Narbo Martius - Casa Roscia

  • "Bona Dea, sie ist wundervoll!" Schwärmerisch schaut Lucilla durch das weitläufige, licht- und luftdurchflutete Atrium.
    "Nicht wahr? Ich iebe es, wie viel Platz man in jeder Stadt der Welt außer Rom für wenig Geld haben kann! Hier, du musst dir unbedingt das Impluvium genauer ansehen!" Mit schwungvollem Schritt und über das ganze Gesicht strahlend tänzelt die Hausherrin durch den Raum und zieht Lucilla kichernd an der Hand mit sich.
    Erwartungsvoll begutachtet diese das Wasserbecken und die Statuen darum herum und prustet auf einmal los. "Jocasta! Das hast doch nicht etwa du zu verantworten?! Herrlich! Ach, ich bin ja so froh, hier zu sein!"
    "Und ich erst, Lucilla, und ich erst! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie verzweifelt ich war, als Appius diesen Posten angenommen hat. Aber was hätte ich tun sollen?"
    "Warum bist du nicht in eurem Haus in Rom geblieben?"
    "Es ist wegen Appius Familie. Davon abgesehen, dass sie mich nicht ausstehen können, suchen sie doch nur einen Vorwand, der unsere Scheidung herbeiführt. Und du weißt doch, dass ich mir das nicht leisten kann. Wo sollte ich denn hin? Meine Mitgift würde nicht einmal für eine Wohnung in der Subura reichen. Außerdem ist es hier sicherlich nicht so schlecht, wenn man sich erst einmal eingewöhnt hat. Es fällt mir nur so schwer, Kontakte zu knüpfen, vor allem während Appius in der Provinz unterwegs ist."
    "Oh, da mach dir mal keine Sorgen. Ich habe mich schon kundig gemacht, in der Via Pepullia soll es einen exzellenten Schneider geben. Wenn wir dort einkaufen, dann wird jede Frau dieser Stadt unsere Namen kennen. Außerdem kenne ich den Praefectus Vehiculorum. Er war lange Zeit Stationarius in Emporiae, bevor er nach Narbonensis zog. Über ihn kommen wir sicher zur ein oder anderen Einladung, denn wer würde nicht die Frau des Regionarius auf seiner Feier haben wollen?"
    "Ganz abgesehen von einer Senatorengattin."
    "Ganz genau." Lucilla grinst breit. "Ist es nicht fast schon jämmerlich, wie berechenbar das Imperium ist?"
    "Ein wenig, ja."
    "Siehst du, und genau deswegen liebe ich es!"



    Einige Zeit zuvor in der Casa Decima Lucilla, Tarraco, Hispania


    Schon seit einiger Zeit fühlte sich Lucilla mit ihrem Sohn überfordert. Wenn er nur ständig vor sich hin plappern würde, könnte sie darüber hinweg hören (diese Fähigkeit hat sie in den Damenkreisen Roms perfektioniert). Doch das Kind stellt dauernd bohrende Fragen an sie. Mama, was ist ein Cingulum? Mama, woher wissen die Frauen auf dem Markt, wie viele Früchte sie jeden Tag mit nach Tarraco bringen müssen, dass sie am Abend nichts mehr übrig haben? Mama, wieso ist Mars Gott des Krieges und der Felder? Mama, wie berechnet ein Architekt die Stabilität eines Hauses? Mama, wenn zwei Parallelen sich in der Unendlichkeit treffen, warum sind sie dann noch parallel, wenn doch parallel bedeutet, dass zwei Geraden keinen Schnittpunkt miteinander haben? Mama, was ist der Unterschied zwischen einem Delikt und einem Verbrechen und warum ist für das eine das Iudicium Privatum und für das andere das Iudicium Publicum zuständig?
    Das Kind machte sie halb wahnsinnig, schließlich ist Lucilla nur ein Landei aus Tarraco und nicht die wandelnde Bibliothek von Alexandria.


    Schon seit einiger Zeit minus etwas Zeit surren Lucilla die sprichwörtlichen Hummeln im Hintern. Tarraco im Winter ist recht öde und wegen des unfähigen Proconsuls von Hispania gibt es kaum noch öffentliche Feiern. Aus Furcht, der Fiscus könnte bald an sie heran treten, halten neuerdings auch noch die Reichen der Stadt ihr Geld zusammen, so dass es auch kaum noch private Feiern gibt.


    Etwa vor drei Wochen dann hat Lucilla einen Brief von ihrer besten Freundin Cluvia Jocasta aus Narbo Martius erhalten. Deren Ehemann, Roscius Blosius, ist zum Regionarius der Region Narbonensis befördert (oder abgeschoben) worden, so dass das Ehepaar aus Rom nach Gallien umgezogen ist. Obwohl Narbo Martius die größte Stadt der Provinz ist und voller Leben steckt, blies die schüchterne Jocasta Trübsal.


    Etwa vor drei Wochen minus einen Tag kam dann noch ein Brief von Lucillas (eigentlichem) Lieblinsneffen Faustus in Tarraco an. In ihrer Wut über den Inhalt (des Briefes, nicht Faustus) verwüstete Lucilla das halbe Atrium der Casa Decima Lucilla. Selbst Magister Properus hat da nur noch schwarz sehen können und ihr schonend beigebracht, dass sie um eine Renovierung kaum herum kommen würde. Lucilla hasst den Lärm, Dreck und Staub, den so eine Renovierung mit sich bringt.


    Es sind all diese Gründe, die Lucilla am Ende dazu veranlasst haben in Tarraco ihre Kisten zu packen.


    Caius Germanicus Cossus hat sie liebevoll verabschiedet und auf ein Schiff in Richtung Ägypten verschifft. Wenn der Junge eine Bibliothek braucht, um seinen Kopf zu füllen, dann soll er die bekommen und dann soll es nur die beste der besten sein: Alexandria. Immerhin ist er der Sohn eines Senators. Natürlich vermisste Lucilla ihren Sohn schon am nächsten Tag, aber da war er schon fort und sie schalt sich selbst, nicht zu einer dieser verschrumpelten Glucken zu mutieren, denen nach dem Auszug ihrer Küken jede Lebensgrundlage entzogen wird. Sie hat sich vor der Geburt ihres Sohnes amüsiert, sie hat sich mit ihrem Sohn amüsiert und sie würde sich auch ohne ihren Sohn amüsieren können.


    Den Renovierungsauftrag für das Atrium der Casa Decima Lucilla hat sie getrost ihrem Hausverwalter überlassen. Er würde sich schon um alles kümmern. Und wenn es nicht ordentlich wäre, dann wäre es eben das letzte, worum er sich kümmert. Zumindest in ihren Belangen. Eine Antwort an Faustus hat sie ebenfalls verfasst. Vorher hatte sie eine ausgiebige Massage genossen, sich mit Lavendeldampf benebeln lassen, ausgleichenden Kräutersud getrunken und sogar ein kleines Opiumpfeifchen geraucht. Am Ende hat sie sich trotzdem wieder fürchterlich aufgeregt, aber der Brief ist ganz moderat ausgefallen (findet sie).


    Ein paar Tage danach rumpelte ein Reisewagen mit Kisten voller Kleider, Schuhen, Kosmetika, Düften und sonstiger wichtiger Utensilien die hispanische Küste entlang in Richtung des gallischen Colonia Narbo Martius. In seinem Inneren saß Decima Lucilla, die ausgezogen war, ihre Freundin (und ein bisschen auch sich selbst) vor der gesellschaftlichen Verwahrlosung zu erretten.

