• ~ OFFICIUM ~
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    DAS OFFICIUM BIETET DIE NÖTIGE RUHE, UM SICH AUF ANFALLENDE GESCHÄFTE UND SCHRIFTWECHSEL ZU KONZENTRIEREN

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    Das Arbeitszimmer der Casa Quintilia ist klein, muffig und voller Regale. Hier stapeln sich Wachstafeln, Schriftrollen und Bronzeplatten in Schubladen und in den Regalen, dort hängt eine alte Auszeichnung an der Wand. Dem Eintretenden sticht sofort der wuchtige Schreibtisch ins Auge, der komplett aus feinem Sandstein gefertigt wurde. Zwei große Steinböcke - das Wappentier der Gens Quintilia - bilden die beiden schweren Tischbeine, auf der die Tischplatte aufliegt. Auf der Rückseite des Tisches sind Fächer in den Stein eingearbeitet, die jedoch nicht verschließbar sind. Dafür befinden sich zwischen den Regalen eigene Schränke und Truhen, die mit etlichen Schlüsseln unzugänglich gemacht werden können und so Dokumente, Urkunden oder Vermögen sicher aufbewahren.

  • Sie riss mutig, wie sie war, die Tür auf und stand plötzlich im Arbeitszimmer ihres Bruders. "Brüderchen", kreischte sie freudig und ihre Stimme schien sich leicht zu überschlagen, denn sie war deutlich froh, ihn zu sehen. Melina blickte sich um. "Schick hast du es, mehr oder minder." Sie fegte, wie ein Wirbelwind im Arbeitszimmer umher und zog hier und da einige Schriftrollen aus den Regalen. Sie machte eine deutliche Unordnung. "Achja, ich bin wieder da, falls du es noch nicht gemerkt hast," scherzte sie mit ihrem Sonneschein-Lächeln. Sie betrachtete die herausgezogenen Schriftrollen und kicherte. "Du scheinst ja recht viel zu arbeiten oder zu lesen. Ein kluges Brüderchen, habe ich da."

  • Eigentlich hatte Sermo Arbeit erledigen wollen. Caius Laetorius Thyrsus, der Schuster, der eins der Ladenlokale der Casa Quintilia angemietet hatte, war säumig. Offenbar lief sein Geschäft schlecht und so hatte er nun schon zwei Monate lang seinen Mietzins nicht entrichten können. Während der Quintilius über dem Mietvertrag grübelte, schweiften seine Gedanken jedoch ab und schon driftete er wieder ab ins Trübsalblasen. Sermo war einsam. Valentinus war tot. Melina bei ihrer Tante. Lupercus hatte sich seit Monaten nicht mehr aus Mantua gemeldet. Es blieben einzig Valerian und Diomedes. Und selbst Valerian würde bald heiraten und sich dann mehr um seine Frau kümmern, als um den schlechtgelaunten Vetter! Frustriert starrte Sermo das Tintenfass an, das auf der schweren Schreibtischplatte stand. Da waren zwar immer noch der kleine Sven, Lysandra und Diocles. Aber die hatten alle auch ihre eigenen Probleme. Mal abgesehen von Sven, der sowieso noch ein kleiner Junge war und der Sermo momentan nur für kleine Späße und erledigte Küchenarbeit nutzte. So in trübsinnige Gedanken versunken saß er am Schreibtisch in seinen Scherenstuhl gefläzt und sinnierte über sein ach so ätzendes Leben nach...


    ...als plötzlich mit aller Gewalt die Tür aufgerissen wurde und ein Sturm durch den Raum fegte! Sermo fiel beinahe vom Stuhl vor Schreck und drohte am Herzinfarkt zu krepieren, als er realisierte was - oder besser wer - da über ihn gekommen war. "Melina!" rief er überrascht und glücklich zugleich aus. Er erhob sich hastig und umarmte seine Schwester herzlich. "Wie habe ich dich vermisst!" Seine Augen wurden feucht, war er doch vor Melancholie etwas angeschlagen. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals und er brachte erstmal kein weiteres Wort hervor. Als er sich von ihr löste, hatte er sich wieder halbwegs gefasst und sah den Wirbelwind ernst an. "Wir müssen reden. Es gibt schlimme Neuigkeiten."

