrieben. Singen machte eben dann doch etwas mehr Spaá als öde Mathematik.
    Vor einer entlegenen Mauer des Gartenms, hockte ein kleiner Junge auf einem Kissen auf dem nackten Boden. Etwas irritierte sie dieser Anblick, denn erstens Klang die Kinderstimme eher ach einem Mädchen und außerdem trug der Kleine auch noch eine Puppe bei sich...Rasch erkannte sie Narcissa ihren Fehler. Einige Schritte entfernt blieb sie stehen. Es war offensichtlich, obschon das Mädchen durchaus gut gekleidet war, dass es sich hierbei um ein Sklavenkind handeln musste. "Klatsch!"...."Klatsch!"..."Klatsch!"....
    "Sag Mal ist dir das nicht zu kalt, mit dem Kissen auf dem blanken Boden?", fragte Narcissa schließlich..."Wo ist deine Mama?"....

  • Bums.. der Ball platschte zu Boden. Völlig erschrocken über die unerwartete Ansprache drehte sie sich eilig um und fand sich vor einem wunderschönen Mädchen wieder. "Ähhh...." brachte Marei erstmal heraus, weil ihre Gedanken noch bei dem Lied waren und erst einmal gestoppt werden mussten. "..sag mal, schleichst du dich immer wie iene Katze an?" fragte sie das erstbeste, was ihr einfiel und schüttelte den Kopf.


    "Mir ist nicht kalt. Im Ball und im Kissen sind Gänsefedern drin. Köchin Niki hat sie reingestopft und zugenäht. Ich habe keine Mam mehr. Sie hat mich verkauft." bantworte sie schliesslich die gestellten Fragen und erhob sich vom Kissen. Der Ball lag in Reichweite von Narcissa, aber sie mochte ihn jetzt nicht holen. Die fremde Person war vielvielviel interessanter und außerordentlich hübsch! "Wie heisst du? Ich hab dich noch nie gesehen! Bist du so eben gaannz heimlich von der Straße über die Mauer zu uns geklettert?" Marei deutete auf die Mauer und trat sich in Gedanken gegen das Knie. So ein Mist, jetzt hatte sie ihren unerlaubten Ausflug verraten! "Ich bin Marei.. brauchst du etwas?" versuchte sie eilig von dem Geheimnis abzulenken.

  • Narcissa hob die Augenbrauen und folgte der Geste des Mädchens hinüber zu Mauer. Über die Mauer klettern? Auf so eine Idee wäre sie gar nicht gekommen - wozu gab es Türen? Sie schmunzelte, offensichtlich hatte sie es hier mit einem äußerst aufgeweckten Kind zu tun. Ihre Auskunft über ihre Mutter, bestätigte Narcissas Annahme, ein junges Sklavenmädchen.
    "Na, verzeih, wenn ich dich erschreckt habe!", meinte sie dann und beugte sich hinunter, um den Ball vom Boden aufzunehmen. Kurz betrachtete sie ihn, es war noch gar nicht so lange her, da hatte auch sie gemeinsam mit ihrer Schwester auf dem Hof in Terentum Ball gespielt, und schritt dann weiter auf das Kind zu. "Das hat damit zu tun, dass ich erst gestern hier in Rom angekommen bin", fuhr sie fort, als sie das Spielzeug dem Kind zurückgab. "Ich heiße Aurelia Narcissa...Und mit wem habe ich die Ehre?", lächelte sie und beäugte nach wie vor das Kissen. Gänsefedern hin oder her, es war für das Kind viel zu kalt hier draußen! Ob es Ärger für sie bedeutete, wenn sie ihm ihre Palla gab? "Das ist ein sehr schöner Ball", attestierte sie dann mit einem Nicken in Richtung des Spielzeugs. "Passt die Köchin dann auf dich auf?"

  • "Angenommen..." erwiderte Marei die Entschuldigung und lächelte Narcissa scheu zu. "Gestern schon bist du angekommen? Hm, dann hab ich deine Ankunft verpasst, vielleicht weil ich schon im Bett war?!" mutmaßte das kleine Mädchen und nahm ihren Gänsefederball entgegen. "Narcissa? So einen Namen hab ich noch nie gehört, Narcissa, aber jetzt hab ich es gehört." witzelte sie spontan auf schlagfertige Weise und wunderte sich, dass ihr hübches Gegenüber ihren eigenen Namen nicht wahrgenommen hatte. Vielleicht hatte sie ihn auch noch nie gehört? "Ich bin die Marei. Die Köchin passt gaannz selten auf mich auf. Aber Cimon, er passt eigentlich immer auf mich auf. Nur heute hat er ganz ganz viel zu tun und deshalb musste ich mir was suchen, um die langeweilige Langeweile zu vertreiben. domina Flavia Celerina braucht mich auch nicht, jedenfalls habe ich meinen Namen noch nicht rufen hören." plapperte sie drauflos und warf zuletzt den Ball an die Villenwand, wo er dann auf dem Kissen landete. "Hast du auch Langeweile? Oder guckst du dir den Garten an? Willst du mitspielen?"

