In der Villa | Unheilvolles Wiedersehen

  • Der Geruch von Pergament hatte schon immer etwas anziehendes gehabt. Seitdem sich die Geheimnisse der Schriftzeichen der Hibernierin vor vielen Jahren offenbart hatten, war aus ihr eine begeisterte Leserin geworden. Früher war sie oft in der Bibliothek gewesen und hatte geschmökert. Einige der hier gelagerten Schriftrollen hatte sie verschlungen und dabei vieles, für sie bis dahin unbekanntes, gelernt. Doch damit war vor sechs Jahren Schluss gewesen, als sie die Freiheit wieder erlangt hatte und sie mit ihrem Kind weggezogen war. Wenn man auf sich allein gestellt war und für sein eigenes Auskommen sorgen musste, blieb wenig Zeit zum Lesen. Zumal sie auch nicht das nötige Geld dazu gehabt hätte, sich Bücher zu kaufen.


    Aber das Leben aber änderte sich immerfort. Bridhe war zurückgekehrt. Nicht mehr als Sklavin! Die Freigelassene war jetzt Pisos Scriba personalis und als solches genoss sie auch wieder den Zugang zur flavischen Bibliothek mit all ihren Schatzen, die ihr einst Lieb und Teuer waren.
    Im Grunde war ihr Auftrag ganz einfach gewesen. Piso hatte ihr eine Liste mit diversen Titeln in die Hand gedrückt. Ungefähr zehn Schriftrollen sollte sie herbei holen. Darunter war nichts, was Bridhes Interesse erregt hätte. Beinahe schon gelangweilt zog sie die entsprechenden Rollen aus den Regalen, bis sie auch den letzten gewünschten Text gefunden hatte. Doch wenn sie schon einmal hier war, konnte sie doch auch für sich etwas mitnehmen, was ihr später am Abend etwas Zerstreuung schenken konnte. Da fiel ihr jener Strabo wieder ein, von dem Serapio vor einigen Wochen gesprochen hatte, nachdem er sie aus dem Tiber gefischt hatte. Bridhe wollte nun selbst lesen, was dieser griechische Schreiberling über ihr Volk geschrieben hatte. Nach einigem Suchen fand sie schließlich die entsprechende Schriftrolle.
    Voll beladen mit den Pergamentrollen verließ sie wieder die Bibliothek und machte sich auf den Weg zu Pisos officium. Aufgrund der Menge der Schriftrollen in ihren Armen war ihr Blickwinkel sehr eingeschränkt. Dadurch hatte sie einige Mühe, vorauszuschauen. Sie hoffte einfach auf die Vernunft der ihr entgegenkommenden Personen, damit diese auf sie Rücksicht nehmen würden.
    Sie hatte noch die Umrisse einer ihr entgegenkommenden Gestalt wahrgenommen. Sie wollte auch noch zur Vorsicht mahnen. Doch dafür war es zu spät, als sie mit jemandem zusammen prallte. Bridhe ließ vor Schreck alle Rollen fallen. Aber es kam noch viel schlimmer, als sie erst entdeckte, mit wem sie kollidiert war. Wie angewurzelt blieb sie stehen. Die unguten Gefühle von damals waren wieder da, als wäre es erst gestern gewesen, als sie ihm zum ersten Mal begegnet war.


    Sim-Off:

