Cubiculum MFG | Eine Perle Ewigkeit

  • Der Nachmittag hatte bereits seinen Zenit überschritten, und das baldige Erlöschen der blassen Sonnenstrahlen kündete von dem unbarmherzigen Griff der winterlichen Jahreszeit, welche über Rom und der Welt lag, sie mit ihrer kalten Klarheit umfasste, mit ihrer grauen Tristesse und kargen Ödnis, welche Gracchus aus seinem Innersten so traut war, dass er bisweilen vergessen zu können glaubte, wo Innen und wo Außen war. Die Pflichten des Tages lagen hinter ihm - die Salutatio am Morgen, während derer er sich die wichtigsten Belange der wichtigsten flavischen Klienten hatte angehört ohne dem tatsächlich zuzuhören, eine Sitzung des Senates am Vormittag, deren Inhalt ihm längst vergessen war, und das Diktat einiger belangloser Briefe zu noch belangloseren Angelegenheiten des Collegium Pontificium nach dem spärlichen Essen am Mittag. Seit Sciurus ihn am frühen Nachmittage darauf hatte hingewiesen, schlug Gracchus nun schon die Zeit tot bis zu diesem Termin, welcher kurz bevorstand, schob Tabulae von einer Seite des Tisches auf die andere, wanderte rastlos die Flure der Villa auf und ab, in Ansinnen, deren Sinn er bei Erreichen des angestrebten Tatortes bereits hatte verloren, starrte allenthalben Löcher in die Wände und Decken der Räumlichkeiten und suchte sich auf einen Punkt zu konzentrieren, welcher in ihm sich ausdehnte, bis dass er ihn inwenig verschlang. Er hatte seines Vetter Pisos vor nun bereits schon geraumer Weile getätigten Ratschlag beherzigt und Sciurus endlich nach einem neuen, fähigen Medicus Ausschau halten lassen - ein Unterfangen, welches selbstredend von Erfolg war gekrönt gewesen, so dass eben dieser Medicus am heutigen Tage angehalten war in der Villa Flavia sich einzufinden. Uneins war Gracchus indes, was er von diesem Besuch sollte erhoffen, ob überhaupt irgendetwas zu erhoffen war, ob es nicht besser war, nichts zu hoffen, und im Falle des Falles sich zu erfreuen, statt im anderen Falle in Desperation zu verfallen, doch allein die Beschäftigung mit eben dieser Fragestellung hatte bereits dazu geführt, dass ein leiser Hauch von zuversichtlicher Erwartung durch die leeren Flure seines Gedankengebäudes wehte und in alle Ritze sich dort beharrlich einnistete.

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  • Mit einem kräftigem Schlage, welchem gleichsam ein Hauch von Unterwürfigkeit inne wohnte, wie nur er in der Lage war dies hervorzubringen, klopfte Sciurus an die Türe des Cubiculums, öffnete sogleich und trat ohne Aufforderung hinein wie es seine Art war, hinter sich einen kleinen, hageren Mann, um dessen Augen sich zahllose Fältchen hatten gelegt, und dessen schütteres Haar von einer graufarbenen Couleur war durchzogen. "Herr, dies ist Polydorus, Medicus universalis, bewandert in den Künsten römischer, wie auch achaischer Medizin", stellte der Sklave den Fremden vor. Eben jener deutete darauf eine leichte Verbeugung an, sprach jedoch nicht ehedem Gracchus das Wort hatte ergriffen, was dieser sogleich tat, die Spuren seiner Exaltation in sich hinabkämpfend.
    "Salve, Polydorus! Es freut mich, dass du deinen Besuch konntest einri'hten. Bitte nimm Platz."
    Mit einer flüchtigen Bewegung aus dem Handgelenk heraus wies Gracchus auf die einfachen, aus edlem, dunklen Holz und fein gegerbtem, rotfarbenem Leder gearbeiteten Stühle, welche um einen kleinen, runden Tisch herum unter dem Fenster platziert waren.
    "Salve, Senator Flavius! Die Freude liegt ganz auf meiner Seite."
    Der Medicus nahm wie angewiesen Platz und stellte eine Tasche aus grobem, ungefärbtem Stoff, welche Gracchus erst nun bemerkte, neben sich ab. Auch der Patrizier setzte sich, wartete kurz ab bis Sciurus zwei Becher mit sehr verdünntem Wein hatte gefüllt, und taxierte sodann sein Gegenüber.