  • "Na dann bin ich aber froh", Sie lächelte abermals. Dieses kleine Mädchen war überaus aufgeweckt und schlagfertig! Ihr war es doch tatsächlich entgangen, dass Marei ihr ihren Namen bereits gesagt hatte. Vielleicht lag es ja daran, dass sie es von ihren Verwandten nicht gewohnt war, dass sie gleich auf Anhieb ihren Namen verrieten, sondern sie erst einmal durch unauffälliges Informationssammeln dazu gezwungen war, ihren Namen herauszufinden.
    "Ein schöner Name!....Ich bin seit gestern Spätnachmittag da. Aber meine Schwester und ich haben die ganze Zeit mit unserem Bruder verbracht...Er hat uns das Haus gezeigt", fuhr sie dann fort. Wo die beiden im Moment wohl steckten? Manius war zweifelsohne mit politischen Angelegenheiten beschäftigt. Schon den ganzen Tag war der Bruder wie verschollen gewesen. "Ich war gerade auf dem Weg in die exedra, um dort ein bisschen zu lesen...", Sie deutete auf die Schriftrolle in ihrer Hand. "Aber ich dachte, ein wenig Luft würde mir ganz gut tun....Möchtest du mich vielleicht begleiten und mir ein wenig Gesellschaft leisten?" Immerhin würde das Kind dann so aus dieser Kälte heraus kommen!

  • "Danke, ich mag meinen Namen! Hmm... gestern nachmittag und ihr habt die Villa schon angesehen?" Marei zuckte mit den Schultern, da hatte sie gestern aber was verpasst. "Mit deinem Bruder? Wer von den vielen Männern ist es denn?" fragte sie fragend nach und lächelte Narcissa scheu an. Immerhin hatte diese bisher fast jede Frage geduldig beantwortet, da würde sie vielleicht weiteren Fragen nicht ausweichen, um mehr über die äußerst hübschen Neuankömmlinge zu erfahren. Jetzt bloß nichts verderben! In die exedra wollte diese nun gehen un sie mitnehmen.


    Marei entdeckte jetzt erst was Narcissa in den Händen trug. "Pof.. du kannst lesen!" stellte das kleine Mädchen ein klein wenig neidisch fest und bekundete auch ihre Zustimmung. "Gut, ich komme mit rüber." Sie wandte sich ab, sammelte Puppe Nina, das Kissen und zuletzt den Ball ein. Schwer tragend stellte sie sich neben Narcissa. "Kann man dort neben lesen auch Ball spielen?" Während sie die Antwort abwartete, ging Marei langsam neben Narcissa her.


    "Ich war noch nicht in der exedra Nur auf dem Rasen und in manchen Büschen. Weil Katze Saba immer wieder mal ausbüxt und wir sie dann suchen gehen dürfen." Marei stellte das Kissen kurz auf dem Weg ab und deutete auf einen bestimmten Baum. "Guck da rüber.. da hat domina Phraates erwischt und am Hals gewürgt. Der wollte ihre Katze verbraten und verspeisen. Ich bin weggelaufen und habe versucht, Saba wieder ins Haus zu locken, damit sie wieder reinkommt." Puh, war das ein langer Satz! Marei nahm das Kissen auf. "Die kam dann auch. Ich hab sie gefüttert und gekämmt. Dann wollte Saba schlafen. Ich hätte mich am liebsten zum Kuscheln neben sie gelegt, aber ich war in dominas Zimmer. Da darf ich nicht schlafen."

  • „Zumindest einiges – das wichtigste”, gab Narcissa zur Antwort. „Aber es wird wohl noch ein bisschen dauern, bis ich mich hier ganz zurecht finde. Man könnte fast meinen diese Villa sei eine kleine Romminitaur mit all ihren Ecken, Nischen, Räumen…Manius Aurelius Orestes ist mein Bruder und Aurelia Flora meine Schwester.” Sie ließ davon ab nähere Angaben zu den familiären Umständen zu machen. Wieviel das kleine Mädchen wohl über die Geschehnisse in der Familie mitbekam?


    Sie schritten den Säulengang entlang, den sie am Tag zuvor schon mit Marcus Aurelius Corvinus gegangen war. Er führte direkt in Richtung exedra. Narcissa hörte das Erstaunen in Mareis Stimme. „Lernst du denn nicht zu lesen?”, fragte sie mindestens ebenso erstaunt. Natürlich war sie nicht dumm und wusste, dass es nicht allzu viele Sklaven gab, die des Lesens mächtig waren. Für sie, als eine ausgesprochene Bücherliebhaberin, die pro Woche gut und gern mehrere Schriftrollen verschlang, war die Vorstellung nicht lesen zu kennen einfach unglaublich. Aber vielleicht lehrten es sich die Sklaven ja untereinander. Einer musste doch wohl dabei sein, der Lesen konnte. „Na, ich glaube der Hausherr wäre nicht sehr begeistert, wenn wir dort Ballspielen würden”, meinte sie lächelnd. Er wäre ganz sicherlich alles andere als angetan davon."Über ihre Geschichte von Phraates, der die Katze Saba braten un dverspeisen wollte, musste sie dann doch lachen, obschon die Sache an sich nicht sonderlich lustig war. Doch Mareis Art das Gesechen zu erzählen, mit der Arglosigkeit eines Kindes, war einfach zu köstlich. Sie folgte mit dem Blick ihrer Geste „Na das kann ich mir vorstellen, dass sie das nicht so toll fand. Wer ist Phraates? Woher kommt er? Ich habe ihn noch nicht gesehen. Ist Saba deine Lieblingskatze?"
    Warme Luft schlug ihnen entgegen, als sie die exedra betraten. In den metallenen Becken glühten heiße Kohlestücke rot, weiß, grau. Narcissa mochte diesen Raum und sein Flair. Es war beinnahe sah, als betrete man eine andere Welt. Noch war niemand da, was sie doch rech wunderte, denn die exedra schienzu den Lieblingsräumen der Bewohner der Villa Aurelia zu gehören. Sie setze sich in einen der Weidestühle, die um eines der Kohlebecken herumstanden, wies Marei an, sich doch neben sie in einen zweiten Sessel zu setzen und hielt die Hände gegen die Hitze, die doch etwas klamm geworden waren. „Sag Mal Marei, bekommst du viel von den Geschehnissen in diesem Haus mit?”, fragte sie ziemlich beiläufig klingend.