  • Melina legte die Schriftrollen auf den Schreibtisch und ließ sich von ihrem Bruder drücken. Sie kehrte ebenso in die Umarmung ein und schloss ihre Arme um ihren Bruder ab. In diesem Moment wollte sie ihn nicht loslassen, denn er war momentan der einzige Halt in ihrem Leben, sofern man von ihren Bandenfreunden absah, die sich wahrscheinlich immer noch in der Subura durchschlugen. "Ich habe dich auch vermisst, Bruder. Bei unserer Tante ist es recht langweilig und ich bin dort fast gestorben, eben vor dieser Langweile. Das Kaff dort bietet nicht gerade viel Zerstreuung," plapperte sie los. Sie blickte in seine Augen. Sah Melina dort so etwas, wie Tränen? Ihre Augen wurden ebenso feucht. Sie war trotz der rohen Erscheinung, ein weicher und sensibler Mensch. Melina hatte ihren Bruder wirklich vermisst, denn sie brauchte ihn; er war doch immer ihr großer Bruder.


    Ihr Bruder löste sich von ihr. Melina wischte sich mit ihrer Stola einige Tränen aus den Augen, danach hockte sie sich frech auf den Arbeitstisch. Sie blickte ihren Bruder keck an. Sermo schaute sie nun mehr ernst an und Melina konnte diesen Stimmungsumschwung nicht richtig erfassen. Sie konnte ihn ganz und garnicht einordnen. "Können wir die schlimmen Neuigkeiten hinten anstellen? Ich denke, dass sie diesen wunderbaren Moment trüben würden. Ich freue mich so unendlich dich wiederzusehen, Brüderchen." Melina lächelte freundlich, wie immer.

  • Auf Melinas Worte bezüglich der langweiligen Tante nickte Sermo nur. Er konnte sich vorstellen, wie es dort gewesen war. Trostlos. Öde. Kein Ort für eine junge Frau, die so viel Unfug im Kopf hatte wie seine Schwester. Während er sie so betrachtete, viel ihm urplötzlich auf wie ansehnlich sie doch ausschaute. Richtig damenhaft geradezu! Nicht so zerzaust, gut gekleidet, und war da etwa sogar Schminke zu erkennen?
    Die schlimmen Neuigkeiten hinten anstellen? Wie gerne würde er das nur tun! Aber er konnte nicht. Er musste es ihr sofort sagen. "Melina..." Und er würde keine Träne vergießen. Nicht vor seiner Schwester, nicht vor sonst irgendwem. Er war ein Mann und er war stark. Und jetzt musste er ein starker Halt für seine Schwester sein. Und jetzt lächelte sie auch noch! Ihr Götter, macht es mir doch nicht so schwer! Wie sollte er dieses Lächeln jetzt bloß zu einer traurigen Grimasse verwandeln? Verdammt seien die Parzen, die so unbarmherzig die Fäden webten und zerschnitten, wie sie lustig waren! "Valentinus ist tot." Da hatte er es gesagt. Mit versteinerter Miene sah er Melina direkt an, erwartete eine Reaktion. Irgendeine Reaktion.

  • Erst hielt es Melina für einen schlechten Scherz, ihr Bruder tot? Das war unmöglich. Ihre sonst so freudige Miene versteifte sich und wirkte, wie eine Maske, die etwas zu verbergen suchte. Ihre Unterlippe sank ab. Ihre Augen wurden leer. Alle Freude ebbte in diesem Moment ab. Was war soeben geschehen? Ihr Weltbild war zusammengebrochen. Der Tod hatte Einzug in ihre bunte Welt gehalten, ein Schatten warf sich auf ihre junge Seele. Sie schluckte heftig, dann begann sie leicht zu wimmern. Sie konnte es nicht verstehen.