    Reserviert! :D

  • An einem Tag der Muse, welcher sowieso eine Beschäftigung außerhalb des Hauses unmöglicht machte angesichts der unheivoll schwebenden dunklen Wolken über Rom, war dem Senator heute an den Privatstudien mehr gelegen, denn nach politischer Arbeit. Ohnehin hatte er es zur Gewohnheit Eiliges nicht ernst zu nehmen, bis es wirklich drängte, denn erst dann erfuhr er jene Genialität, jene Schaffenskraft, welche von ihm Macht ergriff, wenn er unter massivem Druck stand.
    Römische Herren, besonders die Linie, derer er entstammte, pflegte seit Generationen einen gewissen Abstand zu allem Irdischen, wie auch zu sich selbst. Man sah sich in einem Akt größter Bewunderung geistesbehellt den Ahnen nacheifern, und in solch einer Stimmung war jener Spross der Linie heute anzutreffen. Geradezu leichten Schrittes und in eine simple Tunika, welche auf den zweiten Blick eine der edelsten ihrer Art war, begab sich Lucius Flavius Furianus auf den Weg zu den Privatarchiven seiner Familie.
    Dieser Lust wurde ein Ende gesetzt, als die Lichtgestalt römischer Politik, die von geistiger Fülle erhellte Omnipotenz mit etwas Irdischem zusammen stieß. Jenem Irdischen, welches in allen Situationen und in jeder Zeit jenem Wesen gefälligst den Weg zu räumen hatte - so, wie sich das seit Generationen verhielt.
    Auch er war ob des hoch beladenen Armes seines Kontrahenten nicht in der Lage jenes unheilvolle Gesicht zu erblicken, jenes, welches zweifelsohne Leid ertragen sollte. Und so passierte es, die Rollen flogen nur einen kurzen Augenblick vom Aufprall in Bewegung gesetzt gen Decke, ehe sie mit vielen dumpfen Schlägen auf dem weißen Marmor aufprallten. Auch wenn diese Pergamentrollen aus einfachem Papyrus zu sein schienen, waren sie doch auf eine massive Holzrolle gedreht, welche einen Schlag auf dem Marmor duchaus verursachen konnte. So geschah es und nur einen kurzen Moment der Ungläubigkeit in des Flaviers Antlitz dauerte es, ehe seine Wangen zu vibrieren begannen.
    "Du...", entgegnete er, obwohl sich der Kiefer nicht zu öffnen vermochte, zu stark war der Groll, welcher sich dort entlud und den Körper ein wenig erbeben ließ.
    Alles stieg in ihm hoch und die angestaute Wut, welche mitunter auf die Tatsache zurück zu führen war, dass er schon lange keine Gewalt verübt hatte, suchte sich nun ein Ventil. Und es hatte es gefunden.
    Ruckartig packte er die Frau, über die er durchaus wusste, dass sie nun nicht mehr diesem Haushalt angehörte, am Oberarm und rüttelte kurz.
    "Oh du dummes Ding, du weißt gar nicht was du gerade getan hast...", war recht leise, jedoch stark odiös die Worte seiner tiefsten Abneigung ausgespien worden. Sein Griff festigte sich und seine Atmung wurde tiefer, sowie auch seine Züge sich zu einem Werk voller Animosität gestalteten. Recht schnell war das Urteil gefallen, dass es ihm das größte Vergnügen sein würde sie zu bestrafen, und die Konsequenzen ihn in diesem Falle nicht tangierten.