  • Marei musste kichern.. nämlich über die Vorstellung, dass die Villa ganz Rom sein könnte. "Achwooo... das glaubst du selber nicht mehr, wenn du Rom erst einmal von oben gesehen hast. Dann kommt dir die Villa richtig klein vor." Und musste staunen. "Du hast Bruder und Schwester? Pof... ich hab keine. Und dominus Orestes habe ich kaum gesehen... zuletzt meine ich. Na.. hein..ich lerne nicht lesen. Ich soll mir lieber alles merken, dazu hab ich nämlich meinen Kopf." Marei schüttelte den Kopf.


    "Och komm.. ich glaube, den Hausherr gibts gar nicht. Den Mann hat Celerina erfunden, weil sie selber eine Hausherrin sein will. Ich hab den Mann noch nieee rumkugel.. äh.. laufen gesehen!!!" Wenn der Hausherr mitbekäme, dass sie im nahenden Aufenthaltsort etwas zerstört hätte.. was würde dann geschehen? Würde er dann für ihre Kinderaugen immer noch unsichtbar sein? Am besten Cimon ausfragen!!, nahm Marei sich vor und stieg kichernd in Narcissas Lachen ein.


    "Phraates kommt wie Cimon aus einem fernen Land und er kann in fremden Zahlen zählen und in seltsamen Worten Lieder singen. Saba ist die Katze meiner Herrin. Sie ist wunderschön... und voll schade, dass sie nicht bei mir schläft!" Das kleine Mädchen liess Kissen und Ball auf den Boden fallen, nahm Puppe Nina mit in den Sessel, in welchem sie sitzen sollte und platzierte sie auf ihrem Schoß. "Über die Geschehnisse im Haus willst du wissen. dominus Ursus hat ein schönes Zimmer und ein flaches Bett, da passe nur ich drunter, um die druntergerollenen Nüsse aufzusammeln. Cimon dient für ihn und passt auf ihn auf. domina Celerina sagt, ich darf Trauben essen soviel ich will und Charis ist ihre Sklavin. Sie frisiert Celerinas Haare und sagt, wann ich baden gehen darf." Während sie plappernd erzählte, wackelte mit den Zehen, die am Feuer allmählich warm wurden. So kalt wars doch gar nicht im Garten gewesen!?! Komisch! "Spielst du mit Bruder oder Schwester Schlagball?"

  • „Dann musst du dir aber einiges merken können, kleine Marei…”, entgegnete Narcissa, „Und hier gibt es bestimmt vieles, dass man sich merken kann und muss…”, Das Mädchen wusste ganz bestimmt etwas über die Bewohner dieses Hauses zu erzählen. Sie hatte einen überaus wachen Geist. Zudem schien sie Narcissa recht gesellig zu sein. Das Herz lag Marei auf der Zunge. „Das kann gut sein. Ich glaube er ist sehr mit politischen Dingen beschäftigt…”, Sie ließ ihren Blick gedankenverloren über die abgedecikten Pflanzen gleiten. Für einen kurzen Moment lang, ergriff sie ein merkwürdiges Gefühl der Fremde…..


