Per aspera ad astra| nachts auf den Straßen Roms ...

  • kurz nachdem sie das Theater hinter sich gelassen hatte, befand sich die Aurelia auch schon in dem Gewirr aus Straßen und Gassen, die Rom durchzogen. Sie war es gewohnt von Leibwächtern umringt und abgeschirmt zu sein und so fiel ihr zunächst gar nicht auf, dass sie augenblicklich schneller war, wie die Sänftenträger ihr folgen konnten. Die Gegend war zwar nicht sonderlich herunter gekommen, aber dennoch trieben sich um diese Zeit so manch dunkle Gestalten auf den Straßen herum. Doch selbst diese Tatsache ignorierte Priscas Verstand gekonnt, da ihre Gedanken momentan nur um ein Thema kreisten, dessen Ausgang mehr als ungewiss war. Sicher war sie sich eigentlch nur einer Sache, nämlich, dass die Schritte hinter ihr zu ihrem ihr Cousin gehören mussten.


    "Und? Was gedenkt mein lieber Cousin und ehrenwerter Beschützer nun zu tun? Wird er meinem Onkel erzählen was heute vorgefallen ist, oder wird er seine geliebte Cousine lediglich darüber aufklären wollen, was für ein Dummchen sie doch ist? ...", rief Prisca schließlich mit süßlich verstellter Stimme über die Schulter zurück. Sie gab sich immer noch betont freundlich, ohne eine Zweifel daran lassen zu wollen wie aufgewühlt und gereizt sie immer noch war. Der Abend war nicht so verlaufen sie sie es sich gedacht hatte, obwohl es - bei mehrmaligen Nachdenken - durchaus Sinn machte was Lupus sagte. Und was würde er ihr nun vorschlagen? Er war ihr doch gefolgt - hoffentlich - oder?


    Etwas verunsichert drehte sich Prisca nun doch einmal nach ihm um und in diesem Augenblick stieß sie gegen eine vermumte Gestalt, die wie aus dem Nichts vor ihr aufgetaucht war. Eine Hand griff nach ihr und mit alkoholgeschwängerter Stimme lallte es ihr entgegen: "Mooomentchen mal! Wohin des Weg´s mein Täubchen? Hast du vielleicht ´n paar Sesterzen für den ollen Gaius? Oder möchtest du ihm lieber auf ´ne andere Weise was Gutes tun. Na?" Dieser widerliche Kerl erdreistete sich tatsächlich ihr nahe treten zu wollen und dementsprechend angewidert wich Prisca einen Schritt zur Seite."Ahhhh!! Was fällt dir ein! Du du Missgeburt! Hau ab! … Sonst!!!, schnappte sie hilflos nach Luft. Sonst was? Gute Frage. An dieser Stelle waren spätestens immer ihre Leibwächter zur Stelle .. Doch heute? …



    edit: nachträglich fehlenden Satz im ersten Absatz ergänzt, der beim Erstellen verloren gegangen ist. sorry

  • Dies war nicht die Straße zur Villa Aurelia. Frauen hatten ja generell keinen Sinn für Orientierung, aber heim fanden sie normalerweise doch immer. Was nur einen Schluss zuließ: Prisca wollte nicht heim, Prisca wollte Spielchen spielen.
    In einigem Abstand folgte Sextus ganz gemütlich seiner davonstapfenden Cousine und hing seinen eigenen Gedanken nach. Die Sänftenträger wiederum folgten ihm mit ihrer Last, so gut sie es eben vermochten. Der Blick des Aureliers blieb auf dem sich wiegenden Hinterteil seiner Verwandten haften, während er ihr hinterherging. Sie lief zackig und abgehackt, die Wut war ihr zu deutlich anzusehen. Und sie ließ es sich nicht nehmen, ihn anzugiften. Was er zu machen gedachte? Nun, im Moment dachte er darüber nach, ihr den Hals umzudrehen und einfach solange zuzudrücken, bis kein Wort mehr diese Kehle verließ. Aber das war nur der erste Zornesgedanke. Die Rachegedanken danach waren weitaus erheiternder. Im Grunde musste er Corvinus noch nicht einmal etwas sagen. Wenn der Flavier am nächsten Tag aufkreuzen würde und um Priscas Hand anhielt und in seiner Unkenntnis dessen, dass Sextus eben nicht geplaudert hatte, selbst gestehen würde, würde Corvinus ihm einfach die Tür weisen. Und selbst wenn der Flavier es schaffte, wie durch göttliche Vorwarnung sich nicht zu verplappern, wäre Corvinus wohl kaum geneigt, diesem Ansinnen stattzugeben. Sextus war im Begriff, eine Flavia zu heiraten. Corvinus selbst war bereits mit einer verheiratet. Es brachte keinen politischen Vorteil, eine weitere Ehe mit dieser Gens einzugehen. Dahingegen waren die Bindungen zu den Tiberiern nun nach Laevinas Verschwinden erschreckend dünn, und Tiberius Durus einen Ersatz anzubieten könnte vorteilhaft sein. Und wenn Sextus das schon sah, was musste dann erst Corvinus denken? Der Piso nach allem, was er wusste, nicht ausstehen konnte.
    Nein, Sextus musste sich nur zurücklehnen und den Dingen ihren Lauf lassen. Er musste sich nicht einmal die Finger schmutzig machen. Einzig und allein die Genugtuung, dass er aktiv etwas zum Scheitern des Flaviers beigetragen hätte, ließ ihn dennoch weiter grübeln. Wenn er schon einen Feind hatte, wollte er ihn sich auch redlich verdienen. Mitleid gab es umsonst, Hass erforderte etwas mehr Einsatz. Zu gerne würde sich Sextus in der Gewissheit suhlen, dass der Flavier wusste, dass sein 'Unglück' – allein das Wort war in Bezug auf eine Heirat eine Farce – darauf beruhte, den falschen Mann verärgert zu haben. Nur hatte er noch keine Ahnung, wie er das bewerkstelligen konnte, ohne der Freundschaft der anderen Flavier verlustig zu gehen. Das erforderte definitiv mehr Planung, und vermutlich mehr Zeit, als er zur Verfügung hatte.


    Und dann passierte, was ja beinahe zwangsläufig hatte passieren müssen. Prisca wurde von einem Mann, der sie für leichte Beute hielt, beiseite gedrängt. Den Bruchteil einer Sekunde kam der Gedanke in Sextus auf, einfach weiterzugehen und sie ihrem Schicksal zu überlassen. Sie wollte ja seine wohlwollende Fürsorge nicht, und er war auch sicher nicht der edle Beschützer aus den Heldensagen, der die Jungfer in letzter Sekunde vor dem Opfertod an ein Monster nach Wahl rettete. Aber dieser Gedanke hielt nicht einmal einen Atemzug. Egal, wie sehr Sextus solche Rettungsaktionen auch verabscheute, das war seine Cousine, und wenn jemand ihr weh tat, dann nur jemand aus der Familie.
    Er beschleunigte seinen Schritt und überwand so den Abstand zwischen ihnen beiden. Der Angreifer sah noch zu ihm herüber, und der Aurelier sah auch etwas in seiner Hand blitzen. Aber jetzt war es ohnehin ausgeschlossen, sich noch zurückzuziehen.
    Er fing den Arm, der auf ihn zugeschossen kam, mit festen Griff um das Handgelenk ab, zwang mit Druck den Mann dazu, den Griff um sein Messer zu lockern und fast in derselben Bewegung landete sein freier Ellbogen im Gesicht des Kerls, der Prisca beiseite drängen wollte. Der Mann taumelte zurück und schätzte kurz seine Chancen ab, dann verschwand er.
    “Wenn du dich umbringen willst, zum tarpejischen Felsen geht es da lang!“ fuhr Sextus sie kurz ungehalten an und deutete zielsicher in eine Richtung. Weiber! Hauptsache, sich im Recht fühlen und gerechten Zorn zur Schau tragen! Er brauchte ihr nicht sagen, was für ein Dummchen sie war. Für so weltfremd, nicht zu sehen, was sie gerade eben getan hatte, hielt Sextus Prisca nicht.
    Er schüttelte kurz den Kopf und ging dann weiter, in Richtung der Villa Aurelia. Nach zwei Schritten blieb er kurz stehen und sah zurück, ob sie denn nun folgen wollte oder doch eine schneller e Form von Freitod wählen wollte, als nachts allein durch die Straßen zu gehen.

  • Die Attacke des Unbekannten kam so überraschend, dass Prisca kaum Zeit blieb zu realisieren wie ihr geschah. Sie hörte sich selbst aufschreien und dann ging alles rasend schnell. Das Zucken einer Hand in ihre Richtung, Aufblitzen von Stahl, dann folgte ein kurzes Gerangel, Stimmengewirr und zu guter Letzt vernahm sie die aufgebrachte Stimme ihres Cousins, mit der er sie auf offener Straße anschrie. Prisca zuckte augenblicklich wie vom Donner gerührt zusammen und ungläubig starrte sie ihn aus großen Augen heraus an. Doch im Grunde nahm sie ihn in dieser Sekunde gar nicht richtig wahr. Ihr Herz pochte wie wild, sie zitterte am ganzen Leib und nur ganz langsam begann sie zu realisieren was eben passiert war. Das ganze Ausmaß ihrer eigenen … Dummheit! Ja, anders konnte sie es nicht bezeichnen.


    Egal was im Theater vorgefallen war und wie wütend sie deshalb auf Lupus war. Gerade eben hatte er ihr das Leben gerettet! Selbst wenn sie seine wahren Gedanken an dieser Stelle gekannt hätte, hätte sie ihm kaum einen Vorwurf machen können für das, was gerade geschehen war. Die einzige Wut, die Prisca momentan verspürte, war die Wut auf sich selbst und auf ihr unüberlegtes Handeln. Wie konnte ich nur so dumm sein und einfach davon laufen?! Zum zweiten Mal an einem Abend hatte sie völllig unüberlegt gehandelt. Wo sollte das enden? Auf dem tarpejischen Felsen gar, den Lupus vorhin erwähnte? ...


    Zunächst blieb Prisca wie angewurzelt stehen. Sie bemerkte zwar, dass Lupus sie einfach stehen lassen wollte, doch ihre Beine wollten sie einfach nicht tragen. Erst als er stehen blieb und sich zu ihr umdrehte, löste sich die Starre in ihr. Geduckt und mit gesenktem Blick ging Prisca auf Lupus zu und sie zeigte ihm somit ganz offen, dass sie ihr Fehlverhalten einsah. Als sie dann vor ihm stand sah Prisca beschämt zu Lupus auf und das waren wohl aufrichtigsten und ehrlichsten Worte, die sie je an ihren Cousin richten würde: "Danke Lupus! … Das werde ich dir niemals vergessen, was du gerade für mich getan hast", stieß die Aurelia mit einem erleichterten Seufzer und einem verhaltenen Lächeln hervor. Mehr bedurfte es auch nicht um ihm zu zeigen, wie erleichtert und wie dankbar sie ihm in Wirklichkeit war.


    In der Angelegenheit mit Piso dürfte sie allerdings kaum mehr auf seine Hilfe hoffen und - ganz ehrlich gesagt - wusste sie auch gar nicht, wie sie ihren Cousin hätte überreden können, als Fürsprecher bei ihrem Onkel aufzutreten. Besonders wohlgesonnen schien Lupus ihre jedenfalls nicht zu sein nach dem, was gerade vorgefallen war und so beließ es Prisca bei einem letzten dankbaren Nicken, ehe sie sich anschickte ihm von nun an artig nach Hause zu folgen.


