Tablinum | Sponsalia von Sextus Aurelius Lupus und Flavia Nigrina

  • Fast konnte Flaccus den Wind spüren, der ihm durch das Haar fuhr, als er, von den einladenden Worten der Iunia fortgeführt, dem König der Welt gleich sich fühlend vom Paneion aus nicht nur ganz Alexandria sondern auch weit hinaus aufs Meer und den satten grünen Streifen entlang, den der mächtige Nil durch das unwirtliche Land schlang bis zu den in der Ferne flimmernden Bergen, sein gewaltiges Reich überblickte. Die farbenprächtigen Pflanzen des Parks blühten in seiner Phantasie auf, fremdartige Gewächse von unbeschreiblicher Schönheit. Wundersame Tiere verbargen sich im Gestrüpp, von furchterregender Größe und Gewaltigkeit. Im Geiste huschte er durch die Gärten, nur um hinter jeder Biegung bereits ein neues Wunder zu entdecken. Doch schon brach die Nacht herein über das wundersame Paradies und Flaccus glaubte die Hitze der Flammenfontänen, die die Schausteller gegen den pechschwarzen Nachthimmel jagten, förmlich spüren zu können.


    Jäh wurde der junge Mann jedoch gewaltsam fortgerissen aus jenem phantastischen Reich, in das die sprudelnden Worte der Iunia ihm Eintritt gewährt hatten, als Flavius Piso aufkreuzte, allem Anschein nach reichlich angetrunken und Flaccus selbst zunächst lediglich zunickte. Dann allerdings warf er der jungen Frau ein paar Worte an den Kopf die ihn wohl selbst (in nüchternem Zustand wohlgemerkt!), ob ihrer groben Verletzung der Ästhetik zweifellos angewidert hätten. In seiner momentanen Verfassung schien er sich allerdings nicht an ihnen zu stören, führte sein Kommentar jedoch auch nicht weiter aus, sondern verschwand fast eben so unvermutet, wie er aufgetaucht war, wieder in der Menge. Verschwand und ließ Flaccus und die Iunia in einer äußerst unangenehmen Atmosphäre zurück. In Gedanken versuchte der Flavier den Worten seines Verwandten Sinn abzugewinnen … Hatte er tatsächlich Witwe gesagt? Die junge Frau mochte wohl gerade so viel Jahre wie er selbst zählen und sollte tatsächlich bereits verwitwet sein? Plötzlich sah er die zuvor noch ob ihres exotischen Auftretens und der zauberhaften Worte faszinierende Frau in einem gänzlich anderen Licht. Zumindest glaubte er das, wenngleich er an dem tatsächlichen Erscheinungsbild der Iunia keine sichtbaren Veränderungen wahrnehmen konnte. Und doch schienen die filigranen Goldblätter in ihrem Haar etwas matter, die die grünen Augen blasser, das zuvor noch atemberaubende Kleid fast schon gewöhnlich … war es eine Täuschung oder löste tatsächlich ein Schleier sich von seinen Augen und ließ ihn nun die … nüchterne Wirklichkeit sehen? War er etwa einem Zauber der Götter unterlegen, einer Täuschung mit der sie nur allzu oft die Sterblichen in die Irre führten und ihre Schritte im Nichts verlaufen ließen? Hatte er es gar dem verstörenden Intermezzo Pisos zu verdanken, dass er nun wieder, scheinbar klar und im unbarmherzigen Lichte der Erkenntnis die Welt sah?


    Ein nahezu endlos langer, quälender Moment folgte der gemurmelten Entschuldigung Axillas, in der der Flavier sie nur ansah; nachdenklich oder fassungslos, jedenfalls auf seltsame Weise ernüchtert schien sein Blick, der die noch vor wenigen Augenblicken glänzende Faszination scheinbar gänzlich verloren hatte. „Du bist Witwe?“ Diese Frage stellte er nach jenem schier endlosen Moment der Ernüchterung in den Raum, trocken und belegt klang seine Stimme. So also fühlte sich die wahre Welt an, die Wirklichkeit hinter dem Schein … eine schäbige Atmosphäre blieb zurück wenn die glänzende Pracht der Phantasie, die zauberhafte Schönheit – von den Göttern gegeben – sich aufzulösen schienen … in Schall und Rauch. Es war kein gutes Gefühl.

  • Da war sie, die Wirklichkeit. Rauh, hart und unbarmherzig, ohne schöne Schleier, ohne Träumerei, ohne alles. Das schlechte Gefühl von eben wuchs immer weiter, bis die graue Masse der Realität jedes bisschen Zauber hinfortgetragen hatte. Oder nein, nicht weggetragen, erstickt, zermalmt und zu feinem Pulver zermahlen.
    Sie hatte doch nur ein wenig fröhlich sein wollen! War das denn wirklich schon zu viel verlangt. Sie war gerade mal achtzehn Jahre alt. Achtzehn! War es da falsch, wenn sie nicht in Sack und Asche daheim im Dunkeln sitzen wollte, sondern raus, unter Menschen, und sich einfach ein wenig freuen? Sie war es nicht, die gestorben war. Sie war am Leben. War es da wirklich falsch, wenn man jung und lebendig war, auch jung und lebendig sein zu wollen?


    Offensichtlich ja.


    Axilla sah beiseite weg, wollte und konnte Flaccus nicht direkt anschauen. Er sagte auch eine ganze Zeit lang nichts, schaute nur sie an und schien sie fast zu mustern. Das Gefühl, nichtig und fehl am Platz zu sein, wuchs beständig weiter. Hier waren alle so schick und schön und edel. Ihr Blick glitt wieder zu der Begleitung von Vala. Durch die fielen Leute hindurch konnte Axilla sie nicht einmal richtig sehen. Und doch genug, um sich noch lächerlicher und kleiner zu fühlen. Wem machte sie etwas vor? Sie war keine feine Dame, die mit geschickten Worten die feine Gesellschaft um den Finger wickelte. Sie war... Axilla. Nymphe, vielleicht, aber wer unterhielt sich schon mit einem Naturgeist?


