Regnum MFG | Sank auf die Lider mir Nacht - um so erhabener scheint mir des Tages Licht

  • Als der Brief die Villa Flavia in Rom erreichte, saß Gracchus im warmen Wasser der hauseigenen Therme und spielte mit einem kleinen, hölzernen Schiff - einer Liburne mit winzigen Rudern zur Seite und einem Segel aus dünnem, gewachsten Tuch -, welches zu Minors Badezubehör gehörte und Gracchus einem Sklaven hatte entwendet, der gerade es aus dem Raume hatte entfernen wollen als der Patrizier ihn hatte betreten. Ein wenig wehmütig dachte er daran, dass andere Männer das Bad sich mit Sklavinnen versüßten, doch die Anwesenheit nackter Frauen in seinem Wasser - und mochten es nur Sklavinnen sein - würde ihn befangen machen und seiner Entspannung gänzlich entgegenwirken, wiewohl die Anwesenheit einiger ansehnlicher Jünglinge ihm zu flagrant erschien. Das Boot indes war zwar kein hinlänglich Surrogat hierfür, doch eine durchaus kurzweilige Angelegenheit, denn nachdem das erste Unwohlsein beim Anblicke der winzigen, schwankenden Planken in Gracchus' Magen war abgeflaut, durchpflügte er Odysseus gleich den schäumenden okeanos des Beckens, rammte die Blütenköpfe der Rosen, welche auf der Wasseroberfläche träge schaukelten, und jagte ein monströses Scheusal, zu welchem eine der Bürsten war gewandelt worden, mit welchen die Sklaven vom Beckenrand aus ihm ab und an den Rücken schrubbten. Während Gracchus vor sich hin planschte, sich schrubben, massieren und hernach einölen ließ, bedurfte er der Dienste seines Leibsklave üblicherweise nicht, so dass Sciurus während der Badezeit seines Herrn jenen Dingen konnte nachgehen, welche in der Villa oder auch außerhalb er zu erledigen hatte, so auch an diesem Tage. Mit einem Sturmangriff trieb Gracchus das hölzerne Schiff auf die Bürste zu, als sein Vilicus somit gänzlich unvermutet das Bad betrat, die freudige Nachricht auf den Lippen - wenn auch wie üblich in gänzlich wertfreiem Tonfall. "Ein Brief, Herr, von Faustus." Wiewohl sie von seinen Lippen so nüchtern drangen wie jede anderen Worte, welche der Sklave je sprach, versetzten sie Gracchus derart in euphorischen Schrecken, dass er alles um sich vergaß und ruckartig sich zu der ihm so vertrauten Stimme drehte, so dass die Liburne achtlos gegen den marmornen Rand des Beckens trieb, von dort abprallte und steuerlos in dem imaginären okeanos verloren ward.
    "Hinfort!"
    wies Gracchus die Sklavenschafft an, ohne diese direkt anzusprechen.
    "Schließe die Türe ab"
    , galt indes seinem Leibsklaven, welcher dieser Aufforderung, nachdem die übrigen Sklaven leise hinaus gehuscht waren, nachkam, während Gracchus in das warme Wasser hinab untertauchte, die Augenblicke der gedämpften Sinneseindrücke nutzte, sich gänzlich zu sammeln und bereits den ersten euphorischen Schauer der Vorfreude auszukosten. Hephaistion! Er hatte ihn nicht vergessen! Hephaistion, der hehre Heroe seiner Träume, Faustus, dessen Augen den Sternen gleich funkelten, dessen Lippen Nektar gleich schmeckten, dessen feurige Glut dem Ausbruch eines Vulkans gleich ward. Faustus! Ein verzücktes Seufzen bahnte sich seinen Weg Gracchus' Kehle empor, doch als er tief einatmen wollte, spülte nur Wasser in seine Nase, dass er erschrocken empor tauchte, an den Beckenrand sich hielt und versuchte das unangenehme Brennen des Wassers aus seiner Nase zu prusten. Sciurus indes hatte die Türe geschlossen und war mit dem Brief in Händen an den Rand des Beckens zurückgekehrt, auf welchen Gracchus nun seine Unterarme legte, darauf sein Kinn stützte und zu dem Sklaven erwartungsvoll empor blickte.
    "Lies, aber lies langsam, dass ich jedes Wort mit allen Sinnen aus..kosten kann!"
    Gracchus' Augen schienen vor gespannter Freude regelrecht zu leuchten, doch allfällig war es auch nur die feine Schicht des Wassers, welche noch darüber lag, und das Licht des Tages reflektierte.

