Quer durch die Stadt...

  • Je älter Sabina wurde, desto lästiger war es ihr, wenn Bia ihr auf Schritt und Tritt folgte und immer mit Argus Augen auf sie achtete. Von daher nutzte sie jede Gelegenheit um den aufmerksamen Blicken der wachsamen Sklavin zu entkommen. Ein paar ihrer Freunde durfte sie besuchen ohne, dass Bia sie begleitete. Diese Gelegenheit nutzte sie dann immer aus. Am liebsten traf sie sich dann mit Faustus. Die meisten Jungs in ihrem Alter fand sie ja schrecklich doof. Jungs machten immer so seltsame Witze oder fanden es lustig sie mit Spinnen zu ärgern. Frösche fand sie ja nicht wirklich eklig, aber vor Spinnen gruselte sie sich. Faustus ärgerte sie mit diesen Krabbeltierchen nicht, deshalb mochte sie ihn ein bisschen mehr, wie ihre anderen Freunde. Den Weg von der Casa Germanica zur Villa Helvetia kannte sie auswendig, immer die Mahnungen von Bia, ihrer Stiefmutter und ihrem Vater in den Ohren: Nicht mit Fremden reden oder mitgehen, wenn sich ihr jemand in den Weg stellte, dann schreien und weglaufen. Auf dem Rückweg würde sie dann einer der Sklaven aus dem Haushalt der Helvetier begleiten, weil sie beim Spielen meistens die Zeit vergaß.


    Wo gehen wir eigentlich hin?“ fragte sie Faustus, während sie durch die Straßen streifte. Faustus hatte sie, kaum dass sie angekommen war, an die Hand genommen und in das Gewühl der Stadt gezogen. Scheinbar ohne Ziel und er hatte ihr auch bisher nicht veraten wollen, welche Pläne er hatte.

  • Milo erging es im Gegensatz zu seiner Freundin wesentlich besser. Er wurde nicht auf Schritt und Tritt verfolgt und beobachtet, eher das Gegenteil war der Fall. Er konnte im Grunde ohne große Einschränkungen treiben, was er wollte, solange er sich ordentlich benahm, die Erwachsenen zu Hause nicht störte und ein guter Schüler war; und das tat er auch. Er trieb sich beinahe seine gesamte Freizeit mit seinen Freunden herrum. Was wollte er auch zu Hause? Man nahm dort schließlich keine besondere Notitz von ihm.
    Heute hatte er sich wieder mit seiner liebsten Freundin Sabina verabredet. Von all seinen Freunden war sie ihm irgendwie die Liebste und die Freundschaft mit ihr bedeutete ihm auch am meisten. Warum das so war wusste er nicht, es war eben irgendwie so und beruhte auch auf Gegenseitigkeit.
    Kaum hatte sie heute an die Tür seines Hauses geklopft, war er schon herraus gestürmt, hatte sie gepackt und sie hinter sich hergezogen. Wohin er mit ihr wollte wusste er eigentlich selbst noch nicht so richtig, er wollte auf alle Fälle erst einmal weg von zu Hause, wo es einfach nur langweilig war.
    "Ich weiß es selbst noch nicht.", kam seine ehrliche Antwort. Sonst war er ja eigentlich immer ruhig und besonnen und dachte erst nach, bevor er etwas tat, aber heute war es einfach mit ihm durchgegangen. Man musste eben doch auch für Überraschungen gut sein.

  • Als Kind aus gutem Hause hatte man es nicht leicht, was nütze schönes Spielzeug, wenn man damit nicht ein wenig spielen konnte, weil der Lärm ja die Erwachsenen stören konnte. Sie kam sich oftmals wie ein kleiner Störenfried vor, besonders seit dem Laevina in der Casa lebte und sich ununterbrochen darüber beschwerte, dass Sabina kein Benehmen hatte. Würde es nach der Großtante gehen, müsste sie den ganzen Tag still in einer Ecke sitzen. Etwas das Sabina nicht wirklich konnte, sie wollte rennen, sie wollte lachen und sie wollte auch hin und wieder Lärm machen. Sie war schließlich keine Puppe. Wie gut, dass es noch andere Kinder gab, denen es ähnlich ging. Die meiste Zeit des Jahres verbrachten sie damit draußen auf den Straßen zu spielen. Mal schlichen sie dabei durch dunkle unheimliche Gassen, ein anderes Mal saßen sie auf einer Brücke und warfen kleine Steine in den Tiber. Jeden Tag ein neues Abenteuer. In Rom gab es viel zu entdecken. Meistens hatten sie nicht einmal genau Pläne.
    So wie heute, weg vom Haus, um eine Ecke, die Straße entlang und schon wusste Sabina nicht mehr, wo genau sie waren. „Wir könnten ja zum Mercatus!“ schlug sie vor und lief neben Faustus her. „Oder zum Horti Luculliani!“

