Arbeitszimmer | M.F.G. et Sextus Aurelius Lupus

  • Wie jeden Morgen hatte auch an jenem diesen Tages Sciurus seinen Herrn darüber informiert, welche Termine und Verbindlichkeiten ihn erwarteten, welche Aufgaben zu erfüllen und welcher Pflicht nachzukommen war, und wie jeden Morgen seit nun bereits sehr vielen und noch mehr Monaten hatte Gracchus all dies bereits zum spärlichen Frühstück hin wieder vergessen, im steten Vertrauen darauf, dass sein Vilicus im rechten Augenblicke das Notwendige würde ansprechen oder in die Wege leiten. Als Aurelius Lupus auf den Weg zu Gracchus' Arbeitszimmer sich begab, befand jener sich darob bereits dort, lauschte desinteressiert Berichten seines Sklaven, setzte ab und an eine zittrige Unterschrift unter ein Pergament, dessen exakten Inhalt er nicht kannte, und sehnte sich bereits nach den schattigen Musestunden des Abends. Das zaghafte Klopfen Phoebus' an die Türe des schlicht eingerichteten Arbeitszimmers - jedes vorhandene, überflüssige Dekorationsstück war tief mit Gracchus' Geschichte verbunden -, beachtete er nicht, gleichsam nicht die Bewegung seines Sklaven dorthin und nicht das leise Flüstern, erst als Sciurus anhob zu Sprechen, hob Gracchus seinen Kopf. "Sextus Aurelius Lupus, der Scriba deines Vetters Furianus, ist hier, Herr. Er hatte um eine persönliche Unterredung gebeten." Gracchus suchte sich an die Person des Aurelius Lupus zu erinnern, hallte doch eine leise Reminiszenz an den Klang dieses Namens in seinen Sinnen wider, wiewohl ihm kein Gesicht dazu wollte einfallen - indes war der Name ohnehin ausreichend, war jener der Aurelier doch mit der flavischen Familie verbunden, gleichsam ein Scriba des Furianus' ebenfalls den Vorzug augenblicklicher Beachtung genoss. Ob dessen nickte Gracchus nur zustimmend, woraufhin der Vilicus den Besucher herein bat.
    "Salve, Aurelius! "
    grüßte Gracchus jenen und wies sodann auf den Platz ihm gegenüber an dem wuchtigen, hölzernen Schreibtisch.
    "Bitte, nimm Platz."
    Sogleich trat unauffällig von der Seite her Sciurus heran, Aurelius stark verdünnten Wein einzuschenken in einen Becher aus grünfarbenem Glas.

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  • Sextus folgte dem Sklaven durch die mittlerweile gut vertrauten Gänge der Casa und blieb schließlich vor dem Arbeitszimmer stehen, während der Sklave ihn anmeldete. Kurz ging er in Gedanken noch einmal durch, was er von Flavius Gracchus wusste. Es war erschreckend wenig, aber würde reichen müssen, um den Mann für seine Sache zu gewinnen.


    Schließlich durfte er eintreten und ging auch schon selbstsicher auf den angebotenen Platz zu. “Danke, dass du mir einen Moment deiner Zeit schenkst“, begann Sextus mit nur der vagen Andeutung eines Lächelns, während er sich setzte und den Wein entgegen nahm. Er nippte nur anstandshalber einmal an dem sicher kostspieligen Glas, ehe er es sorgsam wegstellte.
    Corvinus hatte ihm geraten, Gracchus erst Fragen stellen zu lassen und nicht zu viel zu reden, also fiel er nicht gleich mit der Tür ins Haus. Auch wenn er es gewohnt war, andere teilweise durch die schiere Masse an Worten niederzuargumentieren, hatte er kein Problem damit, einem anderen die Gesprächsführung zu überlassen und selbst nur die präzisen Spitzen anzuführen, die nötig waren. Und er würde wohl schnell feststellen, ob die von seinem Vetter vorgeschlagene Taktik wirklich erfolgversprechend war.