    “Ja, ich bin Witwe“, kam die etwas tonlose Antwort auf seine Frage. Bitterkeit stieg in Axilla hoch, ebenso wie der Wunsch, zu weinen. Aber eine Römerin weinter nicht. Nie. Also blieb nur die Bitterkeit, die sie traurig lächeln ließ. “Mein Ehemann war Aelius Archias.“ Sie ließ ihm einen kleinen Augenblick, ehe sie ihn wieder direkt ansah. “Ja, ein Verwandter des Kaisers.“ Vermutlich die erste Assoziazion ihres Gesprächspartners. “Ja, der Mann, der sich vom Tarpejischen Felsen gestürzt hat.“ Axilla blinzelte einmal, dann nahm sie einen Schluck Wein. Sie hatte das Gefühl, ihn jetzt zu brauchen. Haltung wahren, erschallte irgendwo in ihrem Geist eine Stimme, die sich verdächtig nach der von Leander anhörte. Oder der ihrer Mutter. Auch wenn beide Stimmen sich eigentlich nicht ähnlich waren, konnte Axilla das im Moment dennoch nicht so gut unterscheiden.
    Sie streckte den Rücken durch und lächelte, als wäre nichts weiter. Wer sie nicht kannte, konnte wohl kaum einen Unterschied ausmachen. Zumindest nicht, wenn man ihr nicht in die Augen sah. “Naja, vielleicht kommst du ja mal nach Alexandria und siehst es mit eigenen Augen. Es ist sicher eine Reise wert.“ So zu tun, als wäre nichts weiter, ging allerdings auch nur sehr bedingt. Vor allem blieb die unangenehme Situation zwischen ihnen dann bestehen, und Axilla gehörte nicht zu den Menschen, die sich solchen stellten. Sie floh eher, und so bereitete sie auch hier ihre Flucht vor. “Ich denke, ich gratuliere den Verlobten eben. Bevor ich es vor lauter Ägypten noch vergesse.“
    Sie sah Flaccus nun doch einmal richtig an, und in ihren Augen stand einen Moment lang das aufrechte Bedauern. Ihr tat es leid, nicht zu sein, was sie beide wohl gerne gehabt hätten, dass sie es wäre. Aber daran konnte sie wohl nichts ändern.

  • Es war seltsam, wie schnell wunderbare Dinge verloren gehen konnten. Oder noch viel schlimmer, wenn sich herauszustellen schien, dass, was eben noch fremdartig und faszinierend, im nächsten Augenblick als trübe und gewöhnlich sich offenbaren musste. Eine Bestätigung seiner Frage vermochte die bittere Atmosphäre gleichsam zu verdichten und dennoch fand ein trauriges Lächeln seinen Weg auf die Lippen der jungen Frau. Flaccus versuchte es zu erwidern, wandte sich jedoch mit einem etwas verzweifelt anmutenden Ausdruck ab. Axilla fuhr fort. Natürlich hatte auch der Flavier von jenem schrecklichen Ereignis gehört; als er nun jedoch jene Frau, die die Götter in wohl unbegreiflichem Zorn so bitter gestraft hatten, vor sich stehen sah, konnte er nicht umhin, seinen traurigen Blick aufzurichten und ihren Augen zu begegnen, um ihr so wenigstens das Gefühl zu geben, dass das Fatum auch ihm unverschuldeter Weise teure Menschen so grausam entrissen hatte. Oh ja, er wusste, was es hieß, einen Verlust zu erleiden!


    Ein Lächeln traf ihn nun jedoch aus dem Antlitz der Iunia, das auf sonderbare Weise zu versuchen schien, das eben Geschehene als nichtig zu erklären. Sie lenkte das Gespräch zurück auf Alexandria, jene Stadt, die er noch vor wenigen Augenblicken - nun jedoch erschien es ihm eine kleine Ewigkeit her zu sein - in seiner Phantasie so zauberhaft ausgemalt hatte. "Ich hoffe tatsächlich darauf. Obwohl ich schon viel von der Stadt gelesen habe, waren es doch deine lebendigen Erzählungen, die einen köstlichen Vorgeschmack jener Wunder mir bereitet haben. Ich danke dir dafür.", mit einer angedeuteten Verbeugung unterstrich er seine Worte und traf nun doch noch einmal ihre tiefgrünen Augen. Ein Hauch von Wehmut lag in seinem Blick und traf sich mit dem aufrechten Bedauern, das aus Axillas Antlitz zu sprechen schien. Wären die Zeiten andere, die Umstände günstiger, die Götter gewogen ...


    "Tu das, die beiden haben eine schöne Feier verdient.", erwiderte er ihre, zwar mehr oder minder kunstvoll verstrickte, aber doch klar verständliche Ansage, dieses so außergewöhnliche Gespräch zu beenden. "Mögen die Götter dir wohlgesonnen sein..." Wer weiß, vielleicht würden sie die Lebensfäden der beiden Sterblichen ja erneut in verbindung bringen, ein erster zarter Knoten war zweifellos von den Moiren geknüpft worden. Unergründlich waren die Wege der Götter und was Flaccus in dieser Stadt, in seinem neuen Leben am meisten brauchen konnte, waren Menschen, die ihm freundlich gesinnt und wohlwollend zugetan waren. Und es stand wohl in Sternen, ob nicht eben solch eine Freundschaft eines Tages zwischen den beiden jungen Menschen heranreifen würde, so seltsam und verkorkst die Umstände ihrer ersten Begegnung auch gewesen sein mochten.


    Ein letzter, schon nicht mehr ganz so wehmütiger Blick traf Axilla von den dunklen Augen des Flaviers her, begleitet von einem Lächeln, das, wenn auch nicht mehr voll von kindlicher Faszination, wie beim ersten Anblick der jungen Frau, so doch von einer freundlichen Verbundenheit kündete, die sich in der Brust des Flaviers regte.


    Vergessen würde er Axilla nicht.

  • Zitat

    Original von Sextus Aurelius Lupus
    “Ich danke dir herzlich für die Glückwünsche. Und ich hoffe, dass dir dieses Glück auch vergönnt sein möge.“ Was ja dank Laevinas eigensinniger Flucht nicht funktioniert hatte. Aber Sextus blieb ganz ruhig und freundlich, als er ungerührt fortfuhr. “Und ich hoffe, dass du die Feier genießt. Da fällt mir gerade ein, hattest du schon das Vergnügen, meine Cousinen kennen zu lernen? Zwillinge, Aurelia Narcissa und Flora. Narcissa soll dem Kaiser als Vestalin vorgeschlagen werden, so er sie annehmen mag.“ Sextus hoffte, dass sein Patron schnell genug verstand, was der Aurelier hier gerade durch die Blume ansprach. Flora war noch zu haben. “Ich fürchte nur, ich kann mich heute nicht selbst ausreichend um die nötige Unterhaltung der beiden kümmern bei den vielen Gästen.“


    Für Durus hinterließ der Gegenwunsch seines Klienten zwar einen etwas unangenehmen Nachgeschmack - klang es doch fast, als würde er sich ein wenig darüber lustig machen, dass Laevina ihn verlassen hatte - doch verzichtete er auf einen Kommentar. Vielleicht hatte er es ja auch nur so gemeint, dass er ihm bald wieder eine fruchtbare Frau wünschte!


    Als ihm dann die beiden Mädchen vorgeschlagen wurde, sah er sie etwas verdutzt an. Zwar hatte er schon häufiger Zwillinge gesehen, aber diese glichen sich wirklich außerordentlich! Gut, dass die eine in Zukunft wohl eher in weiß auftreten würde! Und gut, dass man ihn davon unterrichtet hatte!


    "Du möchtest Vestalin werden? Interessant!"


    Er musterte sie: Narcissa sah nicht unbedingt aus wie sieben...andererseits würde sie nicht die erste sein, die in höherem Alter einstieg.