  • Milo war da schon ganz anders, als seine Freundin. Er war von Haus aus schon ein etwas ruhigerer Mensch, weshalb es eigentlich nie Ärger zu Hause gab. Er fiel nicht weiter auf und das war es ja auch, das zählte. Trotzdem brauchte auch er Beschäftigung und dafür hatte er seine Freunde und mit dieser Kindergruppe, zu der auch Sabina gehörte, zog er umher. Auch hier fiel er eher weniger durch irgendwelche undurchdachte Aktionen auf, nein, er war vielmehr der Vernünftige in der Gruppe, der gelegentlich seine Bedenken äusserte.
    Als sie ihm Vorschläge machte, schüttelte er nur den Kopf und stöhnte leise. Wie öde, wenn man bedachte, dass sie ja ständig ihre Zeit an diesen Orten verbrachten. Er hatte hingegen hatte einmal wieder Lust ein richtiges Abenteuer zu erleben. Zwar war es dafür besser mehrere Leute zu sein, da es einfach etwas sicherer war, aber er brachte dennoch seine Gedanken vor.
    "Ach, da sind wir doch ständig. Wie wäre es, wenn wir etwas durch die Subura streifen?", schlug er daher seinerseits vor. Freilich wusste er, dass die Subura nicht unbedingt etwas für Kinder aus besserem Hause war, aber ein Streifzug durch sie war immer ein Abenteuer und wohl aufregender, als wenn die an die altbekannten Orte gingen, an denen sie allzuoft ihre Zeit verbrachten. Der zwielichtige Stadtteil war da schon wesentlich interessanter.

  • Als Faustus seinen Vorschlag machte, blieb sie etwas erschrocken stehen. Damit sie allein herum streifen durfte, gab es strikte Regeln, an die sie sich halten musste. Eine davon war, sich von der Subura fern zu halten. Dies war kein Ort für Kinder. Bia hatte ihr jede Menge unheimliche Geschichten erzählt, damit sie sich ja fern hielt von diesem Ort. Doch das abenteuerlustige Funkeln in den Augen ihres Freundes, ließ sie glatt vergessen, was sie versprochen hatte. Sabina würde Bia von diesem Ausflug einfach gar nicht erzählen. Was ihr Kindermädchen nicht wusste, würde auch keine Konsequenzen nach sich ziehen. Dennoch ein bisschen fürchtete sie sich schon davor, einfach gegen die Regeln zu verstoßen. Da war es gut, dass sie einen Freund an ihrer Seite hatte.
    Kurz zögerte sie, ehe sie dann zustimmend nickte. „Lass uns gehen“, grinste sie breit. „Aber das darf keiner wissen, sonst bekommen wir jede Menge Ärger!“ rief sie sich und ihm in Erinnerung.

  • Erst als er einige Schritte weitergegangen war merkte er, dass Sabina stehen geblieben war. Er konnte sich schon ausmalen warum wohl. Wahrscheinlich hatte sie Angst davor, da es ihr bestimmt von den Eltern verboten worden war. Dabei war es doch dort nicht ganz so gefährlich, wie man immer meinte, vor allem am Tag. Er glaubte kaum, dass etwas passieren konnte, zumal sie auch nicht sonderlich auffielen auf der Straße, da sie ja auch nicht ihre besten Kleider trugen.
    Langsam schritt er ihr wieder entgegen und sah sie mit einem herrausfordernden Blick an, als wollte er sagen: Na komm schon. Trau dich.
    Es schien wenigstens gewirkt zu haben, da sie auch schon nickte und grinste. Er grinste zurück und nahm sie auch schon wieder bei der Hand und zog sie weiter. "Ja, schon klar. Aber die denken doch, dass du bei mir bist. Was interessiert sie dann, was wir gemacht haben. Wird schon keiner mitbekommen.", sprach er ihr gut zu. Er würde wohl kaum Ärger bekommen, zumal sich kaum jemand zu Hause dafür interessierte, was er den lieben langen Tag so trieb, sofern er seine Pflichten, wie Schule, erfüllte.
    Und dann zog er sie immer weiter durch die Stadt, bis allmählich die vornehmeren Häuser größeren Mietshäusern wichen. Weit war es nicht mehr und sie waren mittendrin in der Subura, im berüchtigten Armenviertel Roms.

