Nachdem Sextus sich eine Abschrift diverser Gesetzestexte besorgt hatte und festgestellt hatte, dass er den Cursus Iuris noch ablegen sollte, kam er dazu, auf den Brief eines gewissen Legaten zu antworten. Manche Leute hatten schon seltsame Vorstellungen, was ihre Befehlsgewalt anging, und noch seltsamere, was die Kompetenzen von anderen anging. Aber man wollte ja freundlich bleiben und sich nicht mehr Feinde machen, als man sich auch leisten konnte. Und da Sextus noch recht am Anfang seiner Karriere stand und es nicht ausgeschlossen war, dass er mit diesem Annaeer weiterhin zu tun hätte, versuchte er sich an einer Mischung aus Diplomatie und wohl angebrachtem Spott.
“Du, schreib auf“, befahl er dem Sklaven in seinem Officium. Weshalb sich selbst die Hände mit Tinte verschmieren? So wichtig, als dass er selbst das aufsetzen musste, war der Brief ja auch nicht.
“An den Legatus Augusti Germaniae Annaeus Modestus und so weiter und so weiter. Grußformel.
Leider muss ich dir mitteilen, dass mich dein Schreiben erst nach Ende meiner Amtszeit als Decemvir litibus iucandis erreicht hat. Auch muss ich dir mitteilen, dass das Vermögen bereits an die Staatskasse geleitet wurde, da weder du noch deine Verwandten, die ebenfalls erbberechtigt waren und welche in Rom sesshaft sind, sich innerhalb der Frist gemeldet haben.
Trotz meiner in diesem Fall eingeschränkten Möglichkeiten habe ich beim Prätor eine Anfrage eingereicht, wie in deinem Fall zu verfahren sei. Dieser teilte mir mit, dass das Erbe wie zugewiesen verteilt würde – nein, besser wurde. Kein Konjunktiv.
Absatz. Natürlich steht es dir frei, dich mit dem Prätor diesbezüglich zu beraten, allerdings ist dieser auch nun neu gewählt und ich weiß nicht, ob er sich mit Altlasten seines Vorgängers beschäftigen möchte. Streich den Absatz, das kommt direkt oben dazu.
Dann... Absatz.
Allerdings verwundert mich dein Einwand bezüglich des Paragraphen 35, Absatz 4. Dieser bestimmt, dass höherrangige Magistrate niederrangigeren Anweisungen erteilen dürfen, sofern sie nicht ausserhalb des Kompetenzbereiches des höherrangigen Vertreters liegen. Und das schreibst du bitte möglichst dick. Ich mag aufgrund mangelnder Rechtskenntnis nun im Irrtum sein, doch würde es mich wundern, wenn es im Kompetenzbereich des LAPP von Germania läge, wie die Erbschaftsangelegenheiten in Rom geregelt werden.
Auch verwundert mich, dass gerade du diese Amtsgewalt gebrauchen möchtest. Immerhin warst du der Prätor, der Decimus Livianus dafür verurteilt hat, in eigener Sache mit der Adoption von Decimus Serapio sein Amt ausgeübt zu haben. Ist es nicht derselbe Akt von eigennütziger Machtausübung, wenn ein Mann in der eigenen Erbschaftsangelegenheit eine Entscheidung über die Fristlänge erwirken möchte?
Höflichkeitsfloskel, Siegel und so weiter. Bevor du es aufsetzt, lass es mich noch einmal lesen.“
Der Sklave gab die Wachstafel her, Sextus überflog alles und nickte es dann ab.