  • Gab es eines in Bridhes Leben, worauf sie hätte getrost verzichten können, so war es diese Begegnung. Unheilvoll und überraschend war sie über die Hibernierin hereingebrochen. Wie eine schlimme ansteckende Krankheit, der man sich nur schwer wieder entledigen konnte oder die sogar mit dem Tod endete.
    Die zu Boden fallenden Schriftrollen verursachten ein dumpfes Geräusch. Einige blieben dort liegen, wo sie aufgetroffen waren, andere rollten ein Stückchen weiter. Von all dem bekam Bridhe nichts mehr mit. Der Schrecken, der dieser Mann in ihr entfesselt hatte, saß auch nach all den Jahren noch sehr tief. So sehr tief, dass die Tatsache, keine Sklavin mehr zu sein, bedeutungslos wurde. Ihre erste Begegnung mit ihm, vor vielen Jahren, hatte einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Gerade das war für sie eine Bestätigung dafür, stets auf der Hut zu sein, besonders im Umgang mit den Familienmitgliedern der Flavier.
    Und Furianus selbst hatte sie in all den Jahren auch nicht vergessen. Bei ihrem Anblick entbrannte er vor Zorn. Sein Körper bebte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis seine Wut sich entlud.
    Bridhe konnte nicht anders. Wie angewachsen verblieb sie an Ort und Stelle, das pure Entsetzen in ihrem Gesicht, weniger wegen der fallengelassenen Schriftrollen, doch umso mehr wegen des zornentbrannten Flaviers. Für einen wie ihn, spielte ihr Status als Freigelassene keine Rolle. Wenn er wollte, konnte er sie zermalmen, wie ein lästiges Insekt. Ein Insekt, mehr war sie nicht in seinen Augen.
    Bridhes Herz wollte beinahe versagen, als er sie grob am Oberarm packte, sie anfuhr und sie dabei zu schütteln begann. Auch wenn die Worte nicht laut gesprochen worden waren, verfehlten sie keineswegs ihre Wirkung. Dabei verstärkte sich sein Griff noch. Das Gesicht der Hibernierin begann sich vor Schmerz zu verzerren, doch laut zu klagen, wagte sie nicht. Nach Worten rang sie, sich zu rechtfertigen, sich zu entschuldigen für etwas, wofür sie eigentlich keine Schuld traf. Es war ein dummer Zufall gewesen oder... ein Vorsatz des Flaviers, der schon immer einen Hang dazu hatte, diejenigen zu quälen, die rechtlos waren und sich nicht wehren konnten.
    "Bitte Herr,... es tut mir leid! Wenn du erlaubst, werde ich die Schriftrollen sofort wieder einsammeln." Allein Furianus Griff hinderte sie daran, sich zu bücken und die Papyri wieder einzusammeln. Natürlich hatte sie in ihrer Naivität geglaubt, Furianus´ Zorn hätte lediglich auf ihr Missgeschick mit den Schriftrollen abgezielt. Dass es einzig und allein auf ihre Gegenwart bezogen war, daran dachte sie nicht.

  • Erbost war er mitnichten - eher in Rage. Vielleicht war es die lang anhaltende Anstauung der Wut, welche ihn nun an die Raserei nahe brachte oder lediglich die ungemein negativen Erinnerungen, welche sich mit diesem unheilvollen Gesicht hatten versponnen. Dieser abgehobene Aquilius, der es wagte ihn herablassend zu behandeln, dieser Taugenichts, sie war einst ebenso vollmundig gewesen. Sie war sein Eigentum und nur die Auseinandersetzung mit seinem Verwandten bewahrte sie einst vor dem Theatrum Flavium und den darin enthaltenen Löwen. Nun jedoch war Flavius Furianus kaum zu bändigen, kaum zu bremsen, denn seine Position war gefestigter als die ihres ehemaligen Herrn, von dessen Verbleib er sogar selbst nichts wusste. Vermutlich irgendwo im Süden, dort, wo sich eine entsprechend große Anzahl derer niederließ, welche zwar in diese Welt hineingeboren, sogar im richtigen Stande, jedoch kaum ihren Erwartungen gerecht werden konnten. So war es wohl mit seinem Vetter gewesen, welcher kaum den Cursus Honorum erklommen auch wieder entschwunden war. Die Verantwortung lastete schwer, auf jeder Schulter.
    Zwar wusste der Flavier, dass sie mittlerweile eine Freigelassene war, sogar seinen Namen in Verbindung und geringer Abwandlung mit dem ihrigen beschmutzte. Jener törichte Vetter hatte sich selbst von einer Sklavin zu einer Freilassung hinreissen lassen. Der Flavier konnte solch´ein unverantwortliches Handeln nicht verstehen, waren Sklaven doch Anlagegüter, welche man mehren konnte. Sein Credo war schon stets, dass eine Freilassung dem Hinwegwerfen von Geld gleichkam, nichts anderes bedeutete dies. Und das war nicht das Einzige. Sehr wohl wusste der Flavier von dem Bastard, welchen sein törichter Vetter in seiner Schande hatte gezeugt. Jener beschmutzte sogar ohne Abwandlung den flavischen Namen. Schon alleine das gereichte Flavius Furianus zu drastischen Maßnahmen. Doch dem nicht genug, so traf er diese Nestbeschmutzer, wie er sie nannte, sogar hier vor, hier in seinem Hause.
    "Ist der Bastard meines Vetters hier?", antwortete er auf ihre Frage.
    Er ersann eine bessere Art der Bestrafung, denn die körperliche Züchtigung dieser Sklavin. Schon vor längerer Zeit hatte er von Methoden einiger Sklavenzüchter gelesen einige störrische Exemplare auf anderen Druck hin sich gefügig zu machen denn aufgrund körperlichem Schmerz.

