Cubicula MFG et CA | Auf der Suche nach dem goldenen Kind

  • ~~~ Gefangen in Morpheus' Reich ~~~

    Glühend rotfarbenen brannte der ferne Himmel, loderten züngelnd Wolkenfetzen, suchten den Horizont zu verschlingen, welcher die Glut brach an tristem, graufarbenen Gestein, sandig bröckelnder Ödnis, durchbrochen einzig durch einen Strom dunklen Blutes, dessen Quell zu finden in seinem Ansinnen lag. Schritt um Schritt hob er seine müden, schweren Füße durch das sumpfige, sämige Nass, aus dessen urgründigen Tiefen die dürren Klauen seiner Ahnen sich streckten, ihre knorrigen Finger nach ihm reckten, ihn zu fassen, straucheln zu lassen auf seiner Queste. Unermüdlich zog er weiter, schlug ihr zorniges Angebot aus, sich fallen zulassen und zu ihnen zu legen ihn ihr äsiges Grab, musste er doch angelangen an den Quell seines Blutes, den Ursprung seiner Zukunft. Bleich lag der Leib umfasst von saftigen Grase, kreidefarbenes Gebein auf grünfarbenem Grund, abgeschält die Hülle seiner Selbst, zerfurcht die Fasern, welche einst ihn verbanden, und nur der braunfarbene Schopf erinnerte noch an eine vergangene Existenz, wiewohl das zarte Rinnsal frischen Lebenssaftes, das aus dem kindlichen Körper floss, der Quell seines Blutes, seines eigenen Fleisch und Blutes, das tot vor ihm lag.

    ~~~


    "Minimus!"
    schreckte Gracchus aus den verworrenen Reichen seiner Träume empor, und während die letzten Fetzen grausiger Erinnerung in der trüben Dunkelheit der Nacht sich verflüchtigten, blieb in ihm das Sentiment der Machtlosigkeit, stieg aus den Tiefen seines Selbst instinktive Panik empor.
    "Sciurus!"
    Der Sklave erhob sich von seinem Platz an der Türe als hätte er nicht geschlafen - und manches mal war Gracchus tatsächlich dessen sich sicher, dass sein Leibsklave dies niemals tat - und trat zum Bett seines Herren.
    "Ich muss zu meiner Gemahlin! Nein, ... erst zu Minimus! Dann zu meiner Gemahlin!"
    Es schlug die Decke zurück und schickte sich an aufzustehen. "Es ist mitten in der Nacht, Herr, etwa die achte Stunde. Du hast nur geträumt, deine Familie schläft sicher und wohlbehütet", suchte Sciurus, solcherlei nächtliches Grausen längst gewohnt, ihn zu beschwichtigen.
    "Aber wie lange noch?"
    Energisch schob Gracchus seinen Sklaven zu Seite. "So beruhige dich, Herr, es war nur ein Traum." Gracchus fuhr herum.
    "Nur ein Traum!"
    blaffte er Sciurus an.
    "Wie kannst du darüber ri'hten, der du ein Sklave bist und nie in deinem Leben geträumt hast! Heute ist es nur ein Traum, doch wer kennt schon die Wirklich..keit des Morgens?!"
    Ohne einen weiteren Einwand abzuwarten strebte Gracchus in seinem knielangen, seidenen Nachtgewand, mit zerzaustem Haupt und baren Füßen der Türe entgegen, sein Schlafgemach zu verlassen, der Unversehrtheit seines Sohnes sich zu vergewissern und hernach seine Gemahlin aufzusuchen.

