„Es war ein sehr fröhliches Fest...“, nickte Narcissa lächelnd. Auch sie war auf jener besagten Festivität gewesen. Dunkel erinnerte sie sich noch an ein Floss im balneum und an ihre Schwester, die neben ihr stand. Nicht nur eine fröhliche Feier war es gewesen, sondern auch eine weinträchtige. Nahezu die gesamte Familie hatte am nächsten Tag in den Seilen gehangen. Eine Vestalin war ihr unter den vielen Gästen jedoch nicht aufgefallen. Das war aber auch nicht sonderlich verwunderlich. „Es war kurz nachdem meine Schwester und ich hierher umgezogen sind...“ Als Landei konnte man da schon einmal den Überblick verlieren.
Dass die Claudia Septima kannte, verwunderte sie nicht sonderlich, da ihre angeheiratete Verwandte ein recht geselliges Gemüt hatte und rasch mit Menschen ins Gespräch kam. Zudem kannten sich die patrizischen Familien zumeist untereinander recht gut. „Es ist wirklich schade, dass sie zur Zeit in Mantua lebt. Die ganze Familie vermisst sie und Ursus.“
Der Aurelia stand nicht der Sinn danach verbalen Widerstand zu erheben. Viel zu verwirrt fühlte sie sich, hin und her gerissen, zwischen all den Strömungen die ihr Leben bildeten und jenen neuen Einflüssen, die auf sie zu schwemmten, ohne dass sie in der Lage gewesen wäre, sie zu filtern. Um handeln zu können, musste sie zunächst einen sicheren Stand finden. Und um sicheren Boden unter die Füße zu bekommen musste sie zunächst zu hören. Die junge Frau zeigte daher recht wenig Regung und konzentrierte sich darauf Claudias Worten zu lauschen und sie einzuordnen. Selbst jetzt war sie noch nicht in der Lage ein allerletztes Urteil zu fällen. Dazu mussten sich die Informationen erst einmal setzen, umgewälzt werden.
Dass sie aber als eine andere Person aus diesem Gespräch heraus ging als sie hinein gekommen war, das war eine Tatsache. Man hatte ihr eine Idee gegeben, eine andere Perspektive. Und die Erkenntnis, dass der Weg der Vestalin keine Sackgasse war, empfand die junge Frau als äußerst erleichternd. Bisher hatte sie nie ein allzu enges Verhältnis zu Religion empfunden. Natürlich glaubte sie an die Götter, wie es jeder gut erzogene Römer tat, (Selbst die Barbaren glaubten an irgendetwas) aber es war stets eher etwas von peripherer Natur gewesen. Die Götter, von denen sie als kleines Kind in Erzählungen gehört hatte, hatten für sie stets einen äußerst menschlichen Zug gehabt.
Als die Claudia für den Bruchteil einer Sekunde zu lange über die Antwort auf ihre Frage nachdachte, offenbarte sie damit einen kurzen Einblick hinter die Fassade ihrer leidenschaftlichen Worte, die sie zuvor mit solcher Inbrunst vorgetragen hatte. Es war nicht alles Friede-Freude- Eierkuchen, aber Narcissa war auch nicht zu naiv, zu glauben, dass es nicht manchmal auch Momente der Versuchung gab. Selbst für eine Frau wie Romana. Ihre letztendliche Antwort radierte jeglichen Zweifel, der durch ihr Zögern entstanden war, aus. Sie bereute es nicht. Allerdings ahnte Narcissa auch nichts von ihrer ungleichnamigen Art, Positives in Negativem zu sehen. „Ich werde mir über all das noch ein paar Gedanken machen müssen, aber ich danke dir für dieses Gespräch, Claudia…“, Narcissa lächelte gelöst und fasste die Frau, die nicht sehr viel älter als sie selbst, aber im Gegensatz zu ihr bereits schon wusste, wo sie hin gehörte in einem Anflug des Vertrauens bei den Händen. Dann erhob sie sich. „Ich bin mir sicher, dass wir uns auf die eine oder andere Art und Weise wieder begegnen werden.“