Das Museion, das große, das ruhmvolle, das erhabene Museion zu Alexandria! Ich konnte es kaum fassen, wirklich hier zu sein. Nur leider nicht als Akroates... hier Literatur zu studieren, besonders das griechische Drama, davon hatte ich als Jugendlicher sehnlich geträumt, aber meine Mutter hatte es nicht erlaubt. Zum einen fand sie diese Wahl zu unsolide, zum anderen hatte sie keine hohe Meinung von den alexandrinischen Sitten gehabt, und gefürchtet, sie könnten ihren kostbaren Jüngsten verderben.
Wenn mich meine Mutter jetzt hätte sehen können, wäre sie sehr zufrieden gewesen. Flankiert von drei Immunes, die als Scribae in der Legio dienten, strebte ich, in der schneidigen Ausgeh-Kluft eines Tribuns, dynamischen Schrittes auf das Hauptgebäude zu – versehen mit jeder Menge Wachstafeln und dem offiziellen Auftrag, Nachforschungen über die kopflosen Wüstenkrieger anzustellen, bevor wir gegen sie ins Feld zogen. Ja, Mutter wäre stolz gewesen.
Im Gehen bestaunte ich meine Umgebung, sah mit großen Augen um mich, und ließ mich von den zahlreichen Statuen der weltberühmten Gelehrten beeindrucken, die hier im Park aufgestellt waren. Bei Minerva, sie alle hatten hier gewirkt, waren hier auf diesem Boden, auf den auch ich gerade meine Füße setzte, gegangen, während sie über ihre Erkenntnisse nachgedacht hatten! Mir lief vor lauter Ehrfurcht eine Gänsehaut über den Rücken bei der Vorstellung. Neidisch betrachtete ich die Studenten, die an mir vorbeischlenderten oder auf den Bänken sassen, ein Grüppchen hockte auf dem Gras im Schatten einiger Palmen und lauschte einem grauhaarigen Lehrer. Es war ein idyllisches Bild, genau so wie ich mir das vorgestellt hatte, und einen Augenblick lang wünschte ich mir inständig, mit einem von ihnen tauschen zu können....
Das Innere der Bibliothek war einfach atemberaubend. Nur das quirlige Treiben machte es, für mein Empfinden, ein klein bisschen weniger würdevoll. Ich wandte mich an einen der Angestellten und bat, etwas stockend aber in meinem schönsten Schul-Attisch, um Litteratur über die Stämme im Süden der Provinz und im Grenzland, und ganz besonders über die kopflosen von ihnen. Er war sehr hilfreich, kurz darauf hatten meine Begleiter und ich einen Berg von Schriften vor uns, und begannen mit der Recherche. Gut, dass ich nicht alleine gekommen war, sonst hätte das sicher ewig gedauert. Ich nahm mir die Historia naturalis von Plinius maior vor, denn die war auf Latein, was mir natürlich leichter fiel. Und im fünften Buch – "Ein Bericht von Ländern, Nationen, Meeren, Städten, Hafen, Flüssen, Entfernungen und Völkern die heute existieren oder zu früherer Zeit existiert haben" – da fanden unter den zahlreichen wilden Barbarenvölkern tatsächlich auch die Kopflosen Erwähnung, die hier Blemmyer genannt wurden.
...Wenn wir durch das Innere Libyens nach Süden fortschreiten, jenseits der Gaetuli, werden wir, nachdem wir die Wüste durchquert haben, zuerst die Libyaegypter finden, dann das Land, in dem die Leucæthiopianer hausen. Jenseits davon sind die Nigritæ, aethiopische Völker, deren Name vom Fluss Nigris herstammt, die Gymneten, auch genannt Pharusii, und, am Rande des Ozeans, die Perorsi. Jenseits dieser Völker, erstrecken sich nach Osten hin weitläufige Wüsten, bis wir in das Gebiet der Garamenten kommen, der Augylae und der Troglodytæ. Wohlbegründet ist die Meinung derer, die zwei Aethiopien jenseits der Wüsten Libyens vermuten, insbesondere die Homers, der uns berichtet, dass die Aethiopier in zwei Nationen geteilt sind, die des Ostens und die des Westens. Die Atlantes haben, wenn man den Geschichten Glauben schenken darf, alle menschlichen Eigenschaften verloren, und es ist unmöglich sie dem Namen nach zu unterscheiden. Wenn sie in die aufgehende und die untergehende Sonne blicken, rufen sie ihr grauenvolle Verwünschungen zu, denn sie ist tödlich für sie, ebenso wie für ihr Land. Auch träumen sie nicht wie alle anderen Sterblichen.
Der Fluss Nigris ähnelt dem Nil, er bringt Schilfgras hervor und Papyrus und genau die selben Tiere, und er schwillt zur selben Jahreszeit an. Seine Quelle ist zwischen den tarraelianischen Aethiopiern und den Oecalicae. Magicum, die Stadt der letztgenannten, wird von einigen Gelehrten inmitten der Wüste vermutet, neben den Atlantes, dann folgen die Aegipani, halb Mensch, halb Tier, die Blemmyer, die Gamphasanten, die Satyren und die Hiemantopoden.
Die Troglodyten graben Höhlen in der Erde, die ihnen als Behausung dienen, Schlangenfleisch ist ihre Speise, sie haben keine Stimme, und geben nur quiekende Geräusche von sich, sie können sich nicht durch Sprache verständigen.
Die Garamanten kennen die Institution der Ehe nicht, sie leben in unzüchtigem Konkubinat mit ihren Frauen. Die Augylae verehren ausschließlich die Götter der Unterwelt.Die Gamphasanten gehen nackt und kennen den Krieg nicht, mit Fremden wollen sie nichts zu tun haben.
Die Blemmyae haben keine Köpfe, ihre Münder und Augen befinden sich auf ihrer Brust.
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Dies alles klang ziemlich unglaublich, ich las es mit Staunen, aber Plinius der Ältere war ein angesehener Gelehrter gewesen, und noch dazu Praefectus Classis, ein Posten, den man nicht durch Phantasterei bekommt, also musste schon etwas dran sein, an diesen Geschichten. Auch in anderen Schriften tauchten die Blemmyer auf, bei Herodot stand, sie seien sehr wild und kriegerisch. Ein anderer schrieb, sie hätten einst Köpfe gehabt, doch als sie sich gegen ihre Götter erhoben, hätten diese sie kopflos gemacht. Manche hätten aber ihre Köpfe noch, und könnten sie auf- und absetzen, würden sie für gewöhnlich aber in den Händen tragen. Im Süden und Osten Aegyptens, sollten sie leben, zwischen den Flüssen "Astapus" und "Astobores".
Es gab sogar eine Illustration:
[Blockierte Grafik: http://img685.imageshack.us/img685/4134/blemmyae.jpg]