Es hatte unglaublich lange gedauert, ehe Durus dazu gekommen war, den versprochenen Antrag einzubringen: Zuerst war er zu beschäftigt gewesen mit seinem Consulat, später dann mit seiner Verletzung in Baiae. Nun jedoch war es endlich gelungen - natürlich hatte er alles noch einmal überdenken und anpassen müssen - und er ließ sich auf die Rednerliste setzen. Als er an der Reihe war, erhob er sich - natürlich gestützt auf seinen Gehstock - und begann zu sprechen:
"Patres conscripti!
schon während meines Consulats fiel die starke Reformbedürftigkeit unserer Provinzen auf, wie ihr euch sicherlich erinnert. Wir hatten eine Inquisitio Senatus einberufen, die Nachforschungen anstellen sollte. Doch offenbar liegen noch keine Ergebnisse vor. Dennoch bin ich der Meinung, dass wir das Wohl unserer Provinzen nicht hinausschieben können, weshalb ich eine Angelegenheit angegangen bin, die mir als Jurist wohl am angemessensten ist: Die Reform der Verwaltungsstäbe unserer Provinzen. Gemeinsam mit einer Gruppe von Juristen, darunter die Gebrüder Vinicii und Caecilius. Wir haben eine neue Lex Provincialis aufgesetzt, die Verwaltungen der Provinzen in eine traditionellere Form gießen soll. Ich werde den gesamten Entwurf kurz verlesen und dann die Details erklären:
Lex Provincialis
Dieses Gesetz regelt die Verwaltung und das Recht für die Provinzen des Imperium Romanum.
I. Über die Provinzen des Imperium Romanum
Es gibt kaiserliche Provinzen und Provinzen des römischen Volkes, welche gesondert bestimmt werden. Eine Provinz ist unterteilt in Civitates, welche für jede Provinz gesondert bestimmt werden. Über die Etablierung sowie den rechtlichen Status einer Provinz verfügt der Senat.
II. Über die Provinzverwaltung
Eine kaiserliche Provinz wird von einem Legatus Augusti Pro Praetore, alle anderen von einem Proconsul verwaltet. Der Legatus Augusti Pro Praetore wird vom Kaiser, der Proconsul vom Senat ernannt.
Der Statthalter verwaltet die Provinz umfassend, er stellt die öffentliche Ordnung sicher. Der Legatus Augusti Pro Praetore ist Befehlshaber des in der Provinz stationierten Militärs.
Zur Unterstützung des Statthalters in der Rechtsprechung der Provinz wird ein Legatus Iuridicus, zur Verwaltung des kaiserlichen Privatbesitzes ein Procurator Rationis Privatae vom Kaiser ernannt. Die Steuerverwaltung einer Provinz des Kaisers übernimmt ein Procurator Augusti, die aller anderen Provinzen ein Quaestor Provincialis.
III. Über den Verwaltungsstab.
Der Statthalter ernennt einen Procurator Civitatium sowie einen Princeps Praetorii. Der Procurator Civitatium übt die Aufsicht über die Civitates aus und kann städtische Beamte bei groben Verfehlungen entlassen sowie ernennen. Der Princeps Praetorii ist der Sekretär des Statthalters.
Zur Unterstützung der Verwaltung können Scribae, Beneficarii sowie Apparitores ernannt werden.
IV. Über Civitates
Eine Civitas besteht aus einem Hauptort (Oppidum) und Vici sowie Villae Rusticae. Das Oppidum kann als Vicus, Municipium oder Colonia organisiert sein. Über den rechtlichen Status einer Civitas verfügt der Kaiser bzw. der Senat von Rom.
V. Über die Verwaltung der Civitas
Die Civitas wird verwaltet von der Curia Civitatis, welche sich zusammensetzt aus einer Versammlung der Decuriones der Civitas, sowie gewählten Magistraten nach dem Vorbild der Stadt Roma.
Näheres regeln die Civitates in einer Lex Municipalis. Diese muss durch den Kaiser oder den Senat von Rom verliehen werden.
Wie ihr feststellt, entspricht diese Organisation genau dem, was vor der Provinzreform des göttlichen Traianus gewesen war. Der Hauptvorteil liegt dabei nicht nur bei seiner langjährigen Erprobung, sondern vor allem bei der Verlagerung der Verwaltung auf die Civitates. Damit ist es den Untertanen in den Provinzen möglich, ihre Angelegenheiten selbstständig zu regeln, während dem Statthalter zugleich die wichtigsten Privilegien nicht aus der Hand gegeben werden, nämlich die Aufsicht über die öffentliche Ordnung und die Steuererhebung - wobei der Einzug der Steuern in den einzelnen Civitates durchaus auch von diesen selbst organisiert werden kann. Den Menschen in den Provinzen wird damit ein stärkeres Gefühl vermittelt, dass sie ihr Leben selbst organisieren können, während der Eingriff Roms auf das notwendigste Minimum reduziert wird, während wir uns Geld für Personal sparen, ohne die wichtigen Gestaltungs- und Steuerrechte verlieren.
Mit meinem Vorschlag fällt außerdem die nutzlose Zwischenebene der Provinzverwaltung, die Regio, heraus, was die Verwaltung verschlankt, ohne ihr Effektivität zu nehmen, da ihre Aufgaben vor allem auf die einzelnen Civitates abgegeben werden. Aus dem von oben aufoktroyierten Comes wird also ein regionalerer Duumvir, den das Volk sogar selbst wählen kann.
Dies sind die primären Vorteile dieser Reform, weshalb ich - wie auch viele Mitsenatoren und Rechtsgelehrte - euch bitte, sie anzunehmen und damit die alte Lex Provincialis zu streichen."
Durus war sehr gespannt, wie die anderen reagieren würden. Dass Lucianus seiner Meinung war, war natürlich gut - doch was würden die anderen sagen? Würde der Vorstoß ebenso scheitern wie der von Furianus? Oder hatte Lucianus alles vorbereitet und es würde durchgewunken werden?