• Herge, Sohn des Balduin
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    Die Sippe des Herge war nicht annähernd vermögend genug, um die Stadtwachen bestechen zu können. Noch war sie vermögend genug, Handlanger zu bezahlen die effektiv und gleichsam verschwiegen genug waren, den Plan auch so umzusetzen, dass er funktionierte und nicht aufflog.
    Was blieb ihnen anderes übrig, als selbst zu tun, was sie nicht anderen auferlegen konnten?


    Die Sippe war nicht klein, und so gab es genug junge Männer, die an den verschiedensten Ecken des Forums in der Stille der Nacht Schmiere standen und so taten als würden sie herumlungern. Während sie den relativ ungefährlichen Teil der Mission erledigenten, mühten sich um das große Handelshaus mehrere Personen um den Sippenoberen selbst ab, kleine und dünne Amphoren mit Pech auf das Dach des großen Handelshauses zu werfen. Immer wieder mussten sie in die dunklen Gassen der Stadt zurückweichen, weil sich einer der zwei Wachen des Handelshauses zeigte und mit misstrauischem Blick den Geräuschen nachging, die sich jetzt schon einige Zeit lang bemerkbar machten. Doch konnte er niemanden finden, und so setzte er seinen Weg fort. Fort setzten auch die Männer um Herge ihr Werk, bis man den scharfen Geruch des Pechs bis nach auf das Forum vernehmen konnten.
    Der kritische Punkt der Unternehmung war erreicht, als man mit viel Mühe eine kleine Amphore mit Pech und einem Lappen in Flammen setzte. Erst sah es nicht so aus, als würde die eigenwillige Konstruktion wirklich funktionieren, doch dann zogen sich kleine und schwache Flammen den Lappen entlang, bis er schließlich soweit brannte, dass er die Hand des ihn haltenden Mannes zu versehren drohte.


    Mit einem weiten Bogen flog er schließlich auf das Dach, und eine Weile lang tat sich erstmal garnichts. Es dauerte gefühlte Ewigkeiten, in denen die Männer mit angehaltenem Atem in den Gassen darauf warteten, dass etwas geschah, bis sich auf dem Dach heller Flammenschein zeigte.
    Kaum eine Minute ging alles rasend schnell: die erstarkten Flammen sogen mehr und mehr des auf dem Dach verteilten Pechs in sich auf, und irgendwann schien die ganze Fläche zu brennen. Was noch nichts verhieß, denn die kalte Jahreszeit könnte den schweren Dachstuhl des Handelshauses klamm gemacht haben, und das Pech würde auf den Ziegeln verbrennen und die darunter liegenden Balken nur erwärmen. Doch das Feuer schien eine Lücke im Ziegelwerk gefunden zu haben, und bald konnte man erahnen, dass der gesamte Dachstuhl in Flammen stehen würde. Dies war das Zeichen für Herge und sie seinen, sich zu verziehen und den sich hilflos um das Handelshaus sammelnden Stadtwachen das Feld zu überlassen.


    Der Denkzettel, den sie verabreichen wollten, war ein voller Erfolg. Womit sie allerdings nicht gerechnet hatten, war, dass das Feuer sich nur allzu leicht durch die interne Holzkonstruktionen einen Weg nach unten suchen würden. Es dauerte nicht lange, und das gesamte Handelshaus stand in Flammen.


    Eins der Aushängeschilder nordeuropäischer Handelsgeschäftigkeit, ein Flammenmeer.

  • "Skeita! Skeita! Skeitaaaaa!"* hallten Witjons verzweifelte Schreie über den Platz. Es war noch beinahe Nacht, die Sonne blinzelte noch verhalten am Horizont. Eine gewaltige Rauchsäule stieg aus dem Herzen der Stadt auf, aus einem Häuflein Schutt und Asche zehrend. Wo noch wenige Stunden zuvor ein Flammenmeer an Holz, Putz, Schindeln und Stroh gefressen hatte, war nun nur noch ein großer rauchender Geröllberg übrig, dessen Überreste noch vor Glut schwelten. "Verflucht noch eins, wie konnte das passieren? Welch Katastrophe!" Sich die Haare raufend kniete der Procurator Consortii auf dem Pflaster des Forum. Wie ein Wahnsinniger war er hierhergestürmt, als des Nachts ein Vigil die Schreckensnachricht mitgeteilt hatte.