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  • Sciurus nahm auf einem niedrigen, hölzernen Hocker - mehr ein Fußschemel denn eine tatsächliche Sitzgelegenheit - Platz und begann den Brief zu lesen. "Geliebter Aton. Das Glück ist über mich gekommen wie ein Rausch, als ich Deine wundervollen Zeilen in den Händen hielt! Zu wissen, dass Du so an mich denkst, es erfüllt mich mit seligem Taumel, wie stürmische Wogen brandet es an mein Herz und lässt mich hitzig erbeben. Ich blicke in die Sonne, und wenn ihr Glanz mich blendet, wenn die goldenen Strahlen mein Gesicht streicheln, dann sehe ich hinter geschlossenen Lidern Deine schönen Züge, dann spüre ich Deine heiße Liebkosung." Mit jedem Wort, das über Sciurus' Lippen drang - neutral wie alles stets, und doch durchtränkt von süßer Erinnerung - wallte in Gracchus eine hitzige Glut empor, bis dass er, die Augen vor Verzückung gen Himmel gedreht, mit einem tiefen, wohligen Brummen erneut unter Wasser tauchte, aus Furcht sonstig in der unbändigen Hitze verglühen zu müssen. Als sein Kopf wieder aus dem Wasser empor tauchte lag ein seliges Lächeln auf seine Lippen, ganz so als hätte er in dem warmen Nass einen Ausblick auf das Elysium erhascht - und allfällig war es so.
    "Lies weiter."
    Mit der Linken strich Gracchus das nasse Haar aus seiner Stirne zurück und hing begierig an seines Sklaven Lippen. "Mein Manius, ich vermisse Dich ganz furchtbar, es schnürt mir die Kehle zu, wenn ich daran denke wie entsetzlich weit fort Du bist. Ich rede mir ein, dass es eine Prüfung für uns ist, eine Art Bewährungsprobe, und vielleicht ist es das ja wirklich. Um so furioser wird es sein, wenn wir uns endlich wiedersehen." Obgleich es Sciurus' leidenschaftslose Couleur war, welche die Worte formte, entfleuchte Gracchus ein Seufzen bei der Nennung seines Cognomen, gefolgt neuerlich von einem Lächeln, diesmalig über Faustus' entschlossene Vorfreude auf ein Wiedersehen, ganz so als wäre dies bereits zum Greifen nah. Eine Prüfung - dies mochte es wahrlich sein, und doch konnte alles Warten und Harren, alles Hoffen und Bangen letztlich nicht unumstößlich vor Enttäuschung bewahren, wie Gracchus aus leidvoller Erfahrung wusste und darob auf die Bewährungsprobe nur allzu bereitwillig hätte verzichtet. "Letzte Nacht habe ich geträumt, wir wären zusammen auf Deiner Sonnenbarke, nur wir zwei, und in meinem Traum war es auch Nacht, darum waren wir vor den Augen der Welt verborgen. Es war ein sehr erotischer Traum. Aber dann riss mich das Schmettern des Wecksignals aus Deinen Armen, und ich fiel, und fiel und kam unsanft wieder in der Wirklichkeit auf." Deutlich konnte er die Barke vor sich sehen, ihr leichtes Schaukeln auf den sanften Wellen, spürte Hephaistions Nähe in der Dunkelheit der Nacht, seinen weichen Atem auf seiner Haut, und es schien Gracchus als hätten sie gemeinsam diesen Traum geträumt, wiewohl er sich sicher war, dass es so sein musste, glaubte er doch, dass das Morpheus' Reiche weit mehr bargen als bloßen Ausdruck innerer Fantasie. "In den nächsten Monaten werde ich sogar noch viel weiter fort von Dir sein. Im Süden der Provinz hat es einige grausame Überfälle auf die Handelskarawanen gegeben, und wir rücken bald aus, um die Angreifer zur Rechenschaft zu ziehen. Angeblich handelt es sich dabei um Acephali. Ich bin ins Museion gegangen und habe dort gelesen, dass dieses Volk anscheinend so wild und ungebärdig ist, dass es sich sogar gegen die Götter aufgelehnt hat. Die haben es dann bestraft, indem sie ihm die Köpfe nahmen und die Gesichter auf die Brust verrückten. Ich bin sehr gespannt, ob wir wirklich auf solche sonderbaren Wesen treffen, überhaupt bin ich zuversichtlich, schließlich handelt es sich nur um Barbaren und nicht um eine Großmacht wie auf dem Partherfeldzug. Zum ersten Mal habe ich selbst das Kommando über eine Cohorte, das ist ganz schön Verantwortung aber auch ein tolles Gefühl, so eine starke und disziplinierte Streitmacht zu führen. Ein wenig Unbehagen ist natürlich auch dabei, schließlich habe ich in Parthien miterlebt, dass immer was schiefgehen kann. Damals, da war ich ja noch einfacher Soldat, bin ich mehrfach nur durch Fortunas Hilfe davongekommen. Jetzt mache ich mir eher Gedanken um die Männer in meiner Cohorte, einige sind noch sehr unerfahren, und ich glaube es wird nicht leicht sein, wenn einer unter meinem Kommando fällt." Acephali – Gracchus entsann sich düster an des Plinius' Schauergestalten, welche wohlerzogene Kinder und einfältige Bürger davon abschrecken, gegen die Götter sich aufzulehnen, doch hätte er nicht vermutet, dass solcherlei Gezücht tatsächlich oder noch immer sein Unwesen im fernen Süden trieb, wiewohl nichts ihn dazu würde veranlassen an Serapios Worten zu zweifeln, schlussendlich war in seinem Leben er über Italia und Achaia niemals hinausgelangt. Trotz Faustus' Zuversicht stieg indes Unbehagen in Gracchus auf, vermengt mit der zweifelsohne überflüssigen, doch dessen ungeachtet nicht weniger quälenden Befürchtung, des Geliebten entrissen zu werden, noch ehedem sie einander wieder sahen, wiewohl ihn ein Schauer des Entzückens durchfuhr ob Faustus' hehren Gedankens um das Wohl seiner Männer – eine Eigenheit, welche den pathetischen Heroen trennte von dem exzentrischen Helden. Unbezweifelt war Faustus durch und durch ein Heroe wie einem Epos entsprungen und Gracchus musste an sich halten vor Verzückung, nicht neuerlich in die warmen Ströme seines Badewassers zu entschwinden, hätte er doch die weiteren Worte seines Geliebten verpasst, welche Sciurus verlas. "Aber noch ist das alles fern - sehr fern, wenn ich hier in meinem Peristylgarten sitze, in den Händen Deinem Brief und im Herzen die wilde Freude, die er in mir entfacht hat. Ich kann mir Deinen Mandelbaum so lebhaft vorstellen. Du schilderst unvergleichlich schön. Ich selbst habe hier einen Jasminstrauch, dessen überhängende Zweige mir Schatten spenden, während ich diese Worte an Dich zu Papyrus bringe." Dem sanften, warmen Wasser seinen Leib gleich umspülten Faustus' Worte Gracchus' Seele, und entführten ihn in das ferne Peristyl unter der heißen Sonne Ägyptens, den schattenspenden Jasminstrauch, unter welchem Hephaistions Leib in der ganzen Pracht seiner Blüte thronte.