  • Abwechselnd starrte sie zu Furianus und den Schriftrollen und wurde dabei immer mehr von einer inneren Unruhe erfasst. Diese Begegnung konnte der Anlass dazu sein, dass sich wieder alles änderte. Dass nichts mehr blieb, wie es war. In den dem Moment noch, als sie voll beladen die Bibliothek verlassen hatte, war sie noch guter Dinge gewesen. Sie hatte eine Anstellung, konnte sich in der Nähe ihres Sohnes aufhalten, der in der Villa eine Ausbildung genießen durfte, die sie ihm selbst nie hätte bereitstellen können... und sie selbst konnte auch ein kleines Stückchen an diesem Luxus der Flavier teilhaben, denn auch für sie selbst stand nun wieder die Bibliothek offen. Sie musste nur hineingehen und konnte dann aus unzähligen Schriften auswählen. Ein wahres Paradies für jemand wie sie, wäre da nicht Furianus gewesen!
    Endlich begriff auch Bridhe, dass es dem Flavier nicht um die Schriftrollen ging. Sie war es! Ihre bloße Anwesenheit. Dass sie sich erdreistete, die gleiche Luft zu atmen, die auch er mit jedem Atemzug einsog. Doch nicht nur sie, die sie eine Sklavin gewesen war und nun frei war, auch ihre Verbindung zu Aquilius, machte sie gleichsam zu einer erklärten Feindin des Flaviers. Sie konnte sich noch gut entsinnen, mit welchen Mitteln er sie damals gefügig gemacht hatte, um ihren eigenen Herrn auszuspionieren. Bridhe war damals aber loyal geblieben, auch wenn sie damit beinahe mit ihrem Leben bezahlt hätte.
    Nur war Aquilius nun fern von Rom. Und wie Piso zu seinem Verwandten stand, wusste sie nicht. Wahrscheinlich würde er eher zu ihm stehen, als zu einer dahergelaufenen Freigelassenen. Niemand war da, um sie vor Furianus Übergriffen zu beschützen.
    Vollkommen unerwartet fragte der Flavier nach ihrem Sohn. Da sie Furianus Methoden schon mehr als zur Genüge kannte, ahnte sie sofort, was er damit bezwecken wollte. Sie wusste, dieser Mann würde sogar über Leichen gehen, nur um das zu erreichen, was er wollte.
    Bridhes Körper versteifte sich, ihr Herz schlug schneller. Etwas regte sich in ihr. Sie war nicht willens, ihren Sohn ins offene Messer rennen zu lassen. Der Mutterinstinkt, der bei Tieren zutage trat, wenn die Jungen in Gefahr waren, brach bei ihr durch. Der Ausdruck in ihrem Gesicht veränderte sich. Die Angst schwand.
    "Lass deine Finger von meinem Sohn! Tu mit mir, was du willst, aber lass ihn aus dem Spiel!", fauchte sie ihn an, gleichwohl welche Konsequenzen ein solches Verhalten für sie bedeuten würden. Sie war sich bewusstr, einen Senator vor sich zu haben, aber das bedeutete ihr nichts. Selbst aus der Villa hinausgeworfen zu werden oder noch schlimmeres erleiden zu müssen, wäre besser gewesen, als Diarmuid in den Händen dieses Mannes zu wissen.