  • Sabina hielt sich selbst für genauso mutig wie die Jungs mit denen sie spielte. Aus diesem Grund wollte sie nun auch nicht, dass Faustus sie für einen Feigling hielt, weil sie den vielen gruseligen Geschichten Glauben schenkte, die Bia ihr erzählt hatte. Sie verbarg ihre Unsicherheit hinter einem breiten zustimmenden Grinsen und ließ sich von dem jungen Helvetier durch die Straßen ziehen. Bedenken und Ermahnungen wurden einfach verdrängt, stattdessen wollte sie sich dieses Abenteuer nicht entgehen lassen.
    Von daher war sie etwas enttäuscht, dass die Subura, gar nicht so anders war, wie andere Teile der Stadt. Die Straßen waren nur etwas enger und die vielen Mietskasernen mit den kleinen Geschäften standen dicht an dicht. Keine finsteren Gestalten und keine unheimlichen Finsterlinge, nur ganz normale Menschen in einfacher Kleidung. So hatte sie sich dieses Viertel aber gar nicht vorgestellt. Zwar entdeckte sie den ein oder anderen Bettler und auch eine grellgeschminkte Lupa in einem Hauseingang, aber ansonsten konnte sie rein gar nichts Unheimliches entdecken. Leicht schürzte sie die Lippen, warum erzählte Bia ihr solche Märchen? Sabina hasste es, wie ein kleines Kind behandelt zu werden.
    Nun war sie es, die entschlossenen Schrittes voran ging. „So hab ich es mir aber gar nicht vorgestellt. Bia hat mir erzählt, dass hier alles verkommen ist!“ Sie ließ ihren Blick über die Fassaden der Häuser gleiten. Der Putz war grau und bröckelte an einigen Stellen, aber die Häuser würden nicht jeden Augenblick zusammen brechen. „Warum erzählen uns die Erwachsenen immer solche Märchen? Wir sind doch schon groß!“ beschwerte sie sich. Sie würde nicht mehr alles Glauben, was Bia ihr erzählte.

  • In der Tat schien das Schauermärchen über die Subura etwas übertrieben von den Erwachsenen erzählt worden zu sein. Verbrechen, Gewalt und dergleichen konnte man nämlich nicht sehen. Nur die großen Insulas und die billigen Läden und Buden in deren Erdgeschoss oder auf der Straße reihten sich und hier und da konnte man den einen oder anderen Bettler erblicken, aber so großartig anders war dieser Stadtteil auch nicht. zumindest auf den ersten Blick. Wahrscheinlich war das hier noch ein etwas schöneres Eck in der Subura. Wenn man deren Größe bedachte, so waren sie vielleicht erst am Rande.
    "Vielleicht hat sie ja nicht ganz so unrecht. Das hier ist ja noch eine etwas größere Straße mit relativ viel Verkehr. Solche Straßen sind ja meistens schöner. Ich kann mir vorstellen, dass es in den Seitengassen und dahinter schon ganz anders aussieht." So war es ja meistens. Nach Aussen hui, nach innen Pfui. Wahrscheinlich würde es tief in der Subura, abseits der Hauptstraßen ganz anders aussehen. Wahrscheinlich verbargen sich dort die ganzen Verbrecher während des Tages. Sie gingen gerade an einer Seitengasse vorrüber. Der Anblick der zerlumpten Kinder, die dort spielten bestätigten ihm seine Theorie.
    "Vielleicht wollen sie uns damit nur davon abhalten etwas dummes anzustellen, oder sie wollen verhindern, dass wir uns mit Kindern abgeben, die nicht unsergleichen sind.", meinte er und schielte noch einmal kurz zu den Kindern. "Oder aber es macht ihnen Spaß uns zum Narren zu halten. Ich weiß nicht." Er konnte sich auch keinen Reim darauf machen. Die Erwachsenen waren doch immer noch eine Menschengruppe, die er so gar nicht verstand. Aber das würde sich vielleicht noch ändern, wenn er in das Alter kam.

