Exedra | Pater filiusque

  • Mist, verdammter! Er hatte zwar im Grunde selbst nichts anderes erwartet, trotzdem hatte die Aussicht, jetzt einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen, in diesem Augenblick etwas ausgesprochen reizvolles, zumindest in Ahalas Augen. Durus hingegen wirkte ungemein entspannt angesichts seiner umstürzlerischen Pläne, derart entspannt, dass er sich von seinem Sekretär irgendeinen langweiligen Kram vorlesen ließ, von dem er vermutlich noch entspannter wurde! Unglaublich, und da hatte der junge Tiberier immer vermutet, er selbst sei abgezockt, aber gegen den Alten war er ja der reinste Waisenknabe. Ob die Aussicht, ihren Sohn durch ihr Handeln geradewegs in den Mittelpunkt einer Staatsverschwörung auf höchster Ebene zu schieben, seine Mutter damals wohl von ihrem Bettelbrief an seinen jetzigen Adoptiv-Vater abgehalten hätte? Vermutlich kaum, denn Tiberius Durus hätte sich vermutlich durch das komplette Atrium Vestae schänden und metzeln müssen, um in den Augen der Servilia Caesonina seinen gottgleichen Status einzubüßen... Fein, seine Mutter hatte ihren Willen bekommen, und er musste jetzt sehen, wie er aus der Nummer mit halbwegs heiler Haut wieder herauskam. Ansonsten würde er im schlimmsten Fall demnächst von dem selben Felsen geworfen, von dem sein früherer Saufkumpan Archias vor einiger Zeit gehüpft war, und so hatte er sich seine Zukunft in Rom nun beim besten Willen nicht vorgestellt. Stress, schön und gut, aber das doch nun wirklich nicht!


    "Nun, ähm..." Ahala räusperte sich erneut und rang innerlich nach den richtigen Worten. "Du kannst dich natürlich auf mich verlassen, auch wenn meine Möglichkeiten natürlich verschwindend gering sind." Hübsche Formulierung, nur leider gänzlich ungeeignet zum Herauswinden aus der Zwickmühle, wie Ahala schnell bemerkte. "Ich frag mich nur, ob es nicht vielleicht auch Mittel und Wege gibt, um die derzeitigen Probleme auf eine etwas weniger..ähm...sagen wir radikale Weise zu lösen. Immerhin warst du vor nicht allzu langer Zeit Consul, und dein Einfluss in Rom ist nach wie vor immens."

  • Sein Sohn wirkte sehr unsicher, was angesichts dieser Lage wohl auch verständlich war - in Ahalas Alter hätte er vermutlich ebenso geschluckt, wenn sein Vater nebenbei Hochverrat angekündigt hätte. Aber die Zeiten hatten sich gewandelt, denn damals hatte ein guter Kaiser geherrscht, gegen den Verrat ausgeschlossen gewesen war. Nun hingegen 'herrschte' ein Mann, der niemals irgendwo zu sehen war und dessen Stellvertreter der ungeeignetste Kandidat für die Position war!


    "Das ist wahr, aber es gibt keine andere Möglichkeit. Die Götter seien meine Zeugen, dass ich mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht habe! Wenn man Valerianus zur Vernunft bringen könnte, würde ich alles dafür tun! Aber wie ich schon sagte, habe ich es versucht - und bin gescheitert. Und in dieser Situation ist es gerade für mich als einflussreichen Consular meine heilige Pflicht und das Gebot der Mos Maiorum, unseren Staat zu schützen und zu verteidigen, notfalls radikal und gegen den legalen Imperator Caesar Augustus!"


    Die Antwort war recht pathetisch formuliert, wie der alte Tiberier bemerkte. Andererseits war auch die Sache selbst von größter Tragweite und seine Worte waren genau angemessen.