    "Wirklich?" Melina versuchte sich abzusichern. Es dürfte einfach nicht wahr sein. Valentinus war ihr Bruder, ihr Spielkamerad, Freund und Familie. Sie hatte ihn zwar lange aus den Augen verloren, doch ihr Herz war immer noch mit seinem verbunden, wie es mit jedem Familienmitglied verbunden war. Plötzlich schmerzte ihr Bauch. Ein beißender Schmerz von Trauer und Wut zog durch sie. Sie jappste nach Luft. "Was?! Wieso?!" Eine Erklärung gab es wohl nicht. Große, salzige Tränen fielen aus ihren wilden Augen. Bilder von Valentinus zogen ihr, wie ein Schleier der Vergangenheit, vor dem inneren Auge vorbei. Diese Bilder machten sie umso trauriger. Dafür war sie nicht nach Rom gekommen, um vom Tod eines geliebten Menschen zu erfahren. Die Tropfen begannen zu Flüssen zu werden. Ihr minimales Make-Up verlief und umzog auch ihre Augen mit einem schwarzen Schleier von Trauer. Sie legte die Hände vor das Gesicht und krümmte sich. Es war einfach unbegreifbar. "Wie," fragte sie, ohne aufzuschauen. "Wie ist er gestorben?" Wenigstens das musste sie wissen, um diesem Tod einen minimalen Sinn zu geben.

  • Entsetzt verfolgte der große Bruder die Veränderungen in Melinas Gesichtsausdruck. Er gab sich gefasst, wollte ein Vorbild sein. Ihre Frage wurde nur mit einem stummen Nicken beantwortet. Valentinus war wirklich tot. Dann kamen die unvermeidlichen Tränen. Von einem Moment auf den anderen war die lebensfrohe junge Frau zu einem heulenden kleinen Mädchen geworden, für das Sermo sich verantwortlich fühlte. Er musste ihr ein Vater an ihres Vaters Stelle sein, so gut es ging. Tröstend nahm er Melina in die Arme, hielt sie fest. "Ich weiß es nicht," erklärte er mit belegter Stimme. Er hatte noch nicht mit Faustus Octavius zu sprechen gewagt, hatte nicht nach dem Grund für Valentinus' Tod fragen können. "Ich weiß nicht, was ihm passiert ist. Es tut mir so leid." Er versuchte so beruhigend wie möglich zu klingen, doch seine Stimme zitterte, während Melina sich vor Trauer krümmte und ihre Schminke auf seiner Tunika verschmierte.

  • Melina blickte Sermo nun ernst an. Dennoch diese Ernsthaftigkeit wirkte gespielt und alles andere als echt. "Es ist, wie es ist. Wir können ihn ja nicht wieder lebendig machen, oder?" Sie versuchte sich ein Lächeln abzuringen, doch schaffte es nicht wirklich. Die Tränen flossen unaufhörlich in Flüssen und vermischten sich mit dem schwarzen Farbstoff, der ihre Augen umschloss. Melina musste erneut ihre Tränen abtrocknen, dieses mal an Sermo's Stoff. Sanft drückte sie sich an ihren Bruder, der ihr nun mehr Halt und Stütze war. Sermo's Antworten brachten nicht die gewünschte Erkenntnis. Sie schluchzte auf. Ihr Hals wurde trocken und ihre Stimme wurde leicht krächzend.


    "Iullus, ich hab' dich lieb," sagte sie, bevor sie einige Momente schwieg und sich an ihren Bruder klammerte. Nach einigen stillen Minuten, brach Melina das Schweigen. "Wir müssen nun zusammenstehen und unserem Bruder Ehre machen, nicht wahr?" Für Melina waren diese Worte mehr als nur Worte, sie drückten ihr tiefstes Inneres aus. Wieder streifte sie die schwarzen Tränen an Sermo's Kleidung ab. Ihre zarten Hände drückten ihren großen Bruder nun noch fester an den weinerlichen Körper. "Wir schaffen das!"