    Ob Celerina mir noch helfen kann? In ihren Gedanken konnte Prisca sich allerdings nicht damit abfinden, dass ihre große Liebe für immer verloren wäre, nur, weil sie und Piso einen Fehler begangen hatten In was für einer Welt leben wir eigentlich?, dachte die Aurelia der Verzweiflung nahe und dabei blickte sie leise schluchzend zu den Sternen auf, die über ihnen am Firmament funkelten. Wenn du verliebt bist wirst du so manche Dummheit begehen. Lasse dich dadurch nur ja nicht in deinen Gefühlen beirren! Vor allem dann, wenn es völlig ausweglos erscheint darfst du nicht aufhören, um deine Liebe zu kämpfen. Denn ohne sie ist alles bedeutungslos !, erinnerte sich Prisca dabei wehmütig wieder an jene Worte ihrer Mutter, die ihr ganzes bisheriges Leben geprägt hatten. Nur ...


    Wie soll ich das nur anstellen Mama? Ich bin viel zu schwach, um mich gegen den Willen der Anderen durchzusetzen … , entgegnete Prisca mit Tränen in den Augen ihrer verstorbenen Mutter, die sie dort oben zwischen den Sternen zu sehen glaubte. "Vielleicht wäre es ja doch das Beste, einfach zu springen … ", überlegte Prisca, zu sich selbst gesprochen und ohne darauf zu achten, ob Lupus sie nun hören würde - oder nicht ...

  • Als Prisca eben noch wütend auf ihn gewesen war, hatte Sextus sich absolut nichts daraus gemacht. Frauen waren andauernd aus dem einen oder anderen Grund furchtbar erbost. Man konnte sie gar nicht nicht gegen sich aufbringen. Zeigte man sich verständnisvoll und einfühlsam, war man ein Waschlappen und Pantoffelheld, und sie sehnten sich nach Kriegern und Kommandanten. Gab man ihnen eine Richtung vor und sagte ihnen, was sie zu tun und zu lassen hatten, beklagten sie sich über mangelndes Einfühlungsvermögen. Wenn eine Frau sich aufregen wollte, brauchte sie keinen Grund. Sie fand einen.
    Als Prisca jetzt aber so treu wie ein Lamm herkam, sich bedankte und ihn so abgrundtief aufrichtig ansah, das war anders. Das war einer der Gründe, warum Sextus kein Retter in strahlender Rüstung sein wollte, denn dadurch etablierte sich eine Erwartungshaltung, die er nicht zu erfüllen gedacht. Und außerdem, so sehr er sich auch in Anerkennung und Bewunderung sonnen mochte, so unberechenbar war ehrliche Dankbarkeit. Er bekämpfte das aufkeimende Gefühl von Großzügigkeit und Galanterie. Niemals durfte er sich von Gefühlsregungen in seinen Zielen beirren lassen.
    Nur was genau waren gerade seine Ziele? Rache an diesem eingebildeten Pfau? Kurzweiliges Vergnügen. Vielleicht eine langfristige Feindschaft, die für ein wenig Amüsement sorgen konnte, wenn ihm langweilig war. Seiner Cousine heimzahlen, dass sie ihn benutzt hatte, und dann sowas dabei herausgekommen war? Da hatte er bessere Möglichkeiten im Kopf, sich mit ihr zu vergnügen. Also, Wolf, wo ist deine Beute?
    “Reden wir nicht darüber“, winkte er ihren Dank einfach nur ab. “Ich habe dir bereits vorhin gesagt, dass ich nicht zulassen kann, dass jemand meine Cousine kompromittiert oder ihr Leid zufügt.“ Er war vielleicht kein edler Retter, aber Prisca konnte nicht abstreiten, dass er sich zumindest annähernd wie einer benahm.


    Sie gingen in Richtung der Villa Aurelia. Schweigsam nebeneinander liefen sie durch nachtschwarze Straßen, gefolgt von den Sänftenträgern. Sextus bemerkte, wie Prisca neben ihm scheinbar immer kleiner wurde. Gut, sollte das schlechte Gewissen in ihr ein wenig wachsen. Sollte sie sich ihre Idiotie nur vor Augen führen und dann Zuflucht bei ihrem edlen Retter suchen. Sie sollte aufschauen und rufen 'Rette mich'. Und er würde hinunterschauen und flüstern 'nein'. Ein leichtes Lächeln zuckte kurz um seine Mundwinkel bei diesem Gedanken. Macht war etwas Berauschendes, selbst in kleinen Dosen.
    Doch dann kam es doch etwas anders. Sie flehte ihn nicht um Hilfe an, zumindest nicht direkt. Bei ihren Worten zuckten Sextus' Augenbrauen kurz fragend nach oben, und eine Weile ging er neben ihr her, ohne zu antworten.
    “Es wäre zumindest der einfachste Weg“, stimmte er ihr nach einigem Überlegen unumwunden zu. Er sah zu ihr herunter, während er die Worte einen Moment sacken ließ. Erst als er das Gefühl hatte, sie wollte doch etwas sagen, oder dass zumindest die Tragweite dieses Gedankens sich in ihrem Geist ausbreitete und dort zu einer Erwiderung formte, sprach er weiter. “Andererseits, weswegen das ganze Leben wegwerfen wegen so einer Kleinigkeit? Vielleicht überzeugt er ja Corvinus.“ Auch wenn die Wortwahl aufbauend war, so ganz ließ sich der selbstgefällige Unterton nicht verbergen. Sextus machte sich nicht die größte Mühe, ihn zu verbergen. Sollte sie ruhig wütend auf ihn werden. Wut war immernoch besser als dieses Selbstmitleid. “Vielleicht sollte ich froh sein, nur ein tumber Spartaner zu sein, da bleiben mir solche Gedanken erspart.“ Es war leicht, fast charmant gesprochen, und er lächelte ganz leicht, als er zu ihr herunter sah. Er wollte sie nur ein wenig ärgern, nicht völlig verspotten. Diese Melancholie war ungesund.

  • Lupus nahm ihren Dank eher verhalten an so als wäre es nicht weiter der Rede wert. Kein Wunder, so töricht wie ich mich gerade verhalten habe, schalt Prisca sich selbst wegen ihres Fehlverhaltens, welches es ihr nun fast unmöglich machte weiterhin wütend auf ihren Cousin zu sein. Dabei glaubte Prisca allen Grund dazu zu haben, wütend zu sein, wegen der Sache im Theater. Lupus sollte den Aufpasser nur pro forma spielen und sich nicht wirklich wie einer aufspielen! Herrje, wie soll Piso das meinem Onkel erklären, wenn mein Cousin ihm vorher von dieser Geschichte erzählt?, überlegte Prisca hin und her. Und wenn Lupus nichts sagen würde und stattdessen Piso mit dem "Theater" anfängt? Das wäre ja noch schlimmer!! …. Ich muss irgendwie verhindern, dass dies passiert. , keimte in Prisca wieder der Gedanke auf um ihre Liebe zu kämpfen, koste es was es wolle.


    Ihre Niedergeschlagenheit war langsam überwunden und die Worte ihrer Mutter gaben Prisca letztendlich die Kraft, die Hoffnung nicht einfach so aufzugeben und in Selbstmitleid zu ertrinken. Das könnte sie immer noch, genau so, wie sie immer noch ganz einfach springen könnte. So einfach? ... Es wäre zumindest der einfachste Weg, erklang es da aus dem Mund ihres Cousins und so wie er es sagte, jagte es der Aurelia einen eiskalten Schauer über den Rücken. Nicht wegen ihm, sondern eher wegen dem Gedanken daran wie einfach es wäre, einfach alles wegzuwerfen. Das Leben wegen ihrer einzigen und unerfüllten Liebe beenden? War sie wirklich so kurz davor?


    Priscas Augenbrauen zogen sich unweigerlich zusammen als sie Lupus ansah und dieser sich nicht einmal die Mühe machte, seine Selbstgefälligkeit und seine wahren Gedanken hinter den heuchlerischen Worten zu verstecken. Wollte er sie absichtlich necken, ausgerechnet jetzt, in ihrer verzweifelten Lage? "Vielleicht überzeugt er ja Corvinus" Ja ja, sofern du es zulässt , schnaubte Prisca leise und tat ihm aber nicht den Gefallen, ihrer Wut erneut freien Lauf zu lassen. Nein! Eine blamable Szene, wie vorhin im Theater, reichte ihr für heute und außerdem konnte sie nunmal nicht leugnen, dass er ihr gerade das Leben gerettet hatte. Nur warum verhielt sich Lupus dann so … merkwürdig? Mal war er ganz charmant und dann wiederum benahm er sich wie jemand, dem es Spass machte andere zu ärgern.


    Nun gut. Womöglich nahm er es ihr immer noch übel, weil sie es gewagt hatte ihn für ihre Pläne zu "missbrauchen". Das konnte aber doch nicht der einzige Grund sein, oder? Nein, so wie Prisca ihren Cousin mittlerweile einschätze, tat er selten etwas aus reiner Nächstenliebe, sondern eher aus Berechnung und das wiederum machte ihn durchaus … Wie soll ich nur sagen?! … Ach ja … bestechlich!


    Hmm, ja genau! Vielleicht sollte ich es auf diesem Weg versuchen, kam Prisca just in dem Moment eine Idee, als ihr Cousin sie erneut zu ärgern versuchte. "Ach?! und worüber machen sich tumbe Spartaner dann Gedanken? … Etwa wie sie andere Menschen ärgern können?", stichelte Prisca mit beleidigter Stimme und versteinerter Miene zurück, in der Absicht ihn somit etwas aus der Reserve zu locken. "Na sag schon!"Fragend hob die junge Aurelia eine Augenbraue und das Kinn wie zum Trotz. Jaaa, sie badete weiter in ihrem Selbstmitleid und es gefiel ihr sogar. Weil es so viel einfacher war ihrem Cousin fest in die Augen zu sehen, während sie im selben Atemzug die eigentliche Frage stellte, die sie brennend interessierte:


    "Warum hast du mir eigentlich vorhin im Theater unter die Nase gerieben, dass du als Fürsprecher bei meinem Onkel hättest auftreten können. Hm?! Ich habe dich nie darum gebeten das zu tun. Du solltest mich lediglich ins Theater begleiten und gefälligst wegsehen, wenn ich mich mit Piso unterhalte, wobei du das allerdings etwas falsch verstanden hast. Leider." Prisca kniff die Augen zusammen und taxierte Lupus, als wüsste sie genau was er vor gehabt hatte, obwohl es mehr Unterstellungen und Mutmaßungen waren, denn Tatsachen, die sie annehmen ließen, dass er mehr damit bezwecken wollte als sie nur zu ärgern ...

  • “Oh, nein, da sind wir wahre Naturtalente. Um jemanden zu ärgern bedarf es nicht viel. Man muss nur ehrlich sein, und schon hat man mehr Leute vor den Kopf gestoßen, als man zählen kann.“ Sextus scherzte leichthin. Die Kunst bestand darin, jemanden zu verspotten, ohne ihn zu verärgern. Eine Kunst der allzu viele Satireschreiber zum Opfer gefallen waren, weil sie sich zu sehr auf den Schutz ihrer Befürworter verlassen hatten. Aber wie sagte einer von ihnen? Difficile est satiram non scribere. Es war schwer, keine Satire zu schreiben. Sextus hatte vergessen, aus der Feder wessen Schmierfinken das stammte, aber der Mann hatte recht. Man musste nur mit offenen Augen auf die Straße gehen und fand tausend Möglichkeiten, die Unzulänglichkeiten seiner Mitmenschen aufs Schärfste aufzudecken.