  • Es schien Gracchus - der wenig versiert war sich emotional in einen anderen Menschen hinein zu versetzen, wiewohl aus dessen Körpersprache auf eine dahinter vorherrschende Gefühlslage zu schließen -, als wäre Aurelius Lupus ein wenig uneins, denn während sein muskulöser Körper - für welchen Gracchus hinwieder ein besonderes Augenmerk besaß - das souveräne Selbstbewusstsein ausstrahlte, welches allen Aureliern zu eigen schien, so war es das zögerliche Lächeln, der zaghafte Schluck aus dem Glas, wiewohl die letztlich eintretende Sprachlosigkeit, welche beinahe ein wenig schüchtern ihn wirken ließen. Einige Augenblicke der Stille erlaubte Gracchus sich, in klandestiner Pläsir den Anblick des wohlproportionierten Antlitzes zu genießen, und obgleich sein Gegenüber wenig Ähnlichkeit besaß mit seinem fernen Geliebten, so spürte er in diesem Augenblicke verstärkt in sich das sehnsuchtsvolle Drängen nach Faustus.
    "Was kann ich für dich tun?"
    durchbrach er schlussendlich das Schweigen, da Aurelius Lupus augenscheinlich nicht sich getraute, von sich aus anzusprechen, weshalb er gekommen war, wiewohl Gracchus selbst es nicht sonderlich lag, belanglose Konversation zu führen, welche letztlich nur dazu war angedacht, auf ein konkretes Ziel hinzuleiten.

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  • Das Schweigen breitete sich aus bis zu einem Grad, wo es beinahe unangenehm wurde. Sextus überlegte schon, ob Corvinus ihm falschen Rat gegeben haben könnte. Vielleicht wollte der Vetter sich nur nicht die Blöße geben, einzugestehen, dass er den Flavier nicht gut genug kannte, um Ratschläge zu erteilen? Sextus wusste es nicht, aber er schwieg weiter, bis Gracchus schließlich die Frage nach dem Grund seines Hierseins stellte.
    “Im Collgeium Haruspicium sind meines Wissens nach zwei Stellen derzeit vakant. Ich interessiere mich für eine dieser Stellen als Haruspex und hatte gehofft, dich dafür zu gewinnen, mir eine Empfehlung auszustellen.“ Ohne große Umschweife oder lange drumherum zu reden kam Sextus direkt zum Punkt. Auch hier verließ er sich auf den Rat seines Vetters. Ob dieser richtig war oder falsch, würde er gleich sehen. Genau beobachtete er die Reaktionen im Gesicht des Flaviers, während er sich ruhig ein wenig im Stuhl zurücklehnte. Sicher, der Flavier konnte auch ablehnen, und diese schnelle Vorgehensweise barg nicht wenige Risiken, andererseits hatte Sextus auch wenig zu verlieren, aber viel zu gewinnen.
    Sein Instinkt riet ihm, gleich weiterzusprechen und so dem Flavier nicht lange Zeit zu geben, darüber nachzudenken. Jemanden gleich zu überzeugen, ehe er Gelegenheit hatte, alles Für und Wider im Geiste abzuwägen war meistens eine erfolgversprechende Taktik. Allerdings musste er in diesem Fall auf Corvinus und seine Einschätzung des Flaviers vertrauen, in der Hoffnung, keinen Fehler damit zu begehen.

  • Auch Gracchus lehnte ein wenig sich zurück, bedachte sein Gegenüber nach dessen Worten erneut mit durchdringendem Blicke. Der Aurelius war augenscheinlich kein Freund langer Rede, kam ohne Umschweife zu dem Beweggrund seines Besuches, wenn auch nicht zu mehr, ob dessen Gracchus neuerlich schien, dass Befangenheit ihn hemmte.
    "Nun, so bietet sich nun dir die Gelegenheit, mich dafür zu gewinnen, doch ein wenig mehr als einzig deine Absicht wird es durchaus erfordern."
    Da es nicht in seiner Absicht lag, Lupus einzuschüchtern, löste Gracchus einen Augenblick seine Aufmerksamkeit von ihm, derweil sich mit einem Schluck Wein die Kehle zu befeuchten.