  • "Wir können ihn ja nicht wieder lebendig machen, oder?" Die Wahrheit in Melinas Worten traf ihn härter, als er erwartet hatte. Sie war offensichtlich rational genug, um die Wahrheit direkt zu begreifen. "Nein, können wir nicht," meinte er niedergeschlagen. Seine Tunika war mittlerweile zum Lappen umfunktioniert worden, in dem sich Tränen und Schminke vermischten.
    "Ich dich auch," erwiderte Sermo die Liebesbekundung seiner Schwester aufrichtig. Er hielt sie in ihrer Umklammerung, während sie einen Augenblick schwiegen. Was sollten sie auch tun? Melina ergriff als erste wieder das Wort. Sie sprach von Ehre und Zusammenhalt. Ja, das war wohl das einzig Richtige. Sie mussten zusammenhalten, für einander einstehen in dieser schwierigen Zeit. "Ja, zusammen überstehen wir auch die schlimmste Zeit." Er drückte sie noch einmal kurz, dann räusperte er sich und erklärte feierlich: "Wir sollten uns an unsere Ahnen wenden. Valentinus muss die Sicherheit haben, unter ihnen aufgenommen zu werden." Er sah mit schiefem Grinsen an sich herab. "Geh doch schonmal ins Lararium und entzünde den Weihrauch, ich werde mir eine andere Tunika anziehen müssen, bevor ich zu unseren Ahnen spreche," forderte er sie auf und entließ sie aus seinen Armen.

  • Melina seufzte laut den Schmerz aus ihren Lungen. Seine Worte berühtten sie und gaben ihr ein wenig Kraft, diese schwere Zeit nun durchzustehen. Hey, das Leben ging weiter und sie hatte noch ihren Bruder, der für sie da war. Valentinus würde sie irgendwann wiedersehen, im Reich der Toten, so hoffte Melina zumindest. "Du hast Recht," sagte sie und zog die verweinte Nase hoch. "Ich werde den Weihrauch entzünden. Ich warte dort auf dich." Sie blickte ihn ernst sowie traurig an. Ihre verweinten Augen funkelten ihn leicht rötlich an. "Komm' aber bitte schnell." Melina ging dann mehrfach die Nase hochziehend hinaus. Draußen hörte man noch ein leises Wehklagen.

  • Sermo nickte nur und ließ Melina dann den Raum verlassen. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, stieß er schwerfällig die Luft aus den Lungen und stützte sich erschöpft auf den Schreibtisch. Erschüttert stand er da, diese unglückliche Zusammenkunft verarbeitend. Dann griff er zur Weinkaraffe, die auf dem Tisch stand. Er war in letzter Zeit nicht sonderlich oft wirklich nüchtern gewesen, der Wein war ein ständiger Begleiter. Ein starker Schluck rann seine Speiseröhre hinunter, löste den Kloß in seinem Hals. Er räusperte sich, stellte energisch das Glas zurück und drehte sich dann entschlossen um. Das Leben ging weiter und deshalb musste er sich jetzt endlich wieder fangen. Er musste sich um Melina kümmern, und das am besten nüchtern! Entschlossenen Schrittes verließ er das Officium und eilte in sein Zimmer, um sich saubere Kleidung überzuwerfen.