    Denn die Männer der 'Feuerwehr' waren nicht erfolgreich gewesen bei ihrem Löscharbeiten. Wie denn auch? Diese Leute waren allesamt Handwerker und engagierte Knechte aus den Betrieben der Stadt, ausgerüstet mit persönlichen Werkzeugen. Unterstützung erhielten sie von den wenigen Nachtwächtern und Bewohnern der benachbarten Häuser. Doch eine professionelle Löschtruppe wie sie gar in Rom selbst existierte waren diese Männer nicht. Man hatte Glück gehabt, dass die umstehenden Gebäude nicht zu schnell Feuer gefangen hatten. Dennoch war der Schaden fatal: Das Römisch-Germanische Handelskonsortium war bis auf die Grundmauern abgefackelt, während die beiden nebenstehenden Häuser ebenfalls nicht unerheblich durch die Flammen angegriffen worden waren. Die Dächer waren völlig hinüber, ebenso die oberen Geschosse. Ein Glück für die Bewohner, dass das Konsortium eigene Nachtwächter angestellt hatte, die in letzter Sekunde die Menschen aus dem Schlaf gerissen hatten, sonst wäre es wohl auch sie zu spät gewesen.


    Auf dem Forum stand trotz der frühen Morgenstunde schon eine große Menschenmenge beisammen, die meisten Gaffer, manche Helfer, manche Opfer. Die Vigiles standen bedröppelt herum und redeten sich ins Gewissen, dass sie wenigstens einen Stadtbrand hatten verhindern können. Die Nachtwächter der Freya Mercurioque saßen auf dem Straßenpflaster, den Kopf in die Hände gestützt in Erwartung eines noch ausstehenden Donnerwetters. Witjon derweil kniete immer noch vor dem Haufen Trümmer, der ihm so viel bedeutet hatte. Und nicht nur ihm. Was Lando wohl sagen würde!? Er hatte das Konsortium immerhin gegründet. Er war von Anfang an dabei gewesen, hatte den Aufstieg in Mogontiacum angeleitet und die Erfolge auch über die Provinzgrenzen hinaus erlebt. Jetzt schien es Witjon, als wäre all das vorbei. Im Feuer untergegangen.


    Sie konnten nicht einmal versuchen irgendetwas zu retten. Der Hauptmann der Vigiles hatte Witjon erklärt, dass es viel zu gefährlich sei die glühende Ruine jetzt schon zu betreten. Da wäre sowieso nichts mehr übrig, was es zu retten lohnte. Alles war zu Asche verkommen! Die Waren, die Dokumente, alles! Einzig einige Kopien von Urkunden und Produktionslisten war übrig, die in den Archiven der Casa Duccia lagerten. Wundervoll!
    "Ihr Götter, warum hasst ihr uns? Freya, womit haben wir das verdient?!" murmelte er zu sich selbst, nah daran in Selbstmitleid zu verfallen.
    Da fühlte er plötzlich einen freundlichen Händedruck auf seiner Schulter. Verwundert wandt Witjon sich um und blickte einem seiner teuersten Freunde ins Gesicht.


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    Ortwini, Sohn des Siguhelm:


    "Witjon..." setzte der beste Freund des Duccius an, wusste jedoch nichts hilfreiches zu sagen. Statt dessen drückte er noch einmal dessen Schulter und schenkte dem jungen Mann einen mitfühlenden Blick.
    "Ortwini!" stellte Witjon fest, erleichtert den Freund am Ort des Unglücks an seiner Seite zu sehen. Er erhob sich und deutete händeringend zum Schutthaufen, ehemals Handelskonsortium. "Wenn ich den erwische, der wird seines Lebens nicht mehr froh..."
    Ortwini nickte verständnisvoll und zog die Augenbrauen zusammen. "Meine Hilfe sei dir gewiss, mein Freund."
    Der Duccius nickte dankbar. Er wusste, er konnte sich auf Ortwini verlassen. Mit dieser Gewissheit fasste er neuen Mut und in seinem Kopf schmiedete er bereits Pläne zur ununterbrochenen Weiterführung der Geschäfte. Ein suchender Blick glitt dann über die Versammelten. Wo waren eigentlich die anderen Duccii? Und waren die restlichen Consortii benachrichtigt worden? Wobei Witjon sich sicher war, dass eine Nachricht von solcher Tragweite sich ohnehin in Windeseile verbreiten würde.