  • Decima Lucilla
    Casa Roscia
    Narbo Martius
    Gallia Narbonensis



    Liebe Tante Lucilla!


    Ich weiß, es ist eine halbe Ewigkeit her, dass wir beide das letzte Mal Kontakt hatten – ich habe von Faustus immer gehört, wie es dir geht, aber irgendwie hat immer die Zeit gefehlt, selbst die Feder in die Hand zu nehmen und zu schreiben. Was macht dein Sohn Caius? Faustus hat mir erzählt, dass er in Ägypten ist? Und wie ist das Leben in Gallien? Vom Leben in Rom brauche ich dir, glaube ich, kaum etwas erzählen – du kennst es sicher immer noch weit besser als ich. Allerdings muss ich gestehen, dass ich mich in den vergangenen Wochen seit meiner Rückkehr aus Alexandria recht gut eingelebt habe. Es stehen offenbar mehrere Hochzeiten an, das gesellschaftliche Leben, so könnte man es wohl sagen, brummt derzeit… Und auch bei mir steht da viel an, weil die Hochzeit von Caius (dem Aelier, meinem Verlobten – kennst du ihn eigentlich?) und mir nun auch bald stattfinden wird. Und damit komme ich auch schon zu dem Grund meines Schreibens: ich weiß nicht, ob es deine Zeit zulässt, zur Hochzeit nach Rom zu kommen – eingeladen bist du selbstverständlich herzlich! Und für den Fall, dass du kommen kannst, wollte ich dich fragen, ob du meine Pronuba sein würdest. Es würde mich wirklich sehr freuen, wenn eine Frau, die mich noch aus meiner Kindheit kennt, das übernehmen würde.


    Liebe Grüße,


    Deine
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    P.S.: Die Hochzeit ist übrigens geplant für den ANTE DIEM IV NON APR DCCCLX A.U.C. (2.4.2010/107 n.Chr.) geplant.



    Ad
    Decima Lucilla
    Casa Roscia
    Narbo Martius
    Gallia Narbonensis


    Salve Decima Lucilla,


    sicherlich wunderst Du Dich über diesen ungewöhnlichen Brief aus Rom. Als erstes sollte ich mich erst einmal vorstellen, ich bin Calvena, eine Nichte von Deinem Ehemann und Sedulus, Tochter von Germanicus Callidus.
    Viele Dinge haben sich in Rom ereignet. An den Iden des Aprilis werde ich Heiraten und es wäre mir eine große Freude, wenn Du an diesem Ereignis teilnehmen würdest. Es gibt noch mehr zu feiern. Auch Sedulus will erneut heiraten. Du hast sicherlich erfahren, dass Germanica Paulina leider verstorben ist.


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    Vale und viele Grüße aus Rom
    [Blockierte Grafik: http://i687.photobucket.com/albums/vv232/Aine_photos/papyrus3.png]


    An
    Decima Lucilla
    Casa Roscia
    Narbo Martius
    Gallia Narbonensis



    Salve Lucilla,


    ich hoffe es geht Dir gut. Zuerst einmal muss ich mich entschuldigen. Mir ist klar, dass ich mich Dir gegenüber im Ton vergriffen habe. Das tut mir sehr leid. Ich hoffe du verzeihst mir. Ich war ziemlich aufgebracht, weil Du derart niedrige Motive bei mir vermutet hast. Außerdem habe ich nicht nachgedacht, bevor ich den Brief losgeschickt habe. Mittlerweile bin ich nicht mehr wütend, aber noch immer erschüttert, dass Du so von mir denkst.
    Ich weiß ja, dass Du das Soldatentum nicht sonderlich schätzt, aber meiner Meinung nach, gibt Dir das nicht das Recht, so abfällig über meine Leistungen zu urteilen. Was ist denn eine "richtige Karriere"?! Ich finde nicht, dass Du das Recht hast, mich einen Träumer zu nennen, nur weil ich nicht Senator werden will. Politik besteht zur Hälfte aus Geschwafel, zur Hälfte aus Intrigen, und am Ende entscheidet dann doch der Kaiser, beziehungsweise seine Vertreter. Das ist nichts für mich. Du weißt sehr wohl, dass ich die Träumereien, die ich tatsächlich früher gehegt habe, aufgegeben habe, um der Familientradition zu folgen, aber mir scheint dass, egal was ich tue, ich es der Familie doch sowieso niemals recht machen kann.


    Übrigens bin ich versetzt worden. Der neue Praefectus Legionis der XXII. will mich als ritterlichen Tribun in seinem Stab, und ich werde mich schon in Kürze nach Ägypten einschiffen. Ich würde ja anbieten, mich dort ein wenig um Deinen Sohn zu kümmern, aber wenn er schon so verschreckt von mir ist, dann will ich ihn natürlich nicht noch mehr verstören.


    Was die alte Geschichte mit den Kleidern angeht – ich kann sie einfach nicht mehr hören. Du musst Dir keine Vorwürfe machen. Wer ich bin und wen ich liebe, das liegt tief in meinem Wesen, ja ich möchte sagen meiner Seele, es ist weit mehr als ein "Gemütszustand", und es liegt auch ganz gewiss nicht an solchen kleinen Begebenheiten, wie Du sie schilderst.
    Versuchst Du eigentlich, mir jenen Senator madig zu machen? Was hast Du gegen ihn und seine Familie? Die sind doch unheimlich vornehm und angesehen. Ich weiß absolut nicht, worauf Du anspielst, und ich würde Dich bitten, mir die Fakten mitzuteilen, auf denen Dein Urteil beruht.


    Verzeih bitte die Kürze meines Schreibens, doch meine Versetzung kam überraschend, und ich habe vor der Abreise noch alle Hände voll zu tun. Ich werde aus Ägypten von mir hören lassen.