  • Während Gracchus selig aus seinem Badewasser in eine Welt blickte, welche nur er konnte vor sich sehen, fuhr Sciurus mit der Lesung fort. "Es ist sehr großherzig von Dir, dass Du mir nicht böse bist, wegen meines plötzlichen Verschwindens. Es tut mir sehr leid! Die Versetzung kam völlig überraschend für mich, mein neuer Kommandant selbst hat mich auf der Durchreise abgeholt, darum musste ich unverzüglich abreisen. Weißt Du, was Du mir von den Mauern der Herkunft und der Erwartung schreibst, das kann ich wirklich gut nachempfinden! Ich bemühe mich so sehr, all den Kriegshelden in der vorigen Generation meiner Gens nachzueifern, aber manchmal glaube ich, dass in ihren Adern so viel Tatkraft und Kühnheit fließt, dass für meine Generation kaum noch was übrig geblieben ist." Bescheidenheit war nicht nur eine Zierde, Faustus erhob sie geradezu zur Tugend, wiewohl Gracchus kaum an dem heroischen Feuer in dessen Blute Zweifel hegte, gleichsam das verklärte Bild des hehren Heroen vielmehr schätzte denn den harten, unerbittlichen Triumphator. "Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie man sich da in den Fußstapfen Deiner Gens fühlen muss. Und die Politik ist eine widerliche Sache. Wenn man sich nur anschaut, was für Hampelmänner da ständig gewählt werden, (von Ausnahmen mal abgesehen) von Rhetorik oder Würde keine Spur, das kann ja alles nicht mit rechten Dingen zugehen. Aber ich bin mir ganz gewiss, dass ein so nobler Geist wie Du, von wahrhaftigen Idealen geleitet und der Lüge abhold, über diesen ganzen Schmutz zu triumphieren vermag. Man merkt es Dir übrigens überhaupt nicht an, die Mühsal die Du beschreibst... wenn Du es mir nicht gesagt hättest würde ich es nicht glauben. Du wirkst einfach wie der perfekte Senator, ganz gleich ob in Toga oder in gar nichts." Das Lob prallte auf Gracchus' innere Hülle und rann daran hinab gleich Regentropfen an undurchdringlichem Marmor einer Statue im Garten, konnte er doch solcherlei ihnbezogen nie recht ernst nehmen, schrieb es in diesem Falle dem verklärten Blicke des Geliebten zu, musste indes bezüglich der letzten Worte doch schmunzeln bei der Vorstellung vor dem Senat zu sprechen in gar nichts. Letztlich jedoch verflog das subtile Lächeln alsbald, war doch gar nichts tatsächlich bezüglich ihn und des Senates nicht allzu verkehrt, beliebte es ihm doch seit längerem nun zwar in Toga anwesend zu sein, allerdings gar nichts zu sprechen, was er einerseits zwar ob seiner allgemeinen Verfassung bevorzugte, ihn andererseits hinwieder innerlich grämte, wozu diesen Augenblickes jedoch keine Gelegenheit blieb, da Sciurus bereits die nächsten Worte Faustus auf den Lippen trug. "Mein Liebster, die Sehnsucht ist eine gemeine, hinterhältige Bestie mit roten Lefzen und scharfen Zähnen, schon wieder springt sie mich an, will mich ganz und gar verschlingen. Ich fiebere nach Dir, mit jeder Faser meines Seins! Vernünftige Leute würden mich jetzt wohl auslachen, aber mir ist, als habe ich mich schon immer nach Dir gesehnt, Dich gekannt, lange bevor ich Dich endlich traf. Wenn das Wahnsinn ist, dann will ich nur noch dem Wahn huldigen, die Vernunft verschmähen und mich mit Leidenschaft der Raserei