    Und Prisca kam auch sogleich wieder auf ihre eigene Unzulänglichkeit zu sprechen. Warum er ihr gesagt hatte, dass er als Vermittler hätte auftreten können? Weil sie ganz offensichtlich weder weit noch analytisch genug dachte, um auf solch eine Idee zu kommen. Eigentlich eine Verschwendung, bei ihrem Aussehen wäre ein solcher Geist von Vorteil. Männer taten häufig dumme Dinge für schöne Frauen. Gut, Sextus nicht, der tat dumme Dinge, so er sie überhaupt machte, ausschließlich für sich selber. Aber die ein oder andere Intrige war allein deshalb von Erfolg gekrönt gewesen, weil eine hübsche Frau in Aussicht gestellt hatte, dafür die Beine breit zu machen.
    “Nun, Cousinchen, das stimmt. Du hast mich nie darum gebeten, weil du noch nicht einmal an diese Möglichkeit gedacht hast.“ Es war nicht einmal abwertend gemeint, sondern rein eine Feststellung. “Und ich weiß nicht, warum du dich so aufregst. Hätte dein Galan sich wie ein Politiker benommen und einfach mitgespielt, wäre nichts passiert. Ich habe ihm jede Möglichkeit gelassen, seinen vorschnellen Vorstoß einzusehen, sich einfach hinzusetzen und den Rest des Abends zu genießen. Ob ihr euch weiterhin Liebesschwüre zusäuselt oder Händchen haltet, war mir doch völlig gleichgültig. Aber ein Heiratsantrag? Was hast du denn erwartet, wie ich reagieren soll?“
    Das war nun etwas ehrlicher, als er es gemeinhin war. Aber ihn störte diese verachtende Ignoranz. Dumme Menschen waren nur solange lustig, solange sie einem nützen. Prisca hingegen nützte ihm im Moment rein gar nichts, folglich war die Dummheit hier unerträglich und enervierend. Wenn diese die eigene Familie bevölkerten umso mehr.
    “Was denkst du, wie Corvinus reagiert hätte? Oder wie er reagieren wird, wenn er davon hört, wie das ganze stattgefunden hat?“ Noch immer war Sextus weder unfreundlich noch herablassend, sondern stellte die Frage genau so, als hätte er sie um ihre Einschätzung des morgigen Wetters gebeten. Einzig sein Blick mochte verraten, wie wenig amüsiert er über dieses Thema tatsächlich war.
    “Du hast mich vorhin gefragt, was ein tumber Spartaner wie ich so denkt. Nun, ich denke, dass weder du noch der Flavier sich diese Fragen gestellt haben, ehe es zu dieser Szene gekommen ist. Ich denke, dass keiner von euch bedacht hat, dass wir zwar in einer Loge, aber dennoch in der Öffentlichkeit waren, wo der nächste Nachbar gerademal zwei Schritt entfernt war und ihr nicht darauf bauen konntet, dass dieser vom dem miserablen Stück auf der Bühne völlig gefesselt ist.“
    Sextus bog in die nächste Querstraße ein. Die Sänftenträger folgten ihnen immernoch in einigen Schritten Abstand. “Ich denke, dass ihr meine Hilfe bitter nötig hättet. Nur dass der Flavier viel zu stolz ist, um das zu sehen, oder sie auch nur jemals zu erbitten. Also bleibt mir wohl nur das kurzweilige Vergnügen, ihm beim Scheitern zuzusehen.“ Leicht zuckte er die Schultern. Viel mehr Vergnügen würde er wohl wirklich nicht aus dieser Sache ziehen können.
    Seine Gedanken hingegen waren bei weitaus profaneren Dingen angekommen. Wenn er Flavius Gracchus wegen dieser Geschichte als Fürsprecher beim Haruspex verlieren sollte, musste er sich um Ersatz bemühen. Es stand nicht zu erwarten, dass die Verlobungsverhandlungen mit diesem verliebten Ochsen noch stattfinden würde, oder gar einen Abschluss fänden. Und ohne Verlobte keine Verbindung zum Pontifex, also auch keine Fürsprache. Ärgerlich, aber dem war wohl so. Das gehörte zu den Dingen, auf die Sextus keinen Einfluss hatte, und es bestand keine Notwendigkeit für ihn, darauf zu beharren und daher dem Flavier besonders entgegenzukommen. Es gab ja Alternativen.

  • Prisca mochte in den Augen ihres Cousins durchaus dumm erscheinen. So dumm, um nicht zu sehen, für wie dumm er sie hielt, war Prisca aber nicht. Trotz ihrer vernebelten Sinne. Ich hab ihn nie darum gebeten, weil ich noch nicht einmal an diese Möglichkeit gedacht habe??? Pahh!!, woher wollte er das so genau wissen? Naja Zugegeben, sie hatte tatsächlich nicht daran gedacht, aber das konnte er ebenso wenig mit Gewissheit behaupten. "Ach?! Vielleicht wollte ich ja nur nicht auf das Niveau eines tumben Spartaners sinken, der sich anscheinend für allwissend hält?!", warf Prisca beleidigt ein und man merkte durchaus ,wie genervt sie selbst mittlerweile war - angesichts ihres verletzten Stolzes, - der Sturheit der Spartaner, - dieser verdammten Traditionen und und und, um einfach nur das letzte Wort zu haben …


    …welches sie - sehr zu ihrem Leidwesen - leider nicht bekam. Lupus wollte ihr weiterhin aufzeigen, wie verfahren und sinnlos ihr ganzes Bestreben doch wäre und wie "unerfreut" ihr Onkel darauf wohl reagieren würde. Na wie wohl?! Prisca sah es bildlich vor Augen wie wütend ihr Onkel wäre, sollte er von diesem Heiratsantrag erfahren. "Ich bitte dich Lupus! In den heutigen Zeiten, in denen wir Patrizier sogar bereit wären Mischehen mit Plebejern einzugehen, kann man einen solchen Heiratsantrag auch überbewerten, findest du nicht? Egal, was ich Piso heute auch hätte antworten wollen, es ändert absolut nichts an der Tatsache, dass letztendlich Marcus, als mein Tutor, einzig über mein Wohl und meine Zukunft zu entscheiden hat!", antwortete Prisca trotzig und in einem Anflug von Contenance. Zum Hades mit all den Traditionen! Das war also das Ergebnis ihrer jahrelangen Erziehung und am liebsten hätte Prisca einfach alles aufgegeben (und sei es nur der Liebe zu einem Sklaven wegen), ehe sie eine Entscheidung akzeptieren wollte, die sie innerlich zerreissen würde.


    Wer war sie denn schon? Die Tochter des Kaisers etwa - oder gar Jupiters Augenstern? Schön wär es ja, aber letztendlich war sie nur eine von unzähligen jungen Römerinnen die sich, (vielleicht) wie sie, einzig nach Liebe und Zuneigung sehnten. Aber gut! In Bezug auf Piso mochte Lupus durchaus recht haben. Der Flavier würde womöglich scheitern. Und dann? Prisca würde dies jedenfalls nicht so einfach akzeptierten, wobei sie noch nicht einmal wusste, was sie denn tun könnte. Dann nehme ich mir ganz einfach das Leben! … War sie wirklich so verzweifelt? Einen flüchtigen Moment war Prisca sogar versucht ihren Cousin anzuflehen, dass er bei ihrem Onkel für sie und Piso sprechen würde, doch so weit kommt es noch, besann sich die Aurelia schließlich auf ihren Stolz. Lieber hätte sie sich die Zunge abgebissen. Und überhaupt. Hätte ihr Cousin wirklich so viel Einfluss, wie er behauptet, dass er die Meinung ihres Onkels würde beeinflussen können? Prisca taxierte ihren Cousin ganz genau, ohne dies jedoch mit Gewissheit sagen zu können. Abgesehen davon. … Wie sicher konnte sich eigentlich Lupus sein, bezüglich der Unumstößlichkeit der Bande zwischen den Aureliern und den Flaviern.


    Sollte die Verbindung zwischen ihr und Piso tatsächlich scheitern, ...wie viele feste Verbindungen, zwischen den beiden Familien, gäb es außerdem noch? …. Etwa die von Marcus und Celerina? Wie zerbrechlich gerade diese Beziehung in Wirklichkeit war, wusste Prisca womöglich besser als ihre Cousin. Das würde sie Lupus aber nicht auf die Nase binden. Er sollte nur spüren, dass auch seine Cousine so manche Informationen besaß oder diese zumindest besorgen könnte, die sogar ihn interessieren könnten. "Ich denke, deine Hilfe wird nicht weiter von Nöten sein. Ich habe dich ohnehin schon viel zu weit in diese Sache mit hinein gezogen und ich hoffe, dass du mir dies irgendwann verzeihen wirst", wiegelte Prisca das Thema deshalb, ganz plötzlich von ihrer Seite aus ab. Hoffentlich wird ihn das etwas verwundern. Oder wäre Lupus einfach nur froh, endlich nichts mehr mit dieser Angelegenheit zu tun zu haben? Die Aurelia blieb stehen und suchte den Blick ihres Cousins, um ihm eindringlich in die Augen zu sehen als sie mit bitterernster Stimme hinzu fügte: "Ob es allerdings tatsächlich ein Vergnügen sein wird, ihn beim scheitern zu zu sehen, wage ich zu bezweifeln - und dabei spreche ich ausnahmsweise mal nicht von mir und meinen Gefühlen. Vielleicht mag es dich ja erheitern, weil dir das Ganze letztendlich egal sein mag, doch bedenke, dass schon so manches kurzweiliges Vergnügen für ein böses Erwachen gesorgt hat." Mochten ihre Worte für Lupus ruhig wie eine hohle Drohung klingen die seine, dumme und von ihren Gefühlen verblendete, Cousine in ihrer Verzweiflung äußerte … Prisca war schließlich noch jung und sie fing gerade erst an, sich in dem Spiel der Intrigen zurechtzufinden. Allerdings sollte Lupus ihren Eifer und ihre Lernfähigkeit darin nicht unterschätzen. Zumal er derjenige war, der ihr diese durchaus interessante Geschichte, von der 'Rache der verschmähten Konkubine' erzählt hatte.


    Prisca machte eine Pause, die gerade so lange währte, um das Wort erneut zu ergreifen noch ehe Lupus direkt hätte antworten können. "Aber warum reden wir eigentlich nur von mir und meinen Problemen. Entschuldige bitte?" Priscas Miene erheiterte sich spontan, so als sei absolut nichts vorgefallen. Sie lächelte ihrem Cousin zu und hob fragend die Augenbrauen. Hoffentlich gut genug gespielt angesichts ihrer wahren inneren Verfassung, wobei die folgende Frage sie durchaus interessierte. " Wie hat dir eigentlich die Flavia gefallen? Ich weiß, du hattest kaum Gelegenheit Nigrina näher kennen zu lernen, … aber vom ersten Eindruck her? Wäre sie nichts für dich? Eigentlich wäre sie viel zu schade, für einen tumben Spartaner ... Von der tatsächlich geplanten Ehe zwischen den beiden wusste Prisca ja immer noch nichts …

  • Ein Blick, der vielleicht als leicht gekränkt durchgehen mochte, traf Prisca bei ihren ersten Worten. “Nicht allwissend, das sicher nicht. Nur weit vorausplanend, das ist auch schon alles.“ Irgendwie fing das Gespräch an, ihm Spaß zu machen. Mit Priscas Wut konnte er wesentlich besser umgehen als mit ihrer Melancholie. Außerdem bot es ein wenig Abwechslung von dem üblichen Prozedere der ausgetauschten Nettigkeiten und schulte ein wenig seinen Sinn für Konversation. Zumindest war er im Moment geneigt, das ganze so zu sehen.
    Ihre nächsten Worte hingegen waren da schon schwieriger. Sie hatte in gewisser Weise recht. Er hatte nichts zu bestimmen über Prisca. Er konnte lediglich Tendenzen geben und Dinge anstoßen, aber wirkliche Entscheidungsbefugnis hatte er nicht und würde er wohl auch nie haben. Und die Tatsache, dass einige Gentes sich gezwungen sahen, auch in plebejische Gentes einzuheiraten, war wirklich ein Problem. Vor diesem Hintergrund war der Antrag des Flaviers vielleicht durchaus nicht allzu negativ zu bewerten. Allerdings kam hierbei Sextus' Risikokalkulation doch zum tragen: Nach allen Informationen, die ihm vorlagen, konnte er darauf pokern, dass Corvinus diesem Antrag ablehnend gegenüber stehen würde. Dieser konnte den Flavier nicht ausstehen, das war sehr deutlich geworden. Und sollte er von den Umständen erfahren, wäre es ein Grund für ihn, diesen Antrag abzulehnen, ohne sein Gesicht vor den Flaviern deshalb zu verlieren. Es war vielleicht nicht der beste Grund, aber es war ein gesellschaftlich verständlicher Grund und damit politisch tragfähig.