    Marcus war auctor der Acta Diurna und dazu noch Pontifex…da war es nicht verwunderlich, dass er sich oft außerhalb der Villa befand. Eine innere Stimme ließ sie dann aber doch aufhorchen. Sie hatte Celerina bisher noch nicht kennen gelernt – überhaupt hatte sie seit sie hier in Rom angekommen war, noch nicht allzu viele Familienmitglieder kennen gelernt. Daher war es eine wirklich gute Gelegenheit sich ein wenig von Marei erzählen zu lassen, um schon Mal erste Anhaltspunkte zu bekommen, wer ihre Verwandten waren. Die Sklaven wussten das bestimmt am besten von allen hier in der Villa, weil sie direkten Kontakt mit ihren Herren hatten. Die meisten zumindest. „Wie kommst du darauf, dass Celerina ihren Mann erfunden hat? Braucht sie das denn? Mag sie ihn denn nicht?”…Eigentlich ging es sie ja nichts an, aber neugierig war sie trotzdem. Über die Einzelheiten, die Marei ihr berichtete musste sie schmunzeln. Das kleine Mädchen war wirklich sehr aufgeweckt. Bestimmt hatte der Wirbelwind schon den einen oder anderen Sklaven zum Verzweifeln gebracht, der damit betraut worden war, auf sie aufzupassen. Das Mädchen brachte eindeutig frischen Wind und mischte das Haus auf. Sie fragte besser nicht danach, weshalb Titus ein flaches Bett besaß…vielleicht hatte er ja gesundheitliche Probleme. „Du isst wohl gern”, stellte sie stattdessen fest. „Versteckst du dich denn oft unter irgendwelchen Betten? Celerina ist eine gute Herrin?”Sie spürte wie die Wärme ihren Dienst tat und sie allmählich aufwärmte. Zufrieden ließ sie sich noch weiter in den Korb sinken und legte die Hände auf die Schriftrolle auf ihrem Schoss, während sie Marei beobachtete wie sie ihre Puppe im Arm hielt. „Wie heißt denn deine Puppe? War es auch die Köchin, die sie dir gemacht hat?” Bei dem Gedanken ans Spielen musste sie abermals lächeln. „Mit meiner Schwester habe ich” bei dem nächsten Wort zögerte sie etwas…”Zuhause in Terentum manchmal gespielt als wir noch etwas kleiner waren…Unseren Bruder haben wir noch einer langen Zeit gestern das erste Mal wieder gesehn.”

  • "Och.. das Merken ist ganz leicht." winkte Marei leichtfertig ab und war froh, dass Narcissa nicht genauer nachfragte, wie sie dies denn schaffte. "Was sind denn poloitische Dinge?" fragte sie dafür die Ältere aus, merkte nicht, dass sie das Wort falsch ausgesprochen hatte. Marei zuckte mit den Schultern. "Du, ich weiss nicht mal, ob sie ihn mag. Sie sieht ihn wohl immer dann, wenn ich nicht dabei sein kann, weil ich zu tun habe oder draußen unterwegs bin." versuchte sie eine Erklärung zu finden, warum sie dominus Corvinus gaannnz selten, eigentlich nie sah und hörte.


    Sie lächelte verlegen, als narcissa meinte, sie würde gerne essen. "Na.. hein.. ich versteck mich nicht gern unter flachen Betten. Nachts soll es unter Betten besonders gruselig sein und ich habe keine Ahnung, in welche Geisternester ich dann reinkrieche. Das drunter kriechen mach ich wirklich nur, wenn es total wichtig ist. Und Celerina ist eine gute Herrin. auch wenn sie mich nicht oft braucht. Dann geh ich zu Cimon und guck zu..." Achja, Nina hörte auch zu, sie streichelte die blonden Haare der Puppe. "Sie heisst Nina. Nicht die Köchin.. die hat den Ball gemacht. dominus Ursus Sklave Cimon hat sie gebastelt und mir zu den Saturnalien geschenkt. Sie sieht genauso aus, wie ich sie mir wünschte, als ich meine Milch nicht bekam und deshalb krank wurde."


    Mit fröhlich-fragendem Blick sah sie Narcissa verwundert an. "Pof.. alle Leute reisen und kommen hier her.. warum bloß? Ist Rom ein wichtiger Ort? Warum seid ihr nicht mehr zu Hause? Wie war das erste Wiedersehen?" Sie kannte selber nicht so viele Menschen, die sie wiedergesehen hatte. Langsam zog Marei die nackten Füße näher heran und stellte sie auf die Sesselpolster. So war es noch gemütlicher...

  • Sie musste lächeln, als Marei dem Wort "politisch" noch ein "o" andichtete. "Na das sind die Dinge, die..." sie stockte. Wie um alles in der Welt sollte sie einem kleinen Mädchen das erklären. Es wäre natürlich ein einfaches gewesen, ihre Neugierde mit der einfachen Begründung "Dafür bist du noch zu klein" abzublocken. Aber so einfach wollte sie es sich nicht machen. "Es sind Entscheidungen, die Männer im Hinblick auf unseren Staat und...die Regeln für unsere Gemeinschaft treffen...", Zugegebenermaßen war sie nicht sonderlich zufrieden mit ihrer Antwort. "Verstehst du?"


    Sie nickte zu Mareis Ausführungen bezügich Corvinus. Natürlich war sie neugierig, was den Hausherren betraf, letztendlich würde sie aber auch ihn wie ihre anderen Verwandten mit der Zeit kennen lernen.


    "Geisternester? Na da hast du Recht. Ich habe gehört manche sollen ganz garstig sein." Eigentlich war sie nicht abgläubisch. Natürlich glaubte sie als guterzogene Patriziertochter an die Götter, Geisterglaube war ihr jedoch fremd. "Was wäre denn so wichtig, dass du dich todesmutig in ihr Reich traust?"
    "Nina", Narcissa nickte anerkennend und beugte sich vor, um der Puppe das blonde Haar zu streicheln. "Das ist ein wirklich sehr schöner Name. Und Cimon hat sich sehr Mühe gegeben mit deiner Puppe!..."