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  • Das Gespräch entwickelte sich zäh. Sofern man es euphemistisch ausdrücken wollte. Sextus gelangte mehr und mehr zu der Überzeugung, er sollte mehr seinen Instinkten und weniger den Worten seines Verwandten glauben. Aber wie hieß es so schön? Konsequenz hieß, auch Holzwege zu Ende zu gehen. Auch wenn Sextus sich für ein kleines Abweichen vom strikten Pfad der Wortknappheit erlaubte, sonst säßen sie wohl noch morgen hier. Außerdem war das Thema dergestalt, dass sich ein wenig Wortreichtum anbot.
    Ein leichtes Lächeln spielte ganz kurz um seine sonst gleichmütigen Züge. Ja, es würde mehr bedürfen als einer Willenserklärung, da hatte der Pontifex recht. “Selbstverständlich. Verzeih, wenn ich etwas weiter aushole.“ Sextus nahm noch einen kleinen Schluck Wein, als wolle er seine Kehle befeuchten vor dem folgenden Redeschwall. In Wirklichkeit schuf er so nur eine kleine Kunstpause, ehe er anfing. “Meine Mutter Antonia Iavolena entstammt dem etruskischen Zweig der Antonier. Es war ihr Bestreben, mir die disciplina etrusca beizubringen und für mein weiteres Leben mitzugeben. Ich lernte bereits als Kind, was dazu notwendig ist, die göttlichen Zeichen zu deuten. Von daher siehst du hoffentlich, dass ich die passende Eignung vorweisen kann.
    Weiters ist mir nur allzu schmerzlich bewusst, welch Scharlatanerie mit dem Deuten von Omen getrieben wird. Ich weiß, die Haruspices haben im allgemeinen keinen sehr guten Ruf, gibt es doch weit mehr herumziehende Betrüger, die sich brüsten, die Zukunft vorhersagen zu können, als man zählen könnte. Daher ist es meiner Ansicht nach wichtig, dass dem Collegium genügend fähige Männer zur Verfügung stehen, damit niemand denkt, darauf angewiesen zu sein, einem solchen Lügner noch Geld in den Rachen zu stopfen. Zwei freie Plätze sind zwei Plätze, die es zu füllen gilt.“

    Gut, das war nun vielleicht etwas blumiges Geschwafel, aber Sextus wollte etwas weiter ausholen und dem ganzen etwas mehr Substanz verleihen als nur die bloßen Fakten runterzurattern. Ein Gespräch lebte doch von den Worten, die darin flossen.
    “Doch das sind allgemeine Gründe, die dafür sprechen, dass ich mich um diesen Posten bemühen sollte. Der Grund, warum du mich darin unterstützen solltest, liegt näher. Mein Vater hat für meine Person eine Verbindung mit dem Hause Flavia angestrebt. Eine Flavia Nigrina, um deren Mitgift ich in den nächsten Tagen mit ihrem Bruder in Verhandlungen treten werde.
    Unsere Familien sind auch schon anderweitig verbunden. Senator Arelius Corvinus ist mit Flavia Celerina vermählt, ebenso wie schon vor langer Zeit Flavius Bellienus mit Aurelia Agrippina verheiratet wurde.
    Daher war es für mich auch die logische Folge, dich, der du Pontifex bist, im Zeichen der bestehenden, vergangenen und auch zukünftigen Verbundenheit unserer Familien um diesen Gefallen zu ersuchen. Ich denke, dein Wort hätte beim Haruspex Primus sicher großes Gewicht, und ich wäre dir zutiefst verbunden.“

    So langsam fing Sextus an, die „Ich heirate eine von euch“-Karte zu mögen. Sie war herrlich vielseitig einsetzbar. Ob sie genügen würde, hatte er keine Ahnung, allerdings hoffte er es. Sonderlich viel anderes hatte er momentan noch nicht vorzuweisen. In Zukunft gewiss, und wenn der Flavier vorausschauend dachte, würde ihm das sicher auch auffallen. Doch Momentan stand er noch am Anfang seiner Laufbahn.