    Vale,
    Faustus

  • "Ach du liebe Magna Mater! Da hat wohl einer die Post gesammelt bis sich der Weg lohnt!" kommentiert Lucilla ein ganzes Bündel Briefe.
    "Argh ..." stöhnt Jocasta auf. "Meiner ist von meiner Schwiegermutter. Genau die Post aus Rom, auf die man sehnsüchtig wartet."
    "Auf was wartest du sonst?"
    "Ach, auf nichts. Vielleicht eine Nachricht von Peducaeana oder Funisulana. Aber bevor ich einen Brief von meiner Schwiegermutter bekomme, da will ich lieber gar nichts. Ist eh nur das übliche Blabla mit den hintergründigen Sticheleien drin." Jocasta bricht das Siegel und überfliegt die Zeilen. "Wie vermutet ... Blabla. Und du? Von wem sind die alle?"
    Aufgeregt wedelt Lucilla mit einem Pergament. "Germanicus-Siegel!"
    "Uhh ... Fortunas Füllhorn schüttet sich aus! Nachricht von Medicus?"
    "Ja, endlich!" Im Geist malt sich Lucilla schon den Inhalt des Briefes aus: Avarus würde sie bald besuchen kommen oder sie bitten ihn auf einer Inspektion des Cursus Publicus zu begleiten. Außerdem würde er ihre weise Entscheidung bezüglich ihres Sohnes loben und mit blumigen Worten seinen Sehnsuchts-Gefühlen ausdrücken. Fast zittern ihre Finger als sie den Brief endlich öffnet. Doch er ist nicht von Avarus. "Germanica Calvena ... wer ist denn das?" Viel wichtiger als die Frage nach dem wer ist allerdings das warum. Und zwar nicht, warum Calvena ihr einen Brief schreibt, sondern warum Avarus ihr keinen Brief schreibt?! Schon vermutet Lucilla das Schlimmste. Ihrem Ehemann ist etwas passiert! Mit bangem Herz liest sie endlich die Zeilen. Kein Wort von Avarus. Hochzeiten. Die üblichen römischen Belanglosigkeiten. Ein bisschen irritiert lehnt sie sich auf der Kline zurück.
    "Was ist los? Ist etwas passiert? Du bist ein bisschen blass um die Nase."
    "Pff!" Lucilla lässt das Pergament auf den Tisch vor ihr segeln. "Eine Einladung von einer Germanica. Der übliche Familienkrams. Ich kenne sie nicht einmal. Und kein Wort von Medicus." Bestimmt schaut Lucilla ihre Freundin an. "Er hat eine andere."
    "Was?"
    "Eine andere Frau. Wieso sonst schreibt er mir nicht? Er ist immerhin ein gutaussehender, erfolgreicher Mann, die Frauen Roms liegen ihm sicher zu Füßen!"
    Jocasta kichert. "Reden wir vom gleichen Medicus?"
    "Was? Wieso?"
    "Erfolgreich, gut, das mag er sein. Aber gutaussehend? Darüber ist er wohl schon ein paar Jahre hinaus."
    "Was soll das denn heißen? Er ist ein stattlicher Mann im besten Alter! Ich würde mich heute noch genauso in ihn verlieben wie damals als ich ihn kennen lernte. Und gerade du, Jocasta, solltest über die Ehemänner anderer Frauen lieber schweigen, mein Medicus hat mehr Haare auf der Brust als dein Appius je auf dem Kopf hatte!"
    "Ja, ja, ja, ist ja gut, beruhige dich. Das war doch nur ein Scherz um dich aufzuheitern!"
    "Pah!" Nachdenklich schaut Lucilla durch das Atrium. "Aber was ist, wenn er wirklich eine Geliebte hat? Ich muss unbedingt jemanden darauf ansetzen!"
    "Ach, Lucilla, wieso sollte er sich eine Geliebte halten? Vermutlich arbeitet er einfach so viel, du hast das doch lange genug direkt miterlebt."
    "So viel, dass er nicht einmal einen Brief an seine geliebte Ehefrau schreiben kann?" Lucilla seufzt. "Ich brauche Gewissheit."


    Mit dem nächsten Brief schiebt sie das Thema einfach zur Seite. Die Nachricht trägt das Siegel der Gens Decima, was Lucillas Laune wieder etwas hebt.
    "Ach je, ein Brief von Seiana! Kennst du meine Nichte Seiana? Sie ist so ein süßes, kleines Mädchen! Sie kommt zum Glück ganz nach ihrer Mutter, obwohl der Decimus-Einschlag nicht zu übersehen ist. Bona Dea - sie heiratet! Man merkt, dass es Frühling wird, an allen Ecken und Enden wird geheiratet. Aber ob das nicht etwas früh ist ... ich halte ja gar nichts von diesen überfrühten Hochzeiten, wenn die Mädchen noch halbe Kinder sind."
    "Wie alt ist sie denn?"
    "Puh ... sie müsste jetzt ... öhm ... sie ist etwas älter als Serapio und ... ach du je ... Tatsache, sie ist ja älter als Serapio! Herrje! Also dann wird es aber wirklich Zeit, dass sie heiratet! Wieso hat sich denn da vorher noch keiner drum gekümmert! Na nur gut, dass sie noch jemanden gefunden hat. Wirklich, auf unsere Männer ist überhaupt kein Verlass, selbst die Decimus-Väter würden es vergessen, sich um ihre Töchter zu kümmern, aber Brüder und Cousins kannst du völlig vergessen! Denk nur an Meridius - nie hat er mir einen seiner Senatskollegen vorgestellt, aber als ich meine Zukunft dann selbst in die Hand genommen habe, da war das Geschrei groß. Hach, das freut mich wirklich für Seiana. Ein Aelier, das klingt doch gut."


    Wieder guter Laune nimmt Lucilla schließlich den dritten Brief auf, auch dieser trägt das Siegel der Decima.
    "Serapio." kommentiert sie für Jocasta, deren Neugier ihr an der Nasenspitze abzulesen ist, und seufzt schon nach den ersten Zeilen. Dann schüttelt sie den Kopf. "Was stimmt nur nicht mit diesem Jungen? Naja, Ägypten ist wenigstens weit weg von Rom. Ich kann es immer noch nicht fassen, mit welchen Leuten er sich abgibt."
    Ein eisiger Schauer kriecht über Lucillas Rückgrad, dass es sie schüttelt. Obwohl sie immer versucht hat, die Erinnerung zu vergessen, sieht sie Quintus Tullius mit seinem grauenvollen, überheblichen Lachen noch vor sich, als wäre es gestern gewesen. Und für sie sind er und sein Zwilling eine Person, eine grauenvolle Laune der Natur - und beiden kann sie niemals verzeihen.
    "Mögen die Furien an den Knochen dieses Abschaums nagen und Pluto mit seinen Eingeweiden spielen!" murmelt sie leise, denn manchmal zweifelt Lucilla an den Worten des von Serapio so hoch gelobten Senators und glaubt nicht daran, dass der Pirat tatsächlich tot ist. Und selbst wenn, dann empfindet sie ein gewisses Maß an Genugtuung, wenn auch sein Genius noch leiden muss.
    "Was?" fragt Jocasta.
    Lucilla legt den Brief zu den anderen und setzt ein sorgloses Lächeln auf. "Lass uns in die Stadt gehen! Ich könnt eine paar neue Schuhe brauchen!" Die Antworten würde sie auf den nächsten Tag verschieben.




    /editiert: Link





  • Oh liebste Lucilla,


    Tagtäglich stürze ich mich auf Ovid, lese Dir vor wo Du nicht da bist…



    Keine Zeit passt so sehr wie der Frühling zu Venus: Im Frühling
    Strahlt das Land, und vom Eis ist es im Frühling befreit!
    Jetzt hebt das Gras seine Spitzen durchs gebrochene Erdreich,
    Jetzt schwillt der Rebe der trieb unter dem Baste hervor!
    Venus ist schön, also ist sie der Jahreszeit würdig;
    Hier auch ist sie mit Mars, wie sie’s gewohnt ist, liiert.
    Übers Meer, dem sie einst entstieg, lässt im Lenz die gewölbten
    Schiffe sie fahrn und nicht mehr fürchten das Drohen des Sturms.


