Wider besseren Wissens hatte Romana eine Wahl gemacht, von der sie irgendwie fast schon wissen konnte, dass sie damit ins Wasser hauen würde. Allerdings hatte sie sich dazu durchgerungen, der kleinen Perserin eine zweite Chance zu geben. Nun, vordergründig war dies der Fall. Innerlich musste Romana aber sich selber zugeben, dass von Fairness und Vergebung hier viel weniger die Rede war als vom Ausloten. Sie wollte wissen, inwieweit die erzieherischen Maßnahmen der Gens und der Sklaven der Gens bei Morrigan Wirkung gezeigt hatten. Sie wollte wissen, ob die Sklavin sich rehabilitiert hatte.
Und um dies zu ermessen, hatte die Vestalin die kratzbürstige Sklavin wieder auf eine Markttour genommen. Romana machte nicht oft Spaziergänge durch den Markt, nein, der Markt war ein schlimmes Gewusel, über dem eine Vestalin stehen sollte. Zumeist kutschierte sie ohnehin nur noch mehr in ihrem vestalischen Gefährt durch Rom, die Privilegien ihrer Person voll und ganz ausnutzend.
Doch heute ging sie zu Fuß. Es war einfach so am Opportunsten, wenn man eine Einkaufstour tätigte. Natürlich schritt sie nicht inkognito einher; sie hatte wie eh und je ihren Vestalinnenornat an, und der Liktor, Manilius Mancinus, marschierte zackigst vor ihr, die Leute, die nicht weichen wollten, wegdrückend. Nicht, dass es sonderlich notwendig gewesen wäre, vor einer Vestalin wichen die Leute aus. Romana gefiel dies. Romana gefiel es, Respekt gezeigt zu bekommen. Es gefiel ihr, so ihre Macht zum Ausdruck zu bringen. Und sie erwartete sich auch von Morrigan, dass ihr respektvoll begegnet wurde.
Sie drehte ihren Kopf kurz nach hinten, wo Morrigan ging, und winkte die Sklavin an ihre Seite. “Nun, Perserin“, begann sie. “Denkst du nicht auch, dass der schäbigste Markt in Rom den prunkvollsten Bazar in seinem Wüstenland locker übertrifft?“, fragte sie die Sklavin mit der Selbstsicherheit, die jemand hatte, der eine Frage stellte und davon überzeugt war, dass man zustimmte.
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