    "Wie du vielleicht weißt, bin ich der geschäftsführende Stellvertreter des Kaisers im Collegium Pontificium, daher interessiert mich dies natürlich besonders! Darf ich fragen, wie alt du bist?"


    fragte er daher, zumal Lupus ja bemerkt hatte, dass die beiden Mädchen hier ein wenig allein waren, woraus der alte Tiberier schloss, dass sie sich über ein wenig Unterhaltung sicherlich freuten.

  • Die aurelischen Zwillinge blieben erst einmal unter sich und beobachteten die unzähligen Gäste. Immer wieder steckten sie die Köpfe zusammen und kicherten vor sich hin. Was sie so witzig fanden, wurde nicht deutlich, aber junge Frauen hatten ja durchaus immer einen Grund sich über bestimmte Dinge zu amüsieren.
    Ganz nebenbei wurde die Verlobung vollzogen. Es hatte nichts romantisches, es war eher so etwas wie ein formeller Akt. Unterschriften und Siegel, im Grunde war damit auch schon fast die Ehe besiegelt. Mit einer Unterschrift und einem Siegel war die Zukunft besiegelt. Ein wenig ernster wurde Flora dabei auch schon, im Grunde war es das, was auch sie erwartete. All die hübschen rosanen Mädchenträume waren nichts weiter wie Luftblasen, so sah die Realität aus. Ein rein formeller Akt.
    Während sie ein wenig nachdenklich die Verlobte ihres Verwandten beobachtete. Sie wirkte fröhlich, aber nicht wirklich glücklich, auch wenn Flora fand, dass Lupus ein anständiger Kerl war und Nigrina sicher gut behandeln würde. Aber eine glückliche Braut sah anders aus. Sie stellte es sich zumindest anders vor.


    Sie wurde jäh aus ihren Gedanken gerissen, als Lupus ihnen einen weiteren Gast vorstellte. Leicht angegrautes Haar, aristokratische Züge und elegant gekleidet. Wie es sich heraus stellte handelte es sich um Tiberius Durus, Patron ihres Vetters und der Ex-Ehemann von Aurelia Laevina. Es war allseits bekannt, dass diese ja weg gelaufen war. Eine furchtbare Schande für die Familie, jedenfalls wenn sie an den Brief ihrer Mutter dachte. Sie hatte sich ja furchtbar darüber aufgeregt. Immer noch beschäftigte sie die Frage woher ihre Mutter wusste, was sich so alles in Rom ereignete, das war unheimlich.
    Kurz huschte Verwunderung über die Züge des Tiberiers, als er die Zwillinge musterte. Nicht zum ersten Mal an diesem tag und wohl auch nicht zum letzten Mal, wurden sie eindringlich gemustert und man suchte nach winzigen Unterschieden, welche es äußerlich nicht gab. Und wie so häufig wurden sie natürlich auch sofort verwechselt.
    „Ich bin Flora“, erklärte sie Durus mit einem kleinen Lächeln, als er sie ansprach und nach dem Alter erkundigte. „Wir sind siebzehn“, antwortete sie dann aber für ihre Schwester.



    Sim-Off:

    Narcissa hat sich immer noch abgemeldet, daher übernehm ich das mal so ein bisschen, damit du nicht ewig warten musst ;)

  • Es waren einige Gratulanten, aber Axilla hatte es nicht eilig. Sie reihte sich einfach ein, lächelte hier und da und versuchte, so zu tun, als wäre nichts weiter. Einfach nur ein fröhliches Fest voller fröhlicher Menschen. Auf dem sie niemanden kannte. Außer Vala. Den sie sich nicht anzusprechen traute. Sie nahm noch einen Schluck Wein, während die Reihe etwas weiter aufrückte und sie weiter in Richtung des Paares schob.
    Fast schon ulkig, wie viele Gedanken sie sich gemacht hatte über ihre Garderobe. Wie lange es gedauert hatte, die Frisur zu machen. Alles unwichtig. Alles beiseite gewischt von einem betrunkenen Flavier in einer einzigen Sekunde. Eben hatte sie noch gelacht. Nicht nur so gespielt, nein, richtig echt gelacht, und sich gefreut und von etwas erzählt, was ihr noch mehr Freude bereitete. Einen Moment hatte sie wirklich alles andere vergessen, was sie hätte traurig machen können. Und jetzt? War es wieder da. Schlimmer als vorhin. Grauer als vorhin. Und die ganzen Gedanken, die sie sich im Vorfeld gemacht hatte, hatten dieses eine nicht bedacht: einen betrunkenen Piso, der sie anblaffte. Das besaß schon eine ganz eigene Komödie.
    Noch ein Schluck, noch ein Schritt. Im Grunde war es ja egal. Sie hatte keinen Grund zur Enttäuschung, weil sie ja eigentlich auch nur einen Moment der Freiheit sich erkämpft hatte, der ohnehin nicht von Dauer gewesen wäre. Im Grunde wusste sie das. Warum also sollte sie jetzt traurig sein? Es gab ja schließlich keinen Grund dazu.
    Noch ein Schluck, noch ein schritt. Im Grunde war es ja sowieso lächerlich. Wieso machte sie sich überhaupt Gedanken? War doch gleichgültig, wie sie sich fühlte. Was sie wollte, bekam sie sowieso nicht. War vielleicht auch besser so. Also, warum machte sie sich überhaupt Gedanken?


    Durch den Wein aufgelockert, aber von einem Schwipps doch noch entfernt -wenngleich bei Axillas Konstitution zwischen einem Schwipps und einem Vollrausch etwa 1 Becher Wein Unterschied bestand – kam sie also an die Reihe. Mit einer Herzlichkeit, die ihrer eigentlichen Gemütsverfassung widersprach, griff sie nach Nigrinas Händen und gab ihr schwesterlich einen Kuss auf die Wange, wie es vielleicht etwas überschwänglich, aber nicht unüblich war. “Flavia Nigrina, ich gratuliere dir. Und auch dir Aurelius meine besten Wünsche.“ Zu ihrer Schande musste Axilla gestehen, dass sie seinen Namen vergessen hatte. Was aber auch nichts machen sollte, sie kannten einander ja immerhin sowieso nicht. “Mein Geschenk für dich hab ich beim Eingang abgegeben. Ich hoffe, es wird dir gefallen. Ich habe es extra aus Ägypten kommen lassen. Und mit grün und blau kannst du sparsam umgehen, die decken sehr kräftig.“
    Axilla war sich recht sicher, dass das kleine Ebenholzkästchen gut ankommen würde. Sie hatte sich das beste Sortiment zusammensuchen lassen aus ihrer Farbmischerei, mit dem feinsten Balsam verarbeitet. Und teilweise mit Safran, welcher alles andere als billig war, versetzt, um einen verführerischen Duft zu erhalten. Lippenrot mit Belladonna, dunkelste schwarze Stifte, um sich wie die Ägypter die Augenbrauen nachzuzeichnen, grüner und blauer Lidschatten. Nur kein Bleiweiß, weil Axilla das nicht ausstehen konnte. Aber sie war sich durchaus sicher, dass Nigrina dieses Geschenk durchaus zu schätzen wissen würde.