    "Du bist also in den Theorien römischer, wie achaischer Medizin bewandert? Welche Refe..renzen kannst du vorweisen?"
    Polydorus nippte an seinem Wein, ehedem er selbstbewusst antwortete.
    "Ich habe bei Sabbacon in Messene und Eupolemus in Miletus studiert, und einige Jahre Barsaentes von Cnossus in Baiae assistiert. Dieser Name ist dir sicherlich bekannt, seine Heilanwendungen sind geradezu legendär, sogar der göttliche Kaiser Ulpius schwor auf ihn. Danach habe ich viele Jahre lang in Rom gearbeitet, bevor ich einige Zeit auf Capri bei Apollonius von Samothrake weilte, der sich dort dem theoretischen Studium der Säftelehre widmet. Seit etwa fünf Jahren bin ich nun wieder zurück in Rom, und meine Patienten wissen nur Gutes über mich zu berichten - erfolgreiche Behandlungen, Genesungen bei Krankheiten aller Art, sowie allgemein gesteigertes Wohlbefinden."
    Bei der Erwähnung Cnossus' zog Gracchus' Magen sich zusammen, nicht jedoch des bekannten Medicus wegen, sondern der Erinnerung an die Stadt selbst, wiewohl er nach der abschließenden Selbstbeurteilung Polydorus' im Stillen bei sich überlegte, dass es augenscheinlich nicht verwunderlich war, dass dessen Patienten nur Gutes hatten zu berichten, denn jene, welchen er nicht hatte helfen können, konnten vermutlich nichts mehr berichten. Und doch war er sich sicher, dass sein Vilicus einen der besten Mediziner in Rom hatte ausgesucht.
    "Nun gut, so lasse uns beginnen. Ich brau' he wohl nicht gesondert betonen, dass alles, was im folgenden in diesem Raume erwähnt wird oder du heraus..finden magst, die Mauern dessen nicht verlassen darf, dass es im anderen Falle wohl für uns beide nur zum Nachteil wird gerei'hen."
    Der Medicus hob in ein wenig gespielter Entrüstung die Hände.
    "Aber natürlich, Flavius, ich versichere dir, dass ich jedes Wort streng vertraulich behandeln werde, wie auch jede Erkenntnis und Diagnose. Dies gebietet mir bereits der Ehrenkodex der Medici. Darüberhinaus wären wohl meine Patienten kaum meine Patienten, wenn ich dies anders handhaben würde. Nun, was ist es also, das dich plagt?"

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  • Gracchus zögerte, denn obgleich er in den zurückliegenden Stunden wieder und wieder darüber hatte nachgedacht, wie am besten zu beginnen war, so wollte ihm nun nichts mehr einfallen.
    "Mein Befinden ist ... überaus unbeständig. Manche Tage sind mir ein leichtes, … doch andere wiederum sind mir bisweilen unerträgli'h, scheinen mir oftmals nurmehr sinnlos und vergeudet, oder aber völlig leer von allem. Manches mal ist es mir, als würde mein Geist neben mir stehen, ... nein, eher als würde ich selbst neben meinem Geiste stehen, wobei mein Bewusst..sein bei mir ist, so dass mein Leib und Geist völlig unfähig werden - unfähig zu handeln, unfähig zu denken, unfähig zu allem. An anderen Tagen wiederum scheint es mir eher, als würde ich in einem zähen Nebel fest stecken, in einem honig..artigen Gewebe, welches jede Bewegung lähmt, welche den Leib träge macht, gleichwohl dabei auch den Geist, dass jeden Gedanken zu fassen unendli'h mühsam mir wird. Dann wiederum gibt es Tage, an welchen ich am Abend bereits nicht mehr weiß, ob das Vergangene des Tages an diesem oder an einem vorherigen geschehen ist, oder gar überhaupt was sich am Mittag hat zugetragen, geschweige denn wie ich den Morgen verbra'hte, oder aus einer Sitzung hinausgehe, ohne zu wissen worüber gesprochen wurde, und bisweilen ... bisweilen scheint es sogar ... als wüsste ich nach manchen Gesprächen bereits nicht mehr, was ich selbst gespro'hen habe."