  • Ein sublimes Lächeln begann Gracchus' Lippen zu kräuseln als Aurelius bestehende, vergangene, wie zukünftige familiäre Verbundenheit zu seiner Argumentation hinzufügte, war es doch letztlich einzig dies, das zählte.
    "Du wirst also meine Base Nigrina eheli'hen, wiewohl die detaillierten Modalitäten noch nicht akkordiert sind"
    , stellte er fest, war dies doch kaum mehr eine Frage, da die Väter der beiden dies bereits hatten beschlossen.
    "So ist dies ein denkbar un..günstiger Zeitpunkt, mich aufzusuchen, um deiner Karriere förderlich zu sein. Wärest du bereits Gatte meiner Base, deine Amibitionen allein wären suffizient, zu tun, was in meiner Ma'ht steht, dir den Weg zu ebnen. Doch abgesehen davon, dass es ein Privileg ist, eine Flavia zu ehelichen, so wird es dennoch die Verhandlungsposition meines Vetters Piso schwächen, je beträ'htlicher dein Einfluss ist, und dies kann keinesfalls in meiner Absicht liegen."
    Nachdenklich legte Gracchus seine Fingerspitzen aneinander, fixierte neuerlich den Blick seines Gegenübers.
    "Weiters bin ich mir ein wenig uneins, ob es wahrli'h opportun für Nigrina wäre, mit einem Haruspex verheiratet zu sein. Ich stimme dir zu, dass das Collegium der Haruspices über jeden Zweifel erhaben ist, dass ehrbare Männer diese Sitze innehaben, doch Faktum ist gleichsam, dass den Haruspices in ihrer Gesamtheit keine unum..schränkte Wertschätzung wird entgegen gebracht, dass für viele Römer irrelevant ist, ob ein Haruspex Mitglied des Collegiums ist oder nicht, dass ein jeder von ihnen mit Ressentiments sich kon..frontiert sieht. Ich möchte meine Base nur ungern diese Vorurteilen preisgeben."
    Er zog einen Atemzug durch die Nase ein, schürzte ausatmend die Lippen, hernach auf die Obliegenheiten zu weisen, welche eine familiäre Bindung würde mit sich bringen, welche wiederum gleichsam in beide Richtungen weit stabiler würde sein als ein Vertrag zwischen beliebigen Parteien dies je könnte erreichen, obgleich eine Ehe juristisch gesehen nicht mehr war denn ein Vertrag.
    "Andererseits wäre es zweifelsohne ein Vorteil, sich eines Haruspex versi'hert zu wissen, welchem bereits ob familiärer Verbundenheit am Wohle der Flavia gelegen ist."
    Zwar tangierten Gracchus die Kosten nicht, welche für die Gefälligkeiten der rechten Ergebnisse einer Eingeweideschau üblicherweise den Besitzer wechselten - hatte er doch keinerlei Sinn für Vermögen, da es ihm daran nie hatte gemangelt -, doch konnte man selbst in einem solchen Falle nie genau wissen, ob nicht ein politischer Gegner mehr noch an Sesterzen hatte berappt, um dem eigenen Opfer einen negativen Ausgang zu verschaffen. Ob Nigrinas Ansehen darunter ein wenig würde leiden, war im Grunde ohnehin nebensächlich und nur ein Argument, den Preis bereits im Voraus zu drücken, war es doch Pflicht der flavischen Frauen dafür Sorge zu tragen, Vorteile und Macht ihrer männlichen Verwandten, wiewohl das Ansehen der Gens zu mehren, nicht unbedingt ihr eigenes.
    "Ich bin darob dur'haus geneigt, meine Worte in die Waagschale des Haruspex Primus zu werfen. Allerdings erst nach der Verlobung."

