Fast konnte Flaccus den Wind spüren, der ihm durch das Haar fuhr, als er, von den einladenden Worten der Iunia fortgeführt, dem König der Welt gleich sich fühlend vom Paneion aus nicht nur ganz Alexandria sondern auch weit hinaus aufs Meer und den satten grünen Streifen entlang, den der mächtige Nil durch das unwirtliche Land schlang bis zu den in der Ferne flimmernden Bergen, sein gewaltiges Reich überblickte. Die farbenprächtigen Pflanzen des Parks blühten in seiner Phantasie auf, fremdartige Gewächse von unbeschreiblicher Schönheit. Wundersame Tiere verbargen sich im Gestrüpp, von furchterregender Größe und Gewaltigkeit. Im Geiste huschte er durch die Gärten, nur um hinter jeder Biegung bereits ein neues Wunder zu entdecken. Doch schon brach die Nacht herein über das wundersame Paradies und Flaccus glaubte die Hitze der Flammenfontänen, die die Schausteller gegen den pechschwarzen Nachthimmel jagten, förmlich spüren zu können.
Jäh wurde der junge Mann jedoch gewaltsam fortgerissen aus jenem phantastischen Reich, in das die sprudelnden Worte der Iunia ihm Eintritt gewährt hatten, als Flavius Piso aufkreuzte, allem Anschein nach reichlich angetrunken und Flaccus selbst zunächst lediglich zunickte. Dann allerdings warf er der jungen Frau ein paar Worte an den Kopf die ihn wohl selbst (in nüchternem Zustand wohlgemerkt!), ob ihrer groben Verletzung der Ästhetik zweifellos angewidert hätten. In seiner momentanen Verfassung schien er sich allerdings nicht an ihnen zu stören, führte sein Kommentar jedoch auch nicht weiter aus, sondern verschwand fast eben so unvermutet, wie er aufgetaucht war, wieder in der Menge. Verschwand und ließ Flaccus und die Iunia in einer äußerst unangenehmen Atmosphäre zurück. In Gedanken versuchte der Flavier den Worten seines Verwandten Sinn abzugewinnen … Hatte er tatsächlich Witwe gesagt? Die junge Frau mochte wohl gerade so viel Jahre wie er selbst zählen und sollte tatsächlich bereits verwitwet sein? Plötzlich sah er die zuvor noch ob ihres exotischen Auftretens und der zauberhaften Worte faszinierende Frau in einem gänzlich anderen Licht. Zumindest glaubte er das, wenngleich er an dem tatsächlichen Erscheinungsbild der Iunia keine sichtbaren Veränderungen wahrnehmen konnte. Und doch schienen die filigranen Goldblätter in ihrem Haar etwas matter, die die grünen Augen blasser, das zuvor noch atemberaubende Kleid fast schon gewöhnlich … war es eine Täuschung oder löste tatsächlich ein Schleier sich von seinen Augen und ließ ihn nun die … nüchterne Wirklichkeit sehen? War er etwa einem Zauber der Götter unterlegen, einer Täuschung mit der sie nur allzu oft die Sterblichen in die Irre führten und ihre Schritte im Nichts verlaufen ließen? Hatte er es gar dem verstörenden Intermezzo Pisos zu verdanken, dass er nun wieder, scheinbar klar und im unbarmherzigen Lichte der Erkenntnis die Welt sah?
Ein nahezu endlos langer, quälender Moment folgte der gemurmelten Entschuldigung Axillas, in der der Flavier sie nur ansah; nachdenklich oder fassungslos, jedenfalls auf seltsame Weise ernüchtert schien sein Blick, der die noch vor wenigen Augenblicken glänzende Faszination scheinbar gänzlich verloren hatte. „Du bist Witwe?“ Diese Frage stellte er nach jenem schier endlosen Moment der Ernüchterung in den Raum, trocken und belegt klang seine Stimme. So also fühlte sich die wahre Welt an, die Wirklichkeit hinter dem Schein … eine schäbige Atmosphäre blieb zurück wenn die glänzende Pracht der Phantasie, die zauberhafte Schönheit – von den Göttern gegeben – sich aufzulösen schienen … in Schall und Rauch. Es war kein gutes Gefühl.