  • Die Casa Quintilia besaß zur Straße hin zwei Ladengeschäfte, die Handwerker, Kaufleute oder Dienstleister anmieten und zur bewerkstelligung ihres Tagesgeschäftes nutzen konnten. So hatte ein Barbier sein kleines Geschäft zur Linken der Porta eröffnet (von der Straße aus gesehen). Auf der anderen Seite prangte das Ladenschild eines Schusters. Der war nur leider nicht so erfolgreich wie er es sich erhofft hatte, denn seine Arbeiten waren nicht sonderlich gut. Appius Papirianus war des Schusters Name und eben jener stand nun mit verzweifelter Miene vor Sermo im Officium der Casa.
    "Iullus Quintilius, ich bitte dich. Gewähre mir noch etwas Zeit. Ich treibe das Geld schon auf!" bettelte der Mann. Sermo rollte genervt mit den Augen. Er saß hinter seinem Schreibtisch, eine Wachstafel vor sich aufgeschlagen, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Missmutig schürzte er die Lippen. Was folgte war ein harter Schlag auf den Tisch, als er seine Faust im hohen Bogen darauf niedersausen ließ.
    "NEIN MANN! Papirianus, du bist schon zwei Monatsmieten hinterher! Ich kann doch nicht ewig auf dich warten." Er sah den armen Tropf von einem Schuster eindringlich an. "Ich habe selbst auch Ausgaben. Also, her mit dem Geld. Sofort." Seine Worte waren klar und deutlich. Völlig emotionslos, aber scharf und fordernd. Der Schuster wimmerte herzerweichend.
    "Quintilius, ich bitte dich! Die Geschäfte laufen momentan eben nicht so gut und..."
    "Papperlapapp! Ich habe dir vor drei Wochen bereits die letzte Gnadenfrist gewährt. Heute ist der letzte Tag, der dir verbleibt. Hast du das Geld nun, oder nicht?"
    Papirianus senkte den Blick und schüttelte nach kurzem Zögern beinahe mitleiderregend den Kopf. Beinahe mittleiderregend. Sermo grunzte verärgert und wies mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Tür. "Dann verschwinde aus diesem Haus. Nimm deinen Schusterkrempel mit und lass dich nicht wieder blicken. Wegen des Geldes hörst du noch von mir."
    "Aber..." versuchte besagter Tropf zu intervenieren, doch Sermo ließ ihn nicht. "Kein aber! Zisch ab!"
    Appius Papirianus machte niedergeschlagen kehrt und verließ das Officium mit zerknirschter Miene. Für ihn würden nun noch schwerere Zeiten anbrechen. Sermo interessierte es nicht, ob der Kerl Familie hatte oder seine Weinsucht finanzieren musste. Er wusste nur, dass der Schuster nicht hatte zahlen können, was für ihn das Aus bedeutete. Zumindest was Sermo Geduld und Gutherzigkeit bedeutete. Jetzt musste er sich Gedanken über einen Nachmieter machen. Na wunderbar, als hätte er nicht genug anderes zu tun!

  • Auch wenn Calvena bisher keine großen Veränderungen ins haus gebracht hatte, hatte sie doch zumindest einen Raum etwas umgestaltet. Da Officium war ihr zum Opfer gefallen, als sie sich reichlich verdattert zwischen staubigen Schriftrollen und Wachstafeln wieder fand. Muffig war es obendrein auch noch gewesen. Kurzerhand hatte sie einmal alle Regale ausräumen lassen, damit anschließend dem Staub der Kampf angesagt werden konnte. Es mochte eigentlich ein Zweckmäßiger Raum sein, aber musste sie deshalb von Wollmäusen umzingelt sein? Nach fast zwei Tagen Arbeit machte der kleine raum mit dem wuchtigen Schreibtisch aus Sandstein, glatt wieder etwas mehr her. Auf dem Tisch stand nun eine Vase mit Blumen und um dem Mief etwas vorzubeugen, war Lavendel zwischen den Schriftrollen versteckt worden.


    Calvena beugte sich gerade über die recht langweiligen Haushaltsbücher. Noch stand das eine Ladenlokal frei, sie hoffte ja, das Anchesa ihr Angebot annehmen würde, aber solange gab es eben keinen Mieter. Ihr schwirrte schon der Kopf vor lauter Zahlen, als Simplex den Kopf rein streckte.


    „Du hast Besuch“, erklärte er nur und ließ dann Vitale eintreten.

  • Simplex führte Vitale durch das ihm unbekannte Haus zu einem Officum. Der Sklave musste erschöft sein von den vielen Arbeiten, die bei Hochzeit und Umzug angefallen waren. Trotzdem machte er einen frischen, freundlichen und fröhlichen Eindruck. "Danke, Simplex!" verabschiedete sich Vitale von ihm.