  • Lächelnd stand Nigrina neben ihrem Verlobten, ganz wie es sich gehörte, während dieser sich ein wenig ausführlicher mit seinem Patron unterhielt. Als Lupus jedoch von seinen Cousinen sprach, Zwillinge, eine geplante Vestalin, die andere... unerwähnt, wurde sie ein wenig aufmerksamer. Vestalin hin oder her, das war ihr reichlich egal, aber dass der Aurelier auf die andere Cousine so gar nicht einging, ließ Nigrina vermuten, dass da etwas im Busch war. Erst recht, als da noch der versteckte Vorschlag kam, sein Patron solle doch Gesellschafter der Zwillinge spielen, verpackt in den dezenten Hinweis, dass er es nicht könne. Immerhin war der Tiberier erst kürzlich seine Frau losgeworden – natürlich hatte auch Nigrina davon gehört, war das doch, wenn schon nicht ein Skandal, so doch sehr... pikant.


    Die nächsten Gratulanten folgten dem Tiberier auf dem Fuße, und Nigrina spielte ihre Rolle vorbildlich, lächelte, plauderte ein wenig mit den Gästen, hatte zwischendurch einen leichten Scherz auf den Lippen, wo es angebracht war... Und begann sich schon recht bald zu langweilen, was sie jedoch gekonnt verbarg. Mit einem Lächeln, das ebenso strahlend war wie die ganze Zeit schon, wandte sie sich dem nächsten Gast zu – bei dem ihr Lächeln ein klitzekleines bisschen gefror. Der Ausdruck ihrer Augen hingegen gefroren nicht nur ein bisschen, er wurde eisig. Ähnlich wie in jenem Moment, als sie der Vinicia gewahr wurde, schoss ihr beim Anblick der Iunia erst mal nur ein Wort durch den Kopf: FRECHHEIT! Es war eine. bodenlose. Frechheit!!! dass die Iunia es wagte, SO gekleidet auf IHRER Sponsalia zu erscheinen, wo SIE, Nigrina, die Hauptrolle spielte, wenigstens die weibliche. Und die Iunia war aufgemacht in einer Art, die die Blicke ganz eindeutig ablenkte. Von ihr, der Braut, auf der die Blicke eigentlich ruhen sollten. „Iunia Axilla“, lächelte sie. Wer ganz genau hinhörte, mochte nun in ihrem Tonfall etwas... Schneidendes wahrnehmen. Diese gewisse Mischung aus falscher Freundlichkeit und einem Anklang von Hinterhalt, in der männlichen Variante Aetius so gut beherrschte – und dabei stets so klang, dass es nicht wirklich greifbar schien. Die Iunia konnte es vielleicht heraushören, der Aurelier hingegen, der sie nun bereits einige Gäste hatte begrüßen hören, dagegen schon eher. „Ich danke dir für deine Glückwünsche. Oh, ein Geschenk – ich bin überzeugt, dass es mir gefallen wird.“ Sie war sich nicht ganz sicher, was die Iunia mit ihrem Kommentar zu grün und blau meinte, aber allzu viele Möglichkeiten gab es nicht, und sie würde es schon herausfinden. „Was für ein bezauberndes Kleid du trägst. Ich muss sagen, es steht dir vorzüglich. Dein Begleiter wird sicher von allen hier beneidet – wo hast du ihn denn gelassen?“ Sie wusste, dass die Iunia alleine hier war. In ihrer Rückmeldung hatte sie nichts von einem Begleiter vermerkt gehabt, nur dass sie kommen würde. Und, natürlich wusste sie noch, was die Iunia ihr bei ihrem Kennenlernen erzählt hatte: dass ihr Mann tot war. Sie wusste inzwischen sogar, wer ihr Mann gewesen war. Und dennoch: nein. Nigrina konnte sich diese Spitze – im freundlichsten Tonfall formuliert übrigens – nicht verkneifen. Die Iunia hatte es gewagt, SO hier zu erscheinen, und für Nigrina gab es darauf nur eine Reaktion: Rache. Und wenn sie noch so klein sein mochte.

  • Das Zeremoniell war voran geschritten und die Anwesenden gingen dazu über dem zukünftigen Brautpaar ihre Glückwünsche auszusprechen. Das Geschehen tangierte die junge Aurelia hinsichtlich eigener Zukunftsfantasien oder Sorgen nicht wirklich, vielmehr erlebte sie es ganz bequem aus der gelassenen Perspektive eines beobachtenden Menschen heraus, dessen eigene Pläne in eine andere Richtung verliefen und die nicht Gefahr liefen mit ähnlichen Ereignissen irgendwann einmal zu kollidieren. Wenn es die Götter wollten.


    Der Tiberier trat ganz unvermittelt in die kleine Welt, die sich die Zwillinge erobert hatten, um dem Lauf der Dinge zu folgen. Tiberius Durus. Der Name war ihr ein Begriff. Natürlich. Unter gleich zweierlei Aspekten. Der erste war recht unrühmlich für die gens Aurelia, aber sie hatte seinen Namen auch schon bereits in Zusammenhang mit dem cultus deorum gehört und ihn sogleich in die Kategorie „wichtige Männer“ gesteckt. Sie konnte die Gedanken in seinem Blick lesen, mit dem er sie musterte und sie für eindeutig älter als sieben befand. Ein feines Lächeln kräuselte ihre Lippen. Amüsiert und überrascht zugleich, dass sie keinerlei Unruhe oder Aufregung empfand als er seine genauere Funktion innerhalb des Kultes definierte. Das da war ein „sehr wichtiger Mann“…zumindest wenn man Vestalin werden wollte.
    „Ich bin ein wenig über das Alter hinaus, in welchem man normalerweise zur Vestalin berufen zu werden pflegt…“, fügte sie der Antwort ihrer Schwester gestehend hinzu. „Aber ja, ich möchte in die Priesterinnenschaft eintreten.“

  • ..stand Vala mit betont ungequältem Gesichtsausdruck.