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  • Die Heiratskarte hatte wohl gerade einen Knick, denn der Flavier pfefferte sie Sextus verbal um die Ohren, wenngleich seine Ausdrucksweise dazu makellos war. Abgesehen von dem kleinen Sprachfehler, den er zu haben schien. Und von dem Corvinus irgendwie vergessen hatte, ihn zu erwähnen. Und der jemanden mit weniger Selbstkontrolle aus dem Konzept hätte bringen können. Sextus aber tat sich meisterlich darin hervor, ihn gar nicht zu bemerken und sich auch nicht offensichtlich über den Inhalt der Worte zu ärgern.
    Verdammt, er hatte nämlich recht. Natürlich würde es die Verhandlungsposition von Piso schwächen, weil es seine stärkte, wenn er schon einen Posten vorzuweisen hatte. Selbst, wenn es ein nicht ganz koscherer war, wie die Juden wohl sagen würden. Aber es war ein anerkannter Dienst, noch dazu ein religiöser, und trotz aller Skepsis dennoch nicht unwichtig.
    Aber im Grunde sagte der Pontifex auch nicht nein zu seinem Ansinnen. Eigentlich warf er nur die geplante Reihenfolge der Ereignisse komplett über den Haufen und stellte Sextus damit vor eine unangenehme Hürde, die er wohl nehmen musste. Er hatte gehofft, die Verlobung noch ein Weilchen hinausschieben zu können. Der Posten als Haruspex wäre ihm wirklich sehr gelegen gekommen bei den Verhandlungen. So aber musste ihm sein anderweitig erworbenes Wissen über Piso genügen, um jenen Mann zu einer großzügigen Mitgift zu verleiten.
    “Der Logik deiner Worte kann ich mich nur schwer entziehen, Pontifex. Und du hast sicher recht, dass dieser Vertrag zwischen unseren Familien sicher ein guter Grundstock wäre, auf den man zu beiderseitigem Vorteil aufbauen kann.“
    Gut, diese Hochzeit war wohl die Kröte, die er schlucken musste, da führte kein Weg dran vorbei. Aber bitte, wenn er dadurch mehr Hilfe dabei bekam, die Karriereleiter nach oben zu kommen, dann war dem eben so. Und gleichzeitig würde er wohl den Flaviern den ein oder anderen gefallen dann als Haruspex erweisen müssen, aber das war wahrlich ein geringer Preis verglichen mit den Möglichkeiten. Wenn er sich nicht blöd anstellte und genügend Zeit einbringen konnte, war er irgendwann selbst Haruspex Primus und konnte dem Imperium seinen Stempel aufdrücken, wie es ihm beliebte. Zumindest soweit, dass er nicht mit einem Dolch zwischen den Rippen im Tiber aufwachte.
    “Und ich denke, dass die Verhandlungen nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen werden. Von daher hoffe ich, dich demnächst wieder um einen Termin ersuchen zu können.“

  • Gönnerhaft winkte Gracchus mit einer flüchtigen Handbewegung ab.
    "Ein neuerlicher Termin ist nicht obligat, eine sponsalia innerhalb der eigenen Familie wird mir wohl kaum ent..gehen, wiewohl ich dein Gesuch nicht vergessen und herna'h die notwendigen Schritte in die Wege werde leiten."
    Obgleich er voller Überzeugung sprach, so war Gracchus doch schmerzlich bewusst, wie wenige Wahrheit in seinen Worten lag und wie sehr alles von seinem Vilicus Sciurus würde abhängen, welcher einem Schatten gleich im Hintergrund verharrte, denn nicht nur dass er allfällig am nächsten Morgen bereits das Gesuch des Aurelius würde vergessen haben, er war nicht einmal mehr sich dessen sicher, einer Verlobung gewahr zu werden, sofern sie nicht im eigenen Hause wurde gefeiert. Andererseits indes war auf Sciurus stets Verlass, dass dieser beizeiten ihn würde an sein Wort erinnern, zum Diktat eines Briefes an den Haruspex Primus auffordern, so dass diese Causa für Gracchus abgeschlossen war, er nun seiner Neugierde bezüglich der zuvor weiter ausholenden Erklärung des Aurelius konnte nachgeben.
    "Du erwähntest, deine Mutter entstamme dem etrus..kischen Zweig der Antonier - war sie es selbst, welche in die disciplina etrusca dich einwies? Geben die Haruspiker dies Wissen auch an ihrer Töchter weiter?"
    Die Konventionen innerhalb des Ordo Haruspicum waren Gracchus durchaus bekannt, die Gepflogenheiten der Haruspices außerhalb des Kollegiums dagegen kaum.