  • Ahala hatte sich von den bisherigen knapp über zwanzig Jahren seines Lebens bisher maximal einige Minuten gedanklich mit den Geboten der Mos Maiorum bewusst auseinander gesetzt und beobachtete daher mit einiger Faszination, wie sein Adoptiv-Vater auf dieses Thema einstieg. Leuchtende Augen, unübersehbaren Pathos und Leidenschaft in Stimme und Körperhaltung, in diesem Moment war von dem doch bereits etwas angeschlagenen und leicht übergewichtigen älteren Herrn kaum noch etwas zu sehen. Bei dem jungen Tiberius hatte bislang eher die Aussicht auf Dinge wie eine vielversprechende Würfelpartie, eine attraktive Frau oder ein ausführliches Gelage in netter Gesellschaft eine derartige Reaktion auslösen können, aber vielleicht verschoben sich die Prioritäten ja unausweichlich mit wachsendem Alter und nachlassenden körperlichen Fähigkeiten.... Ein Grund mehr, jetzt und hier die Jugend und das tadellose Funktionieren aller Körperfunktionen so gut wie möglich zu genießen und ebenso ein Grund, alles dafür zu tun, den gegenwärtig doch sehr gemütlichen und luxuriösen Lebensstandard gut abzusichern und nicht gegen ein unrühmliches Ende am Fuß eines Felsens oder im besten Fall auf einer abgelegenen kleinen Insel einzutauschen. Und da sein Senior ganz offensichtlich nicht von seinem Vorhaben abzubringen war, würde Ahala wohl nichts anderes übrig bleiben als so gut wie möglich zu dessen Gelingen beizutragen, denn sonst würde das süße Leben schon nur zu bald endgültig vorbei sein... Und wie immer, wenn es um etwas Verbotenes ging, begann sich nun auch das altbekannte Kribbeln bemerkbar zu machen, mit dem sich die Spielernatur des jungen Tiberius schon häufiger zu Erkennen gegeben hatte.


    "Nun, du mit deinen langjährigen Erfahrungen wirst das zweifellos besser beurteilen können als ich." sagte Ahala schnell, um Durus nicht noch mehr Wasser auf seine frenetische Altherrenmühle zu schütten und sich weitere Vorträge über die Mos Maiorum anhören zu müssen, wo man doch besser zu praktischen Erwägungen übergehen konnte. "Die Frage, die mich jetzt in erster Linie bewegt, ist, was ich konkret machen kann, um deine Sache zu unterstützen."

  • Natürlich konnte Durus das! Aber daran bestand für den alten Tiberier so wenig Zweifel, dass er nicht einmal einen Gedanken daran verschwendete, sondern sich sofort an die zweite Frage machte, die sein Sohn - immer bereit, sich mit all seiner jungendlichen Tatkraft an seinen Angelegenheiten zu beteiligen - ihm stellte.


    "Nun, vorerst wird es die wichtigste sein, Stillschweigen über unsere Pläne zu bewahren. Im Übrigen denke ich, dass du möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt als mein Gesandter fungieren könntest."


    Mit Grauen dachte Durus daran, dass Modestus ja auf dem Laufenden gehalten werden wollte, ebenso Ursus. Eine Reise kam in seinem Alter kaum in Frage - sein Sohn aber konnte als sein Mund, sein Auge und sein Ohr fungieren!

  • "Aber gewiss doch, das versteht sich ja von selbst." kommentierte Ahala gleich zwei väterliche Anmerkungen auf einen Streich, musste sich jedoch ziemlich anstrengen, sich seine Erleichterung nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Wenn er in irgendetwas von Natur aus gut war, dann darin, Stillschweigen über Dinge zu wahren, die der Rest der Welt nicht wirklich wissen musste. Und unauffällige Botengänge dürften auch kein wirkliches Problem sein, schließlich verfügte er ja über einen schier unerschöpflichen Fundus an unauffälliger Tarnkleidung für seine diversen Ausflüge in die Niederungen der römischen Gesellschaft...der umbrische Gemüsehändler würde sich da sicher anbieten oder auch der Färber vom Trans Tiberim....
    "Ein wenig Vorlaufzeit werden wir zur Planung ja sicher noch zur Verfügung haben, oder?" hakte er schließlich nach, im Hinterkopf nach wie vor die zwar kleiner werdende aber noch längst nicht verschwundene Hoffnung, die Pläne seines Adoptiv-Vaters würden sich in Wohlgefallen auflösen, bevor es wirklich ernst für sie alle wurde.

  • Zufrieden nicht der Tiberier über die prompte Bereitschaft seines scheinbar so bücherverliebten Sohnes, sich für ihn und die Sache Roms in Gefahr zu begeben - er war eben ein echter Tiberius!


    "Ja, ein wenig schon."


    erwiderte er dann, der ja noch nicht genau wusste, wie Hungaricus sich stellen würde - ohne ihn würde es weitaus schwieriger werden, die Verschwörung zu organisieren.