    Dennoch schwieg Sextus erst einmal dazu, während sie weitergingen und Prisca dann seine Hilfe ablehnte. Kurz zuckte sein Blick in ihre Richtung. War das ein taktischer Zug von ihr, oder meinte sie das ernst? Auch wenn er sich nichts anmerken ließ, natürlich passte es ihm nicht, wenn sie das nun so abschloss. Aber was sollte er machen, betteln? Bitte, bitte, lass mich dir helfen? Sicher nicht. Abgesehen davon, dass er nach dieser Sache ohnehin daran zweifelte, dass seine Bemühungen entsprechend honoriert und vor allem entsprechend entlohnt werden würden. Er konnte sich kaum vorstellen, dass die Mitgift der Flavia dadurch wachsen würde. Oder wenn, dann höchstens, wenn sie einem anderen gegeben wurde. Piso würde in seiner verletzten Eitelkeit wohl kaum vernünftig verhandeln. Und im Grunde fing Sextus an, die so in greifbare Nähe rückende, vorläufige Freiheit zu genießen. Sicher würde sein Vater bald eine andere Partnerin für ihn finden und ihm schreiben, mit wem er in Verhandlungen treten solle. Nachdem er ihm in einem Brief sein Bedauern über das Scheitern der Verhandlungen ausgedrückt hatte. Irgendwann in den nächsten Wochen. Einzig, dass das Amt des Haruspex damit etwas ferner rückte und er noch mehr arbeiten musste, ärgerte ihn ein wenig.
    “Oh, Prisca, Prisca... Ne nuntium necare*. Es ist nicht meine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Und wenn er mich nicht um meine Hilfe bittet, warum sollte ich sie ihm nunmehr aufdrängen? Selbst du wünscht sie nicht.“
    Ein Blick, der überdeutlich zeigte, dass Sextus sich keiner Schuld bewusst war, traf auf Priscas. Erst da erhielt er etwas leicht verschmitztes, als sich seine Mundwinkel zu einem leicht jovialen Lächeln anhoben und er so frech wie beiläufig anfügte: “Wobei es durchaus interessant gewesen wäre, dich darum bitten zu sehen. Ich wette, die meisten Männer können dir kaum einen Wunsch abschlagen, wenn du sie nur auf die richtige Weise... bittest.“
    Wahrscheinlich war das zu viel und er hatte gleich ihre Hand auf seiner Wange, aber der Spaß war es ihm wert.


    Und er trieb ihn noch ein wenig weiter, verkleidet in schmeichelnde Worte und den so lange geübten, sanften Tonfall, dem schon desöfteren die ein oder andere Frau erlegen war. “Du wirst lachen, aber sie war der Grund, weswegen ich nach Rom geschickt wurde. Mein Vater strebte eine Verbindung an. Doch dank dir, meine Göttin, bin ich nun frei, um mich weiter in deinem Glanz zu sonnen. Denn welche Frau könnte es schon mit deiner Schönheit aufnehmen? Auch wenn dein Gemüt sich wohl verdunkelt hat, selbst in göttlichem Zorn bleibst du begehrenswert.“ Sein Blick sprach von derselben Intensität wie damals bei den Gladiatorenspielen. Ja, diese Frau würde kein Mann mit Blut im Körper von der Bettkante schubsen. “Wenn auch ebenso unerreichbar wie die Sonne.“


    Sim-Off:

    *Töte nicht den Boten.

  • Oh! Hatte mein lieber, vorausplanender Cousin meine plötzliche Ablehnung etwa nicht in seine Überlegungen mit einbezogen?!, fing Prisca den zuckenden Blick von Lupus aus den Augenwinkeln ein und ein zufriedenes Lächeln huschte über ihre Lippen. Sicher war dieser Zug taktiert gewesen, wie er gleichermaßen ernst gemeint war. Nein direkt darum betteln würde sie nicht und ebensowar sie fest davon überzeugt, dass auch Piso niemals auf die Idee kommen würde, ihren Cousin um Hilfe zu bitten. Ausgerechnet ihn! "Du bist also nur der Bote. Ach so. Machst du es dir jetzt nicht etwas zu einfach, lieber Cousin? … Die Welt ist, wie sie ist, weil wir sie zu dem machen, was sie ist. Wir alle, du genau so wie ich und jeder andere auch! Aber gut! Mir steht heute nicht der Sinn nach Philosophiererei. ….", machte Prisca eine wegwischende Handbewegung und sie vermied es dabei ihren Cousin in die Augen zu sehen. Es änderte schließlich nichts an der Tatsache, dass sie und Piso sich dieses Theater selbst eingebrockt hatten und Lupus tatsächlich nur der Bote wäre, der zu berichten hätte was vorgefallen war. Ganz einfach, oder?


    Nicht ganz! Ob der Gewissheit, das Zünglein an der Waage zu sein, ließ Lupus es sich nicht nehmen sie, mit seinem selbstgefälligen und gleichzeitig schmeichlerischen Verhalten, weiter zu necken und das Ganze langsam auf die Spitze zu treiben. Meinte er das am Ende gar ernst mit der Wette? Jedem Anderen hätte Prisca für derlei anzügliche Worte zweifellos eine schallende Ohrfeige verpasst. Bei Lupus war das jedoch etwas anderes und so blieb der Aurelia nichts anders übrig, als tief Luft zu holen um die Beherrschung nicht zu verlieren. Schließlich kannte sie ihn und das gemeinsame Spiel mittlerweile gut genug, um seine Sticheleien gelassen zu erwidern. Aber es kam noch besser! Was??? Lupus ist wegen Nigrina hier in Rom und sie sollten einander heiraten? Und nun wäre jene Verbindung zwischen den beiden hinfällig. Wegen mir und Piso?. Sollte das der Vorwurf sein, hinter seinen Worten "dank dir, meine Göttin, bin ich nun frei …" Das ist ja lächerlich!, begann es langsam in Prisca zu brodeln.


    Täuschte sie sich, oder stünden die Chancen ihres Cousins, Nigrina zur Frau zu erhalten, nicht besser denn je sofern sich die Familien gezwungen sähen, mit eben dieser Ehe den Eklat einer anderen Verbindung zu vertuschen. Wie auch immer. Einen sehr enttäuschten Eindruck machte Lupus jedenfalls nicht sollte es anders kommen, oder machte es ihm einfach nur Spaß seine Cousine derart aufzuziehen. Nein, dieses Mal lullten sein sanfter Tonfall und die schmeichlerischen Worte sie nicht so schnell ein. Aber gut, anderseits dämpften gerade diese Worte ihre Wut so weit, dass sie heraus finden wollte, mit welchen Mitteln sie wiederum den Wolf beeindrucken könnte.Also gut, wenn du weiter unser Spiel spielen willst, nur zu! - und sie machte einem Schritt nach vorn und zur Seite, um sich ihm direkt in den Weg zu stellen. Sollte Lupus ruhig einen tiefen Einblick genießen in das, was sie so zu bieten hatte (und das war nicht wenig), wenn er sich denn schon - im übertragenen Sinn seiner Worte - nach ihrer Schönheit verzehrte. "Ist das wahr? Dein Begehr galt allein mir? Nur für mich, deine Göttin, willst du frei sein?! … Oh Hermes, mein - ach so - schuldloser Götterbote. Wie konnte ich nur so verblendet sein vor Zorn", sprach Prisca mit lieblicher Stimme und einem gespielt schuldbewussten Augenaufschlag in der Rolle der Göttin weiter, die er in ihr heraufbeschworen hatte.


    Gleichzeitig wippte die Aurelia auf die Zehenspitzen vor und ihr rechter Arm zuckte nach oben. Wie zum Schlag, doch trafen nur ihre Fingerspitzen sanft sein Kinn, um langsam darüber zu streichen während sie ihm tief in die Augen sah. "Bitte verzeih deiner Göttin diesen hässlichen menschlichen Makel...", hauchte sie die Worte mit bittender Stimme an sein Ohr. "und sage mir was ich tun kann, um deiner ewigen Treue und Ergebenheit gewiss zu sein. ..."Na, habe ich nicht schön 'Bitte-bitte' gesagt? Prisca hielt sich für keine sonderlich gute Schauspielerin, doch machte es ihr durchaus Spaß den Wolf auf diese Weise zu reizen und ihn heraus zu fordern. Die eigentliche Botschaft hinter ihrer 'göttlichen Bitte' hatte Lupus sicher verstanden. Darauf wetten würde die Aurelia allerdings nicht, dass er sich sofort dazu bereit erklären würde, ihr zu helfen - geschweige denn, bedingungslos ...

  • “Oh, schade, wäre DAS doch wirklich mal ein Thema, über das die Philosophen sich den Kopf zerbrechen könnten. Ist es edler, das einem auferlegte Schicksal klaglos zu ertragen oder aufzustehen und die Dinge zu ändern, die einem nicht passen? Revolutionär würde ich diesen Gedankengang gar nennen, stellt er doch die bisherige Ordnung als solches in Frage. Was dann zu der Überlegung führen würde, ob es denn wirklich eine von den Göttern so geschaffene Ordnung ist, nach der wir handeln, wie es gelehrt wurde, und ob wir als Menschen das Recht haben, über diese Ordnung quantitativ zu befinden und etwas daran zu verändern.“ Sextus gab sich weltgewandt und grübelte laut über die Implikationen ihrer Aussage. Seine eigene Meinung hierzu offenbarte er nicht, schon gar nicht Prisca gegenüber. Er war durchaus dafür, im Rahmen der eigenen Möglichkeiten das beste für sich herauszuschlagen, aber er ging nicht so weit, dafür gleich die gesamte Gesellschaftsstruktur zu opfern. Nicht etwa aus moralischer Verpflichtung oder Pietät – in beiden Dingen war Sextus' Gewissen mit herrlicher Flexibilität ausgestattet – sondern schlicht, weil man eine Ordnung besser ausnutzen und kontrollieren konnte. Revolution war ungewiss, man konnte auf der falschen Seite stehen. Und stand man auf keiner Seite, konnte man auch keine Macht erlangen. Ordnung hingegen war berechenbar. Man musste nur die Schlupflöcher kennen und die gegebenen hierarchischen Strukturen zu nutzen wissen. “Wirklich schade“, schloss er scheinbar gut gelaunt sein kleines Gedankenspiel und schenkte Prisca ein freches, kleines Anheben der Mundwinkel.