  • Der Flavier erwiderte erst einmal nichts. Sie war für ihn von keinerlei Bedeutung, von keinerlei Nutzen. Er war diesbezüglich oft und recht kreativ, doch heutzutage belegten gewichtigere Probleme diese Regionen seiner Talente, so dass er sich nichts anderes vorstellen konnte, als am Kind seine Wut auszulassen.
    "Was kannst DU mir bieten?!", fuhr er sie daher an. Eine berechtigte Frage, denn vielleicht war diese ehemalige Sklavin kreativer, als er sich eingestehen wollte.
    Er würde abwarten.

  • Die Angst drohte sie zu verzehren. Nur mit Mühe konnte sie seinem Blick standhalten. Wenn sie nun nachgab, brachte sie den eigenen Sohn in Gefahr. Sie musste standhaft bleiben, gleich was kam.
    Bridhe zuckte zusammen, als Furianus sie anfuhr. Immerhin fragte er nicht mehr nach Diarmuíd. Aber was konnte sie ihm bieten? Was war ein adäquates Angebot für diesen Mann?
    „Ich kann dir meine Dienste anbieten, was immer du verlangst.“, entfuhr es aus ihr, ohne wahrscheinlich zu begreifen, was sie damit gesagt hatte. Als ihr kurz darauf bewusst wurde, was diese schwammige Aussage beinhalten konnte, hätte sie sich liebend gerne auf ihre eigene Zunge gebissen. Sie hatte ihm freie Verfügungsgewalt über sich selbst angeboten, auf dass er sie quälen und sich an ihrem Leid ergötzen konnte, wie es ihm beliebte. Wenn jedoch dadurch ihr Sohn geschützt war, nahm sie dies mit Freuden auf sich.

  • Der Flavier dachte kurz nach, eher er eine wundervolle Idee hatte.


    "Gehe hinfort von hier. Ohne ein Wort des Abschiedes, ohne eine Epistel. Gehe hinfort in das Land deiner Väter, hinter römische Grenzen und komme nie wieder.", war seine wunderbare Forderungen und er hätte sich selbst stolz geheißen, wenn er es konnte.
    Der Schmerz, ihr schmerz, sollte ihm vergelten, was sie sich damals hatte erdreistet zu tun. Entzwei brachte diese Sklavin beide Verwandte, auch wenn die Beziehung zwischen jenen nicht über die der Etikette hinaus ging. Sie brach damals alle Konventionen der Sklaven, ob geschrieben oder nicht niedergelgt. Nun musste sie büßen und sie konnte froh sein, dass er ihr Leben verschonte.


    "Im Gegenzug lasse ich deinen Jungen in Ruhe.", merkte er dann an, um die lukrative Forderung mehr in das gute Licht zu rücken, welches eine Mutter empfand, wenn sie sich der Sicherheit ihres Sohnes gewiss sein konnte.

