Reisen dauerte. Reisen dauerte lange. Viel zu lange. Besonders wenn es so verflucht kalt war wie in Gallia, Germania, Raetia und all den anderen Provinzen nördlich und nordöstlich der Alpen. Sermos Reise hatte ja schon ätzend angefangen. Erst hatte sich seine Abreise so weit verzögert, dass er nicht mit dem selben Schiff wie Annaeus in Ostia hatte ablegen können. Natürlich blieb es nicht dabei. Italia war gestraft vom Zorn der Götter und so war es Schiffen auch nicht gut möglich überhaupt den Hafen zu verlassen. Sermo musste also anderthalb Wochen warten, bis er seine Reise überhaupt antreten konnte. Als das Schiff, dessen Kapitän nebenbei eine horrende Summe für den Transport verlangte, schließlich in Massilia anlegte, sank Sermos Laune weiter in den Keller. Es war arschkalt, windig und das Mieten eines Reisewagens war völlig überteuert und erst nach einem nervenaufreibenden Gefeilsche mit einem Kelten möglich, der grässlich aus dem Maul stank.
Jetzt saß er auf der strohgefüllten Matratze seines Zimmers in einer der Hafentavernen Massilias und seufzte. Ihm gegenüber saß Caelyn, deren Bauch mittlerweile deutlich sichtbar wurde. Bona dea, war sie eine Belastung gewesen. Erst fraß sie dreimal so viel wie sonst, dann erbrach sie wieder alles über der Reling. Er wollte gar nicht wissen, wie er es mit ihr in der Kutsche aushalten sollte. Na immerhin war sie schön anzuschauen, trotz des Bauches. Nicht zuletzt war es gar nicht zu bemängeln, dass ihr Busen anschwoll. Zudem war die Keltin auch des öfteren gereizter als sonst, was Sermo auch nicht unerheblich zu erregen vermochte. Er schätzte ja seine kleine blonde Keltin sehr, ließ sie es aber bloß nicht wissen. Wo käme man da denn schon hin?
"Wie fühlt es sich an?" fragte Sermo nach einigen Augenblicken des stillen vor sich hin Starrens. Die Flamme einer Öllampe, der einzigen Beleuchtung zu dieser spätnachmittäglichen winterdunklen Stunde, flackerte unbehelligt. Wind pfiff durch die Ritzen zwischen den Fensterläden. Der Geruch von Salz lag in der Luft. Man konnte den Eindruck haben, das Meer wolle selbst bis in diese kalte Kammer eindringen. Caelyn hatte nur ein Schlaflager auf dem Boden erhalten. Für ein Bett hatte es nämlich nicht gereicht, weil Sermo zu geizig gewesen war ein Zweibettzimmer zu zahlen. Statt dessen belegten sie nun zu zweit ein Einzelzimmer, das dementsprechend eng war. Caelyn saß quasi direkt vor seinem Bett auf dem Boden, den Rücken an die Wand gelehnt. Ihr musste bitter kalt sein. Ob er sie wohl zu sich ins Bett nehmen sollte?
"Ich meine: Wie ist es, sie wiederzusehen nach so langer Zeit? Die Heimat? Gallia?" Neben dem Bett gab es in dieser Kammer nicht viel. Ein Möbelstück, das sich unverschämterweise als Tisch abgab, trug die Öllampe. Dabei stand ein knarrender Schemel, dem Sermo nicht zu vertrauen wagte. Alles andere war Sermos Habe, gebündelt in einer einzigen Truhe. Seine Kleidung, Laren, einige wenige persönliche Besitztümer und Geld. Mehr brauchte er gar nicht. Caelyns Klamotten hatten sogar separat in einen Sack gepasst, den sie sich bequem über die Schulter werfen konnte. Ein Glück, dass sie so einfach gestrickt war und keine von diesen verwöhnten Sklavinnen aus patrizischem Hause war, die untereinander eigene Hierarchien und Besitzansprüche hegten.
Während Sermo die Antwort seines Kleinods erwartete, rieb er sich die klammen Hände. Diese Taverne war ein verdammtes zugiges Drecksloch, da würde Caelyn ihm wohl zustimmen.