    1.April


    Latiums Mütter und Töchter, wie’s Brauch ist, ehrt ihr die Göttin, Ihr auch, die ihr nicht tragt Bänder und langes Gewand!
    Nehmt ihr vom marmorweißen Hals ihre goldenen Bänder,
    Nehmt von der Göttin den Schmuck: Ganz soll gebadet sie sein!
    Trocknet den Hals ihr und legt ihr herum ihre goldenen Bänder!
    Gebt andere Blumen ihr jetzt: Frisch muss die Rose sein!
    Badet auch ihr unter grüner Myrte! Sie selber befiehlt’s euch!
    Einen bestimmten Grund gibt es dafür – also hört:


    Nackt noch, wollte am Ufer die triefenden Haare sie trocknen:
    Satyrn, das schamlose Volk, sahen die Göttin dabei!
    Sie aber hat es gemerkt und den Körper verdeckt mit der Myrte.
    Das gab ihr Schutz, und sie will, dass ihr das ebenfalls tut!
    Jetzt vernehmt auch, warum der Fortuna Virilis ihr Weihrauch
    Spendet, dort, wo es stets feucht ist, weil Wasser verdampft:
    Unbekleidet ist jede Frau an dem Ort hier, so das er
    Nackte Körper und dort auch jeden Makel erblickt.
    Den vor dem Mann zu verstecken ermöglicht Fortuna Virilis,
    Tut es auch, wenn man’s erfleht und etwas Weihrauch ihr streut.
    Laßt euch gestoßenen Mohn in weißer Milch schmecken; klarer
    Honig komme hinzu, den aus der Wabe man presst.
    Venus nahm diesen Trank, als zum lüsternen Bräutigam man sie
    Führte: In diesem Moment wurde zur Ehefrau sie.
    Stimmt mit euren Gebeten sie gnädig, denn wo sie verweilt, dort
    Bleiben Schönheit und Ruf, bleiben Sitten gewahrt.
    Einst in der Vorväter Zeit, kam in Rom die Keuschheit ins Wanken.
    Da habt in Kumä ihr, Ahnen, die Greisin befragt.
    Einen Tempel für Venus befiehlt sie zu bauen; das tut man:
    Weil nun die ihren Sinn änderte, heißt sie danach.
    Schau auf die Äneaden gnädig stets, Allerschönste!
    Nimm unter deinen Schutz, Göttin, die Frauen des Stamms!


    …und doch bleibt die Knospe zu.


    Viel Zeit ist vergangen, einige Jahreszeiten haben Rom durchzogen. Es gibt soviel zu berichten, das es mir schwer fiel einen Anfang zu finden. Schon hat man im Haus gemunkelt ich würde die Feuerung im Winter auf Papyrus Blätter umstellen wollen. Doch auch Du gabst mir Anlass dazu die Stirn in Sorge zu tragen. Wenn ich heute auf die Monate zurück blicke, dann kommt es mir so vor als sei die Zeit stehen geblieben. Trotz dieser Einschätzung hat sich Rom in dieser Zeit gewandelt und ich frage mich immer wieder ob mein Platz nicht doch eher irgendwo da draußen ist, denn hier in diesem Zentrum von Habgier, Machtsucht, Intriganz und Neid.


    Dein letzter Brief erschütterte mich. Du hast es vorgezogen Cossus seinen Vater für weitere Jahre zu entziehen. Wie soll er sich an mich gewöhnen, wenn er als gebildeter junger Mann zurückkehrt. Hat in seiner Kindheit seinen Vater nie gesehen, wird die Lehren der Ahnen und Neuzeit ohne seinen Vater begreifen lernen und womöglich auch Fortunas Gelüsten im fernen Aegyten erliegen. Wie soll aus unserem Sohn ein stattlicher Politiker werden, wenn er Rom in jungen Jahren nie zu Gesicht bekommt? Das frage ich mich abseits der Überlegung, ob es nicht angebracht gewesen wäre, das du als seine Mutter mir als seinen Vater diese Idee unterbreitest bevor der Junge das Schiff besteigt.


    Noch dazu musste er im Winter reisen. Die gefährliche See hat seine feinsinnige Seele bedroht. Der Götter Anstrengung muss gigantisch gewesen sein, um Cossus zu beschützen und wohlbehalten im fernen Aegyptus an Land zu setzen. Wie steht es um ihn hat er Dir Kunde geschickt, Dir wo er seinen Vater nur aus den Erzählungen kennt?


    Wie geht es Dir, jetzt da Du Narbo Martius Deiner Heimat Tarraco vorziehst?


    Doch ich stelle nur Fragen, Dinge deren Antworten mir so sehnlichst fehlen.


    Unsere Familie ist derweilen stattlich gewachsen. Das Haus wird von allerlei Kindern bevölkert, so kamen die Brüder Paullus Germanicus Aculeo und Marcus Germanicus Pius, letzterer nun ein Spielkamerad für Sedulus Tochter Sabina vor einigen Monaten ins Haus nach Rom. Die Brüder sind Söhne des Quintus Germanicus Impavida. Außerdem wohnt nun noch eine entfernte Verwandte Germanica Laevina, eine schrullige alte Dame bei uns. Sowie die Tochter des Octavius Germanicus Callidus, Germanica Calvena, welche wohl eher durch ein Versehen zur Welt kam, aber von dem Sohn des Traianus rechtmäßig anerkannt wurde. Du siehst ich muss mich nicht allein fühlen. Doch fühlt sich mein Laken jenseits meiner eigenen Knochen kalt und leer an. Wie lange hält das ein Mann aus?


    Zu den Fontinalien hat Calvena ein wunderbares Fest in unserem Haus ausgerichtet. Du kannst Dir sicherlich vorstellen wie voll das Haus war. Nicht wenige Bekanntschaften sind daraus neu entstanden und auch für uns war es ein wertvoller Abend. Du kennst doch sicherlich noch Vinicius Lucianus , er hatte seine reizende Schwägerin Vinicia Petronilla mit dabei, wir haben uns politisch noch enger verbündet. Aber wie erst später zu erfahren war, gab es auch andere Bündnisse an diesem Abend. Eher familierer Natur. Du stimmst mir vielleicht zu, das eine Heirat des Sedulus nach dem Tod seiner Frau Paulina noch einige Monate hätte aufgeschoben werden müssen. Doch soweit ich informiert bin plant er mit seiner Nichte zusammen eine Doppelhochzeit. Er will dabei die geradeso dem Kindesalter entstiegene Iunia Serrana ehelichen. Eine politisch völlig unbedeutende Gens. Aber auf meinen Rat hört Sedulus schon lange nicht mehr. Du siehst mein Einfluss schwindet und ich bin es langsam leid diesem Verfall weiter zuzusehen.


    Im Sommer möchte ich Mogontiacum besuchen. Ich hoffe, Du wirst mich empfangen, wenn ich einen Abstecher zu Dir mache. Unsere Reisegruppe wird einige Familienmitglieder umfassen. Auch die kleine Sabina darf mitkommen. Sie wird sich ein Pferd aussuchen dürfen, was sie mit nach Rom nimmt. Bei all dem Trubel wird es sicherlich nicht leicht zu entschwinden, aber meine Sehnsucht nach Dir lässt solch einen Plan nicht scheitern.


    Ich kann mir nur wünschen, das es Dir gut geht. Ich werde zu Fortuna beten, das dies so bleibt und ich hoffe zutiefst, das Du in Deinen Gedanken genauso oft bei mir bist, wie ich in meinen Träumereien auf deinem Schoß liege.


    Gehab Dich wohl meine Liebste, meine Schönste, in ewiger Liebe Dein


    Medicus



    Rom, KAL APR DCCCLX A.U.C. (1.4.2010/107 n.Chr.)


  • Decima Lucilla,
    Casa Roscia
    Narbo Martius
    Gallia


    Meine liebe Lucilla!



    Lange Zeit musstest du auf meine Antwort warten und es tut mir sehr leid. Bei den Decima gibt es viel zu tun und irgendwie werde ich viel darin involviert.