ergeben. Ich will die pure Lust von Deinen Lippen trinken, und Glut und Rausch und Ewigkeit in Deinen Armen erkennen. Ich will Deinen Namen in die Sterne schreiben!" Sciurus blickte kurz auf. "Unterschrieben mit Faustus." Es war zu viel – zu viel Poesie, zu viel Sehnsucht, zu viel Wahnsinn, Leidenschaft und Raserei, zu viele Meilen, zu viele Stunden zwischen ihnen, dass Gracchus' Knie nachgaben und das warme Wasser über seinen Kopf hinwegschwappte. Er wollte untergehen, ertrinken – wenn nicht in Faustus' Armen, in Faustus' Leib und Sinnen, so zumindest im Wasser bis dass sein Wesen aufhörte zu sehnen, sein Herz aufhörte zu brennen, sein Verstand aufhörte sich zu verlieren. Wie so oft war es indes sein Leib, welcher seinen Wünschen sich widersetzte, trieben seine brennen Lungen doch ihn schlussendlich wieder empor. "Der Brief ist noch nicht zu Ende, Herr, es folgt noch ein Postskriptum", fuhr Sciurus unbeirrt fort, als Gracchus Kinn wieder über der Wasseroberfläche war angelangt.
    "Ein Post..skriptum? Was zögerst du noch?"
    "PS. Bitte, sende mir ein Portrait von Dir, wenigstens Dein Bildnis muss ich hier bei mir haben. Ich bedecke diesen Brief mit lodernden Küssen, über und über, möge das Papyrus sie über das Meer bis zu Dir tragen!"
    "Gib mir ein Tuch!"
    herrschte Gracchus den Sklaven an als jener geendet hatte.
    "Und a'hte auf das Papyrus!"
    Sciurus sah sich um und reichte Gracchus ein Tuch, mit welchem dieser seine Hände und sein Gesicht trocknete, ehedem er es auf den Beckenrand vor sich ablegte.
    "Nun reiche mir den Brief!"
    Der Sklave tat wie geheißen und übergab Gracchus das Schreiben, welcher es mit zittriger Hand in Empfang nahm. Tief sog er mit geschlossenen Augen den Geruch des Papyrus in sich ein, glaubte Serapio darin riechen zu können, hob es an seine Wangen, die Küsse des Geliebten einzufangen, und hauchte schlussendlich selbst einen Kuss auf den Schriftzug Faustus' Namens.
    "Oh Faustus"
    , seufzte er leise.
    "Wie ungerecht ist doch dies Leben und wie ungere'ht die Liebe!"
    In Furcht, das kostbare Kleinod mit Wasser zu benetzen, die süßen Worte für immer auslöschen zu können, reichte er den Brief zurück an Sciurus.
    "Verwahre es gut, ich möchte es gleich nach der Cena noch einmal hören. Allfällig werde ich sodann auch bereits mit der Antwort beginnen."
    Der Sklave nickte und schickte sich an, den Raum zu verlassen und seinen Herrn in der Obhut der wieder eintretenden, namenlosen Badesklaven zurück zu lassen. Gracchus indes spürte kaum noch das weiche, angenehm warme Wasser auf seiner Haut, nicht die wohlige Massage auf seinem Rücken, noch das Tuch, welches alsbald seinen Leib trocknete oder das Öl, welches die geschmeidigen, geschickten Hände eines attraktiven jungen Burschen in seine Haut rieben - er war in Gedanken nurmehr bei Faustus, bei dem Hephaistion der Meditrinalia, dem Centurio in seinem Officium, dem Faustus seiner Träume und seiner Sehnsucht, dem Gegenpart seines Seins, der erst zu einem vollwertigen Menschen ihn komplettierte. Allfällig war auch er verrückt, wahnsinnig und toll, doch war er geneigt, dies zu erdulden, um nicht seinen Verstand zu verlieren vor Sehnsucht.