  • Und wieder galt es, nicht allzu viel Begeisterung anlässlich der letzten väterlichen Bemerkung durchscheinen zu lassen. Ahala beschränkte sich daher auf ein kryptisches Brummen und behielt seine entspannte Miene bei, obwohl in seinem Innern jetzt allmählich ein Kampf zwischen seinem gut ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb und dem Teil seines Wesens entbrannte, der in der geplanten väterlichen Verschwörung so etwas wie ein Spiel sah. Ein verdammt gefährliches Spiel, ja, aber nichtsdestotrotz ein Spiel, das gerade aufgrund seines völlig offenen Endes noch einiges mehr an Reiz gewann. Und hatte Ahala erst einmal Blut geleckt, dann schreckte ihn erfahrungsgemäß auch ein überhaus hoher Einsatz nicht mehr ab, ganz im Gegenteil...
    Als wolle er diese Gedanken auf diese Weise schnell wieder wegwischen, fuhr sich der junge Tiberius ein paar mal energisch durch die Haare und nickte seinem Vater dann zu. "Bitte gib mir Bescheid, wenn das Ganze konkretere Formen annimmt und du meine Hilfe brauchst. Wenn es dir recht ist, werde ich mich jetzt zurückziehen und ein wenig für meine Studien tun." Mann oh Mann, heute nacht würde es aber ein verdammt großer Krug Wein werden müssen...

  • "Gut, aber vergiss nicht, ein wenig unter Leute zu kommen bei deiner ganzen Lernerei!"


    erwiderte Durus lächelnd. Wenn er gewusst hätte, wie sehr und unter welche Leute Ahala kam, hätte seine Reaktion vermutlich anders ausgesehen.

  • Wenige Tage nach seinem ersten Zusammentreffen mit Iunius Seneca am Ufer des Tiber erinnerte sich Ahala an das Angebot, das er diesem gemacht hatte und suchte kurzentschlossen seinen Vater auf, der wie häufig um diese Tageszeit gerade in der Exedra weilte.


    "Entschuldige Vater, aber hättest du eventuell einen kurzen Moment Zeit für mich? Ich werde dich auch nicht lange aufhalten."

  • Wie üblich ließ Durus sich zu dieser Tageszeit etwas vorlesen, um etwas Ruhe zu finden. Besonders in diesen Tagen, in denen die Verschwörung sich langsam ihrem Höhepunkt näherte, benötigte er ein wenig Entspannung. Als sein Sohn den Dialog des Platon unterbrach, blickte er auf - es kam nicht häufig vor, dass Ahala ihn um etwas bat. Genaugenommen konnte er sich gar nicht daran erinnern, wann es das letzte Mal gewesen war...


    "Aulus, was kann ich für dich tun?"


    Etwas amüsiert stellte Durus fest, dass er diese Frage normalerweise nur Klienten stellte.

  • "Es geht um einen Bekannten, den ich dir gern als möglichen Klienten empfehlen würde." erklärte Ahala, während er die letzten Meter bis zu seinem Vater zurücklegte und sich auf dem benachbarten Sessel niederließ. "Es geht um einen Iunier, Aulus Iunius Seneca, genau gesagt. Er ist Praetorianer und macht auf mich einen ausgesprochen ambitionierten und zuverlässigen Eindruck." Ganz sicher entschieden ambitionierter und zuverlässiger als Ahala selbst, allerdings war der als Maßstab aller Dinge auch nur suboptimal geeignet.

  • Aulus Iunius Seneca - Durus musste überlegen, ob er jemals etwas von einem Iunius gehört hatte. Iunia Axilla hatte das Bauprojekt bekommen, aber sonst schien der Stern dieser Familie zur Zeit eher am Sinken zu sein. Wenn er allerdings Prätorianer war, versprach dies natürlich viel - dort wurden nur die besten Soldaten genommen. Ob man ihn dort allerdings fördern konnte (gerade beim aktuellen Präfekten), war fraglich. Wenn er allerdings von sich aus wollte...


    "Natürlich, gern! Er soll zur Salutatio erscheinen, damit ich ihn kennen lernen kann."


    meinte der alte Tiberier daher freimütig - einen solchen Gefallen konnte er leicht erfüllen.


    "Ist das alles?"


    fragte er dann, da es ihm doch ein wenig leicht erschien - vielleicht hatte sein Sohnemann noch andere Dinge auf dem Herzen?

  • Ahala nickte erfreut, dass sein Vater so schnell und bereitwillig auf seine Bitte einging ohne zunächst auf weitere Informationen zu bestehen. Nicht, dass man sich im Fall des Iuniers da irgendwelche Sorgen hätte machen müssen, Ahala war sich sogar ausgesprochen sicher, dass Seneca vermutlich nicht die allerkleinste Leiche im Keller liegen hatte, ganz im Gegensatz zu ihm selbst.


    "Dann werde ich ihm eine entsprechende Nachricht zukommen lassen, ich danke dir, Vater." Und ja, das war eigentlich schon alles, obwohl, wenn er schon einmal da war....