    Mir geht es gut. Vielen Dank der Nachfrage. Wie du vielleicht aus den obigen Zeilen lesen konntest, weile ich derzeit in Roma. Wenn ich ehrlich bin schon einige Zeit. Unsere Kinder haben mich begleitet und Primus musste allein in Misenum zurückbleiben. Aber du hast recht. Misenum ist sogar noch ruhiger als Mogontiacum. Da ist wirklich mehr los. Alelrdings muss ich auch sgaen, dass Roma ziemlich trubelig ist und mir das auch nicht so wirklich gefällt. Ich glaube, dass ich da von Germania und Alexandria zu verwöhnt bin. Es können mir beide Städte nicht wirklich recht machen. Ich versuche neben meinen Bemühungen um eure Gens Kontakte in Roma zu knüpfen und alte aufzufrischen und zu pflegen. Es ist wirklich schwer als unbekantte Person Zugang zu den Geselllschaften der Stadt zu finden. Egal was du in den Provinzen Gutes getan hast, zählt hier nicht viel. Sie bekommen es ja nicht einmal mit. Manchmal wird man sogar komisch angeschaut wenn man erzählt, was man alles in der Provinz getan oder erreicht hat. Es ist schon ein Besonderes Klima hier. Aber von mir genug.


    Wie geht es dir und deinem Kind. Ich hoffe, dass es euch gut geht. Wie ich erfahren habe, hast du Hispania verlassen und bist weitergereist. Ich hoffe inständig, dass ich die richtige Adresse ausfindig machen konnte. Dich hat es aber auch in eine ruhige Gegend verschlagen. Wie gefällt es dir denn in Gallia?


    Hach Serapio. Ich habe nach deinem Brief versucht ihn zum heiraten zu animieren. Doch dafür scheint er gar keinen Sinn zu haben. Stoisch suchte er nach Ausreden und Gründen warum er nicht heiraten muss oder kann. Dennoch habe ich mal geschaut wer als Frau in Frage käme. Bisher habe ich noch keine gefunden. Ich glaube, dass ich wohl zu hohe Ansprüche an unsere zukünftige Nichte habe. Bei einem Familienessen hat er uns dann eine junge Frau vorgestellt. Ich meine, dass sie Keltin oder Germanin. Sie heißt Celeste und sie soll das Herz unseres Neffen erobert haben. Was ich davon halten soll, weiß ich wiederum nicht. Auf jeden Fall ist sie mit ihm nach Alexandria gegangen. Ich würde sie gern etwas näher beobachten, aber ich kann Italia und Primus nicht schon wieder verlassen. Hast du vielleicht die Möglichkeit? Ich weiß, dass es eine große Bitte ist, aber ich mache mir Gedanken um ihn. Er ist so komisch in dieser Beziehung. Es würde mich ja sehr freuen, wenn er wirklich eine Frau sein Herz geschenkt hat. Aber eine Peregrina ist doch auch nicht das Wahre bei seinem Stand, oder was meinst du?
    Es gibt viele Helden in den Weiten des Imperiums und doch sind die größten die Frauen, die Haus und Heim erhalten und bewachen während die Männer in der Ferne hausen und kämpfen um als Helden zurückzukehren. Es bleibt also wiederum an den Frauen hängen aus der Familie etwas zu machen. Ich werde deine Vorhaben soweit unterstützen wie ich kann und es vermag. Darauf kannst du dich verlassen. Versprochen!


    Das soll es vorerst von mir gewesen sein. Schreibe mir doch bitte deine Gedanken und Vorschläge dazu. Ich bin damit im Moment ein wenig überfordert. Wo wir gerade dabei sind. Kennst du vielleicht einen guten Mann für Valeria? Sie bat mich um Hilfe und ich befürchte, dass es auch hier nicht wirklich einfach werden könnte. Sie ist zurückgekehrt und möchte nun endlich wie alle Decima Frauen eine eigene Familie begründen.


    Meine liebe Lucilla, ich wünsche dir alles Gute und mögen die Götter immer schützend über dich wachen.


    Deine


    Venusia


  • Germanica Lucilla
    Cluvia Jocasta und Roscius Blosius
    Narbo Martius
    Gallia



    Liebe Lucilla,


    Ich danke Dir für Deine wunderbaren Glückwünsche und deine aufmunternden und auch beruhigenden Zeilen. Es ist jetzt nur noch zwei Tage und ich bin furchtbar aufgeregt und habe ständig das Gefühl irgendetwas Wichtiges vergessen zu haben.
    Es ist meine erste Ehe und ich schließe sie aus Liebe. Ich bin unglaublich glücklich.


    Deine Grüße und Glückwünsche werde ich natürlich ausrichten und auch die Geschenke weiter reichen. Vielen Dank. Die Gürtel sind wirklich bezaubernd und ich vertraue Deinem Geschmack und Deiner Erfahrung was zur neuen Mode in Rom wird. Wir werden wohl die Ersten sein die sie tragen.


    Avarus geht es soweit ganz gut. Er hat einen fähigen Scriba an seiner Seite, der ihm die Arbeit abnimmt. Auch wenn ich es wohl nicht laut aussprechen würde, er ist eben nicht mehr der Jüngste. Aber noch eine ganze Spur jünger wie Laevina. Seit einigen Monaten wohnt diese entfernte Großtante auch in Rom. Sie ist etwas anstrengend aber man kann durchaus mit ihr umgehen.
    Auch wenn Avarus es nicht wirklich zu gibt, ich glaube er vermisst Dich und würde Dich gern wieder sehen. Ich würde mich jedenfalls sehr freuen, Dich kennen zu lernen. Bis dahin werden wir wohl uns noch öfter schreiben.
    Den nächsten Brief kannst Du mir dann direkt in die Casa Quintilia senden.


    Viele Grüße, auch von der Familie!
    Germanica Calvena

  • Decima Lucilla
    Casa Roscia
    Narbo Martius
    Gallia Narbonensis


    Liebe Tante Lucilla,


    ich danke dir sehr für deinen Brief und dein Geschenk, und vor allem dafür, dass du mir bei der Suche nach einer Pronuba behilflich sein wolltest. Tante Venusia konnte ich hier in Rom bereits kennen lernen, aber so gerne ich sie gefragt hätte, es gibt nun doch keinen Anlass mehr hierfür. Die Verlobung zwischen dem Aelier und mir ist aufgelöst. Verzeih mir bitte, dass ich dich zuerst gefragt habe und nun alles rückgängig gemacht wird, aber es ist recht kurzfristig vor dem geplanten Hochzeitstermin geschehen, dass Aelius Archias und ich uns darauf geeinigt haben, die Feierlichkeiten abzusagen und keinen Ehebund einzugehen. Nun, ich werde wieder nach einem geeigneten Ehemann Ausschau halten – und wer weiß, vielleicht ist es dir ja dann möglich, der Hochzeit beizuwohnen!


    Ich kann mir offen gestanden nicht vorstellen, wie es sein mag, ein aufgewecktes, neugieriges Kind zu haben. Vielleicht ist das etwas, was ich bald lernen werde, da ich in der Schola anfange zu lehren – ich habe von deinem Mann erst heute die Zusage erhalten –, aber dort werde ich mit Erwachsenen zu tun haben, und ich könnte mir vorstellen, dass Kinder noch einmal ein anderes Kaliber sind. In jedem Fall klingt dein Caius danach, als ob er eines Tages Großes erreichen könnte! Aber ich denke du hast Recht damit, ihn vorerst noch fernzuhalten von Rom und den Tücken, die hier lauern.