    Ein leises Lachen entfleuchte ihrer Kehle. "Das ist eine sehr gute Frage! Ja, Rom ist ein wichtiger Ort", Fast schon verschwörerisch fügte sie hinzu: "Weißt du, es ist der Mittelpunkt dieser Welt! Die Ewige Stadt, gebaut aus Marmor." Sie beobachtete Mareis Gesicht, ehe sie fortfuhr: "Dort wo wir herkommen ist alles anders. Es ist viel ruhiger, ländlicher", Narcissa hiet einen Moment inne: "Es wurde Zeit, dass wir auch einmal das andere Leben kennen lernen, das Stadtleben. Und wir wollten auch einmal wieder unseren Bruder besuchen!" Natürlich war das nur die halbe Wahrheit, denn Lucilla hatte die beiden auch nach Rom geschickt, um die Schwestern zu verheiraten.

  • "Dinge.. zum anfassen?" fragte sie vorsichtig nach und schaute noch ratloser drein, wie die Ältere den Staat und die Regeln erwähnte. "Zum Entscheiden? Worüber muss er denn entscheiden?" wagte sie einen neuen Anlauf zum besser verstehen, was diese politischen Dinge waren. "Wichtig ist alles, was den Großen unter das Bett fällt und gebraucht wird.. oder eben von ihnen aufgegessen werden möchte.. wie Nüsse oder Trauben." versuchte sie zu erklären warum sie manchmal unter diverse Betten kroch. "Manchmal mach ich unten noch sauber mit Besen und Schaufel.. diese Dinger sind ganz schön groß und schwer."


    Die Puppenmutter lächelte stolz darüber, wie ihre handgefertigte Puppe bewundert wurde. "Ja, das hat er! Ich weiss immer noch nicht von wem die hellen Haare sind. Aber das ist egal! Hauptsache, Nina frieren ihre Ohren nicht ab oder es zieht von hinten." Sie liess zu, dass Narcissa Nina berührte, rückte die Puppe sogar auf dem Schoß etwas nach vorne, damit die andere sich nicht so strecken musste.


    "Ein Mittelounkt der Welt also?! Hmmhm... und dann gibts noch mal diese Villa als Mittelpunkt, weil man von dem immer fortgeht und wieder zurückkehrt, weil es eben das eigene zu Hause ist." stellte Marei für sich fest. "Was ist Marmor? Was heisst ländlich, domina?" Als waschechtes Stadtkind kannte sie die Welt außerhalb der Mauern nicht. Woher auch? Bisher führten ihre (Fuß-)wege immer entlang steinerner Wände entlang. Selten säumte etwas grünes die Wege... vielleicht war sie auch deshalb so gerne auf dem Gartenrasen??! Das Gras kitzelte nackte Füße! Marei lächelte verschmitzt ob der Errinnerung.

  • "Nein, die kann man nicht anfasssen", antwortete Narcissa grinsend. "Zumindest nicht direkt. Diese "Dinge" werden am Anfang erst einmal besprochen, dann werden Gestze daraus gemacht, oder gewählt..." Das Mädchen ware wirklich überaus neugierig. Die junge Aurelia mochte das. Sie hielt nicht viel von Menschen, die nicht Neues lernen wollten. "Es wird zum Beispiel darüber entschieden, wieviel Sold die Soldaten bekommen, oder wer Consul wird...", versuchte sie den Wissensdurst der jüngeren zu stillen.
    "Das kann ich mir vorstellen. Da unten ist dann wohl auch nicht viel Platz, um sie zu benützen..."Sie wollte sich lieber nicht vorstellen, auf was Marei unter den Betten alles stieß...


    Das blonde Haar war ganz weich, als sie mit den Fingern darüber strich. Narcissa nutzte die Gelegenheit, um die Kunstfertigkeit der Puppe zu bewundern. Geschickte Hände hatten sie hergestellt. Die Nähte waren fein und säuberlich. Kaum zu glauben, das es ein Mann gewesen war, der sie gemacht hatte! Marei war sichtlich stolz auf die Puppe Nina. Auch Narcissa und Flora hatten zahlreiche Puppen gehabt, als sie klein gewesen waren - erstaunlicherweise hatten sich die Mädchen aber nie dafür begeistern können. Der Pferdestall war da viel interessanter gewesen, oder das Herumrennen draußen im Freien. Puppenweitwerfen war auch stets ein beliebtes Spiel gewesen. Aber herum getragen hatten die Zwillinge sie jedoch nie...
    "Warst du denn noch nie außerhalb von Rom?", fragte Narcissa verwundert. Sie konnte sich das nur schwer vorstellen, war sie doch in all dem Grün fernab der großen Stadt aufgewachsen. Selbst das Landgut, auf welchem sie gelebt hatte, war nicht direkt in Terentum, sondern etwas außerhalb gewesen. Noch heute hatte sie den Duft von frischem Gras und Sonne und Blumen in der Nase...."Marmor ist ganz wertvoller Stein. Es gibt ihn in verschiedenen Farben...Weiß, Schwarz, Rot...Hier in der Villa bestehen die meisten Böden aus Marmor. Und "ländlich" bedeutet ganz wenig Häuser, viele Felder, viele Tiere wie Kühe oder Schafe. "Ländlich" ist es außerhalb der Stadt!"

  • "Ahaa.. achsoo... das ist nichts zum anfassen. Er tut besprechen und entscheiden? Vielleicht ist er deshalb so sill wie ein Geist wenn er heimkommt. Vielleicht weil er dann seine Stimme nicht mehr hören kann und seine Ohren Ruhe brauchen?" erwiderte Marei mit aufmerksamen Blick.