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  • Wie mit klaren Verstande betrachtet nicht anders zu erwarten gewesen war, hatte Manius Minor friedlich in seinem Bette geschlummert, eingerollt in seine Decke, ein zufriedenes Lächeln auf dem zarten Kindergesicht, bewacht von seinem geliebten hölzernen Krokodil, welches noch immer allabendlich auf dem Nachttisch seinen Platz fand - wäre es nicht aus jenem harten Material gefertigt, vermutlich hätte es seinen Platz nahe Minimus' Leib im Bette gefunden. Vor der Türe des Knaben hatte ein Sklave seinen Posten, dass stets jemand schnell bei ihm war so er rief, welcher bei Gracchus' Nahen war leicht aufgeschreckt als hätte er bereits halb geschlafen, was zwar dem Patrizier in seiner Sorge um den Sohn, nicht jedoch dem ihm folgenden Sciurus war entgangen, und somit zweifelsohne noch ein Nachspiel würde haben. Gracchus indes hatte nach dem Wohle seines Sohnes nun nurmehr seine Gemahlin im Sinne, noch immer gedrängt von der bruchstückhaften Erinnerung an grauenvolle Träume, welche allmählich dazu sich vermischten mit den Reminiszenzen an eine bisweilen nicht minder grauenvolle Realität. Vor der Türe zu ihrem Cubiculum, die nur schwach wurde beleuchtet durch das goldfarbenen Licht einer Öllampe am Ende des Ganges, verharrte er reglos, stierte auf das Muster im Holz, als könne er Kraft seiner Gedanken die Materie lenken und formen, dass ein Loch sich öffne - seines Sklaven, welcher auch hierhin in gebührendem Abstande war gefolgt, ebenso wenig gewahr wie dem Rest der Welt. Als wäre es gestern erst gewesen, dass er hier hatte gestanden und gezögert, schienen die hölzernen Gefilde ihm so vertraut, gleichsam indes schien es ihm eine Ewigkeit, dass er seiner Gemahlin zuletzt hatte beigelegen - was zweifelsohne der Realität weit näher kam. Und wie vor jedem Schritt über diese Schwelle, um zu tun, was er tun musste, was einem Manne zu tun war auferlegt, überkam ihn ein latentes Gefühl von Furcht und Panik, Versagensängsten und Inferiorität, welches nurmehr wurde übertroffen durch den Nachhall des Traumes, welcher mit einem Male wieder so deutlich vor seinen Augen stand, dass er voller Entschlossenheit die Türe aufstieß und ohne einen weiteren Gedanken die Grenze zu den Gefilden seiner Gemahlin hinter sich ließ. Ruhig und friedlich schlummerte Antonia in ihrem Bette, das idente zufrieden Lächeln auf ihrem Antlitz tragend wie ihr schlafender Sohn, das gleichförmige Gesicht umrahmt von den Strähnen ihres samtigen, schwarzfarbenen Haares, trotz all ihrer ungeschönten Natürlichkeit - oder gerade deswegen - ein Anblick einer Göttin gleich, und wäre Gracchus ein anderer Mann gewesen als jener, der er war, allfällig wäre er nurmehr begierig über sie hergefallen, sich zu nehmen, weshalb er gekommen war. Gracchus indes hatte keinen Sinn für die Verlockungen unschuldiger, weiblicher Schönheit - obgleich er durchaus ihre Anmut und ihr Ebenmaß nicht nur musste anerkennen, sondern wusste zu schätzen -, so dass er Antonias Schulter mit seinen Händen umfasste, sie wach zu rütteln, den friedlichen Schlummer zerstörte.
    "Erwache, Antonia, erwache!"
    Durch das geöffnete Fenster in seinem Rücken drang nicht nur die laue Spätsommerluft in das Haus hinein, auch die Strahlen des bleichen Vollmondes fielen dort hindurch, illuminierten den Raum in einem unwirklichen, milchfarbenen Schimmer, umrahmten Gracchus' Haupt, dass er der erwachenden Antonia mehr wie die Silhouette einer larva musste erscheinen denn wie ihr Gemahl.