    Und dann konnte er ein wundervolles Schauspiel mitverfolgen. Prisca beherrschte sich, wie nur eine Patrizierin sich wohl beherrschen konnte, aber er konnte in ihren Bewegungen sehen, dass seine Worte sie sehr wohl ärgerten. Als sie dann vor ihn trat und sich so zuckersüß an ihn wandte, spannte er schon leicht die Muskeln seiner Wange in Erwartung des Schlages, der wohl gleich unweigerlich kommen musste.
    Hermes... er war schon schlimmeres genannt worden. Mercurius war Gott des Handels und der Diebe, Schutzherr derer, die mit List und Tücke vorzugehen wussten. Und der Gott, der aufgrund seiner Beredsamkeit geschätzt wurde und sich aus jeder Situation hinaus palavern konnte. Ja, mit diesem Vergleich konnte Sextus sehr gut leben. In gewisser Weise war er treffender als jeder andere.
    Prisca stand so direkt vor ihm, und es bedurfte doch eines gewissen Maßes an Konzentration, ihr weiterhin in die Augen zu blicken und nicht die tiefen Einblicke zu genießen, die sie ihm gerade allzu bereitwillig gewährte. Aber das Spiel war zu interessant, um es durch dieses kurzweilige Vergnügen zu vernachlässigen und Prisca damit den Vorzug zu gewähren, ihn unvorbereitet zu erwischen.
    Ohrfeige in drei... zwei... eins... zählte er im Geist schon herunter, als dann auch wirklich ihre Hand vorschnellte. Eigentlich wollte er sie abfangen, aber seine Reflexe waren ein wenig eingerostet. Er erwischte ihr Handgelenk erst, als es eigentlich schon längst hätte klatschen müssen. Was es aber gar nicht tat, da sie ihn nicht geschlagen hatte. Eher... gestreichelt. Er hielt ihre Hand, so fest, dass sie sich ihm nicht einfach entwinden konnte, aber nicht so fest, um ihr weh zu tun, und lauschte ihren Worten.


    Es war eine Falle. Sextus wusste das. Es war nicht ihr ernst. Dafür war sie zu wütend gewesen, dafür war sie nicht skrupellos genug. Er hatte ihren Blick vorhin gesehen, den sie dem Flavier zugeworfen hatte, das war nicht nur ein Schauspiel gewesen. Das hier hingegen war ein Schauspiel.
    Ein kleiner Laut kam kurz über Sextus' Lippen. Der Beginn eines hohlen Lachens, nur halb belustigt, und schon im ersten Keim wieder erstickt, während er sie einfach nur ansah. Er würde, wenn sie es ließ, vieles für sie sein, aber weder ewig und schon gar nicht treu. Aber wenn sie unbedingt wissen wollte, was er von ihr momentan wollen könnte, wer war er, ihr nicht zu antworten? Es gab nur drei Regeln zum überleben. Wähle deine Feinde mit Bedacht. Finde deine eigene Wahrheit. Lass dich nie mit Drachen ein. Sie hatte die wichtigste wohl außer acht gelassen, und Sextus genoss es zu sehr, um jetzt zurückzurudern.
    Seine freie Hand fand beachtlich schnell ihren Weg zu Priscas Nacken, während die zweite noch immer ihr Handgelenk hielt. Fest und stürmisch, aber ohne ihr weh zu tun, drängte Sextus sie einfach an die nächste Wand. Die Hand in ihrem Nacken federte dabei den Stoß ab, so dass ihr Kopf nicht den harten Verputz berührte, als seine Lippen die ihren auch schon fanden. Er küsste sie leidenschaftlich, aber ohne Gewalt. Er würde sie nicht versuchen, zu zwingen, den Kuss zu erwidern oder ihm die Lippen zu öffnen. Das hatten bislang alle Frauen in seinen Armen noch von selbst getan. Die Hand, die ihr Handgelenk hielt, führte dieses etwas nach oben auf Kopfhöhe und hielt sie so an der Wand. Sein Körper drängte ganz leicht gegen ihren, ohne sie dabei aber zu ersticken. Dennoch genug, dass er ihre Rundungen durch den Stoff fühlen konnte und sich seinerseits etwas leicht regte. Sie schmeckte süß, nach Nektar.
    So unendlich die Verlockung war, sich einfach zu nehmen, wonach ihm der Sinn stand, so unmöglich war es, dies durchzuführen. Er durfte sie jetzt nicht nehmen, und er durfte sein Verlangen nicht soweit Herrschaft über seinen Körper ausüben lassen, als dass er es verdrängen könnte. Er löste den Kuss und lockerte den Griff sowohl am Hals als auch am Handgelenk, nahm seinen Körper diese Winzigkeit zurück, dass sie nicht mehr gegen die Wand gedrängt war. Sie konnte ihn wegstoßen, wenn sie wollte.
    Sein Kopf wanderte ganz leicht zu ihrem Ohr. Von ihrem Hals stieg warm der süße Duft ihrer Haut auf. Nicht das Blumenwasser, mit dem sie wohl gebadet hatte, nicht das Duftpuder, nicht der parfümierte Stoff des Kleides. Nein, ihre warme Haut, hintergründiger, tiefer, sinnlicher. “Was ich wünsche ist der goldene Apfel aus dem Garten der Hesperiden. Was ich wünsche ist Nektar und Ambrosia. Doch das gewähren die Götter den Sterblichen nicht.“ Er merkte, dass seine Zunge schwer war wie vom Wein. Dies war gar nicht so ungewollt. Sollte sie denken, dass sie ihn damit einwickeln konnte, sofern sie überhaupt bereit dazu war, dieses Risiko einzugehen und aus dem Spiel Ernst zu machen.

  • Tja, wahrscheinlich wäre es besser gewesen mit Lupus weiter über die Welt und das eigene Schicksal zu philosophieren und vielleicht hätte Prisca ihren Cousin auf diesem Weg eher dazu gebracht, ihr einen Wunsch zu erfüllen ohne darum betteln zu müssen. Aber nein! Stattdessen musste ich die verführerische Göttin mimen, die mit ihren Reizen lockt und denkt 'schupps', damit habe ich ihn in meine Falle gelockt und er frisst mir aus der Hand… Was hab ich mir eigentlich dabei gedacht?!, schalt sich Prisca für ihre eigene Dummheit. Offensichtlich nicht viel! Wenn sie ehrlich war, wäre dieser Weg auf alle Fälle tabu, egal wie Lupus auf ihre Verführungskünste reagiert hätte. Unabhängig davon war dies natürlich nur ein Spiel, nicht mehr und nicht weniger. Eines, wie sie es bereits im Stadium gespielt hatten, nur, wer hatte eigentlich die Regeln festgelegt? ...


    Zumindest schien es kein Verbot zu geben die eigenen Cousine zu küssen und genau das hatte Prisca nicht erwartet, obwohl sie es augenscheinlich provoziert hatte. Und als Quittung bekam Prisca nun zu spüren was es hieß, den Wolf zu reizen. Seinen Griff um ihr Handgelenk hatte die Aurelia noch gelassen gesehen, sozusagen als versuchte Abwehr einer Ohrfeige. Als Lupus sie jedoch nicht mehr los ließ, sondern plötzlich im Nacken packte und er sie stürmisch gegen die nächstbeste Hauswand presste, bekam es Prisca doch etwas mit der Angst zu tun. Nicht wegen Lupus und das er ihr absichtlich weh tun könnte, sondern vielmehr wegen der Erkenntnis, dass er es eventuell ungewollt täte, weil sie definitiv zu weit gegangen war. Was sollte sie jetzt tun? Mich wehren, ihn wegstoßen? Viel hätte sie ihrem Cousin sicher nicht entgegensetzen können, allerdings versuchte es Prisca auch gar nicht erst. Ihr ganzer Körper bebte zwar und ihre Hände waren zu Fäusten geballt, doch das definitive "Nein!" ging völlig unter, in einem erstickten Seufzer den Lupus ihr, zusammen mit ihrem Atem raubte.


    Ein wenig Praxis im küssen hatte Prisca ja nun schon gesammelt: Angefangen bei der Reihe gebräuchlicher "Alltags-Küsse", wie dem Handkuss, dem Begrüßungsbussi, dem Gute-Nacht-Kuss, Den Kuss als Trostpflaster, -als Dankeschön, -als Ausdruck familiärer Zuneigung usw. ..… bis hin zu den emotional gesteigerten Küssen, die Ausdruck der Sinnlichkeit, Liebe, Leidenschaft und Lust waren. Wo genau wäre also jener Kuss, den Lupus ihr gab, am besten einzuordnen? Zweifellos versprühte die Berührung seiner Lippen und die Nähe seines Körpers ein gewisses Verlangen, sich dem hinzugeben, wonach es ihnen beiden gelüsten mochte. Oder war dieser Kuss am Ende nur gestellt und völlig bedeutungslos, weil er das Ergebnis eines Schauspiels war - und verboten obendrein.


    Prisca konnte es am Ende nicht einmal mit Gewissheit sagen, warum sie es hatte geschehen lassen und welche Gefühle und Gedanken sie in dem Moment für ihren Cousin hegte, als sich ihre Lippen wieder trennten und er den Griff etwas lockerte. Sollte sie ihn nun fort stoßen, ihn anbrüllen oder das Spiel weiter auf die Spitze treiben und riskieren, dass eine Dummheit geschähe? Die Aurelia tat nichts dergleichen, sie starrte ihren Cousin lediglich aus großen Augen an, während sie schwer atmend zwischen ihm und der Hauswand verharrte. Ich könnte mich wenigstens darüber ärgern, dass mein Onkel ausgerechnet diesen Kuss nicht bekommen hat, überlegte Prisca resignierend, was zweifellos für sie aber besonders für Lupus ein übles Nachspiel gegebenen hätte. Am besten wäre es, froh zu sein, dass nicht mehr passiert war!


    Prisca stieß einen ergebenen Seufzer aus, denn sie wusste einfach nicht mehr weiter. Alles erschien ihr ausweglos, ihr Cousin war der einzige Hoffnungsschimmer und mit seinem Kuss hatte er ihr nun nicht nur den Atem, sondern auch noch den letzten klaren Gedanken für heute geraubt. Es war einfach zu viel war an diesem einen Abend passiert, als das sie wirklich überzeugend hätte die Göttin weiter spielen können. So schwer es auch fiel sich das einzugestehen: Sie war die Verliererin. Zum Zeichen ihrer Niederlage ließ Prisca deshalb müde die Arme sinken, ihre Hände legten sich auf seine Brust und mit sanftem Druck versuchte sie Lupus von sich fort zu schieben. "Wenn du selbst sagst, dass die Götter derlei Wünsche den Sterblichen nicht gewähren, wie könnte ich sie dir dann jemals erfüllen … ?", erwiderte Prisca verbittert und resigniert klingend zugleich. Bewusst vermied sie es ihm in die Augen zu sehen, denn sie wollte nicht sehen wie er triumphieren würde über den Sieg, den zweifellos über sie errungen hatte. "Wenn es etwas gibt, dass dich bewegen mag mir und Piso zu helfen so sag es mir einfach … jetzt! … Oder bring mich einfach nur sicher nach Hause" und tu, was immer du tun musst!" Nein, nicht einmal jetzt konnte Prisca ihren Cousin wirklich um Hilfe "bitten", sie wollte nur definitiv Klarheit, woran sie bei ihm wäre ...

