Die Zeit verging schnell. Viel schneller, als sie es sich wünschte. Viel schneller, als es gut wäre. Romana war kein junges Ding mehr, sie spürte es. Die Erinnerungen an die Zeit, da sie noch 18, 19, 20 gewesen war, schienen immer weiter entfernt. Es würde wohl, bei der Schnelligkeit, mit der sich die Welt drehte, voller Festlichkeiten zu Ehren der Götter, in welchen Romana immer geübter und geschickter wurde, nicht mehr lange dauern, bis sie 30 war. Dreißig! Eine entsetzliche Zahl, die Romana nicht behagte, die aber noch in der Zukunft lag.
Und schon jetzt war es so, dass sie die Tante zweier junger Hüpfer war. Tante Romana, das klang fürchterlich, befand sie. Die Kinder von Galeo und Musa... sie würde auch schon Kinder haben, hätte sie geheiratet. Tja. Hätte, wäre, wenn.
Doch ihren Neffen und ihre Nichte zu besuchen war wohl unausweichlich. Schließlich hatte man als Tante Verpflichtungen, auch wenn die Verwandtschaftsverbindungen nur biologisch waren. Und es war ja schon so, dass sie Galeos Kinder wieder einmal sehen wollte.
Die Kutsche, welche Romana als Vorbewegungsmittel immer mehr bevorzugte, denn wenn man schon Privilegien hatte, sollte man sie auch nutzen, blieb knarrend vor der Türe zur Villa Claudia stehen. Der griesgrämige Sharif, seines Zeichens Ianitor und missmutiger Sklave, ließ Romana durch, er kannte sie ja schon.
Die Claudierin war schon einige Zeit nicht mehr in der Villa gewesen, was sie sich abermals ins Gedächtnis rufen musste, als sie ins Atrium eintrat. Viele Jahre war es schon her, dass sie aus Clusium gekommen war, nur um ein Atrium zu erblicken voller vertrockneter und halb abgestorbener Pflanzen. Viel hatte sich geändert. Das Atrium war begrünt. Von den Rändern des Daches herab hingen blühende Ranken. Topfpflanzen zierten die Ecken des Atriums. Eine Büste von Kaiser Claudius war umkränzt von hübsc hen Kakteen. Romana, der Pflanzenfreundin, kam ein Lächeln, als sie sah, wie viel sich getan hatte.
Ein Sklave versuchte unentdeckt sich vorbeizuschleichen. Doch nicht mit Romana, die sich abrupt zu ihm drehte und ihn am Ärmel erpackte, ihn zurückreißend. “Bursche! Geh und richte Claudia Livinea und Quintus Claudius Felix aus, dass ich sie hier im Atrium gerne sprechen möchte.“ Der Sklave katzbuckelte, eingeschüchtert vom strikten Blick der Vestalin. Ja, Romana konnte gut streng dreinschauen, aber auch nur, wenn sie mit Nichtrömern konfrontiert sah. Vor allem konnte sie, aus offensichtlichen Gründen, gut von oben herab schauen.
“Na los, oder soll ich dir Beine machen?“, setzte sie hintennach, nicht mit scharfer Stimme, nicht einmal mit allzu bestimmter, als der Sklave nicht sofort spurte, was den Sklaven trotzdem durchaus dazu veranlasste, sofort loszueilen. Romana indessen hockte sich auf eine Liege, während der strenge Gesichtsausdruck, den sie vorher für den Sklaven aufgesetzt hatte, wieder schwand und einem erwartungsvollen Platz machte. Sie wusste kaum etwas über ihren Neffen und ihre Nichte, hoffte aber, dem Abhilfe zu verschaffen.