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  • Düster und still umhüllte das Cubiculum der Claudia die Schlafende, barg sie sicher und warm wie ein Kokon die Raupe. Nur Apollo und Merkur, Präsente ihres Gemahls, legten wachend ihre steinernen Augen auf die Patrizierin, während jene durch die Welt des Morpheus wandelte. Ein Teil von ihr nahm wohl wahr, dass jemand den Raum betrat, hörte sie doch im schwummrigen Graublau des Traumes leise Schritte, wandte sich um, um zu sehen wer ihr Nahe kam, doch konnte sie niemanden sehen.
    In der realen Welt äußerte sich dies lediglich durch ein leichtes Wechseln der Schlafposition, sie drehte sich um, hin zur Türe und somit das Gesicht zum näher kommenden Flavius. Ein wohliges Seufzen zeigte, dass es wohl kein Alptraum war, der sie gefangen hielt, bis sie schließlich etwas aus ihrem Schlummer riss, einem Erdbeben gleich die Traumwelt erschütterte und sie in die Schatten der Villa Flavia zurückholte. Widerwillig brummte sie, hob automatisch eine Hand zu ihren Augen, um jene zu reiben und den Schlaf zu vertreiben. Kaum jedoch hatte sie dies getan und einige Strähnen ihres dunklen Haares sich aus dem Gesicht gestrichen um zu sehen, wer sie mitten in der Nacht weckte, ergriff blanke Panik sie. Nicht jemand, sondern vielmehr etwas schien neben ihr zu sein, ein Wesen umhüllt von Licht, gekommen um sie zu holen, sie fortzureissen von ihrer Familie und aus ihrem Leben. Kein Gesicht, keine erkennbare Gestalt schien es zu haben, nur eine dunkle, formlose Hülle, vor der selbst die Strahlen der Luna weichen mussten.
    Mit einem Mal war die Müdigkeit vergessen, Antonia riss die Augen auf und den Körper empor, sodass sie aufrecht in ihrem Bett saß, das Laken schützend gegen die Brust gedrückt, während sie zugleich größtmöglichen Abstand zwischen sich selbst und jenes Wesen zu bringen suchte, indem sie zurückrutschte, bis an den Rand ihres Lagers. Ein heller Schrei durchbrach die nächtliche Stille, oblgeich die Claudia wusste, dass gegen jene Kreatur wohl weder Schreien, noch Bitten, noch Flehen etwas nutzen würde. Die freie Hand hob sie zitternd empor, eine letzte schwache Barriere zwischen ihr selbst und dem Wesen.

  • Es schien beinah als suchte seine Gemahlin vor ihm zu fliehen, doch Gracchus hatte keine Sinne für solcherlei Gedanken, war er doch überzeugt, dass die sich abzeichnenden Gegebenheiten für sie gleichermaßen aufwühlend mussten sein wie für ihn, wiewohl der konsternierte Ausruf aus ihrem Munde dies nur zu verifizieren schien. Er fasste ihre Hand, welche er fälschlicherweise aus hilfesuchender Zustimmung erhoben glaubte, und verkündete ohne Zaudern sein Begehr, die Augen ob der nächtlichen, trüben Lichtverhältnisse weit geöffnet.
    "Wir müssen ein Kind zeugen, Antonia!"
    Von Dringlichkeit war seine Stimme durchzogen, durchtränkt von Furcht und benetzt mit Panik.
    "Wir brauchen einen Na'hkommen, ich brauche einen Erben! Wer soll meine Blutlinie fortführen, so Minor etwas zustößt?"
    Er ließ ihr keine Zeit, über diese grausame Option der Zukunft nachzudenken, beugte sich ein wenig mehr noch zu ihr heran, seine Stimme drängender denn je.
    "Bedenke nur, was alles geschehen könnte! Er könnte entführt werden und am Grunde des mare internum enden! Oder entführt werden und als Pirat enden! Oder gar ent..führt werden und als Pirat auf dem Grunde des mare internum enden! Und selbst, wenn wir ihn aus den Klauen des Entführers erretten, herna'h könnte er aus Gram einen Dolch in sein Herz sich stoßen, ja nicht einmal entführt werden muss er, um solch deletären Gram zu verspüren! Er könnte einen Unfall erleiden oder einem feigen Mord..anschlag zum Opfer fallen! Er könnte Bischof von Rom werden und von dieser Christianersekte irre..geleitet in den östlichen Provinzen sein Tod finden! Er könnte von einer Krankheit dahingerafft werden, von einem wütenden Mob niedergemetzelt oder augenblickli'h tot umfallen!"
    Es waren nur die naheliegendsten Möglichkeiten, welche Gracchus zuerst in die Sinne kamen -Todesarten, die in der flavische Familie nicht unbekannt waren -, ehedem er auf allgemeine römische Art und Weisen des Sterbens hinwies, wobei er ihre Hand aus der seinen entließ und wieder nach ihren Schultern fasste.
    "Er könnte in den Tiber fallen und ertrinken, oder auf den Straßen ausgeraubt und liquidiert werden! An einer Gräte ersticken! Vom Pfeil eines Parthers oder Speer eines Germanen darnieder ge..streckt werden! Auf dem feuchten Thermenboden ausrutschen, oder an einer Ecke Roms mit einer jungen Frau zusammenstoßen und anstatt sich unsterbli'h in sie zu verlieben, stolpern und den Kopf sich aufschlagen!"
    Gracchus' Blick hatte einen Schimmer des Wahns angenommen, wie im Irrsinn rüttelte er nun an der Schulter seiner Gemahlin.
    "Beim Faden der Klotho, Antonia, es gibt mehr Mögli'hkeiten in Rom sein Leben zu lassen als zu bestehen! Und was dann?"
    Seine Stimme wurde einige Nuancen lauter.
    "Soll dies alles vergebens gewesen sein? All die Mühe, all diese Last?"