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  • Der Abend hatte sich längst weit in die Täler Roms hinab gesenkt, ein erster Anflug von Nacht streifte über die Hügelkuppen der Stadt hinweg, und doch schien es Gracchus als könnten die Stunden nicht leuchtender, nicht erhabener sein, schien doch in seinen Gedanken die Sonne, war er selbst bisweilen das leuchtende Gestirn. Mehrmals bereits hatte Sciurus nach der Cena erneut die Worte Faustus' verlesen, hatte dazwischen Gracchus' Antwort in Wachs ritzen, den Text zuletzt auf ein Pergament übertragen müssen, ehedem sein Herr noch einmal sich an dem Brief aus der Ferne ergötzte, schlussendlich mit einem tiefen Seufzen sich in die Kissen der Cline hinab sinken ließ.
    "Vergiss nur morgen nicht den Corinther … wie war noch sein Name? Manokles?"
    "Mandrokles, Herr. Ich werde ihm einen Boten senden." Der Grieche war ein Zeichner und Maler, der ein kleines Portrait von Gracchus sollte schaffen, um welches Faustus gebeten hatte.
    "Gut, dann lies noch einmal die Na'hricht, ehedem ich sie signiere."
    Zwar waren die Worte längst von den Wachstafeln auf Pergament übertragen, doch würde Gracchus ein einziges Wort, eine Formulierung missfallen, so würde Sciurus die Zeilen noch einmal neu aufsetzen müssen. Der Sklave begann, die Worte seines Herrn zu verlesen.