    Dabei war es nichts anderes als kontinuierliches Leid. Nicht, dass Vala nicht aufgefallen wäre, dass man ihn durchweg anstarrte. Wahrscheinlich fiel er so auf wie ein geschundener Straßenköter in einer Gruppe hochherrschaftlich auf Hochglanz polierter Dalmatiner. Aber auch wenn Vala ein Mann war, dessen Ego und Selbstanspruch immer wieder für neue Kraftreserven sorgte, musste er doch zwischendurch immer wieder vor der reinen Anstrengung seiner Präsenz hier kapitulieren und sich in eine der hinteren Ecken zurückziehen um sich mit einem Becher Wasser in der Hand ein oder zwei Minuten Ruhe zu gönnen. Ein sichtlich angepisster Lepidus sorgte zusammen mit einem Pulk Sklaven und ein paar anderen Günstlingen für die nötige Deckung vor neugierigen Blicken, aber sein Fehlen fiel auf, auch wenn er die richtigen Momente abpasste um wieder zu erscheinen. Wie zum Beispiel bei der Gratulation zur Eheschließung und so weiter. Hätte er ein annähernd normales Maß an Aufmerksamkeit gehabt, so wäre ihm der Vater der Braut wahrscheinlich sympathisch gewesen. So allerdings blieb es bei einer rein formellen Begrüßung und einem kurzen Austausch von Belanglosigkeiten. Das Brautpaar selbst gab sich adäquat erfreut über sein Geschenk, Schnitzereien aus dem harten Holz des Nordens, ein Frigg geweihter kleiner Altar aus Holz, den er gekonnt als den der Iuno dargestellt hatte (der Göttin war es wahrscheinlich eh egal wie man sie nannte, so lange sie bekam was sie wollte) und für den Kerl natürlich ebenfalls ein Fruchtbarkeitssymbol in Form von einem sehr tyrischen Mars.


    Sabina hasste ihn. Jedes Mal wenn er zurück kam um ein wenig mit Präsenz zu glänzen funkelte sie ihn noch finsterer an, und selbst ein sehr weibliches Verbalscharmützel mit der Braut, bei dem Vala vor versteckten Sticheleien irgendwann einfach aufgegeben hatte, hatte sie nicht aufmuntern können. Letztendlich hatte sie sich mit zwei weiteren noch unverheirateten Freundinnen zusammengetan (einer Fabia die so hässlich war, dass Vala der Mann leid tat der ihr irgendwann angekettet wurde, und einer Rufia die lauter schnarchte als ein Bär und morgens einen Atem verströmte der Elefanten tötete) um die restliche Hochzeitsgesellschaft fachfrauisch auseinander zu klamüsern. Vala hörte nur halbherzig hin, viel zu sehr war er damit beschäftigt stehen zu bleiben und so auszusehen als würde sein Herz noch schlagen.


    "..geschmacklos..", "..unvorteilhaft..", "..gewagt..", "..grell..", "..stillos.." waren dabei die harmlosesten Umschreibungen, die stets mit einer falschen Freundlichkeit hervorgebracht wurden, für die Vala in anderen Zeiten die holde Weiblichkeit einige Stunden später auf sehr männliche Art wieder zurechtgestutzt hätte.


    Vinicia Sabina
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    "..und da schau mal einer an, wer sich da wieder in die Öffentlichkeit wagt...", flötete eine vor Gift trunkene Vinicia mit der Miene einer überlegenen Königspython die ein neues Opfer entdeckt hatte, " ..und dann in diesem Aufzug. Ich habe das Gefühl, da will jemand sich nicht lange mit dem Status als Witwe abgeben. Die Arme, ich glaube das dürfte schwierig werden. Selbst ein solcher Aufzug dürfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihr Status durch die infame Tat ihres Mannes wohl dahin sein dürfte."
    Mit einem vergnügten Lächeln auf den Lippen nippte die junge Frau an ihrem verdünnten Wein, darauf wartend, dass eine ihrer Gespiellinnen den Ball aufnahm.
    "..wer?", hakte die Rufia nach, die natürlich genau wusste um wen es ging, "Achso... die. Ja, bedauernswert, das arme Ding. Auch wenn der Kerl nur um hundert Ecken mit dem Kaiser verwandt war, so war er es. Und dann so ein Ende. Könnte einem fast leid tun.. aber dieser Aufzug, was soll das? Aber vielleicht will sie ja gleich hiernach auf eine Orgie wechseln.." Das höfliche Lachen der Gehässigkeit, auf das sie wartete blieb selbstverständlich nicht lange aus.
    "Der junge Flavius.. wie hieß er noch gleich? Ach, Flaccus, ja.. scheint ein Auge auf sie geworfen zu haben.", betonte das Schreckgespenst aus der Gens der Fabii mit hühnergleicher Stimme, einfach nur um einen oben draufsetzen zu können, "Aber wer könnte es ihm verdenken? Die Iunia wirft ja mit Fruchtbarkeit nur so um sich... so plump wie primitiv, aber sehr effektiv. Soll er sich an ihr abreagieren, ich bin mir sicher, später wird er eine Frau unseres Kalibers geschenkt bekommen." Ein wissendes Lächeln bestätigte ihre Tirade, wobei freilich jede ihrer Freundinnen sich ihren eigenen Teil über das Kaliber der Fabia dachte.


    Es war mehr dezente Langeweile, die Vala dazu trieb den Blick in die Richtung schweifen zu lassen, in die die Frauen ihre Pfeile abfeuerten, und wäre sein Geist nicht vom Schmerz so umnebelt gewesen, so hätte er sie wohl schon früher bemerkt. Auch wenn er im Moment nicht das geringste für solcherlei Gedanken übrig hatte, so fing Valas Taxierung des Opfers seiner Begleitung schon aus reiner Gewohnheit unten an. Die Instinkte, die Vala sonst zu einer animalischen Anerkennung der Kleidung der Person getrieben hätten blieben stumm. Die gekonnte Bemalung des Körpers löste in ihm nichts als Leere aus, und jede Körperkontur blieb unbeantwortet, und als er ihr Gesicht erblickte versagte ihm sein Gedächtnis, das nunmehr wieder peu a peu in den letzten Tagen seinen Dienst versah.
    Doch als die Erkenntnis kam, traf sie ihn wie ein das Geschoss eines Onager: er sah den Tod. Seinen Tod.
    Wenn Valas Hautfarbe nicht schon vorher eine dezente Blässe gehabt hätte, so wich ihm jetzt das letzte Blut aus dem Gesicht. Selbst zu atmen hatte er aufgehört, so sehr entsetzte ihn dieser Anblick. Mit dem Schock schwanden ihm zunehmends die Sinne, und nur einem sehr aufmerksamen Lepidus war es zu verdanken, dass er nicht vor aller Leute Augen auf den Boden klatschte wie ein nasser Sack. Die Zeit, die sein Herz brauchte um wieder Blut durch seine Adern zu pumpen wurde er mehr oder minder vom dem Claudius gehalten bis er sich wieder aufrappelte und sich auf seinen Stock stützte. Sein Blick blieb gebannt auf Axilla liegen, die er in diesem Moment mit nichts anderem verband als dem Eindruck seines eigenen Todes.. und dann war es schlagartig wieder da.
    Die Mutii. Das Lagerhaus. Die Tortur.


    Er würde sie alle umbringen.
    Schlagartig wechselte seine Stimmung von wortlosem Entsetzen zu wortloser Wut, und während sein Blick noch auf der Iunia ruhte, Sabina und Lepidus auf ihn einredeten und ein gehöriges Maß an Getuschel sie umgab, so bekam er doch nichts davon mit: in seinem noch vom Schock trunkenen Geist formten sich vorrangig Bilder die sich um Mord und Totschlag drehten. Und vor allem um: Rache.


    "Vala. Bei den Göttern... VALA!!"