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  • "Wir müssen ein Kind zeugen, Antonia.", hallte die Stimme des Wesens durch den Raum, während es ihre Hand packte, bereit sie an sich zu reissen, um zu nehmen, weshalb es gekommen war. Doch als es sich bewegte, das Licht sich umzuformen schien und die Gestalt anders umfloss, zeichnete sich ein Gesicht im schwarzen Schemen ab. Jenes Gesicht, das sie als allerletztes zu dieser Zeit an diesem Ort erwartet hätte. Jenes Gesicht, das am meisten sie sich hierher gewünscht hätte, wenn nicht vor langem schon sie jegliche Hoffnung hätte aufgegeben. So wich sie nicht weiter zurück, als ihren Gatten sie endlich hatte erkannt, gab die angespannte Haltung auf und sackte gar ein wenig nach vorne. Auch die Hand, soeben noch zittrig, nun wieder ruhig, zog sie nicht zurück, reflektierte stattdessen noch einmal, was sie gehört hatte. Ein Kind zeugen? Wäre sie nicht seit Jahren der Überzeugung gewesen, ihrem Gatten genüge der eine Sohn, brauchte keinen weiteren, um das Erbe zu sichern, sie wäre wohl weniger verwirrt gewesen. Nie hatte es ihn nach ihrem Leib gedürstet, nie hatte er etwas verlangt und so hatte Antonia sich mit dem Leben einer halben Vestalin abgefunden, überzeugt davon, dass etwas an ihr den Gemahl ungeheuerlich abschrecken musste. Und es gab nichts, das sie tun konnte, nichts, das sie an sich ändern konnte, um jenen Umstand zu ändern.
    Daher hätte er wohl ebenso gut offenbaren können, er wolle sich nun zur Ruhe setzen, um Tauben in Germania zu züchten, die Claudia hätte gleichermaßen erstaunt und ungläubig ausgesehen. Die folgenden Worte indes vermochten Antonias ohnehin stets existente Angst, Minor könne irgendetwas zustossen, ins Unermessliche zu steigern. Sonstig war es Gracchus, der jene Angst zurückstutzte. Doch nun, ohne Stimme der Vernunft im Raume, wuchsen die dunklen Augen Antonias auf Untertellergröße an.
    "Wenn ihm etwas.. Manius!", keuchte sie schließlich, als Gracchus die zahllosen Möglichkeiten aufzählte, wie ihr Sohn, ihr kleiner Gracchus, ihr gesamter Lebensinhalt, zu Tode kommen könnte. Ihre Hand grub sich in die Seine, klammerte sich am Vater jenes Kindes fest, dessen mögliches Ableben Grund für den nächtlichen Besuch war. Vergessen war mit einem Mal die anfängliche Bitte, das Verlangen ein weiteres Kind müsse gezeugt werden. Ohnehin war Antonia der Gedanke zuwider, man könne Minor ersetzen. Selbiges war selbstredend unmöglich. Doch hegte sie seit Langem den Wunsch weiterer Kinder, wagte jedoch nie den Gemahl hierauf anzusprechen.
    Seine Hand löste sich schließlich von ihr, griff stattdessen nach den schmalen Schultern, während Antonia selbst kraftlos schien, nicht fähig sich dem aufbebenden Irrsinn entgegen zu stellen. Ihre Gedanken kreisten um den Sohn, der derzeit friedlich in seinem Bett lag und nichts von den Ängsten seiner Eltern ahnte.
    "N.. nein?", erwiderte sie zaghaft, mehr Frage denn Antwort, auf den letzten Satz Manius Maiors, ohne recht zu wissen, ob er tatsächlich eine Antwort haben wollte, oder sie sich schlicht zurücklehnen und ihn tun lassen sollte dessentwegen er gekommen war. "Aber.. wie kommst du denn nur auf so etwas Schreckliches?