    Obgleich diese Vorstellung ihn manches mal sekkierte, manches mal grämte, so verdrängte Gracchus diese Tatsache doch oft, und sie nun auszusprechen, schmerzte ihn zutiefst, so dass er nur eilig fortfuhr.
    "Wenn ich versuche zu lesen - selbst im Stillen -, verdrehen sich die Worte auf dem Weg aus ihrem Ursprung bis in meinen Geist, dass nur eine sinnlose Kaskade aneinanderge..reihter Fragmente daraus entspringt, welche es mir unmöglich macht, den Sinn der Texte na'hzuvollziehen. Demzufolge will mir auch das Schreiben nicht mehr gelingen, da ich nicht schreiben ohne zu lesen kann."
    Er schwieg und blickte erwartungsvoll den Medicus an.
    "Und die Sonderbarkeit deiner Sprache, ist das ebenfalls ein Symptom?"
    Einen Augenblick lang suchte Gracchus verwirrt zu verstehen, was Polydorus meinte, ehedem ihm wurde bewusst, dass es das Stocken in manchen Worten, das Verschlucken einzelner Buchstaben musste sein, welches er selbst kaum noch bemerkte.
    "Ja, manches mal werden mir auch Buchstaben verlustig, und die Worte geraten ins Stocken als hätten sie einen unverhältnis..mäßig langen Weg aus meinem Geiste bis über meine Lippen. Doch ist dies bereits wieder weitaus besser als es zu Beginn war."
    "Seit wann ist das alles so? Gab es einen Auslöser? Vielleicht eine harmlos erscheinende Erkrankungen, einen Schnupfen etwa?"
    Hilfesuchend blickte Gracchus zu seinem Vilicus hin und forderte diesen mit einem Wink auf, nicht nur heranzutreten, sondern auch frei zu sprechen, konnte er selbst dies doch kaum beurteilen.

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  • Bis ins kleinste Detail erläuterte Sciurus pflichtbewusst die Geschehnisse, die sich während Gracchus' Aedilat hatten zugetragen, berichtete über die Theorien und Bemühungen des Medicus Cadipolos Calimeres in Achaia, den neuerlichen Schlag kurz vor Antritt der Praetur, den wieder daran anschließenden Aufenthalt in Achaia, ließ kein Anzeichen aus, welches Gracchus bisher nicht hatte erwähnt, berichtete dies ohne Emotion und in detaillierter Ausführlichkeit wie dies seine Art war, und bis dass dies alles war ausgesprochen, fühlte Gracchus sich als hätte man die Kleider ihm vom Leibe gerissen und ihn nackt bis auf die Haut in ein Becken mit eisig kaltem Wasser gestoßen. Er wollte dies alles nicht hören, all die Makel, all die Unzulänglichkeiten und Defizite, und ärgerte sich ob dessen, dass er nicht Sciurus hatte angewiesen, dies alles bereits im Vorfeld, in seiner Abwesenheit, dem Medicus zu berichten. Als der Sklave endlich geendet hatte stand Polydorus auf ohne über das Gehörte sich zu äußern und entnahm seiner Tasche ein kleines Stäbchen aus Metall.
    "Bitte öffnete den Mund, Herr, und strecke deine Zunge heraus."
    Gracchus tat dies und ließ über sich ergehen, dass der Arzt mit dem kupfernen Stab seine Zunge hinab drückte, um besser in seinen Rachen hinab sehen zu können, hernach dass er ihm die Schläfen betastete, die Wangen, den Hals, den Nacken, an seinen Handgelenken den Rhythmus des Blutes fühlte, und schlussendlich mit Daumen und Zeigefinger das obere und untere Lid erst an Gracchus' rechtem, dann seinem linken Auge aufzog, um dort hinein zu blicken als könne er durch die Pupillen hindurch bis in Gracchus' Innerstes, seine Seele und seinen Geist hinein sehen und erkennen, wo die Struktur dessen aus den Fugen war geraten. Im Anschluss erwartete Gracchus, dass er dieser Prozedur folgend seine Tunika würde ablegen müssen, weshalb er den Besucher in seinem Cubiculum hatte empfangen, doch der Medicus gab keine diesbezügliche Anweisung, war bereits zu einem Schluss gelangt.