  • Hände schütteln, ein paar nette Worte tauschen, sich bedanken für nicht ernst gemeinte Glückwünsche, und den nächsten in Empfang nehmen. Hier und da noch die kommende Wahl als Gesprächsthema einfließen lassen, und jedem einzelnen das Gefühl geben, als wär man besonders froh, dass er oder sie es einrichten konnte, herzukommen. Sich einzuschleimen war harte Arbeit. Aber sie lohnte sich, und seine Zukünftige war wohl auch ganz geübt auf dem Parkett getauschter Höflichkeiten und half fleißig mit.
    Schließlich kam die Nymphe, die ihm zu Beginn der Feier ins Auge gestochen war, an die Reihe, sie zu beglückwünschen. Zu schade, dass er nicht auch so einen netten Kuss erhielt, welch unschuldigere Möglichkeit gab es, einander nahe zu kommen und den Duft des anderen für eine Sekunde aufzunehmen? Sofern dieser angenehm war. Aber da vertraute Sextus auf die Erfahrung, wenn eine Frau sich solche Mühe mit ihrem Aussehen gab, ihr auch Rosenwasser bekannt war.
    Sein Blick schweifte kurz an ihr nach unten, wurde vor allem von den angedeuteten Blättern gefangen, ehe er ihr nur mit demselben falschen Lächeln, das alle heute erhielten, zunickte. “Besten Dank für deine Wünsche, Iunia.“
    Seine Angetraute jedoch schien noch nicht mit dem Persönchen fertig zu sein. Natürlich bemerkte Sextus den Tonunterschied in ihrer Stimme. Das war der Ton, bei dem bei einem Mann mit gesundem Verstand sämtliche Alarmglocken laut losschrillten. Achtung! Explosionsgefahr! Alle Mann in Deckung! Schutzbekleidung nicht vergessen!
    Er sah kurz unbeteiligt zu Nigrina hinüber. Die Iunia war ihr Gast, er hatte sie nicht eingeladen. War das nur ein Akt kleinlicher Rache gewesen, oder war seine Frau so leicht eifersüchtig zu bekommen? Letzteres könnte sich zum Problem in Gesellschaft entwickeln, denn immer lief irgendwo eine Frau auf einer Feier herum, die vermeintlich hübscher als die gerade mitgenommene Begleitung war. Und dann an ein garstiges Weib gefesselt zu sein, das nur vor Eifersucht so spritzte, war selten politisch förderlich. Eine hohle Nuss, die brav lächelte und einfach nur hübsch war, half meist mehr. Aber er würde sicher nicht den Fehler begehen, sich hier einzumischen. Er hing an seinem Leben.

  • Bacchus war ein sehr gnädiger Gott. Vielleicht war er den meisten Römern deshalb nicht so ganz geheuer. Er feierte gern, lachte gern, hatte Spaß an Weiblein und an Männlein und lebte das in exzessiven Orgien gerne aus. Und wer ihn nicht ehrte, den strafte er sehr unbarmherzig und zwang ihn, mitzumachen, oder zu sterben. Bacchus kannte keine Verbote. Alles, was Spaß machte, war erlaubt. Nur eines nicht: traurig sein.
    Und so hatte auch Axilla ein bisschen was von seinem Segen abbekommen, denn sie bemerkte rein gar nichts von dem schneidenden Unterton in Nigrinas Stimme. Auch wenn sie nicht betrunken war, noch nicht einmal annähernd wankte oder gar lallte, sie hatte das unerschütterliche Selbstvertrauen, das einem nur Wein geben konnte. Und dabei gleichsam die Gabe der absoluten Ignoranz der tatsächlichen Umstände, wobei sie sich klarer und wacher fühlte als seit Monaten. Kurzum, sie wunderte sich nur ein wenig über Nigrinas Frage, war aber weit davon entfernt, sich deshalb Sorgen zu machen.
    “Ich bin allein hier. So auf die Schnelle einen Begleiter auftreiben, bei dem sich nicht halb Rom das Maul zerfetzt, war ein Ding der Unmöglichkeit. Ich soll ja eigentlich noch immer trauern, aber... bei so feierlichen Anlässen muss man doch einfach mitfeiern und sich freuen!“ Keine Spur eines Untertons, nur naive Ehrlichkeit und unbeständiges Glück. Axilla lächelte Nigrina offen an und dachte sich gar nichts an dem kleinen Wortwechsel, als sie kurz hinter sich ein kleines Rumpeln hörte. Mehr instinktiv drehte sie sich danach um, es war nicht wirklich ein lautes Geräusch gewesen oder etwas, was sie erschreckt hatte. Sie guckte nur eben kurz hin, wie man auch mal beiläufig aus dem Fenster sah. Nur ging ihr Blick nicht wieder beiläufig zurück zu dem Paar, sondern wurde von grauen Augen gefangen gehalten. Reglos wie eine Statue stand Axilla einen Moment da, den Oberkörper leicht gedreht, um über die Schulter schauen zu können, und sah Vala an. Er sah sie an. Nein, er starrte sie an. Und sein Blick sah nicht fröhlich aus. Fast schon entsetzt, aber auch nicht wirklich. Mehr... wütend. Und doch auch nicht.
    “Aber ich will hier die anderen nicht so lange aufhalten. Bevor es noch Beschwerden gibt, ich hätte euch den ganzen Abend in Beschlag genommen.“
    Axilla wartete noch einen Moment auf die Abschiedsfloskeln und ging dann in Richtung des Ducciers.

  • Auch hier meinte Bacchus es wohl gut mit ihr, denn sie dachte gar nicht erst daran, dass Vala vielleicht wütend auf sie sein könnte. Sie machte sich eigentlich nur Sorgen um ihn. Er wurde von einem Mann gestützt, den Axilla nicht kannte. Wunder auch, sie kannte hier im Grunde nur Piso. Und der war im Vollrausch irgendwo abgetaucht. Und was es ihr gebracht hatte, den zu kennen, hatte sie vorhin ja gesehen.


    Inzwischen stützte sich der Duccier schon wieder völlig auf seinen Stab. Er sah immernoch so undefinierbar drein, und Axilla konterte mit einem Blick vollkommener Unschuld und ehrlicher Sorge. Inzwischen war sie auch nah genug, um den gereizten Unterton seiner Begleiterin zu hören, die ihn anfauchte. Irgendwas war wohl gewesen, weswegen es eben auch kurz ganz leicht gerumpelt hatte. Vielleicht war er ja gestürzt oder so? Wirklich fit sah er nicht aus. Überall diese Anzeichen von Verletzung.
    “Alles in Ordnung?“ Ohne Begrüßung, ohne alles, stellte Axilla einfach ihre Frage, ehe sie sich an ihre Manieren rudimentär erinnerte und auch der anderen Personen rundherum so wirklich gewahr wurde. “Oh, verzeiht. Salvete, ich bin Iunia Axilla.“ Ihr Blick wanderte aber nach dem höflichen Lächeln an die drei Damen und den Herren mit dem dekorativen Halbmond auf dem Schuh wieder zu Vala, und wurde sehr schnell wieder sorgenvoll. Am liebsten hätte sie ihn auch berührt, aber das hatte sie ihm damals im Hafen geschworen, dass sie das nicht mehr ungefragt machte.