  • Sabina drehte den Kopf einmal in die eine Richtung, dann in die andere. Es gab unzählige Garküchen, aus jeder drang ein anderer appetitlicher Duft ich ihre Nase. Es gab es auch Stände mit einfacher Tonware, guter Kleidung und auch den ein oder anderen Handwerker. Ein Bildhauer bearbeitete einen Marmorblock, aber es war noch nicht zu erkennen, welches Abbild er formte.
    Ein spitzbübisches Lächeln zeigte sich auf ihren Zügen. Kurzerhand zog sie Faustus in eine Seitengasse. „Komm wir schauen uns mal die anderen Straßen an“, erklärte sie. Es war der Nervenkitzeln der sie dazu verleitete. Die Gasse war eng und lag in tiefen Schatten. „Bia will sicherlich nur das Beste für uns. Und hat Angst dass mir etwas zustößt. Aber ich bin doch kein Kleinkind mehr. Ich kann doch auf mich aufpassen. Außerdem hab ich dich ja noch! Du wirst mich doch sicherlich beschützen, oder?“ Sie sah ihn aus großen Augen lachend an. Ein bisschen war Faustus für sie so etwas wie ein Held. Er war tapfer und mutig. Er hatte sich mal wegen ihr geprügelt. Ein paar andere Jungs hatten sie mal fürchterlich geärgert, ihr die Puppe weg genommen und in den Dreck geworfen. Wie der strahlende Ritter in der glänzenden Rüstung war er ihr dann zur Hilf gekommen. Hatte aber gegen die älteren Jungs böse einstecken müssen.

  • Er wusste gar nicht, wie ihm geschah und schon fand er sich in der Seitengasse wieder, in die Sabina ihn zerrte. Hier war es schon ganz anders: dunkel, eng, feucht und man musste aufpassen nicht in einen der Abfallhügel zu treten, die sich hier türmten, oder aber in eine der unzähligen Abwasserpfützen. Er mochte sich eigentlich nicht ausmalen, was alles in einer solchen Pfütze herrumschwamm. "Hier stinkt es", stellte er nüchtern fest. "Und dreckig ist es auch. Vielleicht will Bia nicht, dass du dich hier schmutzig machst. Da braucht es bestimmt einiges an Wasser und einer kräftigen Hand, ehe man wieder annähernd gut riecht", witzelte er und zeigte ein breites Grinsen.
    Als sie ihn so rühmte konnte man dann noch in seinen dunkelbraunen, fast schwarzen Augen ein Funkeln erkennen und unbewusst drückte er die Brust herraus. Mancher hätte nun angefangen zu prahlen, aber so etwas war ihm eigentlich fremd. Daher nickte er nur kurz ab und meinte bescheiden: "Ich passe schon auf dich auf."
    Für seine Freunde würde er immer eintreten, das wusste er, auch wenn er mit dem Rücken zur Wand stand. Freundschaft war eben etwas, das ihm viel bedeutete.

  • Ein bisschen eklig und unheimlich war die Gasse schon. Sabina machte einen großen Bogen um eine braune Pfütze. Leicht zog sie die Nase kraus, als der Gestank der Müllhaufen an ihre Nase drang, sie war angewidert. Es gab nichts zu den Feststellungen ihres Freundes zu sagen. Er hatte ausgesprochen, was ihr durch den Kopf ging. Nun verstand sie ein bisschen besser, was Bia ihr hatte erzählen wollen. „Bia findet es nicht schlimm, wenn ich ein bisschen schmutzig werde. Schließlich kann Wäsche gewaschen werde“, sie sagte es mit der Selbstverständlichkeit eines Kindes, das alles bekam, was es sich wünschte. Ganz leicht schubste sie ihn ein bisschen. „Wenn du in einer Pfütze landest, dann können wir einfach in einen Brunnen springen“, schlug sie scherzend vor. Vermutlich würde niemand begeistert sein, wenn sie Beide einfach in einen Brunnen sprangen.
    Ein Lächeln zeigte sich auf ihren Zügen, als er versprach, er würde auf sie aufpassen. Sofort fühlte sie sich ein bisschen sicherer und hatte auch gar keine Angst mehr. Aber ein mulmiges Gefühl hatte sie dennoch. Sie verstieß gerade bewusst gegen die Regeln.

