Cubiculum MFG | Sonnig, mit Spuren von Bewölkung

  • Gänzlich saturiert - das abendliche Mahl an diesem Abend hatte überaus köstliche Kurzweil geboten -, kehrte Gracchus aus dem Triclinium zurück in sein Cubiculum, um dort ein wenig noch von seinem Leibsklaven sich vorlesen zu lassen oder allfällig diesem einige Zeilen zu diktieren. Sciurus indes war noch nicht wieder zurückgekehrt - am Mittag bereits hatte er angekündigt, dass er im Zentrum der Stadt etwas hatte abzuholen, und Gracchus hatte nicht weiter nachgefragt, was dies war, vertraute er seinem Vilicius doch vollends, wiewohl er ohnehin nie genau wusste, was dieser tat so er nicht um ihn her war -, so dass Gracchus selbst zu einer Schriftrolle griff, es sich gemütlich machte auf der Kline unter dem Fenster, das Pergament jedoch bereits nach den ersten Zeilen, welche er erfolglos suchte zu lesen, auf den kleinen Tisch vor sich gab, sich zurück lehnte und nachdenklich an die Decke über sich starrte, seine trägen Gedanken achtlos an sich vorbei ziehen ließ. Eine ihm unbestimmte Zeit später öffnete sich schlussendlich die Türe und Sciurus trat ein. "Eine Nachricht von Faustus Serapio, Herr."
    "Faustus!"
    Augenblicklich fuhr Gracchus aus seinen trägen Tagträumereien empor und setzte sich auf.
    "So lies es vor!"
    Ein leises Zittern ergriff Besitz von Gracchus' Händen vor Aufregung und er spürte wie sein Herz abwechselnd vor Freude wollte zerspringen oder vor Sorge sich zusammenziehen - darüber, ob Faustus wohl sich befand im fernen Aegyptus, und darüber, dass allfällig mit jeder Nachricht er sich würde eingestanden haben können, dass Gracchus im fernen Rom doch nur eine Episode für ihn gewesen war, denn bisweilen gingen Gracchus' eigene Überlegungen bezüglich Faustus in eben diese Richtung, schlossen letztlich jedoch stets mit dem Eingeständnis, dass er noch immer bei jedem Gedanken an ihn seinem Hephaistion verfallen war mit Leib und Seele. Sciurus nahm sich ein schmales Messer aus einer Lederscheide an seinem Gürtel und trennte vorsichtig das rote Siegel von den Fasern des Papyrus, ehedem er die wächserne Platte wortlos an Gracchus reichte, welcher im ersten Moment nicht den Sinn dieses Tuns konnte nachvollziehen. Verwundert blickte er auf das Siegel und suchte in dem Abdrucke darin ein Muster zu finden, doch war es derart ungewöhnlich, dass einige Augenblicke verstrichen, bis dass endlich Gracchus' Augen aufleuchteten und seine Mundwinkel sich empor hoben.
    "Oh, Faustus, ferner Hephaistion"
    , seufzte er leise und strich zaghaft über den Abdruck der Lippen, ehedem er das Wachs an seine Lippen hob und suchte, Faustus' Atem einzufangen, Faustus' Berührung, die dort konserviert war. Genießerisch lehnte er sich zurück, legte seine Beine wieder auf die Kline.
    "Lies"
    , wies er den Sklaven noch einmal an, welcher längst sich auf einem kleinen Hocker hatte postiert und nun begann zu lesen. Sehnsucht geleitete die einleitenden Worten des fernen Geliebten, eine Sehnsucht, die auch Gracchus teilte, welcher bereitwillig der iberischen Maßlosigkeit sich wollte entgegen stellen, sie mit der kühlen Contenance der seiner eigenen Herkunft umhüllen. Mehrmals fiel wie beiläufig die Erwähnung der Wüste, der Gefahr, welcher Faustus war ausgesetzt, welche Gracchus als weitaus dräuender empfand als die Gefahr der Zeit, denn so letztere noch halbwegs war zu kontrollieren, war Serapio ersterer machtlos ausgeliefert - doch alsbald schon folgte ein schimmernder Lichtblick in der Tristesse der Ferne in Raum und Zeit, und Gracchus' Augen leuchteten neuerlich auf als Faustus seine Rückkehr nach Rom ankündigte, mit Worten als hätte er nur seinetwegen sich zu diesem Schritte entschlossen, und für einige Augenblicke träumte auch er davon mit seinem Geliebten im Theater zu sitzen, Arm in Arm. Dass wiederum die Barbaren nur Barbaren wie in allen anderen Teilen der Welt waren, sorgte dafür Gracchus' Gemüt ob der Gefährlichkeit des Einsatzes zu kalmieren, als schlussendlich jedoch Sciurus Serapios Worte bezüglich der Gerichtsverhandlung verlas - Worte, welche noch vor Fällen des Urteils waren niedergeschrieben worden - zog ihm neuerlich das Herz zusammen. Was würde Faustus nun über ihn denken, da nichts anderes ihm war geblieben als zu schweigen, um nicht Faustus und sich selbst in Gefahr zu bringen, nicht zuletzt, da auch sein Gewissen nichts anderes ihm hatte zugelassen? Er seufzte tief, allfällig würde seinen Hephaistion besänftigen, dass er zumindest eine weitere Blamage von seiner Familie hatte abgewendet.
    "Nehme dir eine Tabula und schreibe auf ..."
    wies er seinen Sklaven an, um sogleich eine Antwort zu diktieren.