    "Nun ja, da wäre vielleicht noch etwas. Ich hab mich gefragt, wie der Stand der Dinge ist, in der anderen Sache, du weißt schon. Und ob es vielleicht irgendetwas gibt, was ich zur Zeit in dieser Hinsicht tun kann." Noch kryptischer ging es vermutlich nicht, aber Durus würde schon verstehen, worauf sein Sohn hinauswollte. Und der tat sich nach wie vor ein wenig schwer mit der Vorstellung, dass er bis zu den Ohren oder sogar darüber hinaus in einer handfesten Verschwörung auf allerhöchster Ebene steckte. Aber wenn das schon so war, dann wenigstens auch etwas tun, und wenn es auch noch so popelig war. Diese ewige ungewisse Warterei machte einen auf Dauer ja rammdösig!

  • Tatsächlich schien das die einzige Sache zu sein, die er vorbringen wollte - dabei war der alte Tiberier doch nicht unbedingt dafür bekannt, dass er Menschen abwies. Aber vielleicht war es keine dumme Idee, als zukünftiger Klient besonders auf sich aufmerksam zu machen, wenn man auch wirklich gefördert werden wollte...


    Die andere Sache, die er ansprach, war allerdings etwas delikater - die Verschwörung ging immer weiter voran und langsam wurde es heiß. Zwar wollte er seinen Sohn nicht gerade losschicken, um einen Giftmischer zu finden, aber plötzlich kam ihm eine sinnvolle Verbindung zum vorherigen Thema:


    "Hm, nein - oder vielleicht doch: Wie gut kennst du diesen Iunius Seneca? Oder wo hast du ihn kennen gelernt?"


    Immerhin war es nicht allzu häufig, dass junge Consulars-Söhne mit Prätorianern zu tun hatten - zumindest nicht, wenn sie sich nichts zuschulden kommen ließen...

  • "Wie gut ich den Iunius kenne? Naja, so gut nun auch wieder nicht, wenn ich ehrlich bin." antwortete Ahala und kratzte sich am Hinterkopf. "Wir sind uns durch Zufall am Tiber über den Weg gelaufen, kurz nach meiner Wahl, und haben uns eine Weile über die Götter und die Welt unterhalten. Er scheint wirklich in Ordnung zu sein und ist ungefähr in meinem Alter, musst du wissen."

  • "Ah."


    kommentierte Durus und nickte. Sein Sohn pflegte offensichtlich einen freigiebigen Umgang mit dem Volk - was natürlich keine Schande war, denn römische Politiker legten immer Wert auf ihre Volkstümlichkeit. Leider nützte eine flüchtige Bekanntschaft allerdings wenig in der Verschwörung...


    "Du musst wissen, dass ich mich noch immer frage, wie wir am geschicktesten an Valerianus herankommen. Hast du eine Idee?"


    fragte er deshalb schließlich direkt - er war immerhin sein Sohn und sollte Einblick in die Gedankenwelt seines Vaters erhalten.

  • "An den Kaiser persönlich herankommen? Puh...." Ahala kratzte sich am Hinterkopf und legte die Stirn in Falten. "Naja, ich weiß recht wenig über Valerianus, aber vielleicht hat er ja eine persönliche Schwäche oder besondere Gewohnheiten, an denen man ihn packen könnte, und wo er weniger vorsichtig wäre." überlegte er dann laut, sich wieder einmal für einen Moment lang fragend, wie er jemals in diese Situation hatte rutschen können. "Ein bestimmter Typ Frau vielleicht, falls er dafür bekannt ist oder ein Knabe...vielleicht schlemmt oder trinkt er ja auch gern irgend etwas bestimmtes. Man munkelt doch zum Beispiel, dass die göttliche Livia sich seinerzeit des göttlichen Augustus entledigt hat, indem sie die Feigen Garten mit Gift bestrich, die er sich immer selbst gepflückt hat. Sowas in der Art halt..." Ein erneutes Kratzen und Ahala zuckte mit den Schultern. "Naja, viel ist es nicht, was mir dazu einfällt, aber ich kann ja nochmal darüber nachdenken."

  • Durus lächelte ein wenig, als er die Gedanken seines Sohnes hörte - eine Schwäche, die man ausnutzen konnte - keine dumme Idee. Andererseits war über Valerianus kaum etwas bekannt, da er sich selten in Rom aufgehalten hatte und immer schon zurückgezogen gelebt hatte.


    "Eine gute Idee - nur fehlt mir persönlich die Kenntnis irgendeiner derartigen Sache. Allerdings könntest du dich umhören. Ich bin sicher, dass auf den Straßen Roms viele Gerüchte über derartige Dinge kursieren..."

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