    "Stimmt, domina Narcissa. Ich habe gehört, dass Soldaten viele viele Münzen bekommen, wenn sie gut dienen so wie ich meiner Herrin. Aber die bekommen die Münzen nur deshalb, weil sie Ausrüstung und anderes brauchen.. richtig? Ich bekomme keine Münzen, weil domina Celerina alles nötige für mich besorgt und bezahlt." Nun, ihre Freiheit hatte sie nicht, aber sie kannte es von klein auf nicht anders. Es reichte, ein stabiles Dach überm Kopf, genug zu Essen sowie schöne Kleidung tragen zu dürfen und Aufgaben zu erledigen, weil die hier lebenden größtenteils netten Menschen es von ihr verlangten. "Mhm.. diese Dinger muss man zusammen reinstecken, gemeinsam hin und her bewegen und dann mitsamt allem wieder rausziehen." Man konnte das Bildchen auch für das Beisammensein von zwei Geschlechtern bezeichnen, aber das wusste Marei (noch) nicht. Kinder waren einfach da!


    "Außerhalb von Rom sein? Wie stellst du dir das vor? Ich komme nicht einmal an die Stadttore heran, weil die vielen Leute mich wieder zurückscheuchen oder zurückpfeifen. Ich bin ein kleines Mädchen. Ältere Mädchen und Jungen dürfen viel eher durchziehen." Marei nickte über die Erklärung zum Marmor und beschloß nochmals die Augen offenzuhalten, um diesen Gestein wirklich zu entdecken. "Alle Böden in diesen Farben sind aus Marmor? Ich finde, das ist ein ziemlich kalter Stein. Deshalb braucht man Schuhe, um nicht anzufrieren wie die Enten im zugefrorenen Fluß Tiber. Ich mag es wärmer." Langsam zog Marei ihre Puppe zurück, setzte sie an ihre Seite. Marei wackelte abermals mit den Zehen und fummelte unverzagt ein hängengebliebenes Stückchen Erde aus dem linken großen Zehennagel. "Wolltest du nicht lesen? Ich kann gut zuhören..."

  • „Das Besprechen und Entscheiden kann sehr schwierig und anstrengend sein, vor allem dann, wenn die anderen nicht seiner Meinung sind und ganz anders entscheiden wollen...“, bestätigte die junge Frau „Wie ein Geist, ja...besser hätte ich es auch nicht beschreiben können. du bist ein kluges Mädchen, Marei“, bemerkte Narcissa wohlwollend. „Er muss sich dann ausruhen, um für den nächsten Tag gewappnet zu sein...“


    Für sie, die als eine freie Römerin geboren war und dazu auch noch das Glück gehabt hatte, als aurelische Tochter das Licht der Welt erblickt zu haben, war der Gedanke unfrei zu sein undenkbar. Dabei kannte auch sie die Unfreiheit, auch wenn sie es so niemals vor anderen bezeichnen würde. Sie hatte bestimmten Regeln zu folgen, eine bestimmte Botschaft zu übermitteln und der Weg, ihr Leben, lag ganz klar vor ihr. Eines Tages würde sie zum Wohle der Familie heiraten. Auch sie war abhängig. Im Gegenzug hatte sie ein stabiles Dach über dem Kopf, genug zu Essen und durfte schöne Kleider tragen. Auch wenn Marei es nicht direkt aussprach und sich dessen wohl auch nicht bewusst war, so sprach sie doch in ihrer Kindersprache über jene Institution, deren sie anheim gefallen war. Narcissa verspürte einen leisen Stich. Dabei war es doch das natürlichste der Welt! Es gab jene, die dienten und jene, die über die anderen geboten! Vermutlich mochte sie das Mädchen schon zu sehr – und es schien ihm zumindest nichts auszumachen. Noch nicht. Vermutlich kannte Marei es auch nicht anders, war als Sklavin geboren worden. „Ja, richtig...Sie müssen sich davon ihre Ausrüstung kaufen...“, antwortete sie reichlich halbherzig. Sonst hatte sie doch auch keine Probleme mit der Sklaverei! Lysandra war auch eine Sklavin und ihr hatte sie noch niemals solche Gefühle gegenüber gebracht! Dabei kannte sie sie schon seit ihrer Geburt! „Und Celerina kümmert sich um dich...Das tut sie doch gut, oder?“, fragte sie nach.
    Der jungen Aurelia kam gar nicht in den Sinn etwas anderes in der Beschreibung des Kindes zu sehen, als die geschickte Handhabung eines kleinen Handbesens und einer Schaufel. Natürlich war sie mittlerweile schon ganze 17 Lenzen alt und selbstverständlich hatte sie schon die eine oder andere flüchtige Schwärmerei für einen jungen Mann gehegt und das eine oder andere Gespräch gemeinsam mit ihrer Mutter und Schwester durchstanden, doch ihre Gedanken waren diesbezüglich noch reichlich unbedarft, wenn nicht sogar naiv...
    „Du warst noch niemals außerhalb von Rom?!“ Jetzt war es keine Frage mehr, sondern ein erstaunter Ausruf. „Das ist doch ungeheuerlich! Du musst doch einmal sehen, was da draußen ist!“, sagte sie mit tiefer Überzeugung. „Das nächste Mal, wenn meine Schwester und ich einen Ausritt unternehmen, nehme ich dich mit, einverstanden?“ Eigentlich hatte Marei gar keine Wahl. Aber sollte sie zuvor vielleicht noch Celerina fragen? Immerhin war das Mädchen ja ihr Eigentum. Sie war diesbezüglich noch so in Gedanken, dass sie gar nicht hörte, wie Marei von der Notwendigkeit von Schuhen berichtete. Sie kehrte erst wieder in die Realität zurück, als Marei seelenruhig ihre Zehennägel reinigte. „Na Marei, das macht man aber nicht vor anderen“, wies sie sie zurecht, nicht streng, aber doch bestimmt. „Sondern in seinem Zimmer, dort wo es niemand sieht...“ Ihre eigene Leibsklavin hätte sie jetzt wohl mit kaltem Wasser übergossen, dachte sie mit einer gewissen Amüsiertheit. „Ja, ich wollte eigentlich lesen...“, bestätigte sie. „Möchtest du denn etwas hören?“,