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  • Na, umso besser, wenn Sextus nicht noch einmal daran erinnern musste. Nur so sollte er wirklich die Verlobung möglichst bald einleiten, und würde die Feier wohl etwas größer planen müssen. Andererseits hatte er ohnehin vor, möglichst viele wichtige Hände zu schütteln, wenn sich so eine Gelegenheit schon einmal anbot. Blieb nur zu hoffen, dass dieser Senator wirklich daran denken würde und somit dieser Position sonst nichts mehr im Weg stand. Abgesehen vielleicht von einem störrischen Haruspex Primus, der allerdings hoffentlich bestechlich war, so er sich nicht so überzeugen ließ.


    Die Frage zu seiner Mutter zwang Sextus, seine Überlegungen über die Zukunft auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Immerhin wollte er nicht unhöflich sein und musste sich auf das Gespräch konzentrieren. Immerhin galt es trotz allem, einen guten Eindruck zu hinterlassen, auf den spätere Gefallen gestützt werden konnten.
    “Üblicherweise tun sie dies nicht, doch ist meine Mutter das einzige Kind ihres Vaters, Lucius Antonius Rufus. Er fürchtete um den Verlust des Wissens, war allerdings sichtlich erleichtert, als meine Mutter mich seiner Weisheit anvertraute.“ Vermutlich hätte er das schon vorhin besser anbringen müssen, so war vermutlich wirklich der Eindruck entstanden, er habe sein ganzen Wissen nur von einer Frau erhalten. Beim Haruspex Primus musste er darauf achten, diese Art der Formulierung nicht wieder zu verwenden. Er musste den Preis für seinen Platz ja nicht unnötig durch eigene Unüberlegtheit in die Höhe treiben. “Sie selbst brachte mir zwar auch vieles bei, allerdings übernahm doch mein Großvater den Großteil der Einweisungen.“ Nicht, dass der Senator noch auf die Idee kam, es könne ihm abträglich sein, eine Empfehlung auszusprechen. Die Haruspicien waren seit jeher Angelegenheit der Männer.

  • Aurelius Sextus stammte augenscheinlich aus einem recht unkonventionellen Zweig der Familie, ob dessen Gracchus nicht sich konnte entscheiden, ob er dies als eher faszinierend oder missfallend sollte auffassen, denn nicht nur, dass die Mutter das kultische Wissen an den Sohn hatte weitergegeben, zuvor musste auch der Vater dies Wissen an die Tochter vermittelt haben, was wie ein Bruch der haruspizischen Tradition ihm erschien. Andererseits gewährten die etruskischen Haruspices Stadtrömern, und mochten es Pontifices sein, keinen detaillierten Einblick in ihre Tradition, ob dessen Gracchus sich auch nicht gänzlich konnte sicher sein.
    "Interessant"
    , kommentierte er darob nur, womit die Thematik sich hatte erschöpft. Die Notwendigkeit zu einer weiteren war zwar nicht notwendigerweise gegeben, doch da der Aurelier eine Flavia wollte ehelichen, konnte es nicht schaden, ein wenig mehr über ihn zu erfahren so sich bereits die Gelegenheit dazu bot.
    "Bist du in Rom aufgewachsen, Aurelius?"

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  • Die verworrene Geschichte seiner mütterlichen Abstammung war wohl zu genüge eruiert worden und Sextus alles andere als traurig, dass es keine weiteren Fragen dazu gab. Er nahm sich fest vor, bei jeglichen Gesprächen, die noch kommen mochten und dieses Thema betrafen, seine Worte weiser wählen würde. Wer einen Fehler einmal machte, war unvorbereitet. Wer einen Fehler zweimal machte, war ein Trottel. Sextus war nur äußerst ungern ein Trottel.