  • Erst, nachdem er sie freigab, drückte sie ihn ganz sanft von sich. Nicht etwa zornig oder energisch, sondern nur ganz leicht. Einen Augenblick hielt Sextus noch dagegen, blieb über ihr wie ein über seiner Beute kauernder Wolf, ehe er sich zurückschieben ließ. Sein Blick, der unablässig auf Priscas Augen ruhte, war aber noch immer durchdringend und ganz auf sie fixiert. Ganz so, als gäbe es die restliche Welt nicht.
    “Ich dachte, ich bin dein Mercurius? Du, meine Göttin, könntest es gewähren, wenn du es wolltest.“
    Sextus war weit entfernt davon, darum zu betteln. Und viel weiter war er davon entfernt, etwas für Prisca zu empfinden. Sie war eine Beute, ein Preis, den es zu erringen galt. Sie war schön und sie war verboten. Es wäre aufregend, sie einmal zu besitzen. Vor allem, wenn dieses eine Mal noch vor ihrer Ehe wäre. Aber weder würde es ihn in Verzweiflung stürzen, wenn er sie nicht bekäme, noch fühlte er etwas für sie als Person. Zumindest nicht genug, um sich nicht einfach heute Nacht mit einer Sklavin zu trösten. Und das würde er.


    Sie hingegen flehte ihn fast an, er solle ihr sagen, was er als Preis haben wollte. Die Sänftenträger hatten unterdessen aufgeschlossen und standen etwas zweifelnd zwei Schritte entfernt von ihren Herrschaften. Sie wussten nicht so recht, was sie tun sollten, und bemühten sich, nichts mitzubekommen, was dort weiter geschah. Als Sklave lebte man am längsten, wenn man nichts hörte und nichts sah und daher auch nichts sagte. Dennoch war dies noch ein weiterer Stolperstein, den Sextus nicht außer Acht lassen konnte. Er konnte sie nicht einfach nehmen, egal ob sie ja oder nein dazu sagte. Wenn es denn geschehen sollte, dann ging das nicht auf dem Heimweg vom Theater, sondern bedurfte besserer Planung. Was wiederum hieß, dass sie freiwillig zu ihm kommen musste und es wollen musste. Sextus war nicht so verrückt, für diese Frau seine Karriere zu riskieren.
    “Du weißt, was ich von dir will. Aber ich will es nicht als Bezahlung, und erst recht nicht dafür, dass du einen anderen Mann heiratest.“ Eine gute Lüge erforderte immer eine Erklärung ihrer selbst, die der andere sowohl logisch als auch emotional erfassen konnte. Sollte Prisca denken, dass er wirklich etwas für sie empfand. Sollte sie denken, er sei eifersüchtig. Wenn sie das annahm, nahm es ihr die Gelegenheit, wirklich wütend auf ihn zu sein und schloss Rache weitestgehend aus.


    Sextus ließ endgültig von ihr ab und trat einen Schritt von ihr zurück. Er schwieg eine Weile und sah sie einfach nur an. Er überlegte. Was wollte er eigentlich? Die Antwort auf diese Frage war recht simpel: Macht. Im lag nichts an Eroberungen oder an Freundschaften. Nicht übermäßig. Nur Macht zählte. Und hatte Prisca in dieser Beziehung irgend etwas zu bieten, was ihm nützen würde? Einfluss, den er ohne sie nicht hätte? Einfluss, den sie noch erlangen würde in ihrem Leben, als Frau des Flaviers?
    Sextus wusste, wenn er jemals etwas von ihr fordern wollte, musste es jetzt sein. Dieser Moment war der einzige, den er erhalten würde, in diesem Moment hatte er sie so vollkommen in der Hand wie wohl nie wieder. Die Frage also war, was sie ihm letztendlich bieten konnte, denn was immer er verlangte, sie würde es ihm geben müssen. Es wäre ein Angebot, das sie nicht ablehnen konnte.


    Er seufzte schließlich, und es klang ehrlich. Die Schauspieler auf der Bühne vorhin hätten von ihm noch einiges lernen können. “Gut, aber unter einigen Bedingungen.“
    Sextus bewegte sich weiter in Richtung ihres Zuhauses, wartete, dass Prisca aufschloss. Seine Worte mussten wohl gewählt sein. Sie musste ihm abkaufen, dass er es ihr zuliebe tat und sich nur absichern wollte. “Ich kann nicht garantieren, dass Marcus auf mich hören wird. Du weißt selbst, wie er zu dem Flavier steht.“ Das sollte von Anfang an klar sein. Nicht, dass sie am Ende dachte, sie schulde ihm nur etwas, wenn er Erfolg hatte. “Du und der Flavier, ihr seid mir einen Gefallen schuldig. Ich werde ihn nicht gleich einlösen, aber wenn ich ihn einfordere, und das schwörst du mir auf Iuppiters Stein, wirst du alles daran setzen, den Gefallen zu erfüllen. Und du wirst auch den Flavier dazu bringen, es einzulösen. Ganz gleich, was es ist.“ Es war nicht mehr und nicht weniger als die Forderung, dass sie ihm vertrauen musste, dass der Gefallen nicht unmöglich oder gefährlich für sie wäre. Aber eines war klar, Sextus würde sich diesen Gefallen gut aufheben. Der Flavier stand einige Stufen über ihm auf der Karriereleiter, und es würde sicher eines Tages eine politische Entscheidung anstehen, bei der Sextus ihn brauchen würde. Es war die perfekte Gelegenheit, sich so jemanden zu sichern, der nicht offen gegen ihn Partei ergreifen konnte, weil er durch einen Schwur gebunden war. Selbst, wenn nur Prisca schwor und der Flavier sich darauf nicht einlassen würde. Sie würde es nicht brechen können. “Schwör es, und ich werde im Gegenzug das tun, was in meiner Macht steht, damit Marcus der Ehe zustimmt.“
    Solch ein Gefallen war mehr wert als das kurzfristige Vergnügen, den Flavier beim Scheitern zu beobachten. Und wenn sie nicht zustimmte, konnte er das noch genießen. Im Grunde konnte er nur gewinnen.

  • Lupus mochte mit vielem recht behalten. Sowohl durch seine Worte, wie auch in seinen Gedanken und wahren Absichten (welche der Aurelia natürlich verborgen blieben). Prisca glaubte seinen Worten tatsächlich, ohne eine Lüge dahinter zu vermuten, so überzeugend, wie er ihr ins Gesicht sagte, dass er sie begehrte. Ist er gar eifersüchtig? Oh ja, es klang durchaus echt und irgendwie schmeichelte ihr das. Es suggerierte ihr eine gewisse Macht, mit den Männern spielen zu können - sofern sie wollte. "Du weißt, was ich von dir will" … Ja das nahm Prisca zumindest an und allein deswegen hätte sie niemals wütend reagieren können. Doch in einem Punkte mochte Lupus sich allerdings geirrt oder eventuell zu viel Vertrauen, in seinen unvergleichbar direkten Charme gelegt haben. Ich mit ihm? Er denkt doch nicht etwa allen Ernstes, dass ich mich jemals darauf einlassen würde? Ungläubig starrte die Aurelia einen Moment lang zurück und egal wie anziehend sie solche Typen wie Lupus auch fand, so vernebelt konnten ihre Sinne gar nicht sein, dass sie nicht wüsste was dann passieren würde. Lupus war und blieb ihr Cousin! Sie waren eine Familie. Ihm brauchte sie doch nicht zu erklären, welche Konsequenzen Inzucht nach sich ziehen würde. Weder vor, noch während, oder gar nach der Hochzeit. Nicht freiwillig und auch nicht gezwungener Maßen würde sie mit ihm … niemals ...


    "Oh Lupus!", klang die Aurelia fast schon bedauernd und in der festen Überzeugung ihn nun zu enttäuschen, da sie seine Gefühle weder erwidern würde, noch er offensichtlich die Konsequenzen bedacht hatte. "Und ich dachte, du wärst dir bewusst, dass wir nur ein Spiel zusammen spielen, liebster Mercurius. … Lupus! … Götter hin oder her. Echte Gefühle sind dabei tabu! Oder dachtest du wir beide wären göttergleich, dass wir einen Sturz vom trapejischen Felsen überleben könnten!" Höchstwahrscheinlich würde es nur ihr Todesurteil bedeuten, seine Karriere oder gar seinen "guten" Ruf könnte ihr Cousin allerdings vergessen.


    Ob ihn solche offenen Worte wirklich trafen? Prisca konnte keine Gedanken lesen und auch eine Reaktion auf seinem Gesicht blieb ihr verborgen, denn mittlerweile hatte Lupus sie wieder los gelassen und war ein paar Meter voraus - auf dem Nachhauseweg. Im Gehen sprach er nun davon, dass er ihr unter bestimmten Bedingungen sogar helfen würde. Wirklich? Nun hatte Prisca alle Mühe ihre Neugier soweit in Zaum zu halten, dass sie die wenigen Meter zu ihm nicht allzu eiligen Schrittes aufholen würde. So verzweifelt wollte sie dann auch nicht wirken, obwohl es im Grunde offensichtlich wäre, dass sie seine Hilfe unbedingt wollte, weil sie keinen anderen Ausweg mehr sah.


    Was Lupus schließlich forderte war eindeutig und im ersten Moment wusste Prisca nicht, ob sie sich wirklich darauf einlassen sollte. Wer gewann letztendlich außer Lupus? Wenn er Erfolg hat, habe auch ich was ich will. Wenn er hingegen scheitert, habe ich nichts mehr zu verlieren Dann wäre der Gefallen ebenso hinfällig, wie alles andere auch. Und wenn nicht? Um welchen Gefallen würde Lupus sie irgendwann bitten? Sollte sie, oder Piso gar, als Fürsprecher für ihn auftreten? Gut möglich. Solche (politischen) Gefälligkeiten waren aber doch keine Seltenheit und von daher -.^… . Oder würde Lupus soweit gehen und verlangen, dass sie etwas illegales für ihn täte. Sicher sein dürfte sie nicht doch, andererseits, könnte sie ihm ebenso wenig eine Erfolgsgarantie geben wie er ihr. Wenn ich also scheitern sollte, was kann Lupus mir schon großartig anhaben? Nichts! .. Nicht ohne sich selbst lächerlich zu machen, sollte er unsere Abmachung jemals verraten und wenn sie erst einmal verheiratet wäre, könnte auch ihr Cousin dies nicht mehr rückgängig machen ....


    Die Aurelia betrachtete ihren Cousin abschätzend von der Seite während sie die Vor- und Nachteile dieser Abmachung gegeneinander abwog und zu dem Schluss kam, dass sie letztendlich nicht viel zu verlieren hatte. "Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass auch du nicht unbedingt die Entscheidung meines Onkels beeinflussen kannst. Aber! Ohne Hochzeit - kein Gefallen! … Ebenso wenig kann ich dir dafür garantieren, dass ich deinen Gefallen zu erfüllen vermag, sofern du mich irgendwann darum bittest." Was auch immer das sein mag, sei mal dahin gestellt", fasste Prisca die Rahmenbedingungen noch einmal zusammen und schwieg einige Sekunden. Waren sie sich soweit einig?


    "Also gut. Sobald ich Piso´s Frau bin, tue ich dir einen Gefallen und werde alles daran setzen, dir diesen zu erfüllen - egal um was du mich auch bitten magst. Das schwöre ich dir auf Iuppiters Stein und an diesen Schwur bin ich so lange gebunden, bis du den Gefallen von mir einfordern wirst", tat Prisca mit einen tiefen Atemzug den Schwur den zu erfüllen sie, ihrer großen Liebe wegen, bereit wäre, selbst wenn sie dabei ein leicht mulmiges Gefühl in ihrer Magengegend verspürte. Ihre Augen waren dabei unablässig auf die ihres Cousins gerichtet und ihre feste Stimme sollte eigentlich keinen Zweifel daran lassen, dass sie es absolut ernst meinte.


    "Zufrieden?", fragte sie ihren Cousin, einen weiteren tiefen Atemzug später und mit einem eindringlichen Blick wartete sie nun auf seine Antwort.