    Er trat ein und fand Calvena alleine vor. Es duftete nach Lavendel und frischen Blumen. Das konnte nur ihr Werk gewesen sein. Er kannte sie als sinnlich.
    "Salve Calvena!" begrüßte er sie erfreut, sie angetroffen zu haben.
    "Leider kam ich bei der Hochzeit nicht zu den Eheleuten durch. Deswegen möchte ich dir jetzt noch einmal nachträglich gratulieren: Ich wünsche dir alles, alles Gute für deine Zukunft, dass du dich hier wohl fühlen und mit deinem Anvertrauten eine harmonische Ehe führen mögest!"

    Das Glück dieser sympathischen Germanicerin lag ihm wirklich am Herzen.
    "Wie hast du dich eingelebt? Kommst du mit allen Familienmitgliedern gut aus?" erkundigte er sich dann.

  • Vitale täuschte sich, erschöpft war Simplex noch lange nicht. Da musste schon mehr kommen, als eine Herrin mit vollen Kleidertruhen. Die Kämpfe in der Arena waren da härter gewesen, ebenso das Training. Hier hingegen führte er schon fast ein ruhiges Leben. Simplex ließ schließlich den Scriba und seine Herrin allein. Er würde nur noch Erfrischungen bringen.


    „So eine Überraschung“, lächelte Calvena. „Salve Vitale. Schön das du mich besuchst!“ begrüßte sie ihn dann und bot ihm mit einer leichten Geste einen Platz an. Schwungvoll ließ sie die Schriftrolle zusammen schnippen.
    „Vielen Dank“, sie strahlte zu seinen Glückwünschen. Simplex brachte in diesem Moment die Getränke und stellte zwei Kannen, eine mit Wein, die andere mit Wasser und zwei Becher auf den Tisch.


    „Ich hab mich schnell eingelebt. Das Haus ist so schön, da kann ich auch nicht anders!“ Vitale war es sicher aufgefallen, dass die Casa Quintilia frisch renoviert war. „Ich bin freundlich aufgenommen worden und fühle mich sehr wohl. Wie geht’s dir?“

  • "Danke, mir geht es gut." antwortete Vitale auf Calvenas Frage.
    "Hat man dich freundlich aufgenommen? Fühlst du dich im Hause wohl? Es scheint ja alles frisch hergerichtet zu sein. Sie geben sich wohl Mühe. Wer lebt denn alles hier?" überhäufte er sie mit Fragen. Er kannte niemanden dieses Hauses, auch wenn er natürlich auf der Hochzeit einige Quintilianer gesehen haben musste.

  • Vitale war anscheinend wirklich besorgt um ihr Wohlergehen, dabei hätte es ihr nicht besser gehen können. Zwar hatte Valerian nicht ganz so viel Zeit für sie, wie sie es sich wünschte, aber das hatte sie bereits vorher gewusst. Man konnte nicht alles haben.
    „Ich wurde freundlich aufgenommen“, versicherte sie ihm. „Derzeit ist das Haus recht voll, Valentina, Valerians Schwester ist extra zur Hochzeit aus Germanien angereist. Dann leben noch Melina, Pulcher und seine Schwester Aviana hier. Sermo ist die meiste Zeit in Ostia und geht dort seinen Verpflichtungen als Magistrat nach“, zählte sie die Familienmitglieder auf. „Das Haus wurde erst vor kurzem einmal komplett renoviert. Ich allein war nicht der Grund dafür.“ Vitale kannte ja nicht ihr schönes Schlafzimmer. "Ich kann dir gern das Haus zeigen!"

  • "Das freut mich, dass es dir offensichtlich so gut geht." meinte Vitale aus vollem Herzen.
    "Wenn das nicht unpassend ist, würde ich mir gerne das Haus ansehen." antwortete er auf Calvenas Vorschlag. Er kannte noch nicht viel von Rom und alles, was er neu entdecken durfte, interessierte ihn. Vielleicht trafen sie ja auch den ein oder anderen Hausbewohner...