  • Mit allem hatte sie gerechnet, nur nicht damit! Es verschlug ihr die Sprache. Mit aufgerissenen Augen starrte sie Furianus an. Wie konnte er nur so etwas verlangen? Sie erkannte die Perversion in seine Forderung sofort. Sie, die sie nichts sehnlicheres getan hätte, nach ihrer Freilassung, als wieder nach Hause zurückzukehren, es aber nicht getan hatte, weil sie an ein Versprechen gebunden war, was sie gegeben hatte. Für sie war diese Forderung eine Art Folter. Als hätte er nicht gewusst, dass sie nicht gehen konnte! Denn dann bedeutete dies, ihren Sohn zurück lassen zu müssen. Und nicht nur das! Auch Piso hätte sie vor den Kopf stoßen müssen, wenn sie ging.
    Bridhe begann zu zittern. Sie versuchte etwas zu sagen, was sich als sehr schwierig erwies, denn die Worte wollten ihr nur widerwillig über die Lippen gehen.
    "Bitte,.... das kannst du nicht von mir verlangen! Mein Kind..., ich kann es doch nicht einfach... verlassen!" Wie grausam konnte ein Mensch nur sein? Wie groß musste sein Hass auf sie sein? Dabei war sie sich keiner Schuld bewusst.
    "Du kannst mit mir tun und lassen, was dir beliebt, aber bitte verlange das nicht von mir! Bitte nicht!" Mutig hatte sie einen Schritt auf ihn zu gemacht, um sich anzubieten. Letztlich musste dieses Angebot viel lukrativer für ihn sein, stets ein Opfer in der Nähe zu wissen, dass er quälen konnte wie es ihm beliebte.

  • Vielleicht war dies auch zu viel der Strafe, gestand sich der Flavier im Nachhinein ein und musste angestrengt überlegen, bis sein Blick auf das üppige Dekolettee der ehemaligen Sklavin fiel.
    Noch vor einigen Monaten hätten ihn solche Gelüste in keinster Weise tangiert, doch da in letzter Zeit die Affäre mit Tiberia Septima sein Sexualleben dermaßen auffrischte, hatte er den ursprünglichen Drang die Triebe, die er so viele Jahre hatte in stoischer Manier unterdrücken müssen, auszuleben. Der Umstand, dass seine Frau in freudigen Umständen war und er ohnehin ihr Bett nicht aufsuchen durfte oder es nicht wagte, da dies unter adligen Ehepaaren recht unüblich schien, zudem die Liason mit Tiberia Septima recht selten zustande kam, durchdringte ein Gedanke sein Mark.
    "Nun gut.", sagte er dann voller Einsicht und blickte ihr in die wilden Augen - zumindest sah er diese als solche an.
    "Du darfst gehen, kommst jedoch, wenn die Sonne untergegangen ist, in meine Gemächer und ich teile dir deine Strafe zu. Verstanden?"
    Er musste lügen, wenn er sich nicht danach sehnte, doch obgleich das männliche Verlangen in ihm Wallungen würde annehmen können, war doch der Gedanke sich mit einer Barbarin einzulassen recht fremd und daher abstoßend.

  • Auch wenn Bridhe für kurze Zeit mutig gewesen war, zitterte sie doch noch am ganzen Körper. Um das Recht bei ihrem Jungen bleiben zu dürfen, wäre sie zu allem fähig gewesen. Zu allem, was der Flavier an Widerwärtigkeiten in seinem Kopf ausbrütete.
    Ob sie nun Furianus allein durch ihr Flehen zum nachdenken gebracht hatte, oder ob er selbst einsehen musste, dass die ausgesprochene Strafe wegen ihrer besonderen Härte nicht angebracht war, war einerlei. Dabei starrte er sie ganz unverblümt an. Unweigerlich war Bridhe dabei an die Szene im Bad erinnert. Genau so etwas erwartete sie, als er ihr gebot, am Abend zu ihm zu kommen, in seine Gemächer, um sich ihre Strafe abzuholen. Eine Strafe für nichts. Rein gar nichts hatte sie doch verbrochen. Ihr einziges Verbrechen war, da zu sein.
    Unbeweglich harrte sie vor ihm aus, nur ihre Augen hatten sich etwas geweitet, als er zu ihr gesprochen hatte. Erst eine bekannte Stimme ließ sie erschrocken umblicken.
    "Mama?!" Das war ihr Sohn der sie rief und der sich keinen ungünstigeren Zeitpunkt aussuchen konnte, als diesen, um sie zu suchen. Offenbar hatte er ihre Stimme gehört und kam jetzt näher.
    Wieder sah sie flehend den Flavier an, er möge ihr Kind in Frieden lassen, das nun nur wenige Schritte entfernt war.