    "Es tut mir leid, Senator Flavius, doch ich kann dir nicht helfen"
    , sprach er noch im Stehen. Ehedem Gracchus diese Information konnte verarbeiten, nachfolgende Fragen in sich aufkommen lassen, fuhr Polydorus fort.
    "Die Symptome sind eindeutig. Dies ist kein Leiden, das deinen Körper betrifft, kein Leiden, welches nach medizinischen Theorien geheilt werden kann. Du bist ... von den Larven besessen. Sie haben von dir Besitz ergriffen."
    Jegliche Farbe wich aus Gracchus' Gesicht, dass er alsbald einer der Masken seiner Ahnen glich, wie sie blass und bleich im Atrium der Villa Flavia hingen, mehr noch als sein Antlitz regelrecht erstarrte. Polydorus sprach ungerührt weiter.
    "Es gibt allerdings auch für solche Dinge Spezialisten, ich kann dir Hegelochus empfehlen, der üblicherweise unter den Kolonnaden des Circus Maximus zu finden ..."
    "Schweig!"
    schnitt Gracchus' heißere Stimme das Wort ihm ab, doch ohne ihn zu beirren.
    "Es ist wirklich nichts, dessen du dich schämen müsstest, Herr, dergleichen kann jedem Menschen passieren, und wenn du ..."
    "Schweig!"
    Diesmalig war Gracchus' Stimme fest, und erste Anzeichen von Zorn zeichneten sich auf seinem Antlitz ab, dessen Spuren er mühevoll aus dem Klang seiner Worte zu verbergen suchte.
    "Verlasse dieses Haus. Sofort! Ohne ein weiteres Wort!"
    Der Medicus öffnete in protestierendem Ansinnen seinen Mund, überlegte es sich jedoch anders, schloss ihn unverrichteter Dinge wieder und nickte. Er nahm seine Tasche vom Boden auf, verabschiedete sich mit einem flüchtigen "Vale, Senator!", und verließ von Sciurus geleitet den Raum, um draußen mit dem Vilicus noch einige Worte zu wechseln und hernach das Haus zu verlassen.

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  • Gracchus blieb allein in seinem Cubiculum zurück, allein mit sich selbst, allein mit den Larven. Larvatus - er wollte es nicht hören, wusste er doch selbst zu gut, dass dies der Wahrheit entsprach, entsprechen musste, wollte es dennoch nicht wahrhaben, nicht akzeptieren. Viel zulange schon ließ er sie gewähren, viel zulange schon tolerierte er sie, ließ sich tyrannisieren wie ein feiger Narr. Sie hatten kein Recht dazu, sie hatten kein Recht dazu, sein Leben sich zu nehmen, denn selbst wenn er ihres hatte genommen, so nur weil die Parzen dies so hatten bestimmt, so nur da die Schnitterin ihr Messer längst hatte an ihren Lebensfaden angesetzt und ihn zur Ausführung ihrer Tat benutzt, ihrem Werkzeuge gleich. Langsam erhob er sich und trat vor den Spiegel hin, in welchem er allmorgendlich das Ergebnis der Ankleideprozedur begutachtete. Lag dort ein Schatten um sein Haupt? Waberte die Luft um ihn in trägen Schlieren, die eigentlich still müsste stehen? Flackerten dort Schemen um ihn her?
    "Ihr habt lange genug euer Spiel getrieben, und ich habe dies lange genug toleriert, zu lange. Ich bin zu weitaus mehr bestimmt, als von euch zer..fressen zu werden, ich bin Manius Flavius Gracchus, Sohn des Titus Flavius Vespasianus! Ihr könnt mir nichts mehr anhaben, ihr seid nur Schemen einer Erinnerung, Partikel der Vergangenheit, Hauch eines Gedankens, Abglanz einer Remi..niszenz!"