    Tribunus Angusticlavus Faustus Decimus Serapio, Legio XXII Deiotariana, Nikopolis, Alexandria et Aegyptus



    Gruß und Heil dir, geliebter Heroe unter ferner Sonne, carbunculus meus!


    Das Herz zerreißt es mir, deine Worte zu vernehmen, wieder und wieder ihren süßen Klang mir einzuverleiben, mit allen Sinnen sie zu verschlingen, in ihnen zu wiegen meinen Geist, zu wälzen meinen Verstand im kläglichen Versuche deiner habhaft zu werden, ein wenig der devastativen Sehnsucht nach dir zu mindern, welche tagtäglich mich in ihrer bittersüßen Qual gefangen hält. Von Wahn schreibst du, von Raserei, welche dich umtreibt, und auch ich bin längst dem unbändigen Taumel der Sinne erlegen, der unser beider Leben eint. Mehr und mehr glaube ich an die Wahrheit der alten Weise, welche in Platons Symposion Aristophanes erzählt, dass der Mensch dereinst zweigesichtig, vierarmig und vierfüßig war, und nun nach der Dissoziation durch die Götter in sein jetziges Abbild stets sehnsuchtsvoll seinem Gegenpart entgegenstrebt. Wer, wenn nicht du, könnte zu einem vollständigen Wesen mich komplettieren, wie sonst sollte dies ungebärdige Sehnen, dies torquierende Drängen zu erklären sein, wenn nicht um zu einen, was zusammen gehört? Könnte ich nur einen Hauch deinerselbst atmen, könnte ich ein Bruchstück deines Leibes spüren neben mir, könnte ich ein Flüstern deines Herzschlages vernehmen, nimmermehr wollte ich ein halber Mensch nur sein!