  • Die und ihre Bia dachte er sich. Bia war allgegenwärtig, selbst wenn sie nicht da war, das nervte ihn schon etwas. Ein Glück nur, dass er nicht so ein nerviges Kindermädchen hatte. Das Kindermädchen hätte nichts zu lachen, da er sich seit dem Tod seines Vaters nicht mehr all so viel sagen ließ.
    "Ich glaube nicht, dass das da jemals wieder rausgeht. Das ist so ekelhaft.", meinte er und machte einen ungewollten Schritt zur Seite, als sie ihn schubste. Beinahe wäre er wirklich in so eine Pfütze getreten. "He!", lamentierte er. "Ich habe nicht vor in so eine Pfütze zu fallen. Das wäre einfach... Wäääääääh." Er war nur einen Augenblick unachtsam und schon war er mitten in eine solche Jauchenlache getreten. Es war ein unangenehmes Gefühl, wie die Brühe in sein Schuhwerk sickerte und es durchströmte. Schnell zog er den Fuß herraus und sah zu, wie die braune Brühe aus dem Schuh lief. "Na toll.", jammerte er. Wahrscheinlich würde er wirklich beim nächsten Brunnen Halt machen und seinen Fuß hinein stecken. Spätestens zu Hause musste er diesen widerlichen Dreck loswerden.

  • Ein leises Kichern entwich ihr, als sie bemerkte wie ihr Freund, mitten in eine dieser Pfützen trat. Ein kleines schadenfrohes Grinsen zeigte sich auf ihren Zügen. „Du solltest schon hinschauen wohin du läufst“, meinte sie lachend und war froh nicht in seiner Haut zu stecken. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, aus was diese Pfütze bestand. Kurz sah sie sich um stellte fest, dass sie irgendwie ganz allein in dieser Gasse waren. Das Grinsen verging ihr, denn sie fand es plötzlich ziemlich unheimlich hier. Der Lärm von der belebten Straße drang nur schwach zu ihnen herüber und das Tageslicht wurde durch die Häuserwände geschluckt. „Vielleicht sollten wir zurück gehen“, schlug sie vor. Quickend flitzte eine Ratte an ihnen vorbei. „Wuäääh“, gab sie erschrocken von sich. Irgendwo hinter ihnen raschelte es plötzlich. Weg war ihre Tapferkeit, stattdessen klammerte sich an Faustus' Arm.

  • Er fand das gar nicht zum Lachen. Schließlich würde er ja auch nicht lachen, wenn ihr soetwas passieren würde."Wenn du mich ablenkst.", verteidigte er sich, während sie immer weiter die Gasse entlang gingen. Je weiter sie sich dabei von der Straße entfernten, desto herruntergekommener schien alles zu werden, aber auch stiller und umheimlicher.
    "Du woltest dir doch die Seitengasse ansehen, also lass es uns tun. Oder hast du plötzlich Angst?", neckte er sie etwas. Jetzt wo sie seinen Entdeckergeist geweckt hatte würde er bestimmt nicht grundlos umkehren. Es sei denn, sie würde ihn darum bitten.
    Er zuckte leicht zusammen, als sie sich erschrak. Dabei gab es doch eigentlich nichts schreckliches, sondern nur eine Ratte. Das zauberte ihn ein leichtes Grinsen ins Gesicht. Mädchen, dachte er sich nur und merkte, wie sie sich plötzlich an ihn klammerte.
    "Was hast du denn?", fragte er sie, da er im gegensatz zu ihr nichts gehört hatte.