    Stumm flackerten die Flammen der Öllampen und ließen die Schatten des Cubiculums tanzen, leise knarzte es in einer der Wände oder den Hypokausten, und es schien Gracchus als sinke die Temperatur im Raume ein wenig ab. Schlieren wischten über sein Bildnis im Spiegel je länger er dort hinein sah, Abdrücke von Fingern allfällig, und das Wabern der Luft in der Spiegelwelt schien sich zu verdichten, allfällig zu einer Gestalt, allfällig zu einem Gesicht, einer Fratze, wandelte sich zu einem diffusen Schrei, welche nur in seinem Kopfe erklang und doch die Welt auszufüllen schien. Waren die Larven besessen von ihm oder war er besessen von den Larven? Höhnisches Lachen und das Rauschen seines Blutes mischten sich in seinen Ohren, und er spürte das Reißen ihrer Finger auf seiner Haut, das Zerren ihrer Klauen an seinem Fleisch, sah ihre diffusen Schemen und Konturen wie sie um ihn herum schlichen, um ihn tanzten, die Reflektion seines Selbst im Spiegel verhöhnten. In einem Aufwallen von Zorn, einem Versuch aus verzweifeltem Aufbegehren packte Gracchus einen bronzenen Herkules aus dem Regal neben dem Spiegel und schlug auf das Bildnis ein, verbeulte unter wütenden, grollenden Schreien die metallene Oberfläche, dass sich doch nur die Realität verzerrte, die Fratzen nurmehr kurioser wurden, das Lachen dem metallischen Tönen der Schläge wich. Als die Türe sich öffnete und das Antlitz Sciurus' in dem Spalt zwischen den Hölzern sichtbar wurde, schleuderte Gracchus die bronzene Figurine nach seinem Sklaven.
    "Hinaus!"
    Mit dem leisen Geräusch, welches die sich schließende Türe im Raum hinterließ, sank Gracchus mutlos auf den Boden hinab, sackte kraftlos in sich zusammen, einer Marionette gleich, welcher man die Fäden hatte gekappt.

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  • Kaum hätte er bestimmen können, wie lange diese Desperation währte, wie lange die Stille um ihn herum sich ausbreitete, ehedem er die Lautlosigkeit bemerkte. Blinzelnd hob Gracchus den Kopf, lauschte mit leicht zusammengekniffenen Augen in die Welt der Lebenden hinaus, aus welcher Schritte auf dem Flur zu vernehmen waren, das leise Zirpen eines Vogels vor dem Fenster, doch sonstig nur beruhigende Absenz jeglich torquierender Lautmalerei. Zaghaft schweifte sein Blick zu dem Spiegel hin, dessen obere Bildfläche kaum mehr zu gebrauchen war, und sondierte die trügerische Reflexion des Häufleins Mensch inmitten des Raumes. War dies der Vater seines Sohnes? War dies der Vater seines ungeborenen Kindes? War dies der Gatte seiner Gemahlin? Minimus. Sein ungeborenes Kind. Antonia. Sie waren perfekt. Und sie waren seineFamilie.
    "Ihr könnt ihnen nichts anhaben"
    , flüsterte er nachdenklich.
    "Ihr hättet sie längst zer..stört, meine Familie längst zerrissen, so ihr es könntet. Aber ihr könnt es nicht. Und darob könnt ihr auch mir nichts anhaben!"
    Langsam kräuselte die Spur eines Lächelns seine Lippen, sein Kinn hob sich empor und seine Schultern richteten sich gerade, während er, leise und ein wenig zögerlich trotz allem, zu der Welt hinter dem Spiegel sprach.
    "Ich werde euch beweisen, dass ihr mich nicht aufhalten könnt. Ihr habt nicht die Ma'ht, mich zu hindern, denn diese Macht gehört den Göttern allein, und wenn es nicht ihr Wille ist, so kann es der eure nicht sein!"
    Ohne seinen Blick von sich selbst zu lösen rief er nach seinem Vilicus.
    "Sciurus!"
    Als hätte der Sklave noch immer vor der Türe gewartet, öffnete diese sich augenblicklich und das Antlitz Sciurus' erschien. "Ja, Herr?"
    "Wähle sieben Lämmer aus, die besten, die du finden kannst, und bereite ein Opfer im Atrium vor. Sieben Lämmer für Ianus, Iuppiter, Iuno, Minerva, Mars, Apollo und Dis Pater. Ich werde sie noch vor Sonnen..untergang schlachten. Und bena'hrichtige meinen Sohn, dass er sich vorbereitet, mir zu helfen."
    Er würde herausfinden, ob es der Wille der Götter war. "Ja, Herr." Der Sklave wandte sich bereits ab, als Gracchus ihn zurück hielt.
    "Sciurus!"
    "Ja, Herr?"
    "Bevor du gehst ... hilf mir auf ..."



    ~~~ finis partis primae ~~~
    ~ sequitur secunda ~

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