    Im Übrigen ist in Rom derzeit einiges los. Onkel Livianus kandidiert als Consul, ich weiß nicht, ob du schon davon gehört hast – ich bin sehr gespannt, ob er Erfolg haben wird. Ein weiterer Kandidat ist Lucius Flavius Furianus, ich denke, er hat recht gute Aussichten darauf, gewählt zu werden; allerdings hat er sich mit einem anderen Kandidaten abgesprochen… Nun, wir werden sehen, wie die Entscheidung ausfällt.
    Mein Patron und Ädil Aurelius Corvinus veranstaltet Spiele anlässlich der Megalesia, es ist schade, dass du diese nicht miterlebst – ich weiß noch, wie dein Mann damals in seiner Amtszeit Spiele veranstaltet hat, das waren meine ersten in Rom. Die Wagenrennen werde ich mir in jedem Fall ansehen, nur bei den Gladiatorenspielen bin ich mir etwas unschlüssig. Allerdings gehört sich als gute Klientin, dass ich dort ebenfalls erscheine, also denke ich, ich werde dir wohl von beidem berichten können.


    Senator Aurelius Ursus hat erst kürzlich geheiratet, eine Tiberia – Septima, ich weiß nicht, ob der Name dir etwas sagt. Auf der Feier am Tag nach der eigentlichen Zeremonie gab es einen kleinen Skandal, wie ich leider gestehen muss. Leider, weil mein ehemaliger Verlobter involviert war – bevor du aus anderer Quelle ohnehin davon erfährst, ist es besser, denke ich, wenn ich es dir erzähle. Er hat einem anderen Gast eine Nachspeise über die Kleidung geschüttet – wie es danach aufgenommen wurde von den übrigen Gästen, kann ich dir leider nicht erzählen, da wir beide im Anschluss daran gegangen sind. Darüber hinaus werden zwei Mitglieder der Germanica heiraten; Senator Germanicus Sedulus ehelicht eine Iunia, und Germanica Calvena wird einen Quintilier heiraten. Ich weiß nicht, wie die Verbindungen der Paare untereinander sind, aber sie werden die Zeremonien gemeinsam durchführen. Offen gestanden weiß ich nicht so recht, was ich davon halten soll, die Riten stelle ich mir hierbei etwas schwierig vor. Aber ich werde mit Livianus zu den Feierlichkeiten gehen, dann werde ich ja selbst erleben, wie die Feier vonstatten geht. Ich denke, du wirst sicher nichts dagegen haben, wenn ich das Kleid, das du mir geschickt hast, zu diesem Anlass trage – auch wenn aus meiner Hochzeit nun doch nichts geworden ist, wofür es eigentlich als Geschenk gedacht war.


    Ich hoffe, dein Leben in Gallia bleibt so spannend, wie du es erzählst – wie aufregend Handelsstädte sein können, habe ich in Alexandria erlebt, und das ist noch einmal ein ganz eigenes Gefühl.


    Liebe Grüße,


    [Blockierte Grafik: http://img77.imageshack.us/img77/1586/seianaunterschrift2aj2.png]


  • Decima Lucilla
    Casa Decima
    Tarraco, Hispania


    Meine treueste Klientin!


    Viel Zeit ist vergangen seit deinem letzten Brief, doch viel zu berichten habe ich dir nicht. In der Tat hat es im Winter geschneit und stellenweise war der Rhenus dort, wo er gemächlich seinen Weg sucht, tatsächlich zugefroren. Dennoch klingt der hispanische Winter viel einladender. Wer weiß, vielleicht verbringe ich ihn tatsächlich dort dieses Jahr. Hier in Germania zieht nun auch der Frühling ein, was ich für äußerst angenehm befinde.


    In Mogontiacum selbst ist das Leben durchaus ruhig. Viel ruhiger als ich es mir vorgestellt hatte. Und dort, wo das Leben ruhig ist, ist die Bürokratie nicht weit, aber dir brauche ich das ja nicht erzählen. Meiner Frau geht es prächtig, einzig die im Vergleich zu Rom geringeren Möglichkeiten zur Unterhaltung und Zerstreuung missfällt ihr. Ich brauche dir wohl auch nicht erklären, daß sie kurz nach ihrer Ankunft hier bereits das gesamte Mobiliar ausgetauscht und die Domus neu eingerichtet hat. Meine Tochter wächst und gedeiht und bringt bereits ihre Lehrer zur Verzweiflung mit ihrer Neugier.


    Ich hoffe, du amüsierst dich trotzdem gut in Tarraco, trotz aller Widrigkeiten und kommst mich und meine Familie auch einmal besuchen.


    Grüße an deine Familie.


    M. Vinicius Hungaricus


    ANTE DIEM V KAL MAI DCCCLX A.U.C. (27.4.2010/107 n.Chr.)


    _________________________________________________________


    Marcus Vinicius Hungaricus - Legatus Augusti pro Praetore - Provincia Germania

  • Ungefähr einige Wochen zuvor:


    Lucilla ist völlig aus dem Häuschen. Medicus kommt! Ihr Medicus kommt nach Narbo, um sie zu besuchen! Endlich! (Eigentlich ist er nur auf dem Weg nach Mogontiacum und da ist Narbo Martius kein allzu abwegiger Zwischenhalt, aber wer will es schon so genau nehmen?) Alle anderen sind ebenfalls aus dem Häuschen. Denn Jocastas Ehemann Roscius hat veranlasst, dass das ganze Haus auf Vordermann gebracht werden muss. Roscius würde gerne in der Hierarchie ein bisschen nach Oben kommen und vor allem würde er gerne zurück nach Rom. Doch er hat seinen Patron von seinem Vater geerbt und dabei einen ziemlich einflusslosen Ritter erwischt, der selbst nur Klient eines ziemlich einflusslosen Senators ist. Deswegen müssen Roscius und Jocasta schauen, dass sie anderweitig ihren Einfluss mehren können. Für Jocasta würde Lucilla durchaus einen Finger krümmen, aber Roscius kann sie nicht besonders leiden. Sie wartet eh nur auf den Tag, wenn ihre Freundin sich wieder scheiden lässt, obwohl sie bis dahin natürlich gerne die Gastfreundschaft in Gallia genießt.


    Während also in der Stadt gefeiert wird, wird in der Casa Roscia noch geputzt. Zum Glück ist Lucilla sowieso ständig unterwegs. Sie muss neue Kleider kaufen. Sie muss neue Schuhe kaufen. Sie muss neue Gürtel kaufen. Sie muss neue Ketten kaufen. Sie muss neue Armreifen kaufen. Sie muss neue Ohrringe kaufen. Sie muss neue Fingerringe kaufen. Sie muss neue Fußringe kaufen. Sie muss neues Duftwasser kaufen. Sie muss neue Öle kaufen. Sie muss neue Haarspangen kaufen. Manchmal bedauert sich Lucilla schon ein bisschen selbst, weil sie so viel zu tun hat. Und ständig hat sie das Gefühl, sie hätte irgendetwas vergessen.