  • Tarpejischer Felsen? Einen Moment lang schaffte es Prisca tatsächlich, Lupus aus dem sorgfältig zurechtgelegten Konzept zu bringen. Warum sollte sie jemand vom tarpejischen Felsen werden, wenn sie...? Ach nein, sie dachte, es sei Inzucht? Innerlich lachte Sextus auf, wenngleich er äußerlich seinen bedauernden Gesichtsausdruck beibehielt.
    “Oh, Göttin, liebste Göttin, ich fürchte, in so manchem Spiel steckt mehr Leben, als man es gleich sieht.“ Er sollte Schauspielunterricht geben. Wenn dieser Berufsstand nicht absolut indiskutabel wäre, hieß das. Jeder, der mit ihnen engere Bindungen hatte, wurde nicht umsonst von allen Ämtern ausgeschlossen. Dennoch blieb die Tatsache, dass Sextus wohl begabt wäre, denn noch immer blieb sein ganzes Gebaren bedauernd. Kurz überlegt er, sie gleich über die Gesetzeslage aufzuklären und darüber, dass sie viel zu entfernt verwandt seien, als dass es eine Rolle spiele. Bei Iuno, wenn ein Caesar Claudius seine eigene Nichte ehelichen konnte, dann konnte er doch wohl mal ein paar süße Stunden mit Prisca verbringen. Aber er beließ es erst einmal dabei. Sollte sie in dem Glauben bleiben, dass es nicht ginge, sollte sie sich vielleicht ein wenig am Reiz des Verbotenen nähren. Sollte sie eine Sehnsucht nach ihm entwickeln, die er auch weiterhin schüren würde, wenn sie ihn ließ und nicht in den schwülstigen Phrasen des Flaviers unterging. Und dann konnte er ihr vielleicht doch eröffnen, dass es durchaus alles möglich war, so sie nur wollte. Vielleicht.


    Aber das hatte Zeit, das war nur die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Das, was Sextus eigentlich wollte, wurde ihm gerade auf dem Silbertablett angereicht. Sie schwor, auf Iuppiters Stein. Gut, mit der Einschränkung, dass sie sich nur dann daran gebunden fühlte, wenn sie Piso heiraten würde, aber was nützte ihm auch sonst diese Zusage? Ihm ging es ja nicht um die Macht, die sie unter Umständen haben würde – die ja ohnehin nur in Einfluss auf ihren Mann bemessen werden konnte – sondern um die Macht, die der Flavier vielleicht erhielt. Wenn er denn den nötigen Grips für die Laufbahn als Politiker offenbarte, was im Moment die größte Variable in Sextus Gleichung darstellte.
    “Wie könnte man mit dem Trostpreis zufrieden sein?“ meinte Sextus, noch immer in seiner Rolle als eifersüchtiger Verlierer bleibend und sah Prisca einmal leicht leidend an. Gerade so viel, dass sie es sehen konnte, aber nicht so viel, als dass man den Eindruck eines geprügelten Hundes bekommen könnte. Dafür war er dann doch zu stolz. Kein Kerl jammerte so herum, schon gar nicht in der Öffentlichkeit und erst recht nicht wegen Sex, den man auch anders bekommen konnte. Schon zweimal nicht, wenn man es realistisch aussehen lassen wollte. “Aber ja, dein Schwur genügt mir. Ich werde morgen früh mit ihm reden und mein bestes versuchen. Ich hoffe, dein Galan weiß das zu schätzen.“ Das wiederum hoffte er wirklich. Wenn er schon nicht die Freuden einer ordentlichen Feindschaft genießen konnte, dann wollte er wenigstens, dass der Flavier wusste, wem er sein Glück zu verdanken hatte. Und es wäre ihm sogar nicht unrecht, wenn er den Preis erfahren würde. Ein Schwur auf Iuppiters Stein war bindend, nichts verwerflicher, als diesen zu brechen. Und er glaubte nicht, dass Prisca derart abgebrüht war, den Gott wirklich herauszufordern, indem sie ihr Wort nicht hielt. Im Großen und Ganzen war er also durchaus sehr zufrieden mit ihrer Aussage.


    “Möchtest du den Rest laufen, oder wollen wir die armen Sänftenträger davon erlösen, uns einfach nur hinterherzulaufen?“ Die Frage war leicht und unschuldig gestellt. Sie waren die halbe strecke schon fast gelaufen, und Sextus war gewiss nicht lauffaul. Aber es war einfach nicht standesgemäß, außerdem, wozu hatte man denn die verdammte Sänfte sonst mitgenommen? Und natürlich bot sich so die Möglichkeit, dass Prisca ihre Meinung vielleicht doch noch einmal änderte, was gegenseitige Nähe anging.

  • Mochte ihr Cousin das mit dem Spiel und der Realität ruhig nicht so eng sehen. Prisca blieb (wider besseren Wissens) auf dem Standpunkt, dass es Inzucht wäre. Schließlich trugen sie beide den selben Gensnamen! Wenn das heraus käme, dass zwei Aurelier miteinander … wen würde es da schon großartig interessieren wie nah oder entfernt verwandt sie miteinander wären?! Natürlich müsste es nicht undbedingt heraus kommen, wenn sie beide nur vorsichtig genug wären aber … abgesehen von ein paar vergnügliche Stunden mit ihm. Was käme danach Nein! Trotz seiner einnehmenden Art, den vielen Schmeicheleien und dem Reiz des verbotenen Spiels verspürte Prisca - dem Verlauf des heutigen Abends nach - nicht mehr unbedingt das Verlangen, sich wirklich mit Lupus einzulassen. Abgesehen davon wäre dies, vor ihrer Ehe, ohnehin tabu für sie gewesen.


    So musste Lupus also mit dem Trostpreis vorlieb nehmen, wie er es selbst bezeichnete. Das schien ihm nicht besonders zu gefallen und er wirkte dabei tatsächlich wie ein eifersüchtiger Liebhaber, der sich mehr erhofft haben mochte. Wobei er sich doch nicht beschweren konnte, denn so ein 'Blanko-Gefallen' wäre doch auch etwas wert, noch dazu geschworen auf Iuppiters Stein. Prisca hatte jedenfalls nicht vor ihren Schwur leichtfertig zu brechen, denn sie fürchtete durchaus den Zorn der Götter. Das wiederum rief einen völlig absurden wie gleichsam im Bereich des Möglichen liegenden Gedanken in ihr wach. Und was mache ich, falls Lupus irgendwann auf die Idee kommt er könne MICH damit einfordern? Prisca schluckte und sie musterte ihren Cousin verstohlen aus den Augenwinkeln, so als könnte sie auf diese Weise seine Gedanken lesen.


    Womöglich würde Lupus ein solch unmoralisches Angebot tatsächlich in Erwägung ziehen, wäre es doch vielleicht ein kurzweiliges Vergnügen für ihn, über seine Cousine nach Belieben verfügen zu können. Was auch immer ihm dabei vorschweben mochte. Anderseits konnte sich die Aurelia nicht vorstellen, dass er leichtfertig etwas derartiges tun würde. Wahrscheinlich denkt er nicht einmal daran, sondern will nur von meinen Verbindungen zu den Flaviern profitieren, mutmaßte Prisca über die möglichen Absichten ihres Cousins, ohne diese jedoch ergründen zu können. Ändern würde es eh nichts mehr an der Tatsache, dass sie ihm ihr Wort gegeben hatte und außerdem stand noch lange nicht fest, ob all ihre Bemühungen tatsächlich von Erfolg gekrönt wären.


    Wir werden sehen, tat Prisca schließlich einen ergebenen Seufzer und nickte auf seine Worte hin. Lupus war zu frieden und sie war es - den Umständen entsprechend - auch. Weiter darüber nachzugrübeln brächte heute Abend ohnehin nichts mehr und so war die Aurelia nicht abgeneigt, den Rest des Weges in den Sänften zurück zu legen. Selbstverständlich er in seiner und sie in ihrer. "Nein ich möchte nicht mehr weiter laufen. Lass uns die Sänfte .n..äh .ehm.en…", verschluckte sich Prisca beinahe beim sprechen, denn gerade als sie dem Vorschlag ihres Cousins bereitwillig zustimmte erkannte sie, dass die Träger nur eine Sänfte dabei hatten. Wieso das denn?, blickte die junge Aurelia ratlos zu den Trägern hinüber bis ihr wieder einfiel, dass sie tatsächlich mit nur einer Sänfte zum Theater aufgebrochen waren.


    Wer konnte zu dem Zeitpunkt schon ahnen, dass dieser Abend so enden würde. Ich mit ihm in einer Sänfte? Da laufe ich doch lieber ... Nein! Meine Füße tun mir weh und außerdem … ach egal!, schnaubte Prisca leise und nach kurzem zögern steuerte sie - vorbei an Lupus - auf die Sänfte zu, in der Absicht diese für sie alleine zu beanspruchen. Dementsprechend provokant räkelte sich die Aurelia sogleich in die Mitte der Liege und drehte ihm demonstrativ den Rücken zu. Ob das ihren Cousin davon abhalten würde, ihr zu nahe kommen zu wollen? Es war fraglich, doch die wage Hoffnung blieb bis zuletzt ...

  • Von Priscas Befürchtungen bekam Sextus nichts mit. Wieso auch? Für ihn war sonnenklar, dass er diesen Gefallen dann einbringen würde, wenn es ihm am meisten nützte. Folglich konnte es nur ein Gefallen politischer Natur sein, denn alles Private würde sich auch so ergeben. Und bis zu diesem Zeitpunkt, wenn er ihn einforderte, würde Prisca nichts weiter von ihm denken können, als dass er ihr völlig selbstlos einen Gefallen erwiesen hätte. Nur für sie, weil sie ja so bezaubernd war. Sextus gefiel diese Vorstellung zunehmend besser und besser. Nun musste er nur noch seine Talente dafür einsetzen, Corvinus soweit zu erweichen, dass er darüber nachdachte.
    Erst Priscas Zögern riss ihn einen Moment aus seinen Überlegungen, die er mit kühler Effizienz vorantrieb. Was war denn jetzt schon wieder kaputt? Konnte sie mit einem Kerl, dem sie einen Korb gegeben hatte, nicht eine Sänfte teilen, oder wo lag das Problem? Oder aber erwartete sie von ihm, dass er bettelnd ankam? Einen Blick auf ihre rückwärtigen Rundungen werfend kam Sextus diese Idee auch sehr verlockend vor, aber nein. Am Ende echauffierte sie sich nur über seine aufdringliche Art und Weise und stieß ihn wie Hercules den Faunus mit einem kräftigen Stoß auf die Straße. Nein, hier gab es nur wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren. Sextus war ein Taktiker, kein Spieler. Und vor allem bediente er nicht oder lief einer Frau hinterher wie ein Hundchen.


    Einen letzten Blick auf ihr wohlgeformtes Hinterteil werfend, das sie ihm so bereitwillig präsentierte, zuckte er mit den Schultern und stieg ebenfalls in die Sänfte – gegen die Laufrichtung der Träger. Mit dem Kopf am Fußende war es gewiss nicht ganz so bequem wie andersherum, aber es bot weitaus mehr Platz als wenn er sich zu Prisca direkt dazugesellt hätte. Die hatte ja den Großteil der Sänfte für sich beansprucht, beinahe schmollend mochte man meinen. “Edle Göttin, gewährt ihr mir ein Kissen?“ fragte er sanft und ruhig, während die Träger die Sänfte anhoben und mit trippelnden Schritten vorwärts bewegten. Kurz zuckte es in seinem Mundwinkel, als er sich vorstellte, wie sie wohl reagiert hätte, hätte er sich wirklich direkt hinter sie gelegt und selbe Frage in ihr Ohr gehaucht. So ganz mochte er ihr ihre Entrüstung nicht abnehmen, dazu hatte sie zu bedauernd geklungen. Und dieser mitleidige Ton in ihrer Stimme, ehe sie ihm ihren Schwur geleistet hatte, war es auch, der ihn diesen Krieg noch nicht verloren geben ließ. Diese Schlacht mochte er vielleicht nicht mehr gewinnen, aber wer wollte schon voraussagen, was der nächste Tag da noch offen hielt?