  • "Wieso muss es anstrengend und schwierig sein?!? Niki sagt immer 'Basta', wenn sie entschieden hat, was es den Tag über zu Essen geben soll. Ab dann darf ihr keiner mehr widersprechen. Auch Brix darf man nicht widersprechen, wenn er entschieden hat, wer was wann wo tun soll. Manhcmal sieht er es aber ein, wenn ich etwas nicht erledigen kann, weil ich dem nicht gewachsen bin. Ich weiss gar nicht was er damit meint.. vielleicht weil ich noch so arg klein bin?" plapperte Marei über auftauchende Fragen und über ihre Erfahrungen.


    "Ja, sie kümmert sich gut um mich. Ich darf ihre Farben tragen... ich mag rot und gelb, Und ich wohne unter einem stabilen Dach und habe genug zu Essen. Dazu habe ich noch Cimon und Caelyn und Charis und Phraates gefunden und Katze Saba kennengelernt." Sie wunderte sich über Narcissas offene Verwunderung. "Nein, ich war niemals außerhalb Roms. Oh doch doch doch... einmal war ich außerhalb. Da hat mich die Herrin in ihrer Sänfte mitgenommen, weil ich nicht reiten kann." Oh jemine.. sie konnte vieles nicht, fiel Marei auf und sah Narcissa bewundernd an. Wie lange würde es dauern bis sie 'groß' war? Das Sklavenmädchen freute sich über das Ausflugsangebot, hob Puppe Nina auf die Füße, liess sie frühlich über ihren Schoß tanzen. "Ja.. ich komme gerne mit, aber ich und Reiten?!? Die Pferde im Stall sind schrecklich groß." Marei liess mit betretenem Blick von den inzwischen sauberen Fußnägeln ab. "Ich habe kein Zimmer, ich habe ein Bett und eine Truhe." Marei nickte. "Ich möchte gerne etwas hören, bitte. Sind es Geschichten?"

  • Ein herzliches Lachen brach über ihre Lippen. Bisher hatte sie nicht die Ehre gehabt, Brix oder Niki kennen zu lernen - Mareis Beschreibung folgend, konnte sie sich aber zumindest die Köchin leibhaft vorstellen. "Dann sind die beiden wohl die heimlichen Herrscher dieses Haushalts, hm?" meinte sie schelmisch grinsend. "Da draußen gibt es nur einer, der die Macht hat einfach "Basta" zu sagen - und das ist der Kaiser...Wie alt bist du denn Marei? Weißt du das?" erkundigte sie sich auf ihren Hinweis, sie sei noch so arg klein.


    "Rot und Gelb sind sehr schön Farben. Ich kann verstehen, dass du sie magst..." Wieder betrachtete sie das Sklavenmädchen für einen Moment nachdenklich. Sie schien zufrieden zu sein. Warum auch nicht? Wenn sie gut behandelt wurde? Was sie nicht kannte, konnte sie schließlich nicht vermissen. Falls man sie frei ließ - würde sie mit der ihr gegebenen Freiheit überhaupt zu recht kommen? Die Stimme des Kleinen brachte sie wieder zurück. "...Weil ich nicht reiten kann.", sagte sie und Narcissa musste über ihre Ehrfurcht angesichts der "großen Pferde" und der Freude in Mareis Gesicht lächeln. Sogar Puppe Nina tanzte. "Kein Sorge, meine Epicharis ist nicht so groß und zudem ganz zahm." Bei dem Gedanken an die Stute überkam sie ein schlechtes Gewissen. Schon längst hatte sie nach dem Tier schauen wollen. Es war vollkommen untypisch für sie, dem Stall so lange fort geblieben gewesen zu sein. Das musste sie auf jeden Fall schnell nachholen!
    "Oh?", Überrascht hob die junge Aurelia die Brauen. "Kein Zimmer? Nicht einmal eine Kammer?" Für sie war so etwas undenkbar! Es wäre schon absolut unvorstellbar das Zimmer mit jemandem anderes teilen zu müssen. Sie brauchte ihren Rückzugsraum. Sich unsicher, was sie darauf entgegnen sollte, ging sie liebendgern auf Mareis nächste Frage ein. "Ja, es sind Fabeln...von Aesop. Kennst du ihn? Er war Grieche..." Sie löste das Band, das die Schriftrolle zusammen hielt, während sie mit Marei sprach...