    Ungefähr einigen Wochen minus etwa zwei Wochen zuvor:


    Lucilla ist völlig geladen. Auf der einen Seite freut sie sich wie ein kleines Kind auf ihren Ehemann. Auf der anderen Seite ist ihr hispanisches Blut schon mächtig in Wallung, weil sie eine Konfrontation erwartet. Obwohl Medicus ihr gegenüber immer ein liebevoller Mensch war, weiß sie doch, wie hitzig die Germanikusse sein können. Insbesondere wenn es gegen Mitglieder der Decima geht. Lucilla stellt sich schon auf eine fetzige Diskussion ein, ein echtes Germanicus-Decima-Duell. Zum Glück weiß sie, dass die neuen Vasen im Atrium nicht allzu teuer waren, denn ein paar davon würden sicherlich zu Bruch gehen, bevor die Erziehungsfrage ihres Sohnes geklärt wäre.


    Dann ist er endlich da! Lucillas Augen glänzen vor Freude, ihr Gesicht strahlt. Und Lucilla setzt die Waffen ein, die Frauen seit Jahrtausenden einsetzen und auch in tausend Jahren und später noch einsetzen werden. Als sie auf Medicus zugeht schwingt ihre Hüfte betont vom Figurschmeichelnden Schnitt eines neuen Kleides lustvoll von einer Seite zur anderen. Dann blickt sie ihn von unten hervor an (bei ihrer Größe ist das nicht schwer) und klimpert ein bisschen mit den dunklen, schwarzen Wimpern. Nach der gehauchten Begrüßung zeigt Avarus immer noch keinen Anflug von Verärgerung und Lucilla schilt sich ein dummes Huhn. Warum sollte Avarus auch sauer sein, sie hat ihm doch ihre Erklärung schon geschrieben. Vielleicht hat er in diesem Augenblick aber auch einfach andere Gedanken im Sinn, denn nach einer flüchtigen Begrüßung durch Roscius und Jocasta ziehen sich Avarus und Lucilla zurück, sehr zum Bedauern der Gastgeber.


    Überhaupt sieht Roscius nicht viel von Avarus in den kommenden Tagen. Lucilla nimmt ihn völlig in Beschlag und eigentlich will sie ihn gar nicht wieder gehen lassen. Doch der Germanicus muss weiter nach Mogontiacum, so dass sie ihn am Ende doch ziehen lassen muss. Aber nicht ohne das Versprechen, dass er auf dem Rückweg wieder über Gallia reisen wird.



    Ungefähr in der Gegenwart:


    Lucilla ist völlig durcheinander. Sie kann keine Eier mehr sehen. Weder roh, noch gebraten, noch gekocht, noch sonst irgendwie. Und riechen schon gar nicht mehr. Dafür könnte sie den ganzen Tag lang Gurken essen. Am liebsten in Pfirsichmarmelade getunkt.

  • An
    Decima Lucilla
    Casa Roscia
    Narbo Martius
    Gallia Narbonensis



    Liebe Tante Lucilla,


    bitte, reicht es Dir denn nicht, dass wir in Gestalt Deines Bruders bereits einen siegreichen Triumphator und überlebensgroßen Stier in der Familie haben? Auch wenn es nur scherzhaft gemeint war, ich muss Dir ehrlich sagen, dass ich in der Hinsicht mit wenig Humor gesegnet bin. Seitdem ich denken kann stehe ich im Schatten all dieser Giganten an deren Größe ich sowieso nie heranreichen kann. Ich tue doch schon mein bestes.


    Und was hat es mit den Haien, Abgeschlachteten und Lemuren auf sich? Du könntest Pythia werden, Tante. Ich verstehe jedenfalls kein Wort, aber ich weiß, dass mein Geliebter ein edler Mann ist, eine noble Seele, und ich erlaube es nicht dass Du solche nebulösen, gemeinen Dinge über ihn sagst! Ich leide unter der Trennung, die Du so begrüßt, und ich ersehne den Tag an dem ich ihn wiedersehe.
    Ausserdem möchte ich Dir hiermit mitteilen, dass ich nach reiflicher Überlegung beschlossen habe, mein Leben unverheiratet zu verbringen. Ich würde eine etwaige Ehefrau ja doch nur unglücklich machen. Bitte respektiere diesen Entschluss.


    Aber was Seiana angeht, müssen wir etwas unternehmen. Ich konnte diesen miesen Aelier ja von Anfang an nicht ausstehen und bin froh dass sie ihn los ist, aber nun braucht sie wirklich bald einen neuen Kandidaten. Ich denke dabei an meinen Kommandanten, den Legionspräfekten Octavius Dragonum, er ist Klient von Livianus, nett, vermögend, gutaussehend und ledig. Bist Du damit einverstanden, dass ich mit ihm diesbezüglich in Verhandlung trete? Der Statthalter Terentius Cyprianus wäre auch interessant, findest Du nicht? Oder weißt Du jemanden, der noch besser geeignet ist?


    Alexandria ist wirklich eine Traumstadt. Neulich bin ich endlich dazu gekommen, mal eine richtige Besichtigungstour zu unternehmen, ich war sogar oben auf dem Pharos, ein ganz furioses Erlebnis. Leider sind manche der Einheimischen, vor allem die niederen Schichten, sehr feindselig uns gegenüber eingestellt. Sie scheinen nicht zu begreifen, dass wir es sind, die Ordnung und Sicherheit in ihrer Stadt gewährleisten, und sie werden schnell renitent. Aber das ist nur eine lästige Nebensache in dieser Stadt der Wunder. Ich bin sicher, Du wärst hellauf begeistert. Vielleicht kannst Du es ja wirklich einmal einrichten, Cossus und mich zu besuchen.
    In nächster Zeit bin ich allerdings nicht in Nikopolis. Die Legion rückt aus, um die Handelswege im Süden zu sichern. Es gab dort einige grausame Überfälle, angeblich von monströsen kopflosen Wüstenbarbaren verübt. Ich bin gespannt ob sich dieses Gerücht bestätigt. Übrigens musst du Dich in keinster Weise sorgen, denn als Stabsoffizier stehe ich natürlich weit hinter der Schlachtreihe. Aber ich fürchte, auch wenn es uns gelingt diese Räuber in Grund und Boden zu stampfen – für einen Triumphzug wird das wohl nicht reichen.


    Vale bene!


    Dein
    Faustus




    Decima Lucilla, Casa Roscia, Narbo Martius
    Gallia Narbonensis



    Verehrte Domina,


    über Deinen Neffen kann ich Dir viel Gutes berichten. Jedoch auch manches, das weniger erfreulich ist.
    Er leistet seinen Dienst mit Eifer und Fleiß. Zur Zeit ermittelt er in dem noch immer ungeklärten Mord an der Prytanin Iunia Urgulania. Ausserdem kümmert er sich um die Patrouillen in Alexandria und mit um die Vorbereitung des Feldzuges. Die Legion wird nämlich bald nach Syene ausrücken, und dann in die Wüste. Sie soll dort wohl die Handelswege sichern.
    Einmal wurde die Patrouille, die Serapio gerade durch Alexandria führte, angegriffen. Da hat er sich wacker geschlagen. Wenn ich auf dem Markt in Alexandria die Lebensmittel einkaufe, was nicht oft vorkommt, denn in Nikopolis gibt es auch ganz ordentliche Geschäfte, und der Weg ist bei der Hitze doch etwas beschwerlich für meine alten Knochen, dann höre ich bisweilen, wie über ihn getratscht wird. Da fällt dann der Name "der Löwe von Alexandria".
    In seiner Freizeit widmet Serapio sich seinem Streitwagen, seinen Pferden, oder seiner Korrespondenz, und manchmal fährt er in die Stadt um dort seine kleine keltische Freundin zu treffen. Die beiden scheinen sich ehrlich zugetan und auch als Scriba ist das Mädchen ihr Gehalt wert.
    Serapio isst regelmässig was ich für ihn koche. Er befindet sich bei guter Gesundheit.
    Soweit, so gut.


