Rom steht Kopf - Feiert die Nonae Caprotinae!

  • „Es war ein sehr fröhliches Fest...“, nickte Narcissa lächelnd. Auch sie war auf jener besagten Festivität gewesen. Dunkel erinnerte sie sich noch an ein Floss im balneum und an ihre Schwester, die neben ihr stand. Nicht nur eine fröhliche Feier war es gewesen, sondern auch eine weinträchtige. Nahezu die gesamte Familie hatte am nächsten Tag in den Seilen gehangen. Eine Vestalin war ihr unter den vielen Gästen jedoch nicht aufgefallen. Das war aber auch nicht sonderlich verwunderlich. „Es war kurz nachdem meine Schwester und ich hierher umgezogen sind...“ Als Landei konnte man da schon einmal den Überblick verlieren.
    Dass die Claudia Septima kannte, verwunderte sie nicht sonderlich, da ihre angeheiratete Verwandte ein recht geselliges Gemüt hatte und rasch mit Menschen ins Gespräch kam. Zudem kannten sich die patrizischen Familien zumeist untereinander recht gut. „Es ist wirklich schade, dass sie zur Zeit in Mantua lebt. Die ganze Familie vermisst sie und Ursus.“


    Der Aurelia stand nicht der Sinn danach verbalen Widerstand zu erheben. Viel zu verwirrt fühlte sie sich, hin und her gerissen, zwischen all den Strömungen die ihr Leben bildeten und jenen neuen Einflüssen, die auf sie zu schwemmten, ohne dass sie in der Lage gewesen wäre, sie zu filtern. Um handeln zu können, musste sie zunächst einen sicheren Stand finden. Und um sicheren Boden unter die Füße zu bekommen musste sie zunächst zu hören. Die junge Frau zeigte daher recht wenig Regung und konzentrierte sich darauf Claudias Worten zu lauschen und sie einzuordnen. Selbst jetzt war sie noch nicht in der Lage ein allerletztes Urteil zu fällen. Dazu mussten sich die Informationen erst einmal setzen, umgewälzt werden.
    Dass sie aber als eine andere Person aus diesem Gespräch heraus ging als sie hinein gekommen war, das war eine Tatsache. Man hatte ihr eine Idee gegeben, eine andere Perspektive. Und die Erkenntnis, dass der Weg der Vestalin keine Sackgasse war, empfand die junge Frau als äußerst erleichternd. Bisher hatte sie nie ein allzu enges Verhältnis zu Religion empfunden. Natürlich glaubte sie an die Götter, wie es jeder gut erzogene Römer tat, (Selbst die Barbaren glaubten an irgendetwas) aber es war stets eher etwas von peripherer Natur gewesen. Die Götter, von denen sie als kleines Kind in Erzählungen gehört hatte, hatten für sie stets einen äußerst menschlichen Zug gehabt.
    Als die Claudia für den Bruchteil einer Sekunde zu lange über die Antwort auf ihre Frage nachdachte, offenbarte sie damit einen kurzen Einblick hinter die Fassade ihrer leidenschaftlichen Worte, die sie zuvor mit solcher Inbrunst vorgetragen hatte. Es war nicht alles Friede-Freude- Eierkuchen, aber Narcissa war auch nicht zu naiv, zu glauben, dass es nicht manchmal auch Momente der Versuchung gab. Selbst für eine Frau wie Romana. Ihre letztendliche Antwort radierte jeglichen Zweifel, der durch ihr Zögern entstanden war, aus. Sie bereute es nicht. Allerdings ahnte Narcissa auch nichts von ihrer ungleichnamigen Art, Positives in Negativem zu sehen. „Ich werde mir über all das noch ein paar Gedanken machen müssen, aber ich danke dir für dieses Gespräch, Claudia…“, Narcissa lächelte gelöst und fasste die Frau, die nicht sehr viel älter als sie selbst, aber im Gegensatz zu ihr bereits schon wusste, wo sie hin gehörte in einem Anflug des Vertrauens bei den Händen. Dann erhob sie sich. „Ich bin mir sicher, dass wir uns auf die eine oder andere Art und Weise wieder begegnen werden.“

  • Ah, Narcissa war also auch anwesend gewesen? Romana konnte sich gleichfalls nicht erinnern, dass die Aurelia dort gewesen wäre. Nichtsdestotrotz nickte sie bestätigend, denn den besten war es schon passiert, dass man Sachen einfach vergaß. “Das war es.“ Narcissa war offensichtlich mit ihrer Schwester hierher gekommen, von wo auch immer. Romanas Gedanken schweiften ab zu Livilla, die sie vor nicht allzu langer Zeit hier in Rom besucht hatte. Nun lag es an ihr, sich um ihre Großeltern zu kümmern... obwohl es sie schon bekümmerte, dass sie so lange nichts mehr von ihrer Schwester gehört hatte. Auch nickte sie, als Narcissa ihrem Bedauern, dass Septima nun in Mantua war, Ausdruck verlieh. “Das kann ich mir vorstellen.“ Sie selbst hatte davon nur am Rande und zufällig erfahren. Der Aufbruch musste plötzlich gewesen sein, dass Septima ihr nicht einmal einen Brief schicken hatte können. Aber nun gut, es war nicht an Romana, ihr das übel zu nehmen. Nicht jeder in Rom musste einen brief von ihr bekommen, und Romana maßte sich nicht an, dass sie, nur weil sie einen Abend bei den Tiberiern verbracht hatte, ein Anrecht darauf hatte, alles zu erfahren.


    Wenn die Aurelia ihr kurzes Zögern auf ihre Frage hin bemerkt hatte, ließ sie sich nichts anmerken, worüber Romana durchaus froh war. Nichts wäre ihr weniger lieb gewesen, als sich einem Frage-Antwort-Spiel zu unterziehen, weil Narcissa einfach zu neugierig war. Doch dem war nicht so. Die Aurelia schien es sogar zu schlucken. Sie würde sich Gedanken machen, wie sie es ausdrückte. Gedanken. Und eine Bedankung bekam Romana auch noch. Huldvoll neigte die Claudia ihren patrizischen Kopf. “Es war mir eine Freude, Aurelia“, versicherte Romana Narcissa. “Und das hoffe ich auch. Ich hoffe es auch.“ Vielleicht würde Narcissa nun wirklich Vestalin werden. Romana selbst würde es freuen. Die Chancen standen sehr gut, dass sie die Mentorin und Lehrerin der nächsten Vestalin sein würde, und die Aurelierin war ihr sympathisch. Sie lächelte leicht, als sie spürte, wie die Aurelierin ihr in einer vertrauten Geste ihre Hände auf die ihrigen legte. Einerseits war das wohl eine ziemlich freundschaftliche Geste – Romana merkte, dass ihr Likor aufsah und besorgt hinblickte – aber andererseits auch eine, die Vertrauen ausdrückte.


    Ihre Hände wurden losgelassen, und Narcissa erhob sich. Auch Romana stand auf. “In diesem Fall – vale. Mögen die Götter dich beschützen.“ Dann wandte sie sich um und blickte auf ihren Liktor. “Manilius? Ich wünsche, mich zurück zum Atrium Vestae zu begeben.“ Der Liktor nickte, und zusammen setzten sie sich in Bewegung.

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