    Stattdessen interessierte der Pontifex nun mehr für ihn und seinen allgemeinen Werdegang, wie es schien. Dann wollte er einmal ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern und die Neugierde seine Person betreffend befriedigen. Vielleicht brauchte er den Flavier noch irgendwann als Verbündeten, da sollte er sich nun um ein gutes Verhältnis bemühen. Abgesehen davon, dass er die Empfehlung für die Haruspices noch nicht hatte, und alles, was man nicht schriftlich in Händen hielt, hatte man gar nicht.
    “Nur bis ich etwa 10 Jahre alt war. Mein Vater entschied, dass er mit seiner Familia lieber in Achaia sein Glück finden wollte, anstatt sich hier in Rom in der Politik zu versuchen.“ Man konnte auch sagen, dass Numerius Aurelius Fulvus lieber ein großer Fisch in einem kleinen Becken war als ein kleines Fischlein in einem gewaltigen Meer. “Was sich in dem Fall für mich ohnehin als Vorteilhaft erwies, war es doch ohnehin fast an der Zeit, dass ich mich mit tiefergehenden Studien befasste. Ich lernte dann in Athen die artes liberales und vertiefte meine Studien anschließend zwei Jahre in Alexandria.“ Dass da ein paar Jahre fehlten, in denen er reichlich untätig war und sich auf seinem Status als 'Sohn des großen Fisches im kleinen Teich' ausgeruht hatte, musste er nicht erwähnen, noch war es irgendwie von Belang. Jetzt war er hier, und jetzt setzte er alles daran, möglichst bald selbst ein großer Fisch zu werden. Angefangen bei den Haruspices.

  • "Athena"
    , wiederholte Gracchus den Namen der Göttin, wie göttlichen Stadt, und ein deutliches Lächeln kräuselte sich um seine Lippen.
    "Wo könnte ein junger Mann ex..zellentere Qualitäten in sich kultivieren als unter der Ägide der Hüterin des Wissens und der Weisheit."
    Als indes auch Alexandria in sein Bewusstsein träufelte verflog das Wohlwollen gemeinsamer Vitae so schnell, wie es auf Gracchus' Antlitz erschienen war, verdrängt von einem Schatten der Schwermut, gegen welchen nur schwerlich war anzukommen. Kein Wort hatte er aus der fernen Provinz vernommen, viel zu lange nun schon, kein noch so marginales Zeichen der Sehnsucht, und mit einem Male schien die Zukunft des Mannes vor ihm so nichtig, ohnehin nur verschwendet an die gnadenlose Roma, welche junge Männer mit Vorliebe zerriss, zwischen ihren Zähnen zermalmte und ausgequetscht und ausgelutscht wieder ausspuckte.
    "Nun, so du kein weiteres Anliegen vorbringen mö'htest ..."
    , fixierte er Aurelius mit undurchdringlicher Miene.
    "Ich werde dein Ansinnen nicht vergessen, doch nun erfordern andere Angelegenheiten meine Aufmerksamkeit."
    Es war nicht unbedingt eine Lüge, wenn auch nicht die reine Wahrheit, doch ließen sich stets irgendwelche Angelegenheiten finden, welche Gracchus forderten - und wenn es nur seine eigenen, sehr privaten wie in diesem Falle waren.
    "Ich wäre dir überaus ver..bunden, so du Aurelius Corvinus meine besten Grüße würdest übermitteln, wiewohl seiner Gemahlin Celerina."

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  • Zu sehr achtete Sextus auf die Gesichtsregungen seines Gegenübers, als dass diese ihm hätten entgehen können. Das Lächeln, als er Athen erwähnte, gepaart mit den Worten ließen hoffen. Doch direkt danach kam Alexandria zur Sprache, und jegliches Interesse schien dem Flavier aus dem Gesicht zu fallen bis hin zu reiner Gleichgültigkeit. Zwei Dinge, die der Aurelier sich für weitere Begegnungen merken würde – und sie bei Gelegenheit um Hintergründe ergänzen würde. Nur jetzt war die Möglichkeit wohl verstrichen, weiteres Nachhaken obsolet und destruktiv. Daher gab sich Sextus nur charmant und genügsam.
    “Nein, Pontifex. Ich danke dir für deine Zeit und dein Wohlwollen.“ Auch wenn letzteres an Bedingungen gekoppelt war, die allerdings nicht unerfüllbar waren. Sie brachten lediglich Sextus geplante Reihenfolge etwas durcheinander. “Die Grüße werde ich gern überbringen. Ich bin mir sicher, vor allem deine Verwandte wird sich freuen.“ Auch wenn Sextus sie kaum kannte, aber Frauen freuten sich grundsätzlich, wenn man an sie dachte.


