Der Türsklave hatte die Claudia naturlich sofort durchgelassen, nachdem sie sich bei ihm angemeldet hatte. Denn obwohl sie nicht mehr der Patria Potestas ihres Vaters unterstand, sondern des Kaisers, gehörte sie, einmal vom Namen und von der Biologie her, zu der claudischen Familie. Und deshalb hatte sie auch die Pflicht, hie und da hineinzuschauen, was sie leider in letzter Zeit etwas verbasäumt hatte. Schließlich hatte sie aber auch beileibe genug zu tun gehabt! Ihre Prüfung, die Vestalia, das Anrennen gegen Vescularius, jetzt brauchte sie einmal ein bisschen freie Zeit zum Atmen. Und zu diesem Zweck würde sie zu ihren Wurzeln zurückgehen.
Angekleidet mit ihrem Ordensornat, der weißen Tunica, Stola und Palla, jedoch die Infulae außen vor lassend, war sie in das Atrium getreten und blickte sich um. War denn niemand hier? “Vater?“, rief sie vorsichtig. Nun, wenn er nicht hier war, würde er gleich kommen. Denn schließlich war schon von der Türe her ein Sklave geschickt worden, um ihren Vater zu suchen und sie anzukündigen. Ihr Vater würde doch sicherlich kommen? Schließlich war es leider nicht alle Tage, dass er Romana sah, wohnte diese doch im Atrium Vestae. Als Discipula hatte sie nur selten Ausgang bekommen, aber jetzt, als Sacerdos, hatte sie mehr Freiheiten. Prinzipiell hätte sie auch ohne ihre Ordenstracht kommen können, aber sie hatte sich mittlerweile schon daran gewöhnt – und im Grunde war Romana ein Gewohnheitstier.
Sie setzte sich also auf eine Liege und wartete.