Was ich an Rom so mochte war, dass es hier wirklich alles gab, und sei es noch so ausgefallen. Die Taberna, in der ich mich mit dem interessanten Quintilier verabredet hatte, lag günstig, direkt an der breiten Uferpromenade der Insel, an der Ecke zur Passage zum Faunustempel. Sie hatte erst vor kurzem eröffnet. Auf dem Schild, das über dem Eingang hing, von einer Laterne beleuchtet, waren die Farben noch frisch und kräftig. Das Bild zeigte drei schlanke, exotisch anmutende Türme, inmitten von hohen Sanddünen, und in apart geschwungenen Buchstaben stand dabei: Irem und Taberna homeritica.
Die Dämmerung war schon angebrochen, als ich dort eintraf. Ich hatte etwas länger gebraucht, um mich zu entscheiden, was ich anziehen sollte. Letztendlich war meine Wahl auf eine Tunika in dunklem Amethyst, mit dezent eingewebten silbergrauen Clavi gefallen, unverschnörkelt aber ganz auf der Höhe der Zeit. Ausserdem hatte ich mir ein klein wenig, nur einen Hauch wohlduftenden Zimtöls auf Nacken und Handgelenke gerieben.
Durch eine mit Schnitzereien geschmückte Türe trat ich ein, und fand mich in einer orientalischen Schatzhöhle. Ziselierte Räucherschalen säumten den Eingang, würziger Rauch kräuselte sich von dort aus in den tiefen Raum, der mit bunten Teppichen ausgelegt war. Ich dachte mir, dass die Räucherschalen im Sommer sicher bitter notwenig waren, um den Flußgestank zu übertünchen. Farbenfroh gemusterte Wandbehänge stürzten wie Kaskaden von der Decke, und überall hingen oder standen unzählige Laternen, durch deren durchbrochene Wände das Licht in fremdartigen Ornamenten auf die Umgebung fiel. Kohlepfannen glühten, eingelassen in den Rücken großer, geflügelter Greife, die reptilienhaft die Zunge reckten.
Ich blickte mich um, ganz angetan von diesem exotischen Flair. Da hatte ich ja schon immer einen Hang dazu. Die Taberna war ziemlich voll, erfüllt von dem Gewirr vieler Stimmen. Zum Glück hatte ich gestern einen Sklaven zum Reservieren vorbeigeschickt. In einer Ecke zupfte ein malerischer Orientale die Saiten einer Art Harfe. Die Gäste allerdings sahen allesamt nach gutsituierten Römern aus. Das fand ich schade, so ein wirklicher Geheimtip schien diese Taberna nicht zu sein, und augenblicklich fragte ich mich, was hier wohl "authentisch" und was bloß Klischee war. Aber es gefiel mir trotzdem.
Die junge Dame, die mich mit starkem Akzent begrüsste, schien jedenfalls die fleischgewordene Idee einer Wüstenprinzessin, sie hatte pechschwarzes Haar, das sich wie Schlangen über ihre olivfarbenen Schultern wand, und ebenso dunkle, kunstvoll ummalte Mandelaugen. Halb durchscheinende Schleier bauschten sich, als sie mich zum reservierten Tisch führte, und ein blutroter Stein funkelte in ihrem Bauchnabel.
Der Tisch war nur kniehoch. Er lag in einer der Fensternischen, die von aus Palmblättern geflochtenen Zwischenwänden begrenzt wurden. Es gab keine Klinen, nur feste Sitzkissen mit Trodeln. Ich ließ mich etwas umständlich auf einem davon nieder, so dass ich den Raum gut im Blick hatte, und bestellte mir auf Empfehlung hin einen Dattelwein. Da sass ich dann, nippte an dem süssen Wein, ließ meine Blicke schweifen, und versuchte mich mit der Betrachtung meiner Umgebung davon abzulenken, dass die Aussicht den Quintilier wiederzusehen, in so einem völlig un-dienstlichen Rahmen, mich, obwohl ich es ja selber vorgeschlagen hatte, schon ein bisschen nervös machte.