  • Es war die Art, wie sie ihre Frage stellte, die Nachfrage an sich, welche den insgeheimen Vorwurf in sich barg, ob der Absurdität jener Überlegungen wegen, welche Gracchus aus den Fängen des Wahns riss, ihn zurückwarf in die Position eines sich zu rechtfertigenden Kindes, welches die Eltern banaler Gründe wegen dem Schlaf hatte entrissen, ihn gänzlich ratlos zurück ließ. Als hätte ein Spieler die Fäden zum Leib der Marionette durchtrennt, sanken Gracchus' Arme kraftlos herab, sank er selbst auf den Rand des Bettes hin.
    "Ich ... ich habe schlecht geträumt"
    , suchte er sich zu rechtfertigen, noch immer gefangen zwischen dem drängenden Bedürfnis, sein Erbe zu sichern, und der allmählich dämmernden Beklemmung ob der Erkenntnis der dazu notwendigen Tat, der ihn stets in diesem Raume überkommenden Furcht.
    "Doch bedenke nur die Realität - deine Brüder, von welchen kein einziger mehr am Leben ist, meine Geschwister, von welchen von se'hsen nurmehr zwei verblieben sind."
    Von welchen einer zudem keinerlei Anstalten hegte, das Erbe der Familie fortzuführen, doch wollte er dies nicht anführen, war er doch ebenso überzeugt wie Antonia, dass Minor kein Flavius solch müßiger Art war. Und doch, allfällig war es eine törichte Idee gewesen, seine Gemahlin aufzusuchen, sie so unvermittelt zu stören in ihrem Schlafe und von ihr zu verlangen, dass sie sich ihm würde hingeben, wo er doch seit Jahren, vermutlich seit der Nacht da sie Minor hatten gezeugt, ihr nicht mehr hatte beigelegen. Doch um sich zurückzuziehen war es zu spät, wollte er nicht sich und Antonia gegenüber eingestehen, dass er von Albträumen sich drangsalieren ließ wie ein Kind oder ein Narr, dass der Wahn ihm bisweilen die Sinne vernebelte, dass er nicht mehr Nacht noch Tag, nicht mehr Traum noch Wirklichkeit konnte differenzieren.
    "Selbst wenn die Götter uns und unserem Sohne wohlgesonnen sind, so wird Minimus Verbündete brau'hen, welchen er vertrauen kann, was immer auch geschieht, welche den Rücken ihm freihalten. Be..dingungslos wird er stets nur seiner Familie trauen können."
    In Gracchus' eigenem Fall gehörte sein Bruder wohl zu den Menschen, welchen er nicht mehr traute als jedem beliebigen anderen Menschen der Welt, allfällig sogar noch etwas weniger, doch in der glänzenden Utopie seinen Sohn betreffend war dies völlig divergent.

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  • Langsam glaubte sich Antonia noch in einem Traum gefangen, rieb sich mit einer Hand die müden Augen und wusste nicht recht was sie tun sollte. Eine andere Frau hätte vielleicht erkannt, dass die aufkeimenden Zweifel im Gatten nun auszuräumen waren, dass sie die Initiative ergreifen musste. Die Claudia jedoch hatte dergleichen nie gelernt und war ohnehin nicht fähig bei dieser Thematik mehr zu tun, als im besten Fall zu reagieren, war ihr doch beigebracht worden "es" schlicht über sich ergehen zu lassen. Und selbst das, glaubte sie, könnte sie mittlerweile verlernt haben. So blickte sie unsicher ihren Gatten an, als jener offenbarte die fixe Idee sei einem Traum entsprungen.
    Die eigene Familiengeschichte vor Augen geführt wuchs die Angst, die Linie könne aussterben, überragte nun bei Weitem die Angst zu versagen, sich zu blamieren und Gracchus zu enttäuschen ob ihrer Unfähigkeit. Dass er sie keineswegs zum Beischlaf überreden hätte müssen schien ihm nicht bewusst und wie so oft erkannte Antonia, wie wenig sie beide sich eigentlich kannten und dass es eigentlich ein Wunder war, dass sie ein so vollkommenes Wesen wie ihren Sohn hatten zustande gebracht. Kurz zuckten ihre Lippen nach oben. Schließlich nahm sie jedoch all ihren Mut zusammen und zuckte mit den Schultern.
    "Du musst mir nichts erklären, Manius.", sagte sie zögerlich. "So es in meiner Macht steht, werde ich nichts lieber tun als dir weitere Kinder zu schenken, sei dir dessen versichert." Wie sehr hatte sie sich in den letzten Jahren gewünscht Minimus Geschwister an die Seite geben zu können. Dass es vielleicht noch möglich wäre hatte sie aber seit Langem nicht mehr zu hoffen gewagt.