    *germ. Skeita = Sch**ße

  • Lando stand einige Meter abseits und starrte unbewegt in den Trümmerhaufen, der einen Tag zuvor noch hunderte Aurei an Material und Waren beinhaltet hatte. Noch bevor die Vigiles an das Tor der Casa seiner Sippe geklopft hatten, war Lando aufgewacht um Wasser zu lassen und hatte aus den bunt verglasten Fenstern seines Zimmers den Feuerschein gesehen. Den Ärger riechend war er wie ein Berserker aus seinem Zimmer gehetzt, sich gerade noch einen Mantel überwerfend, und hatte wenige Minuten später vor einem Flammenmeer gestanden. Die Vigiles und Anwohner hatten alle Hände voll zu tun gehabt die anderen Gebäude vor den Flammen zu schützen.
    Als erstes war Lando sicher gegangen, dass die Wachen, die eigentlich in dem Gebäude hätten sein müssen, in Sicherheit waren. Dann hatte er sich um die Vigiles gekümmert und aus den herbeigeeilten Schaulustigen diejenigen herausgepflückt die ihm in Lohn und Brot verbunden waren und hatte sie mit knappen Worten ebenfalls zu einer Helfertruppe rekrutiert.


    Als das Haus in sich zusammenbrach gab es einen kleinen Feuersturm, der alle die zu nahe am Haus dran waren mit Asche und Rauch eindeckten. Zwei Tage später würden drei der Helfer an Rauchvergiftungen sterben.
    Das Getöse war ohrenbetäubend, und als das größte Handelshaus nördlich der Alpen in sich zusammenbrach, brach auch Landos Schutzwall ein. Instinktiv hatte er gewusst, dass dieses Feuer nicht einfach so ausgebrochen war. Immerhin hatte er selbst nicht allzu viele Stunden zuvor sämtliche Lampen im Haus gelöscht, eine Tradition die er seit Jahren aufrecht erhalten hatte. Und dennoch wurde er mit diesem Anblick konfrontiert, sein Lebenswerk ein Schutthaufen der qualmte als wäre es ein direkter Einstieg in Hels Reich.
    Hels Reich war eine gute Referenz, Lando selbst war so stark mit Asche und Dreck eingedeckt, dass er mehr einem grauen Geist glich, das Haar versenkt und farblos von seinem Kopf herabhängend würde er sich wahrscheinlich selbst nicht erkennen.


    Das Haus war vor gut einer Stunde eingebrochen, und die Flammen kämpften sich tapfer durch die letzten Reste Holz. Der Schock hatte Lando nunmehr voll im Griff, innerlich ging er schon durch wie lange es dauern würde die Ruine zu beseitigen, und wieviel an wertvollem Metall man noch aus den Trümmern würde bergen können. Leute kamen und sprachen ihn an, doch er antwortete nicht, und irgendwann hatte ein ebenso erschütterter Amon es sich zur Aufgabe gemacht sämtliche Fragen von ihm wegzudeligieren. Denn Lando stand einfach da, und starrte vor sich hin..

  • Eigentlich hatte Maecenas gerade vor die Nachtruhe anzutreten. Das letzte Licht ward gelöscht in seinem bescheidenen Zuhause als es plötzlich wie wild an der Tür klopfte. Aufgrund der Tageszeit und der damit verbundenen Dunkelheit zuckte er kurz zusammen, begab sich jedoch gleich zur Tür und öffnete diese.
    Ein Angestellter der Feya stand mit rußgeschwärztem Gesicht davor und berichtete Maecenas hektisch von den Vorkommnissen.
    Nicht lange überlegend, rannte er zurück in die Wohnung, um kurz darauf mit einem übergeworfenen Mantel seine Behausung zu verlassen.
    Am Unglücksort eingetroffen fuhr es Maecenas durch alle Glieder. Das Handelshaus der Freya stand komplett in Flammen. Das Dach war schon teilweise eingestürzt und drohte gänzlich zusammen zu brechen.
    Es war ein Bild des Schreckens. Maecenas´ Blick schweifte. Er suchte nach Lando. Jener, der dieses Projekt wie seinen Augapfel hütete. Für den die Freya sein Ein und Alles war.
    Maecenas musste zweimal hinsehen um Lando zwischen all den Menschen, die um das ehemalige Handelshaus standen, auszumachen.
    Ich ging auf ihn zu und ergriff von hinten seine Schulter. Eine kleine Geste des Mitgefühles, der Anteilnahme, jedoch in keinster Weise gegen das hier passierte aufzuwiegen.
    Irgendwie fühlte Maecenas in seinem Inneren eine tiefe Leere. Zwar hatte er nicht ein viertel des Anteils an der Freya dazugetan, wie Lando, doch tat dies trotzdem weh zu sehen, wie ein mit Herzblut, Energie und als letztes auch finanziell aufgebautes Projekt sprichwörtlich darnieder sank.

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