    So ich meine Augen schließe kann ich wahrhaft im Geiste vor mir sehen, wie du den wilden Acephali in der Wüste entgegentrittst, und so du über dies adventuröse Unterfangen berichten möchtest, werde ich an jedem deiner Worte begierig hängen. Zweifle indes nicht an deinen Befähigungen, denn selbst so deine Vorväter die Tatkraft und Kühnheit deiner Familie bereits sollten aufgebraucht haben - woran ich mir gestatte, Zweifel zu hegen -, so bleibt dir doch deine Besonnenheit und Leidenschaft, welche wohl einem Kommandanten der römischen Legion weit besser zu Gesichte stehen, wiewohl Fortuna und Mars zweifelsohne auch über euch werden wachen, die ihr keinem gewaltigen Heer gegenüber steht, denn mag es Ruhm, Ehre und Reichtum schaffen, neue Gebiete dem Imperium einzuverleiben, so ist es doch ebenso essentiell, wenn nicht gar weitaus bedeutsamer, und überaus lobesam den Frieden an seinen Grenzen zu schützen, um Beständigkeit und Sicherheit zu gewährleisten.


    Manches mal wünschte ich, auch die innere Stabilität des Reiches könnte auf solch offensive Art gefestigt werden, doch weder ist der Feind im Inneren des Staates derart offensichtlich zu detektieren, noch wünsche ich uns selbstredend in die Zeit der Bürgerkriege und Proskriptionslisten zurück - und dies nicht nur aus eigennützigen Interessen, da es aus Gründen historischer Gegebenheiten durchaus wäre erdenklich, dass der Name meiner Familie darauf würde aufscheinen. Manches mal indes halte ich es ohnehin für Wahn, den inneren Feind zu vermuten, hervorgerufenen aus der bedeutungslosen Monotonie, welche in Ermangelung tatsächlich gegenwärtiger Feindesbilder uns bisweilen überfällt, allfällig auch ob der Absenz des Imperators aus Rom, ob deren wir uns gegenseitig mit tiefem Argwohn mustern, in unserem Gegenüber die eigene Gier zu erkennen glauben, obgleich auch in diesem nur unsere eigene Feigheit schlummert. Mag es mir nicht zur Ehre gereichen, doch ich bin nicht geschaffen für diese Art von Spiel, sehe keinen Nutzen darin, dass es gegenwärtig anders sollte sein als es ist, und wenn es das Ziel der Bestrebung eines mächtigen Mannes muss sein mit einem Messer im Rücken zu enden – oder auch zweiundvierzig –, so fehlt mir gänzlich der Wille zur Macht, über deren Relevanz und Charakteristikum ich ohnehin stets uneins bin.


    Vermutlich hast du bereits vernommen, dass vor dem Iudicium Publicum eine Anklage gegen deinen Vater verhandelt wird ob juristischer Fehler bezüglich zweier Adoptionen während seiner Praetur. Der Praetor urbanus hat mich als Iudex bestimmt, was ich selbstredend nicht konnte ablehnen – zu spät wurde mir gewahr, dass Senator Decimus dein Vater ist, und erst hernach offenbarte sich, dass dich selbst diese Causa tangiert –, und bisherig wurden nur Formalitäten der Anklage und Verteidigung behandelt, wiewohl die erste Anhörung vernommen. Indes kannst du dir gewiss sein, dass ich persönlich keinerlei politische Interessen diesbezüglich verfolge – weder der Senator selbst, noch deine Familie im Allgemeinen haben mir je Anlass dazu gegeben, ihr mit Apathie zu begegnen –, so dass einzig der Iustitia genüge getan werden muss, gleichsam weder Anklage, noch Verteidigung sonderlich elaboriert sich darstellen, wiewohl eine etwaige Strafe wohl mehr eine Formalität wird sein, handelt es sich wenn überhaupt doch um ein recht belangloses Vergehen.


    Wie sehr ich auch brenne in Verlangen, es streckt der Alltag doch stets erneut seine Klauen nach mir aus, und ich frage mich, wie das Leben wohl wäre im Ansinnen, der Begierde nur nachzugeben – kurz und heftig, oder endlos erfüllt? –, wiewohl ich doch bezweifle jemals die Kühnheit aufzubringen, dies zu eruieren. So hehr ist deine Meinung über meinen Geist, dass gerade darin wohl die Antwort muss liegen, dass die Tiefe des Lebens mir auf ewig wird verborgen bleiben. Oh, Faustus-Hephaistion, errette mich aus dieser trübseligen Ödnis, schwinge dein leuchtend Schwert diese Dunkelheit zu vertreiben, diesen verworrenen Geist in Flammen zu setzen, denn selbst so es nur kurz und heftig mag sein, wie glühender wäre doch dies Leben statt lang und vergebens!