  • Jenes unscheinbare Lächeln, welches über das Antlitz seiner Gattin sich zog, war wohl nichts, das Gracchus in diesem Augenblicke hätte erwartet, bei genauerem Sinnieren darüber indes war es nur ein weiteres Anzeichen ihrer Perfektion, war doch Antonia stets gewillt, jede ihrer Pflichten mit gebührendem Eifer zu erfüllen, was auch ihre Worte letztlich nur bekräftigten.
    "Ich weiß wahrli'h nicht, welchem der Götter ich zu verdanken habe, dass eine solch vortreffliche Gemahlin mir zur Seite wurde gestellt, doch gleich morgen in der Frühe will ich eine Gabe in das La..rarium legen, ihm Dank zu sagen."
    Auch auf seine Lippen stahl sich ein feines Lächeln, da Antonia so bereitwillig sich ihm wollte hingeben, welches indes alsbald durch den klandestinen Widerwillen über die damit verbundenen Konsequenzen der tatsächlich notwendigen Ausführung dieser Tat wurde hinfort gefegt. Noch immer ein wenig zögerlich hob Gracchus die weiche Bettdecke an, darunter zu schlüpfen, und einige Augenblicke lang fühlte er sich von dem Wunsch überwältigt, nur einfach in die behagliche Wärme sich zu betten und weiter zu schlafen. Ohne Worte, nur durch die sachte Berührung seiner Hände dirigierte er Antonia in eine ihm genehme Position - es war ihm unmöglich, dass sie während des Aktes ihn ansah, allein dass ihr diese Möglichkeit geboten war, fürchtete er doch stets, sie würde mit ihrem durchdringenden Blicke bis in seinen Geist vordringen können, in welchem er während des Vollzuges seiner ehelichen Pflicht stets weit fort von ihr, fernab weiblicher Sinnlichkeit weilte. Eine Zeitlang - ein wenig zu lange allfällig - lag er hernach nur in ihrem Rücken, dass es Antonia beinahe musste scheinen, als wäre er tatsächlich in die Reiche des Somnus' entschlummert, tatsächlich jedoch suchte er die notwendigen Voraussetzungen zur erfolgreichen Kopulation zu schaffen, welche mit der Nähe seiner Gemahlin nicht zwangsweise sich verfestigten. Als er schlussendlich in einem adäquaten Stand war angelangt, zielte die Vereinigung vorwiegend nurmehr darauf ab, sein körperliches Verlangen zu stillen - mit welchem Pendant war dabei hingegen gänzlich irrelevant.


    ~~~
    Wunderbar, mein Herz, hör ich dich sagen:
    Ewig sei nun, ewig mein Dienst an dir.
    Gebt, ihr Götter, dass sie wahr gesprochen
    Und es ehrlich meint, aus reinem Herzen.
    Gönnt uns, dass ein Leben wir erschaffen
    Durch solch ehelicher Liebe schönes Bündnis.*
    ~~~


    Heftig pochte das Herz in seiner Brust als Gracchus außer Atem neben Antonia auf dem Rücken zu liegen kam, und wäre er imstande gewesen einen klaren Gedanken zu fassen, allfällig wäre ihm bedauerlich erschienen, dass der körperliche Effekt letztlich recht similär war, gleich ob er seiner Gemahlin oder seinem Geliebten hatte beigelegen. Doch war er zu entkräftet für solcherlei Gedanken, ohnehin für irgendeinen Gedanken, legte sich bereits eine bleierne Müdigkeit über seinen Geist, wie seinen Leib, welche ihn augenblicklich zu übermannen drohte.