  • "Hm ja.. das sind sie. Niki ist älter als Brix und ist waltet bestimmt schon ziemlich lange in der Küche. Sie kennt die Speisekammer in- und auswendig, sie weiss sofort was fehlt und nacherstanden werden muss." plauderte Marei. Die gutmütige Köchin beeindruckte sie, das war wahr. "Der Kaiser sagt 'basta'? Pof..." staunte sie. "Niki sagt, man soll jeden Tag einen Apfel essen, dann wird man ganz ganz alt." Sie hob die Finger, zeigte fünf plus drei Finger vor. "Acht! So alt bin ich. Irgendwann kommt noch ein Finger dazu... aber ich habe keine Ahnung wann. Meine Mam weiß, wann das ist und sagt dann: 'Marei, es ist wieder soweit einen Finger hoch zu tun.'" Marei liess die Finger sinken, dachte ein paar Momente lang an ihre Mutter und riss sich zusammen. Die Errinnerung an Mam wurde mit jedem Tag schwächer.


    "Ja.." sagte sie leise zu den Farben, legte den Kopf schief. "Was heisst zahm? Das klingt wie brav." Hachja.. schon wieder ein beinahe Reim! "Nein, kein eigenes Zimmer, keine eigenen Kammer. Wir schlafen alle in einem Zimmer. Cimon schläft woanders weil er ein Mann ist und zu den Männern gehört." Narcissa würde gleich vorlesen. Spontan rutschte das Sklavenmädchen vom Stuhl, tapste auf nackten Füßen zu Narcissas Stuhl rüber. Ruhig blieb sie neben ihr stehen. "Fabeln? Wer ist der Grieche? Dieser Mann schreibt Geschichten? Pof... und worum geht's?" Neugierig blickte sie auf die Schriftrolle, ahnte nichts von der Welt der wissenden Schriftrollen und tanzenden Buchstaben. Lesen und Schreiben können war ein verschlossenes Wunder.

  • „Da hat Niki Recht...“, bestätigte Narcissa mit großen, ernsten grünen Augen. „Äpfel sind für die Heiterkeit und mit einem heiteren Gemüt wird man steinalt!“
    „Acht Jahre!“, Sie hob die Augenbrauen in gespielter Verblüffung. „Na, das ist aber schon eine ganze Menge. Dann musst du dich ja schon wie eine richtige junge Dame benehmen“, meinte sie, auch im Hinblick auf ihr weniger rühmliches Fußnägel säubern. „Weißt du denn, wie sich eine junge Dame verhält?“ Sie wollte sie nicht nach ihrer Mutter fragen, die sie verkauft hatte. Schließlich konnte sie nicht wissen, wie frisch die Wunden noch waren, die durch die Trennung und nicht zuletzt durch die Erkenntnis, dass ihre Mutter bereit gewesen war, sie zu verkaufen, zweifelsohne entstanden waren. Narcissa wollte das Kind nicht traurig machen und so beschloss sie für sich, sich später einmal bei diesem Cimon – das war der Name des männlichen Sklaven, den sie beständig nannte – oder der Köchin Niki nach dem Geburtstag der Kleinen zu erkundigen. Vielleicht wussten sie etwas. Und wenn nicht, dann konnten sie immer noch irgendeinen x-beliebigen Tag zum Geburtstag Mareis ernennen.


    „Na, du gibst dir die Antwort ja schon selbst. Kluges Mädchen“, lobte sie Marei abermals. „Zahm bedeutet brav...“ Ein Zimmer für so viele Menschen, Narcissa schauderte. Nein, das war ganz und gar unvorstellbar. Wieder einmal war sie froh darüber, als jene geboren worden zu sein, die sie nun einmal war. Mit all den Kompromissen, die sie dabei auch eingehen musste. Mit leisem Knistern entrollte sie das Pergament, auf dem in fein säuberlicher Handschrift die Fabeln festgehalten worden waren. „Aesopius schrieb diese Geschichten. Er ist schon seit über 700 Jahren tot. Er lebte in Griechenland. Woher er aber genau kam, weiß man nicht. Vielleicht aus Thrakien, vielleicht aber auch aus Phrygien. Er war ein griechischer Sklave...“ Hach, die Welt der Buchstaben und Wörter! Eine unendlich große Welt! Was dort draußen nicht alles wartete! „Es ist eine Sammlung von Fabeln. Das sind kurze Geschichte, mit einer...“ Sie wollte schon sagen „Moral am Ende“, besann sich dann aber doch eines besseren: „...die uns etwas lehren wollen. Tiere sind darin die Hauptfiguren. Sie können sogar sprechen. In der ersten Geschichte geht es um, einen Fuchs und einen Raben“ Narcissa sah zu dem Mädchen auf, dass mit großen Augen neugierig neben ihr stand. Einer spontanen Eingebung folgend, meinte sie: „Na, wenn du möchtest, kannst du dich zu mir auf den Schoss setzen. Dann kann ich mit dem Finger den Zeilen folgen und du kannst mitlesen. Was meinst du?“

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