  • Als er sie so grimmig ansah, verging ihr das Grinsen schnell und sie schaute ihn entschuldigend an. Sie hatte ihn nicht auslachen wollen, aber irgendwie war es schon ein bisschen witzig gewesen. "Entschuldige", sagte sie ehrlich, denn sie wollte nicht, dass er ihr Gram war. Wie gut das er ihr schnell verzieh. Mutig ging er voran, während sie ihm ein wenig ängstlich und unsicher folgte. Sie fand ihren Ausflug nicht mehr ganz so toll. Und bezweifelte mittlerweile, dass es eine so gute Idee gewesen war.
    "Neeeein.... überhaupt nicht", flunkerte sie schlecht, als er fragte, ob sie Angst hatte. Es war nur furchtbar gruselig. Anscheinend hatte er das Geräusch nicht gehört. Ängstlich drehte sie den Kopf von eine Richtung in die Andere. "Da war so ein Geräusch", erklärte sie ihm und klammerte sich weiterhin an seinen Arm. "Da war es wieder", sagte sie und deutete dann in den tiefen Schatten eines Mühlhaufen. Bildete sie es sich ein, oder aber bewegte sich etwa der Müll? Sie starrte das Ding an. Vermutlich bildete sie sich das nur ein.

  • Als sie sich entschuldigte hatte er ihr eigentlich schon wieder vergeben, er konnte ihr irgendwie nicht böse sein, schließlich war sie seine beste Freundin.
    "Schon gut", meinte er daher. Ein Glück hatten sie sich noch nie wirklich in die Haare gekriegt; normalerweise zickten sie sich mal an, das war aber immer schnell vergessen und vergeben. Er wollte sich auch gar nicht ausmalen, was geschehen würde, wenn sie sich richtig zoffen würden.
    Dass sie keine Angst hatte nahm er ihr nun nicht mehr ab, das sah er ihr schon an und ihre schlechte Lüge konnte ihn nicht vom Gegenteil überzeugen. Und dass sie schon Geräusche hörte zeigte ihm auch, dass sie schon genau hinhörte, ob da nicht doch etwas bedrohliches war. Daher wollte er ihr gerade vorschlagen umzukehren, als er es auch hörte. "Ja, ich hab es auch gehört", antwortete er ihr und blickte ganz genau zu dem Müllhaufen, auf den sie zeigte. Aber da war nichts, oder doch? Bewegte sich da nicht doch was? "Vielleicht ist es ja eine Ratte. Oder doch eine wilde Bestie.", spekulierte er. Aber Spekulationen brachten sie nicht weiter, da musste man schon mal nachsehen. Mutig schritt er daher auf den Haufen zu und warf einen Blick auf das vermeindliche Untier: Ein kleiner, verdreckter Hundewelpe war es. Ganz allein inmitten des Abfalls war er bestimmt von seiner Mutter zurückgelassen worden, oder gar ausgesetzt worden. So eine Gemeinheit.
    Ruckartig drehte er sich nun zu Sabina um und grinste sie an: "Ein schönes Untier. Was für eine schauerliche Bestie. Aber am Besten du siehst selbst."

  • Milo war ihr zum Glück nicht lange Gram. Sie hätte es auch nur schwer verkraftet, wenn er nun wegen dieser Sache wütend auf sie wäre. Es war nur eine Neckerei, außerdem lachte er auch oft genug über ihre Missgeschicke, selbst wenn er dies nicht zugeben würde. Aber sie kannte ihn besser.


    Das war wirklich unheimlich. Sie hatte es sich nicht eingebildet, auch wenn sie dies für einen Moment geglaubt hatte. Sie befürchtete ein wenig, dass die ganzen Geschichten von finsteren Gestalten auf einmal wahr wurden. Schatten die Kinder verschlangen, Ungeheuer mit unzähligen Armen und wilden Fratzen. Ihre kindliche Fantasie überschlug sich glatt vor gruseligen Gestalten. Von daher quickte sie ein wenig erschrocken, als sich Faustus aus ihrem Griff befreite um nachzusehen, welches Ungeheuer sich im Müllberg verbarg. Bei Bestie stellten sich ihre Nackenhaare auf und der Drang, einfach weg zu laufen, war gar nicht so leicht zu unterdrücken. Dass er vielleicht nur sich gerade einen Spaß erlaubte kam ihr gar nicht in den Sinn. Stattdessen sah sie sich gehetzt um, doch die Gasse war leer.
    Als Milo sie dann angrinste und ihr einen schmutzigen Welpen unter die Nase hielt und ihr erklärte, dies sei das Ungeheuer, welches ihr solche Angst eingejagt hatte, musste sie erst lachen und anschließend quietschte sie begeistert auf. „Ohhhhhhhhhhhhhhh der ist aber niedlich!“ Sofort hob sie den Hund hoch, und obwohl er furchtbar stank und total schmutzig war, knuddelte sie das Tier. Das ihr Vater dagegen war, einen Hund anzuschaffen, wusste sie, aber verdrängte es einfach.