    Jedoch, er hat es noch immer nicht gelernt mit Geld umzugehen. Anstatt auf meinen Rat zu hören, und seinen Sold zu sparen, um ihn später klug investieren zu können, gibt er ihn mit vollen Händen aus. So hat er erst vor kurzem zwei neue Sklaven erworben, der eine ein Paedagogus mit dem er zur Übung Griechisch spricht, und der durchaus eine Bereicherung für diese Hausgemeinschaft ist – der andere ein arbeitsscheuer junger Schönling, den Serapio beinahe jede Nacht mit in sein Cubiculum nimmt. Zudem hat er das Mosaik im Triclinium, welches Paris mit Juno, Minerva und Venus darstellte, unter dem Vorwand es wäre beschädigt (dabei war es noch sehr hübsch, nur an einer Ecke etwas angeschlagen) sehr kostspielig austauschen lassen. Nun sieht man dort Apollon und Hyazinthus.


    Darüber hinaus verheimlicht er mir etwas. Vor kurzem kam ein Brief, der ihn offensichtlich mit großer Euphorie erfüllte, er wollte mir aber auf meine freundliche Anteilnahe hin nichts über den Inhalt verraten, und später verschloß er ihn in einer schweren Truhe. Die hat er in seinem Cubiculum stehen, und den Schlüssel gibt er nicht aus der Hand.
    Aber ich bleibe dran, Domina, Du kannst auf mich zählen. Auf die Wüstenexkursion freilich kann ich ihn nicht begleiten, doch ich stehe auf gutem Fuß mit seinem Burschen. Der ist mit ein paar Leckereien leicht zu bestechen und wird mir nach der Rückkehr sicherlich alles berichten, so dass ich es getreulich an Dich weiterleiten kann.
    Den Segen der Götter erflehe ich für Dich, meine allergnädigste Herrin!


    Deine treue Dienerin
    Pontia

  • "Und?" ruft Lucilla laut quer durch das Atrium, bevor sie ein bisschen verschämt auf das Bündel in ihren Armen schaut. Doch das kleine Wesen, das in die Falten einer warmen Wolldecke eingewickelt ist, schläft tief und fest.
    "Nein", antwortet Jocasta kopfschüttelnd als sie vom Eingang her den Raum betritt. "Nur die neuen Abschriften der Acta-Nachrichten aus Rom und ein Brief von meiner Cousine aus Brundisium."
    "Brundisium ..." seufzt Lucilla verträumt. "Da blühen bestimmt schon die Frühlingsblumen."
    "Es ist erst Februarius, Lucilla."
    "Na und? In Mauretania blühen das ganze Jahr über die Blumen in den schönsten Farben!"
    "Brundisium ist aber nicht in Mauretania. Auch wenn es anderseits nicht Germania ist. Wahrscheinlich liegt da noch Schnee und der Bote ist irgendwo stecken geblieben."
    "Meinst du?" Seufzend zuppelt Lucilla an dem Tuch herum. "Ich hätte ihm mehr bezahlen sollen, dass er sich beeilt. Fortuna sei Dank ist Medicus nicht so ein verknöcherter Traditionalist. Stell dir nur vor, das arme Kind wäre immer noch ohne Namen!"
    "Wenn er Wert darauf gelegt hätte, seine Tochter vom Boden aufzuheben, hätte er eben hier sein müssen."
    "Du weißt doch wie das bei den Senatoren ist. Ach nein, weißt du nicht. Naja, so ist das eben. Aber beim nächsten Kind ist er wieder vor Ort, ganz bestimmt. Ich hoffe nur, der Brief kommt bald an. Stell dir mal vor du wirst Vater und weißt nichts davon!"
    Augenrollend winkt Jocasta ab. "Na so überraschend ist es jetzt auch nicht. Immerhin ist bei einer Schwangerschaft mehr oder minder abzusehen, dass am Ende ein Kind geboren wird."
    Kichernd streicht Lucilla dem kleinen Mädchen über die Wangen. "Sicher, aber nicht unbedingt, dess es ein wunderschönes kleines Töchterchen ist!"

  • Irgendwie ist alles wie immer. Aber irgendwie ist auch nichts mehr so wie es einmal war. Die Welt ist die gleiche und doch eine andere. Lucilla ist noch sie selbst, aber doch eine andere. Sie sehnt sich nach Rom und ist gleichzeitig froh, nicht dort zu sein. Panta rhei, daran erinnert sich Lucilla, irgendwo hat sie das mal aufgeschnappt. Irgendwo in den elitären Kreisen Roms, in denen sie eine Zeit lang glaubte zu Hause zu sein. An den Namen des Philosophen erinnert sie sich nicht mehr. Denn tatsächlich war sie wohl niemals wirklich in diesen Kreisen zu hause. Irgendwie ist sie doch immer das Landei aus der Provinz geblieben. Aber auch für Landeier gilt der Grundsatz, dass man nicht zweimal in denselben Fluss steigen kann.


    Ihre Freundin Jocasta geht Lucilla langsam auf die Nerven. Narbo geht Lucilla auf die Nerven. Dieses kleine Provinznest, das sich für den Nabel der Welt hält solange Rom weit weg ist. Rom ist der Nabel der Welt, nur Rom. Aber vielleicht hängt das auch nur davon ab, wo man sich auf die Landkarte legt. Lucilla möchte sich auf Hispania legen. Ihr Nabel gehört nach Tarraco. Je länger Avarus wieder fort ist, desto mehr zieht es sie wieder in ihre Heimat. Lucillas Kindheit ist längst vorbei, aber Drusillas Kindheit steht bevor. Lucilla wünscht sich, dass ihre Tochter glücklich wird, dass sie genau so behütet aufwächst wie sie selbst. Livianus ist auch zurück in Tarraco. Er wird sicher einen guten Onkel abgeben. Vielleicht wird er für Drusilla eines Tages so etwas sein wie sein Vater Mercator es für Lucilla gewesen ist. Natürlich kein Vaterersatz, denn auch wenn Avarus weit weg ist, so wird er doch immer da sein. Aber ein Lieblingsonkel auf jeden Fall.


    Mit Sack und Pack steht Lucilla also vor der Casa Roscia, um sich von Jocasta zu verabschieden. Nicht für immer natürlich, aber vielleicht für eine längere Zeit. Sie sehnt sich nach der Ruhe Hispanias. Vielleicht ein letztes Mal. Vielleicht aber auch nicht, denn wer weiß schon, wann die Hummeln in ihrem Hintern sich wieder in die Lüfte heben? Eine Weile plaudern die beiden noch einmal über die gute, alte Zeit. Doch alte Zeit ist vergangen und kommt nicht wieder, daher umarmt Lucilla ihre Freundin ein letztes Mal und klettert rasch in den Reisewagen hinein. Schon als der Wagen Narbo verlässt hat Lucilla das Gefühl die hispanische Küste riechen zu können. Mit ihrer Tochter im Arm schläft sie bald darauf ein und träumt von ihrem geliebten Tarraco, das sie beide schon bald empfangen wird. Eigentlich alle drei, aber davon weiß Lucilla noch nichts.

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