  • Nachdem der gröbste Andrang vorbei war, hatte Sextus auch Zeit, mit seiner Verlobten ein wenig herumzuschlendern und hier und da Gespräche zu suchen. Man war ja schließlich hier nicht am kalten Buffet, wo man sich brav in einer Reihe anstellte, das hier war ein Fest, und Sextus war auch kein Häppchen, das man sich auf den Teller lud. Und so schlenderte man hier, unterhielt sich dort, bis Sextus endlich – ENDLICH – den Mann entdeckte, mit dem er den ganzen Abend schon nur allzu gerne ein Wort gewechselt hätte.
    Am liebsten hätte er Nigrina aus dem Gespräch mit irgendeiner langweiligen Senatorengattin gerissen, um sich auf den Weg zu machen, aber so blieb ihm nicht viel, als das Gespräch charmant abzuwürgen und zu beteuern, dass man sich später noch einmal unterhalten werde, da er so einer bezaubernden Dame doch nicht eine Antwort schuldig bleiben könne. Erst danach aber konnte er seine Verlobte sanft aber bestimmt in die Richtung dirigieren, in die er wollte.


    “Haruspex Primus Tarquitius Caecina. Ich freue mich, dass du Zeit gefunden hast, herzukommen. Es ist uns eine große Ehre“, begann er, ehe der Angesprochene sich noch unauffällig vor dem Gespräch drücken konnte. “Ich hoffe, du genießt die Feier.“ Erst einmal ein wenig Smalltalk, ehe er zum Punkt kam. An einen so kapitalen Hirsch musste man sich erst heranpirschen, ehe man den Pfeil auf ihn abschoss. “Du kennst meine Verlobte, Flavia Nigrina?“

  • Zitat

    Original von Aurelia Flora und Narcissa
    „Ich bin ein wenig über das Alter hinaus, in welchem man normalerweise zur Vestalin berufen zu werden pflegt…“, fügte sie der Antwort ihrer Schwester gestehend hinzu. „Aber ja, ich möchte in die Priesterinnenschaft eintreten.“


    Etwas verwirrt sah Durus zwischen den beiden hin und her, als er feststellte, dass er die falsche angesprochen hatte. Was dachten sich die Götter auch dabei, zwei derartig ähnliche Frauen zuzulassen? Dann gewann er aber wieder rasch die Kontrolle über seine Züge zurück und sah zwischen den beiden hin und her.


    "Siebzehn, soso! Das ist wirklich schon recht alt. Da werden wir eine Dispenz des Kaisers benötigen..."


    Er rieb sich nachdenklich das Kinn.


    "Und warum willst du Vestalin werden? Und was sagt eigentlich euer Vater dazu?"


    Normalerweise waren Väter wenig begeistert, wenn ihre Kinder Vestalinnen wurden - immerhin konnte man sie wesentlich gewinnbringender verheiraten!

  • [Blockierte Grafik: http://img687.imageshack.us/img687/5995/haruspex.jpgHaruspex Appius Tarquitius Caecina

    Zitat

    Original von Sextus Aurelius Lupus
    “Haruspex Primus Tarquitius Caecina. Ich freue mich, dass du Zeit gefunden hast, herzukommen. Es ist uns eine große Ehre“, begann er, ehe der Angesprochene sich noch unauffällig vor dem Gespräch drücken konnte. “Ich hoffe, du genießt die Feier.“ Erst einmal ein wenig Smalltalk, ehe er zum Punkt kam. An einen so kapitalen Hirsch musste man sich erst heranpirschen, ehe man den Pfeil auf ihn abschoss. “Du kennst meine Verlobte, Flavia Nigrina?“


    Die Ehre war selbstredend ganz auf Seite des Haruspex Primus, der dem Verlobten ein schmales Lächeln schenkte, eher er seinen Blick auf das Mädchen wandte, das ihm bald angetraut werden würde.
    "Salve, Flavia. Es ist mir eine Freude, dich kennen zu lernen.", erwiderte er dann gleichsam als Antwort auf die Frage des jungen Mannes. In der Tat hatte er sich ein wenig gewundert, warum man ihn hier eingeladen hatte, doch wollte er dies natürlich nicht artikulieren.
    "Es ist sehr schön hier, ich danke für deine Einladung.", antwortete er stattdessen knapp.




  • Nigrina bemerkte, dass der Aurelier zu ihr sah, aber sie ignorierte ihn schlichtweg. Das hier ging ihn nichts an – und sie erwartete noch nicht einmal, dass er verstand, was hier vor sich ging. Männer waren in dieser Hinsicht nicht sonderlich helle. Die Iunia allerdings schien auch nicht wirklich zu verstehen, was los war... was Nigrina gänzlich den Spaß an der Sache raubte. So naiv und ehrlich konnte eine Frau doch gar nicht sein! Schon gar nicht eine, die einen Aelius klar gemacht hatte, ein Mitglied der Kaiserfamilie, ganz gleich wie nah oder fern der Kerl nun mit dem Kaiser selbst verwandt sein mochte! Aber nein, Nigrina konnte nichts feststellen, weder im Tonfall der Iunia noch in ihrem Gesichtsausdruck. Da war nur... Offenheit. Als die Iunia sich kurz abwandte, verzog Nigrina ganz leicht abschätzig den Mund, und sah kurz ebenfalls in die Richtung, in die Axilla blickte, nachdem diese für einen Augenblick erstarrt zu sein schien. Der Begleiter der Vinicia war es, der die Aufmerksamkeit der Iunia auf sich gezogen hatte, stellte sie kurz fest – sich seinen Namen einzuprägen, diese Mühe hatte sie sich nicht gemacht, und sie brachte ihn auch nicht in Verbindung mit jenem Mann, den ihr Bruder hatte hinaus schmeißen wollen. Es war unwichtig. Als die Iunia sich wieder umdrehte und den Abschied einleitete, lächelte sie ihr nur wieder zu, diesmal recht unverbindlich, und nickte leicht. „Oh, mach dir deswegen nur keine Sorgen. Keiner würde es wagen, dir einen Vorwurf zu machen.“ Kein Mann, wenigstens. „Genieß das Fest!“

  • Nigrina war recht erleichtert, als der erste Ansturm der Gratulanten vorbei war. Nur da zu stehen, zu lächeln und Glückwünsche entgegen zu nehmen, wurde auf Dauer einfach langweilig, zumal sie mit keinem länger ins Gespräch kommen konnte, nicht solange andere darauf warteten, ebenfalls kurz zu gratulieren. Nachdem jedoch die meisten durch waren, hatte sie die Gelegenheit, endlich mit dem ein oder anderen mehr zu plaudern – nun ja, ihre Möglichkeiten waren immer noch etwas begrenzt, weil sie mit ihrem Verlobten gemeinsam gewisse Persönlichkeiten abklapperte, aber nun, man konnte nicht alles haben. Und das hier war nun mal ihre – gemeinsame, sollte man dazu erwähnen – Sponsalia.