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  • Eine Weile später starrte Gracchus ein Loch in die Decke des Raumes, welches mehr und mehr sich ausdehnte, sukzessive größer wurde proportional zu seiner Frustration, um ihn zu verschlingen. Zum wiederholten Male hatte er die ersten Zeilen des Briefes verworfen, hatte sie neu arrangiert, divergent formuliert, wieder gestrichen, editiert, doch nichts wollte ihm adäquat erscheinen für seinen Hephaistion.
    "Lies noch einmal"
    , forderte er Sciurus auf, welcher geduldig die Tabula vor sich hielt und die Worte davon ablas. "Gruß und Heil dir, carbunculus meus, kühner Streiter unter glühender Wüstensonne! Allmählich schleicht der Frühling sich ein in die Straßen und Gassen Roms, mehr noch in Gärten und Peristylia, erste Blumen recken ihre leuchtenden Blütenköpfe aus dem zarten Gras, welches seine Couleur hat gewechselt von einem blassen, mit einem Schleier aus Grau belegten hin zu prachtvoll schimmerndem Grün. Die Natur bereitet sich vor, ihre Schönheit maßlos zur Schau zu stellen, in Maßlosigkeit zu verfallen, und auch ich bin bereit, deine Maßlosigkeit in mir aufzunehmen, möge sie iberisch sein oder anders." Eine kurze Pause folgte, ehedem der Sklave mit dem nächste Absatz fortfuhr, für welchen Gracchus keine Überleitung hatte gefunden. "Vermutlich hast du bereits das Ergebnis des Prozesses erfahren, dass dein Vater verurteilt wurde zu einer Geldstrafe in beiden Anklagepunkten, und es fällt mir schwer, die rechten Worte dir gegenüber zu finden, da es sonstig niemanden gibt, niemandem gab, vor welchem mein Zutun bei der Entscheidungsfindung ich musste rechtfertigen. Ich bedaure, dass es zu diesem Ergebnis musste kommen, doch im einen Falle ließ mein Gewissen gegenüber der Wahrheit mir kaum freien Raum dem Urteile mich anzuschließen, im anderen Falle indes konnte ich kaum in Vehemenz dagegen sprechen, ohne in Ausflüchte mich zu verstricken, welche mein Interesse an einem Freispruch mochten begründen. Allerdings kannst du dir dessen versichert sein, dass ich suchte, das Strafmaß gering zu halten. Ich hoffe, du kannst dieses Handeln, welches großen Zweifel und Hader in mir zurückließ, exkulpieren." Der Vilicus hob den Blick, weitere Worte seines Herrn abzuwarten, doch dieser seufzte nur.
    "Ich habe es zerstört."
    Sciurus stellte keine Nachfragen, doch Gracchus galt seine bloße Anwesenheit einem urgierenden Fragesteller gleich und jene Worte in ihm, welche der Sklave selbst nicht aussprach, fügten sich in Gracchus' Gedanken dem Gespräch hinzu, dass aus seinen Monologen stets ein lebhafter Dialog wurde.
    "Wie kann ich ihm derart berichten von diesem Prozess, der seinen Vater verurteilte, meine Integrität dabei wahren, meine Schuld, meine eigene Schwäche glei'hsam eingestehen? Wie sollte Faustus noch darüber hinwegblicken, wie kann diese Hingabe zwischen uns je wieder unschuldig und unbeschwert sein, nach solchem Einge..ständnis?"
    Allfällig mochte er den Prozess in seinem Brief einfach nicht erwähnen, doch Sciurus stellte auch dies nicht zur Option.
    "Er wird es ohnehin längst wissen, doch wird das Schweigen darüber noch grauenvoller sein! Es ist nicht mehr zu retten ... "
    Allfällig sollte er zuerst über ein anderes Thema schreiben. Jene merkwürdige Adoptions-Causa seines Verwandten Decimus Verus mochte Serapios' Aufmerksamkeit zweifellos ein wenig ablenken.
    "Profanitäten! Das ordinäre, gehalt..lose Joch des Alltages!"
    Deprimiert schloss Gracchus seine Augen.
    "Es zerstört alles, alle Leichtigkeit, alle Unbefangenheit, alle Freiheit. Wie soll ich mit meinen Worten das drängende Sehnen beschreiben, wenn die Realität nur Härte bereithält, wie soll ich den Zustand der Lei'htigkeit in meinem Inneren schildern, wenn das Äußere mich in seiner Schwere hernieder drückt?"
    Hätte er die Tabula selbst in Händen gehalten, er hätte sie über den Boden hinweg werfen wollen, so indes ballte er nur die Linke zur Faust, ehedem er seine Augen wieder öffnete und zu Sciurus hin blickte.
    "Lösche alle Worte aus und lies noch einmal Faustus' Nachricht."
    Als den Alltag über sich, über sie beide hereinbrechen zu lassen, wollte er lieber noch einmal die Worte des fernen Geliebten vernehmen, wollte er sich flüchten in einen Traum, nicht denken an den Augenblick, da er Faustus die Wahrheit würde eingestehen müssen, denn allfällig würde die trügerische Illusion der fernen Realität zwischen ihnen noch für einige unbeschwerte Momente ausreichen, auf welcher ohnehin ihre ganze Liaison bisherig errichtet war.

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  • Tage später hatte Gracchus noch immer keine Lösung ersonnen für sein Dilemma, nur einige Zeilen, welche weit nach Mitternacht in ihm waren erwacht, die sein Innerstes nach außen kehrten und doch ebenso viel aussagten wie gleichsam nichts. Nachdenklich hielt er die wenigen Zeilen, welche Sciurus bereits auf Pergament hatte gebannt, in seiner Hand, ehedem er eine kleine Sonne darunter postierte.
    "Sende es auf seinen Weg."
    Der Vilicus nahm das Pergament entgegen. "Nur dies? "
    "Nur dies"
    , bestätigte Gracchus resigniert.
    "Nur dies und sonst nichts."

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