  • Er vergaß ja ab und zu doch einmal, dass Sabina ein Mädchen war, schließlich war sie doch bei dem einen und anderen Abenteuer dabei und konnte es durchaus mit jedem Jungen aufnehmen, doch ihr Gekreische führte ihm doch wieder vor Augen, dass sie eben kein Junge war, sondern ein kleines Mädchen. Er rollte etwas genervt die Augen und stöhnte leise.
    Beinahe schon zu euphorisch riss sie ihm dann das arme Tier aus den Händen und begann es zu knuddeln. Das stinkende, dreckige, verklebte Tier wusste gar nicht wie ihm geschah und auch Sabina schien nicht mitzubekommen, dass sie sich gerade richtig beschmutzte. Eines jedoch war ihm klar: Das Hündchen würde wohl kaum hier bleiben. Und da er genau wusste, wie streng Sabinas Vater war und er eben keine Hunde wollte, würde wohl letztlich wieder alles an ihm hängen bleiben und er musste das Tier zu sich nehmen. Und diese Tatsache nervte ihn etwas, schließlich wollte er sich diese Bürde eigentlich nicht aufladen, schließlich musste man sich um einen Hund ja kümmern. Gut, vielleicht hatte es aber auch Vorteile. Etwas Gesellschaft, wenn keiner seiner Freunde Zeit für ihn hatte, würde ihm bestimmt auch gut tun, zumal seine Verwandschaft nicht mehr groß war. Vielmehr hatte er ja nur seinen Großvater und seine Tante und seinen Onkel, der irgendwo abgeblieben war.
    Mit etwas Hoffnung sich doch noch aus der Affäre zu ziehen meinte er vorsichtig: "Vielleicht hat er ja irgendwelche Krankheiten. Du solltest ihn nicht so drücken. Vielleicht hat er ja die Tollwut. Wir sollten ihn hierlassen." Er hatte es jedoch schon im Gefühl, dass sie gleich empört sein würde, wie er so etwas vorschlagen konnte. Er kannte sie schließlich.

  • Dass Sabina ihrem Freund mit ihrer Art gerade auf die Nerven ging, bemerkte sie nicht. Ihre ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf den kleinen Hund, welcher ihr nun schwanzwedelnd das Gesicht ableckte. Auf ihrer Tunika waren bereits jede Menge Pfotenabdrücke verewigt. Doch dann hielt sie Inne, als aus Faustus mal wieder die Rolle der Stimme der Vernunft annahm. Ein bisschen erschrocken hielt sie den Welpen auf Armeslänge von sich weg. Ganz leicht zeichnete sich Panik auf ihren Zügen ab. „Glaubst du wirklich er hat Tollwut?“ fragte sie ängstlich und betrachtete kritisch die großen schwarzen Augen. Der Hund schien sich zu freuen, dass jemand ihn gern hatte. Aber ob er krank war, konnte sie nicht genau sagen. Milo hatte ihr sicherlich keien Angst machen wollen, aber er hatte ja recht.

  • Etwas angewidert sah Milo mit an, wie dieses dreckige Ding seiner Freundin auch noch das Gesicht abschleckte. Nein, wie ekelhaft, zumal man ja nicht wusste, was der Hund alles gefressen hatte, seit er in dem Müllhaufen hockte.
    Das feuchte Gesicht komplettierte nun ihren Anblick; dreckig und voller Sabber war sie, wenn das nur nicht Ärger gab, zumal bestimmt Fragen aufkommen würden, wo sie sich herrumgetrieben hatten.
    Wenigstens sein Versuch sich doch noch vor der Verantwortung zu drücken schien zu fruchten, da sie das Tier nun doch kritischer betrachtete. Vielleicht war das aber auch gar nicht so schlecht, schließlich wussten sie ja nicht, ob das Tier wirklich krank war. So ganz unberechtigt war seine Anmerkung nämlich nicht gewesen, schließlich hatten die meisten Straßenköter die Tollwut.
    "Ich weiß nicht. Vielleicht sollte man kein Risiko eingehen.", meinte er und versuchte weiterhin vernünftig zu klingen, um sie doch davon zu überzeugen den Hund in Ruhe zu lassen.

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