    Und, das musste sie ihm lassen, Lupus erwies sich tatsächlich als angenehm – sowohl als Begleiter wie auch als Gesprächspartner –, bis er dann plötzlich doch ein Gespräch abwürgte, in dem sie sich gerade befanden. Ein kurzer Blick aus ein wenig verengten Augen traf ihn, aber sie schloss sich ihm nur an und verabschiedete sich mit einem charmanten Lächeln. Dass der Aurelier etwas bestimmtes im Sinn hatte, merkte sie spätestens, als er nicht einfach weiter schlenderte, sondern zielgerichtet mit ihr in eine Richtung strebte. Den Bruchteil eines Augenblicks überlegte sie, ob sie ihn fragen sollte, was es damit auf sich hatte – aber sie beschloss, einfach abzuwarten. So wie es aussah, würde sie es ohnehin gleich erfahren, was ihr Verlobter wollte. Und tatsächlich, wenige Momente später standen sie beim Haruspex Primus, den Lupus begrüßte. „Haruspex Primus Tarquitius.“ Nigrina setzte ihr lieblichstes Lächeln auf. Lupus wollte ins Collegium aufgenommen werden, das hatte ihr Vater ihr erzählt. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Wir fühlen uns geehrt, dass du unserer Einladung nachkommen konntest.“

  • Es war sicherlich ein Drahtseilakt. Er kannte seine Verlobte noch nicht und konnte nicht einschätzen, wie gut sie mitspielen würde, wenn er hier nun geschäftliches besprach. Auf der anderen Seite hatte sie den Abend bislang sehr positiv werden lassen und Sextus vertraute einfach darauf, dass dies auch weiterhin so gut laufen würde. Ein gewisses Grundrisiko gehörte dazu, und wenn man es durch Taktik und Kalkül nicht beherrschen konnte, musste man es eben annehmen. Und ganz auf den Kopf gefallen schien ihm die Flavia auch nicht.
    Und so knüpfte er nahtlos an ihre Beteuerung an. “Oh, wie hätten wir dich nicht einladen können? Ich denke, meine Mutter wäre mir ernsthaft böse, wenn ich mich dazu erdreistet hätte, den Haruspex Primus nicht einzuladen. Ich weiß gar nicht, ob du sie kennst. Antonia Iavolena, die Tochter von Antonius Tertullus.“ So viele etruskische Blutlinien gab es nun auch nicht, zumindest nicht in diesen gesellschaftlichen Kreisen, und Sextus hoffte einfach, dass der Name dem Haruspex etwas sagte. “Sie hält sehr fest an den alten Traditionen, und ich denke, sie hätte deine Abwesenheit allein schon als schlechtes Omen gedeutet.“ Ein kleiner Scherz, begleitet von einem ganz leichten Lachen. Auch wenn der Haruspex doch sehr ernst im Moment wirkte.

  • Zitat

    Original von Manius Tiberius Durus...


    Die junge Aurelia quittierte die Bemerkung des Pontifex mit einem Lächeln und auch die Tatsache, dass er die Schwestern verwechselt hatte. Zuweilen war es recht amüsant und manchmal legten es die eineiigen Zwillinge gerade zu darauf an, dritte in Verwechselspielchen zu verwickeln. Ihr Alter stellte in dieser Angelegenheit tatsächlich ein Problem dar. Andererseits vertraute sie jedoch viel zu sehr darauf – irrationaler Weise – dass die Dinge ihren Wünschen nach verlaufen würden. Viel zu deutlich sah sie den Weg vor sich, den sie zu gehen hatte. Das war für Narcissa ungewöhnlich, die eigentlich ein überaus rationaler Mensch war, der sich jetzt aber von göttlichem Zutun geleitet und getragen fühlte. Da war ihr ursprünglicher Gedanke, der ihre Überlegungen erst eingeleitet hatte – nämlich dass sie als Vestalin ein Leben von höchst möglicher Selbstbestimmung führen konnte im Einklang damit, Sinn in ihr Leben zu bringen und nicht in irgendeinem Haushalt untätig zu versauern, wie es ihr an der Seite eines Ehemannes wohl beschieden gewesen wäre – eher zweitrangig. Das Mädchen hatte sich um 180 Grad gedreht. Von ihrer anfänglichen Abneigung musste der Mann vor ihr nichts wissen.
    „Sagen wir, es hat in der letzten Woche zwei sehr eng beieinander liegende Ereignisse gegeben, die mich davon überzeugt haben, dass es meine Aufgabe ist der Göttin zu dienen. Aber ich glaube, das würde jetzt zu weit führen...“, erklärte sie diplomatisch. „Ich gebe dir gern bei einem persönlichen Termin genauere Antwort. Aurelius Corvinus meinte ohnehin, dass ich mich brieflich auch an dich wenden solle...“

  • Ahala wäre nicht Ahala gewesen, hätte er es einmal geschafft, zu einem gesellschaftlichen Ereignis als einer der Ersten zu erscheinen. Ein Blick in das gut gefüllte Tablinum der Villa Flavia zeigte ihm deutlich, dass die anderen Gäste offensichtlich vor geraumer Zeit eingetroffen waren und sich bereits mitten im unvermeitlichen Smalltalk miteinander befanden. Der junge Tiberius hatte sich gerade dazu durchgerungen, als erstes die Glückwünsche an das ihm unbekannte Brautpaar hinter sich zu bringen, um sich als wohlerzogener Römer aus gutem Hause zu präsentieren, als sein Blick erst auf seinen Senior fiel, dann aber doch recht schnell von dessen Gesprächspartnerinnen abgelenkt wurde. Das waren aber wirklich mal zwei süße Käfer, und noch dazu auf den ersten Blick kaum zu unterscheiden...Nicht zum ersten Mal seit seiner Ankunft in Rom wunderte sich Ahala, wie sein Vater es schaffte, derartige Schönheiten (wie es auch Ahalas kurzeitige Stiefmutter gewesen war)um sich zu scharren, wo er doch alles andere als der größte Charmeur unter der römischen Sonne war. Aber egal, diese Frage war ohnehin müßig, Ahala beschloss, die Gunst der Stunde zu nutzen und sich als erstes bei Durus blicken zu lassen.
    Rasch schlängelte er sich durch die übrigen Anwesenheiten und begrüßte die kleine Gruppe mit einem Lächeln und einer angedeuteten Neigung des Kopfes.


    "Salve, Vater. Entschuldige bitte, aber ich hatte mich derart in eine Schriftrolle vertieft, dass ich es versäumt habe, rechtzeitig mit dir und Arvinia aufzubrechen. Meine Damen, ich hoffe, ich habe eure Unterhaltung nicht zu einem ungünstigen Zeitpunkt unterbrochen."

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