  • Calvena freute sich, Vitale ihr neues Heim einmal zeigen zu können. „Na dann. Was sitzen wir hier noch herum und plaudern?“ lächelte sie und ließ die Bücher Bücher sein. Irgendwann später würde sie sich noch einmal drüber setzen. Oder aber Diomedes würde sich ihrer erbarmen und ihr diese lästige Pflicht abnehmen. Vielleicht sollten sie ihn zum Maiordomus machen. Für diese Aufgabe war er gut geeignet.
    Jetzt wollte sie erst einmal Vitale das Haus zeigen.
    „Wie läuft es in der Casa Germanica?“ fragte sie und führte ihn erst einmal ins Atrium.

  • Nachdenklich kaute sie auf dem Ende einer Schreibfeder herum und starrte das Stück Pergament vor ihr an. So ganz konnte sie sich nicht durchringen diesen Brief zu schreiben, aber sie wollte es zumindest versuchen. Eine gewisse Annäherung an Valentina. Calvena hatte es ihr immer noch nicht verziehen, dass diese sich so ruppig verabschiedet hatte. Schließlich gab sie sich doch einen kleinen ruck und ließ die Feder über das Pergament wandern.


    Salve Valentina,


    unser Abschied war nicht gerade herzlich und vermutlich möchtest Du auch nicht wissen, dass wir uns Sorgen um Dich machen und gern wissen würden, wie es Dir geht.


    Wir sind zurück in Rom, ich weiß nicht, ob Du davon schon gehört hast. Lucius wurde zu den Cohortes Urbanae versetzt und Du bist Tante geworden. Ich habe einem kleinen Jungen das Leben geschenkt. So klein ist er ja nicht mehr. Er heißt Lucius Rufus. Es ist schade, dass Du ihn wohl nicht so schnell kennen lernen wirst.


    Die Reise nach Rom zurück war unangenehm. Im Winter sollte man nicht von Mogontiacum nach Rom reisen. Erst Eis und Schnee und dann ein lästiger Regen. Aber nun hält der Sommer seinen Einzug. Es ist schon jetzt wirklich sommerlich, der Garten sieht wirklich schön aus. Diomedes hat ein Händchen für Pflanzen.
    Uns geht es gut. Rufus hat Laufen gelernt und lernt auch recht schnell sprechen. Irgendwie wird er sehr schnell groß.


    Mögen die Götter ihre Hand schützend über Dich halten. Viele Grüße aus Rom,


    Es war nicht gerade ein ausführlicher Bericht, aber so ein wenig sollte Valentina doch noch am Familienleben ihres Bruders teilhaben. Calvena vermutete, dass Valentina diesen Brief wohl nicht beantworten würde.
    Da sie ohnehin nun schon einmal die Feder in der Hand hatte, konnte sie auch gleich Sermo schreiben. Leider ließ der auch nicht wirklich von sich hören.


    Salve Sermo,


    wir hören so wenig von Dir. Du bist doch hoffentlich nicht erfroren? Der Frühling dürfte auch in Germanien nun seinen Einzug halten. Was macht Mogontiacum? Du wirst doch sicherlich ein wenig frischen Wind in die Stadtverwaltung bringen?


    Rom ist wie immer: laut, übervölkert, aber im Frühling doch wunderschön. Diomedes hat sich in unserer Abwesenheit gut um das Haus gekümmert. Er hat eindeutig geschickte Hände, der Garten ist eine wahre Blütenpracht.
    Die Reise haben wir gut überstanden, das Wetter war furchtbar, erst Eis und Schnee und dann ein furchtbarer Regen. Rufus hat die Reise unbeschadet überstanden. Er wird so schnell so groß. Nicht nur das er schnell sprechen lernt, nein er hat jetzt auch laufen gelernt und bringt das Mobiliar in ernsthafte Gefahr. Man darf ihn nicht aus den Augen lassen, sonst dürfte im Haus schon bald keine Vase mehr stehen.


    Lass von Dir hören und mögen die Götter über dich wachen.



    Da ihr Mann sicherlich auch noch einige zeilen hin zu fügen wollte, ließ sie die Briefe erst einmal offen liegen.

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