    * frei nach Catulls "Versprechen ewiger Liebe"

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  • Seine Worte lullten sie ein, wie so oft, trieben ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken und ließen sie für einen Moment glauben, dass er tatsächlich meinte, was er sagte. Nichtsdestotrotz war sie dankbar für die Lüge und zwang sich zumindest für den Augenblick nicht zu zweifeln und die kleine Stimme im Hinterkopf zu ignorieren. Als geschehe es zum ersten Mal verfolgten ihre Augen teils neugierig teils furchtsam seine Bewegungen, als er die Decke hob und somit die kühle Luft an ihren warmen Leib drang. Sie schauderte kurz, sog scharf die Luft ein und ertappte sich bei der Überlegung, dass ein im Herbst gezeugtes Kind wohl im Sommer zur Welt kommen würde. In der Hitze, stickigen, schwülen Hitze des Sommers.. sofern die heutige Bemühung denn überhaupt Früchte tragen würde. Minor schließlich hatte jahrelang auf sich warten lassen.
    Ohne Widerstand ließ Antonia sich drehen, verbat sich jedwede Überlegung über das "Warum" und beschloss, dass allein das "Ob" entscheidend war. Er schien zu zögern, verharrte reglos, doch gerade als die Claudia den Kopf wenden wollte, um zu prüfen ob er es sich anders überlegt hatte, oder gar eingeschlafen war, kam Leben in ihn.


    Wie lange der Akt letzten Endes gedauert hatte, hätte die Patrizierin später nicht mehr bestimmen können, allzu einprägsam waren die Handlungen nicht. Doch dies spielte für sie ohnehin nie eine Rolle, das Ziel war schließlich ein anderes, denn Vergnügen zu empfinden. Ihr Gemahl kam neben ihr zum Liegen, atemlos und geschafft. Antonia hingegen, nun gänzlich jeglicher Müdigkeit beraubt, strahlte ihn wach und glücklich an, fuhr ihm gar mit ihrer Hand in einem Anfall von Unbedachtheit über Haaransatz und Wange übers Gesicht. Er hatte seine Pflicht erfüllt, trotz sämtlicher Unzulänglichkeiten ihrer Person.
    Sie drehte sich halb, kam auf dem Rücken zu liegen und überlegte, ob sie den Rat, den eine ihrer Tanten ihr vor vielen Jahren einmal gegeben hatte, berücksichtigen sollte. Um die Empfängniswahrscheinlichkeit zu erhöhen, so hatte sie behauptet, solle die Frau nach dem Akt den Schoß in die Höhe recken und möglichst lange so verharren.
    Sie tat es nicht, starrte nur still an die Decke und schickte im Stillen zahlreiche Gebete an Iuno, sie möge ihnen ein weiteres Kind gewähren.

  • Iuno fühlte sich heute nicht besonders gut. Ja, auch Götter konnten schlechte Tage haben, und die oberste aller Göttinnen hatte heute so einen. Es war jedoch nicht so, als ob sie sich komplett schlecht fühlen würde, nein, das nicht. Sie hatte nur ein äußerst merkwürdiges Gefühl unterhalb der Taille, oder besser gesagt, sie hatte gar kein Gefühl. Ihre unteren Extremitäten waren wie taub.


    Und ihr Sohn, Mars, der Kriegsgott, der war schuld daran! Nichts als Ärger hatte sie mit dem Jungen! Wehe ihm, wenn er von seiner Kneiptour wieder nach Hause kam!


    Was die beiden Sterblichen anbelangte, prüfte sie die Liste - DIE Liste - und machte ein Häkchen. Die Sterbliche hatte soeben ein Kind empfangen.

  • Wenige Augenblicke nurmehr teilte Gracchus' Geist den Raum mit seiner Gemahlin, spürte kaum mehr bewusst ihre Berührung, welche bereits Teil des Traumes schien, welcher ihn umhüllte. Sorglos wandelte er auf den Spuren der Zeit, durchtanzte das Chaos der Unendlichkeit und berührte mit seinen Fingerspitzen den endlosen Horizont, durchbrach die schimmernde Hüllen durch seinen Geist und starb in den Leib der fruchtbaren Erde. Er mochte ein Kind gezeugt haben oder auch nicht, sein Blut würde zurückfließen in den endlosen Kreislauf des Lebens, und sein Geist würde unsterblich sein für den Augenblick. Alsbald begann Gracchus leise zu schnarchen.

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