  • Vielleicht wäre Prisca erleichtert gewesen, hätte sie geahnt, dass Lupus mit dem Gefallen "nur" auf politische Dinge und nicht auf seine Cousine abzielte. Vielleicht wäre sie ihm deswegen sogar ein bisschen beleidigt gewesen, hätte sie das gewusst, ohne sich dies natürlich offen einzugestehen. Wer weiß. Zumindest aber wäre sie etwas schlauer aus ihrem undurchsichtigen Cousin geworden, was seine konkreten Ziele betraf. So blieb "nur" das Bild des eifersüchtigen Wolfs in Priscas Geist haften. Dem Wolf ohne Moral, der wusste wie er seine Opfer mit seinem Charme zu erlegen hatte, um von ihnen zu bekommen wonach ihm gelüstete. Lag sie mit dieser Einschätzung am Ende gar so falsch? Oder war das ihre rein subjektiv beeinflusste Sichtweise die sie unlängst, durch das Spiel der Zweideutigkeiten, von ihm gewonnen hatte.


    Wie (s)ein Opfer fühlte sich Prisca jedenfalls nicht, obwohl sie womöglich längst in seinen Klauen zappelte. Allein dieser Schwur auf einen blanko Gefallen! Nein nein! Sie war in dem festen Glauben dennoch alles fest im Griff zu haben, einschließlich ihres eifersüchtigen Cousins, der sich offensichtlich nach ihr verzehrte. Es wäre gelogen, hätte Prisca dies insgeheim nicht sehr schmeichelhaft empfunden, gerade, weil sie es genoss dieses Spiel mit ihm zu spielen. Also wollte sie sehen wie er darauf reagieren würde, wenn sie ihm nun die gemeinsame Sänfte streitig machte. Und?! Gibt er auf und läuft lieber, oder bittet er mich darum mitgenommen zu werden? … Nein, natürlich nicht. Hab ich was anderes erwartet?! Mit den Augen rollend und leise schnaubend quittierte Prisca das leichte Ruckeln der Sänfte, als Lupus wortlos einstieg und die Träger anschließend die Trage anhoben. Viel Platz blieb ihm allerdings nicht, auch nicht mit dem Kopf am Fußende, da die Aurelia immer noch mittig und mit dem Rücken zu ihm lag und so die meiste Liegefläche beanspruchte.


    Muss ziemlich unbequem sein so ganz am Rand zu liegen, schmunzelte Prisca in sich hinein, seine Frage nach dem Kissen zunächst ignorierend. Kurz überlegte sie hin und her, ob sie ihn und dieses gemeinsame Spielchen ein für allemal beenden sollte, oder … ob es nicht besser wäre so zu tun, als sei nichts gewesen? Naja, so "schrecklich" empfand sie ihren Cousin (trotz seiner spartanischen Ansichten) nun auch wieder nicht, dass sie von nun an kein Wort mehr mit ihm reden würde und abgesehen davon, … wäre es auf diese Weise womöglich einfacher, ihn (weiter) um den Finger zu wickeln. Wer weiß wofür das gut sein mag …


    Schließlich drehte sich die Aurelia langsam auf den Rücken und machte sogar freiwillig etwas Platz während sie Lupus mit einem sinnlichen Lächeln verführend in die Augen sah - so als wolle sie ihn damit hypnotisieren. Gleichzeitig griff Prisca nach einem der herum liegenden Kissen und warf es ihrem Cousin unvermittelt an den Kopf. "Hier, bitte! … Auf das dein Haupt weich gebettet liegen mag, mein lieber Hermes, wenn du schon so brav deiner Göttin zu Füssen liegst. ", kicherte Prisca mit offensichtlicher Freude über dem 'Treffer', der selbstredend natürlich keinerlei Schaden an dem Antlitz ihres Cousins hinterlassen hatte, außer einer verrutschten Haarsträhne vielleicht.


    "Hach! Ich hatte ja nicht zu hoffen gewagt, dass du mich so schnell um deinen Gefallen bitten wirst. Und dann auch noch so etwas banales, wie dieses Kissen. Habe ich nun meine Schuldigkeit getan, oder verlangt mein göttlicher Retter nach einer weiteren Tat seiner Göttin?", tat Prisca - gespielt erleichtert - einen tiefen Seufzer und fast könnte man meinen, die Aurelia hätte schnell und heimlich etwas geraucht, das ihre Stimmung so plötzlich wieder hob und sie derart albern klingen ließ. Doch im Grunde war sie ziemlich erschöpft und entsprechend müde lehnte Prisca zurück in die weichen Kissen, um ihren Cousin schmunzelnd weiter anzublicken. ….

  • Und recht gehabt. Ihre Entrüstung war nur gespielt, sonst würde sie sich jetzt nicht die Mühe machen, ihn wieder zu locken. Aber das Spiel war jetzt schon viel weiter gediehen, und Sextus war nicht hier, um zu bedienen und zu bedienen, und am Ende keinen Lohn einzustreichen. Für ihn war die Rechnung sehr einfach. Prisca hatte klar gemacht, dass sie in absehbarer Zukunft nicht gedachte, mit ihm ins Bett zu steigen. Wenn sie dann dennoch erwartete, dass er dennoch wie ein braver Hund artig bei Fuß lief und Männchen machte, dann schätzte sie ihn falsch ein. Natürlich würde er sie auch weiter immer wieder umgarnen, natürlich verteilte er an die Frauenwelt schmeichelnde Worte. Aber das war nicht, was eine Frau einzufordern hatte. Wenn er eine Frau mit dieser Art der Aufmerksamkeit beschenkte, dann nur dann, wenn es für sie ein Geschenk war, eine Kostbarkeit. Kein kleiner Zeitvertreib aus Langeweile, nach dem man sich wieder interessanteren Dingen zuwandte, wie der neuesten Mode aus Mantua.
    Sextus richtete also sein Kissen, das ihn eben noch leicht getroffen hatte, und machte es sich bequem. Prisca reizte weiter und meinte, damit ihm einen Gefallen getan zu haben. Diesmal lachte Sextus dann doch laut und voll auf, und lehnte sich ein wenig kopfschüttelnd einfach bequem zurück. Er machte sich nicht viel Mühe damit, ihr möglichst bequem platz zu lassen, so dass sein Bein direkt an ihrem lag und sie eigentlich nur die Wahl hatte, weiterhin mit ihm Körperkontakt zu behalten oder doch beiseite zu rücken. Die Hände hatte er bequem hinter den Kopf gelegt und stützte sich so zusätzlich noch etwas.


    Er betrachtete sie eine Weile mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht, ehe er sich kopfschüttelnd der Decke zuwandte und dort einfach einen Moment hochschaute. “Ich denke, ein wenig größer als ein Kissen wird der Gefallen schon ausfallen, und ich werde ihn auch etwas direkter einfordern.“ Ihm war jetzt nicht danach, das Spiel erneut aufzunehmen. Nicht, wenn es so gänzlich aussichtslos war, dafür etwas adäquates zu erhalten. Er bediente nicht, auch wenn er sich manchmal als Diener der holden Weiblichkeit gab.
    “Von daher wird meine Göttin wohl noch weiter ein wenig in der Ungewissheit harren müssen. Vor allem, da auch erst ihr getreuer Götterbote sein Geschick unter Beweis stellen muss, nicht?“ Sextus sah nur einmal zu ihr hinüber, hob fragend die Augenbrauen und lehnte sich dann wieder bequem auf seine Arme zurück. Sollte sie ruhig denken, dass er vor Eifersucht eingeschnappt war. Aber wenn sie Komplimente wollte, hatte sie definitiv mehr zu liefern als das hier. Für heute hatte er doch wirklich genug unter Beweis gestellt, dass er sie wollte. Betteln würde er sicher nicht.

  • Das Lupus kein war Mann der sich - wie ein kleines Hündchen - dressieren lassen würde, war Prisca durchaus bewusst und das war auch gar nicht ihre Intention bei diesem Spiel, das sie zusammen spielten. Im Gegenteil. Ihr gefielen solche 'starken' Männer wie er, die nicht lange fragten oder gar bettelten. Der Reiz an diesem Spiel, "mit dem Feuer", war es ja gerade sich mit ihnen zu messen, um so heraus zu finden wie weit sie gehen durfte. Dass so ein Spiel (mit einem Wolf) gefährlich sein könnte war der Aurelia durchaus bewusst. .. Na gut, so ganz war das anscheinend nicht der Fall. Zumindest aber war Prisca der felsenfesten Überzeugung, dabei stets die Fäden fest in der Hand zu behalten. Wirklich immer? Naja, vielelcht bildete sie sich das auch nur ein. Aber!! Wenigstens war das Glück ihr bislang meist hold gewesen wenn sie da an all die brenzligen Situationen dachte, in die sie schon hinein geraten war. Oh oh ... Oh! Fortuna, Göttin des Glücks und Hüterin meines Schicksals, dir gebührt mein innigster Dank!, sandte Prisca deshalb schnell ein stummes Gebet zu ihrer Lieblingsgöttin, während in ihrem Kopf so einige Erinnerungen Revue passierten.


    Aus müden Augen heraus beobachtete sie indes ihren "lieben" Cousin, der sich´s am Fußende der Sänfte bequem gemacht hatte und der sie wiederum mit einem breiten Lächeln an sah. Er schien ebenso wenig wie sie an einer Fortsetzung des Spiels interessiert zu sein. Zumindest nicht im Augenblick, auch wenn er mit seinem Bein recht provokant ihre Nähe suchte. Lag es daran, dass er ebenfalls nur müde war, oder eher an dem Umstand, dass er (s)ein Ziel bei ihr nicht erreichen konnte? Seine Eifersucht hatte er ihr ja augenscheinlich gezeigt, oder zumindest überzeugend vorgespielt. Wie auch immer. Darüber wollte sich die Aurelia heute jedenfalls keine Gedanken mehr machen.


    Das würde zu weit führen und außerdem fiel es ihr mittlerweile immer schwerer einen halbwegs klaren Gedanken zu fassen. Nein, dieses Mal lag es nicht an ihrer Verliebtheit. Prisca war schlicht und ergreifend hundemüde und das sanfte Schaukeln und Wiegen der Sänfte schläferte sie mehr und mehr ein. "Natürlich weiß ich das, mein geschickter Göterbote. Wer würde sich schon mit einem einfachen Kissen zufrieden geben wollen, wenn er die Göttin selbst haben kann. Weh mir!", seufzte Aurelia deshalb fast schon im Schlaf und zum Zeichen ihrer gespielten Verzweiflung legte sie mit einer theatralisch wirkenden Bewegung den Handrücken an die Stirn. Die Müdigkeit in ihrer Stimme war jedoch unverkennbar. "So sei es denn mein Schicksal, dass ich weiter bangen und hoffen muss, dass du mich …." Ein letztes Aufbäumen sozusagen, dann holte Morpheus sie in sein Reich und Prisca entschlummerte sanft mitten im Satz. An den Rest des Weges und daran, wie sie letztendlich in ihr cubiculum gekommen war, konnte sich die Aurelia jedenfalls am nächsten Morgen nicht mehr erinnern. ...

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