    Ein wenig verblasst scheinen mir schon deine Worte, da ich so oft an dem sie tragenden Papyrus gerochen, deine Küsse aus dem trockenen Grunde gesogen und sie an meinen Wangen habe gerieben, mich in Erinnerung an jene wonnevollen Stunden habe verloren, so dass ich dich bitte – gar flehentlich ersuche –, mehr Worte mir zu senden, mit deinen Küssen bedeckt, dass ich darin versinken kann.


    Möge Fortuna dir gewogen sein in der Ferne, möge Mars dir beistehen im Kampfe, und möge Eros alsbald dich zurückbringen in meine Arme!



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  • Er hatte sie so oft gehört, so oft geändert, an ihnen gefeilt und ihren Klang perfektioniert, dass Gracchus beinah jedes Wort selbst konnte mit aufsagen, so dass schlussendlich es nichts mehr daran zu ändern gab. Mit zittriger Hand setzte er darob nurmehr seine Unterschrift unter das Pergament, darum bemüht, seinem Namen ein wenig jenes Schwunges zu vermitteln, welcher ihn früher hatte geziert - wenn auch nie in der Perfektion seines Vetters Marcus. Ein wenig ungeduldig wartete Gracchus sodann, als Sciurus heran trat, etwas Sand auf die feuchte Tinte zu streuen, dass sie rasch trocknete, um hernach das Schriftstück mit wehmütigem Blicke zu betrachten.
    "Oh, Pergament, wie sehr ich dich beneide! Denn schon bald wirst du in seinen Händen liegen, seine Finger werden deine Haut umschmei'heln, und allfällig wird er dich gar an seine Lippen heben und mit Küssen bedecken. So flüstere ihm von meinem Sehnen, flüstere von meiner Liebe, du tausendfach glückli'hes Blatt!"
    Unter das zweite Pergament malte Gracchus mit einem stillen, vergnügten Lächeln auf den Lippen eine Sonne und reichte es seinem Vilicus weiter.



    Zu fern deiner Augen Glühen
    gleich nächtlichem Sternenglanz.
    Zu fern deiner Stimme Lachen
    gleich der Wolken Sturmesklang.
    Nah an meinem Herzen nur Sehnsucht,
    Erinnerung an den Meditrinalientanz,
    Sehnen nach deines Leibes Feuer,
    entzündet an der Satyren Gesang.


    Deinen Nektar wollte ich kosten,
    dich mit Haut und Haaren verspeisen.
    In deinen Sinnen wollt' ich ertrinken,
    so unendlich war meine Gier!
    Nun hält dich die Ferne gefangen
    und das Herz will mir zerreißen.
    Nun muss ich elendig verdursten
    und sterbe an Hunger nach dir!



    [Blockierte Grafik: http://img201.imageshack.us/img201/8210/aton.png]


    "Dem Boten neide ich gleichsam, der meinem Faustus so nahe kommt! Lasse ihn meine Dank..barkeit großzügig wissen."
    Wie die Nachricht nach Aegyptus gelangte, dies interessierte Gracchus nicht, ebenso wenig wer der Bote war, konnte er doch sich darauf verlassen, dass sein Sklave für einen sicheren, unauffälligen Transport würde Sorge tragen. Sciurus verwahrte die beiden Pergamente, zu welchen am nächsten Tage noch das Bildnis aus der Hand des Mandrokles würde hinzugefügt werden, ehedem er alles gemeinsam auf den rechten Weg würde bringen.

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