    Damit stand er dann auch schon auf, um den Flavier seiner Arbeit zu überlassen. Im Grunde hatte er sich mehr von diesem Treffen erhofft, aber auch weniger davon erwartet. So in der Mitte zwischen Hoffnung und Erwartung war das Gespräch als solches wohl als positiv zu bewerten. “Vale, Flavius“, verabschiedete sich Sextus noch mit einem leichten Nicken, ehe er den Senator verließ. Es gab ein paar Pläne, die er nun machen musste.

  • "Vale, Aurelius!"
    , verabschiedete Gracchus den Gast und wartete, bis ein Sklave vor der Türe sich diesem hatte angenommen, um ihn zum Ausgang zu geleiten, als auch Sciurus die Türe hatte geschlossen.
    "Notiere dir eine Leber aus Bronze als adäquates Ho'hzeitsgeschenk für diesen Aurelius. Oder meinst du, dies wäre zu geistlos?"
    , wandte er sich sodann an seinen Vilicus, um nicht diesen Einfall wieder zu vergessen. "In Hinblick auf seinen Hintergrund wäre es durchaus möglich, dass er so etwas bereits besitzt. Wenn du möchtest, werde ich es in Erfahrung bringen." Schlussendlich gab es flavische Sklaven im aurelischen Haushalt, welchen mit den geeigneten Mitteln zweifelsohne eine solche Information zu entlocken wäre. Doch Gracchus winkte ab.
    "Nun, es hat ohnehin wohl noch etwas Zeit, ganz abgesehen von der Unge..wissheit, ob meine Gemahlin und ich überhaupt auf der Gästeliste seiner Hochzeit werden stehen."
    "In deinem eigenen Heim wird man dich kaum ausladen, Herr", entgegnete Sciurus zaghaft.
    "In meinem eigenen Heim?"
    "Wenn Aurelius Lupus tatsächlich Flavia Nigrina heiratet, so ist davon auszugehen, dass dies in diesem Haus geschehen wird." Natürlich war es stets möglich, dass sogar patrizische Familien entgegen den Traditionen sich etwas exzeptionelles ausdachten, wie dies bei Aurelius Corvinus und Celerina der Fall war gewesen, welche nicht in der flavischen Villa, sondern auf einem Schiff hatten geheiratet, doch erwähnte Sciurus dies nicht, wusste er doch, wie sehr solcherlei Vorstellung seinen Herrn echauffierte.
    "Flavia Nigrina?"
    fragte Gracchus indes ein wenig erstaunt.
    "Pisos Schwester?"
    "Ja, Herr, Aurelius Lupus erwähnte es", entgegnete der Sklave nun noch sorgsamer, während Gracchus forschend in den Augen Sciurus' nach einer Antwort suchte, zwar nicht diese, noch seine Erinnerung dort fand, dagegen jedoch dezente Hinweise auf die Defizienz letzterer, ob dessen er entgegen seines Sentiments bekräftigend nickte.
    "Natürlich."
    Sie wussten beide in diesem Moment, dass Gracchus nicht den geringsten Schimmer hatte, wann diese Information genannt worden war.
    "Nun, dann ist es tatsächlich überaus wahrscheinli'h. Falls die Gelegenheit sich dir bietet, kannst du der Leber wegen urgieren, doch mache dir nicht allzu viel Aufwand, es wird sich sonstig auch etwas anderes passendes finden lassen."
    Was genau genommen bedeutete, dass Gracchus die Auswahl eines Geschenkes auf seine Gemahlin würde abwälzen, welche ob ihres ästhetischen Sinnes, exzellenten Geschmackes, wie grenzenlosen Einfallsreichtumes für solcherlei ohnehin weitaus mehr prädestiniert war als er selbst. Gracchus schob lustlos ein Pergament von der einen Seite des Schreibtisches zur anderen, blickte sodann erneut auf.
    "Lasse mir ein Bad bereiten. Ein heißes Bad."
    Mit einem unscheinbaren Nicken trat der Sklave aus dem Raum, für die Wünsche seines Herrn Sorge zu tragen. Jener blieb einige Augenblicke allein zurück, noch immer im Versuch, das Gespräch zu rekonstruieren und darin jene Passage zu detektieren, in welcher Nigrinas Name war gefallen - doch es war vergebliche Mühe.


    ~~~ finis ~~~

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