    "Mama, da bist du ja! Was… - Äh, salve!", rief Caius und blieb dann ehrerbietig neben seiner Mutter stehen, als er den stattlichen Mann bemerkte, der eben noch zu seiner Mutter gesprochen hatte.
    "Ja, ich werde da sein, Herr," antwortete Bridhe schnell und kniete sich noch schneller nieder, um die zu Boden gefallenen Schriftrollen wieder aufzuheben.
    "Hier! Bitte bring diese Schriftrollen schnell zum Herrn Piso! Beeil dich, er wartet auf sie!", sagte sie, indem sie ihm die Schriftrollen übergab. Damit wollte sie einfach sicherstellen, dass der Junge zum einen nicht in Furianus Fänge geriet und zum anderen nicht von dem mitbekam, was sich soeben zugetragen hatte. Dass der Junge etwas von ihrem Gespräch mitbekommen haben könnte, kam ihr nicht in den Sinn.

  • Flavius Furianus war nicht gerade erfreut über das plötzliche Erscheinen des Jungen und dies ließ er sich auch nicht nehmen offensichtlich zu zeigen.
    "Verschwinde!", fuhr er den Zögling der ehemaligen Sklavin an und blickte diesen für einige Augenblicke musternd an. Er sah seinem Vetter wirklich recht ähnlich und diese Tatsache hätte dem Jungen einiges an Ärger eingebracht, wenn der Flavier nicht das geheime Übereinkommen mit der Mutter hatte.
    Eigentlich konnte er sich jede nehmen, bis auf die Gattinnen und Verwandten, denn an hübschen Frauen mangelte es im flavischen Haushalt nicht. Nur dieser Frohlockung, dass er die vollkommene Macht über die ehemalige Sklavin hatte, machte sie allen anderen gegenüber attraktiver.
    Da er auf diese Szene nicht weiter eingehen wollte, der Junge ihm ein Dorn im Auge war und er dessen Mutter nichts mehr zu sagen hatte, schritt er - ohne eine Rolle etwas beiseite zu treten - an den beiden vorbei.
    Er wollte schließlich, das war sein ursprünglicher Weg, ein wenig Muße und Zeit in der Bibliothek verbringen.

  • "Wer war das, Mama?" fragte der Junge. Man merkte ihm noch den Schreck an, der ihn nach dieser heftigen Reaktion des Flaviers durchfahren hatte. Die Angst geweiteten Augen hatten dem davon schreitenden Mann noch nachgeblickt.
    "Das war Flavius Furianus, der Vetter deines Vaters." Auch sie sah ihm noch nach, dann strich sie sanft ihrem Sohn übers Haar und drückte ihn liebevoll tröstend an sich, nachdem sie ihm die Schriftrollen wieder abgenommen hatte und sie neben sich auf den Boden gelegt hatte. Dann ging Bridhe vor ihm in die Hocke und sah ihn eindringlich an. "Diarmuid, du musst vorsichtig sein! Halte dich fern von diesem Mann. Er ist sehr gefährlich. Er mochte deinen Vater nicht und er mag auch dich nicht! Versprich mir, dass du dich von ihm fern hältst! Versprich es!"
    Der Junge nickte. Er wollte sich Mühe geben, den Worten seiner Mutter zu folgen, auch wenn er es nicht ganz verstand.
    "Ja, Mama, ich verspreche es."
    Bridhes Blick ruhte noch einen Moment auf ihm, dann strich sie ihm überdie Wange. "Gut!", antwortete sie lächelnd und nahm die Schriftrollen wieder auf. "Komm!", sagte sie und setzte mit ihrem Sohn den Weg zu Pisos officium fort. Ihre Gedanken allerdings drehten sich nur noch um das, was sie Furianus angeboten und der angenommen hatte.

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