Inzwischen genoss der gallische Sklave so viel Vertrauen in der Villa Aurelia, dass man ihm glaubte, wenn er meinte, er hätte einen Auftrag in der Stadt. So ließ man ihn auch ohne große Worte hinaus und er konnte sich in Roma herumdrücken solange er wollte.
Da er ohnehin nicht glaubte, irgendwer würde ihn vermissen, nahm er sich viel Zeit, während er sich auf den Straßen umsah. Seine Füße trugen ihn wie von selbst in die Nähe der Mauern Roms, wo er sich erst einmal ansah, wie hoch und bewacht diese waren.
Würde er überhaupt hinaus kommen, wenn er dies wollte? Kam man so einfach aus der Stadt hinaus? Zu den Wachen hingehen und fragen wollte er nun wirklich nicht und so sah er sich einfach weiter die Beschaffenheit der Mauern an. Einfach darüber klettern würde wohl nicht gehen und während er dies genauer betrachtete, wusste er, warum Rom als beinahe uneinnehmbar galt. Feinde kamen hier sicherlich nicht ohne weiteres herein. Sie würden schon die Tore erstürmen müssen, um hineinzukommen. Verglich er dies mit den Pallisaden um sein Dorf, kamen ihm diese ihm vor wie ein Viehzaun.
Der Gallier näherte sich der Mauer und berührte sie. Bis zum Tor war es nicht weit, aber einfach hinausrennen konnte er nicht. So törricht war er nicht, dass er glaubte, die Wachen würden ihn einfach rennen lassen. Immerhin war die Gens, der er gehörte, nicht gerade ohne viel Einfluss und auf Ärger hatte er keine Lust.
Nein, um zu fliehen würde er einen anständigen Plan brauchen und er wusste ja nicht einmal, wohin er dann sollte.
Sein Blick ging gen Himmel. Der Sonnenstand verriet ihm, dass schon einige Stunden vergangen waren, seit er die Villa verlassen hatte. Bislang hatte ihn sicherlich niemand vermisst. Áedán war davon überzeugt, dass niemand ihn suchte oder man gar jemanden losgeschickt hatte, um ihn zu finden.
Wenn er so an manche Geschichten dachte, welche von den Sklaven erzählt wurden, gab es da eine Sklavin, die vor kurzen verkauft worden war, nachdem sie mehrere Tage, wenn nicht sogar Wochen in Rom unterwegs gewesen und auf jemanden getroffen war. Ob man überhaupt jemanden losschickte, um ihn aufzuspüren, wenn er einfach nicht mehr zurückkehrte? Nur wovon sollte er leben, wenn er sich auf den Straßen herumdrückte?
Von Dominus Corvinus hatte er einmal zwei Asse bekomme, weil er so schnell gewesen war, als er einen Auftrag erledigte. Für diese einzwei Münzen würde er wohl niemals etwas zum Essen bekommen und wenn, dann wohl nur eine einzie, kleine Mahlzeit, die ihn nicht lange satt machen würde.
Auch dies verdeutlichte ihm, dass er ohne einen anständigen Plan niemals weit kommen würde. Denoch fühlte er sich einfach unnütz. Cimon hatte sich bislang noch nicht bei ihm gemeldet und außer dem Ausflug nach Ostia und zu den Nemoralia hatte man ihn eigentlich auch nicht mehr gebraucht. Reperaturarbeiten gab es für ihn in der Villa auch kaum welche zu erledigen. Das Gespräch mit Tilla war das einzige Bewegende in den letzten Tagen gewesen. Seit er mit Flora im Garten gesprochen hatte, hatte er diese nicht mehr gesehen und der Unterricht mit Charis ging auch nicht so wirklich voran. Lysandra schnitt ihn und sprach kaum mit ihm, weil sie zu sehr mit den Zwillingen beschäftigt war. Alles in allem kam er sich vor wie ein Lufthauch, den kaum einer wahrnahm und schon gar keiner wirklich brauchte.
Hätte Dominus Corvinus ihn nicht neulich einmal zur Gartenarbeit abgestellt, hätte er irgendwann ernsthaft geglaubt, man hätte seine Existenz einfach vergessen, aber dem schien nicht so zu sein. Es schien nur einfach keiner Verwendung für ihn zu haben. Da sehnte er sich doch beinahe schon danach, wieder so wie an seinem ersten Tag als Dekorationsstück im Balneum zu stehen. Da jedoch nicht nur Cimon, sondern auch dessen Herr und seine Frau Tiberia Septima die Stadt gen Mantua verlassen hatten, würde ein solches Bad, bei dem er mit einem Blumenkranz herumstehen konnte, wohl auch nicht so bald wieder stattfinden.
Während er so darüber nachdachte, was ihn zur Zeit alles frustrierte und langweilte und wie überflüssig er sich fühlte, schritt der Tag natürlich weiter voran und noch immer hielt er sich in der Nähe der Stadtmauer auf. Seine blaugrünen Augen waren auf die Steine gerichtet, aus welchen sie bestand, ohne sie wirklich anzusehen. Er dachte sichtlich nach und auch hier schien ihn niemand zu bemerken.
Konnte es denn gerecht sein, dass die Götter ihn für diesen einen Fehler dermaßen abstraften? Gut, er hatte getrunken und er und seine Freunde hatten eine römische Patrouille attackiert, weil sie dies im Rausch für eine ausgezeichnete Idee gehalten hatten, ber von den Römern war doch gar keiner gestorben. Sie hatten einige von ihnen verletzt, aber es waren nur Gallier bei diesem kleinen Kampf gestorben. Er selbst war genauso wie ein Freund verletzt worden und sie beide waren in der Sklaverei gelandet. Aus Dummheit. Dies frustrierte ihn immer noch. Áedán vermisste seine Heimat, seine Familie, die Mitglieder seines Stammes im Dorf und einfach ganz Gallien. Außerdem vermisste er Cimon. Mit diesem hatte er reden können. Sie waren Freunde gewesen. Vielleicht sollte er endlich einmal diesen Brief fertig schreiben, bei dem er immer noch nicht über die ersten Zeilen hinausgekommen war.
Nur zu gerne würde er Cimon einfach einmal besuchen, um ihm seinen Kummer mitzuteilen, einfach ein paar Gespräche zu führen und sich bei ihm zu entschuldigen, weil er wegen seiner geletzten Gefühle einen Streit mit ihm vom Zaun gebrochen hatte.
Wenn er Domina Celerina fragen würde, ob diese ihn wohl gehen ließ, um nach Mantua zu gehen? Würde sie am Ende vielleicht auch einmal Tiberia Septima besuchen und er würde mitkönnen?
Der junge Gallier seufzte schwer und lehnte sich an eine Hausmauer, während er immer noch nachdachte. Eine zündende Idee wollte ihm nicht kommen, aber der Sand der Zeit rieselte weiter dahin.