• Durch die verwinkelten Gänge des flavischen Amphitheaters hinab gelangten die beiden jungen Patrizier völlig unbehelligt, zu sehr waren alle mit dem laufenden Kampf beschäftigt, bis zu den Porticus des Eingangsbereiches, von wo nun der Weg ins Freie offen stand. Die warme Nachmittagssonne kitzelte Flaccus ein wenig an der Nase, als er blinzeln musste, um seine Augen an das Licht zu gewöhnen. Planlos überließ er es seinen Schritten, die Richtung des Weges vorzugeben, und widmete sich lieber seiner anmutigen Begleitung. „Es ist ein tolles Gefühl, mal ohne den ganzen Rattenschwanz an Sklaven unterwegs zu sein!“, sprachs und machte einen hastigen Satz zur Seite, der ihn im letzten Moment davor bewahrte, in die Hinterlassenschaft eines räudigen Straßenköters zu treten, die jener demonstrativ auf der Straße platziert hatte, als um dadurch seine Besitzansprüche über dieses Gebiet zu untermauern. Mit einem Grinsen schloss er wieder auf. „Andererseits hat die Sänfte doch auch ihre Vorteile …“ Zumindest konnte man sich derartige Aktionen ersparen.


    Flaccus registrierte, dass sie den Weg Richtung Esquilin eingeschlagen hatten, und sich in schrägem Winkel vom Forum Romanum entfernten. Es war ihm gleichgültig. Er genoss es, sich einmal ohne konkretes Ziel durch die Straßen Roms treiben zu lassen, umso mehr, da er sich dieser Freiheit in Gesellschaft einer jungen Frau hingeben konnte. Die Straßen und Plätze waren beinahe verwaist, viele Geschäfte geschlossen, schien doch ein großer Teil der Bürger den Schauspielen im Amphitheater beizuwohnen. An einer Ecke nach den Thermen des Titus bogen die beiden in eine schmälere Seitengasse ein, aus der eine angenehme Melodie zu hören war. In einem Hauseingang saß ein kleines Mädchen, in eine schmutzige Tunica gekleidet, die wohl vor langer Zeit einmal safrangelb gewesen sein mochte, und blies auf einer tibia ein munteres Liedchen. Als sie das sich nähernde Pärchen bemerkte, sprang sie auf und hopste ihnen entgegen. Munter tanzte sie um Flora und Flaccus herum, während sie ihre kecke Melodie weiterspann. Lachend brachte der junge Flavier ein paar Asse zum Vorschein und hielt sie der jungen Künstlerin unter die Nase. Die erwiderte das Lächeln schelmisch, griff flugs danach und hüpfte nach einer flüchtigen Verbeugung wieder zurück zu ihrem schattigen Plätzchen im Hauseingang.

  • Auf den Straßen Roms war es, zum Vergleich gegen das lärmende Tosen des Amphitheaters, fast idyllisch Still. Nur der Sommerwind der durch die Straßen strich, das Plätschern eines Brunnens und ab und an der Klang von Stimmen. Die Straßen wirkten seltsam verlassen, aber nicht unheimlich, sondern irgendwie friedlich. Auf diese Weise Rom zu erleben, war etwas Besonderes. „Wann sind wir jemals so allein? Keine Augen die darauf achten, ob wir uns angemessen benehmen und keine neugierigen Ohren, die jedes Wort weiter tragen… selbst im Schlaf sind wir umgeben von Sklaven“, philosophierte sie. Der Wind zupfte an ihren Kleidern und löste eine vorwitzige Locke aus ihrer komplizierten Frisur.
    Ganz leicht drehte sie den kopf nach hinten, als sie fest stellte, dass sie Flaccus anscheinend kurz abgehängt hatte. Den Grund dafür konnte sie ebenfalls entdecken. Ganz leicht rümpfte sie die Nase. Selbst wenn Rom friedlich wirkte, waren die Spuren der Zivilisation deutlich zu sehen. Entgegen des Eindruckes waren sie eben doch nicht allein, aber diesmal nicht umgeben von Sklaven. Dennoch die Sänfte vermisste sie nicht. „Rom macht eben doch nicht immer einen Unterschied zwischen Arm und Reich...“, scherzte sie leicht. „Wir sollten wohl doch hin und wieder darauf achten, wo unsere Füße uns hintragen!“


    Ohne diesen ganzen Trubel war Rom wirklich ein Erlebnis der besonderen Art. Wo sich sonst die Menschen dicht drängten, waren die Plätze verwaist und lagen Friedlich da. Auf diese Weise konnte man doch ein paar Dinge entdecken, auf die man sonst nicht achtete, kleine Ornamente, obszöne Schmierereien oder aber einfach nur erstaunliche Weite der Plätze. Oft bekam man nicht die Gelegenheit von einem Ende des Forum Romanums zum anderen zu sehen, ohne das etwas den Blick stören konnte.
    Ihr Weg führte sie von dem weitläufigen Platz fort, hinein in den Schatten engerer Gassen. Eine federleichte Melodie umschwebte sie. Ganz leise summte sie mit und klatschte dann Beifall, als das Mädchen um sie herum tanzte und anschließend wieder in den Schatten zurück kehrte.

  • Langsam senkte sich die Sonne und tauchte die wenig bevölkerten Straßen Roms in warmes Licht. Bald würde es zu dämmern beginnen, und die Straßen sich erneut füllen, von den heimkehrenden Besuchern der Spiele, auf ihren Wegen zu den zahllosen insulae und domus der Stadt, oder auch einfach nur zur nächsten Kneipe, um den blutrünstigen Tag der Spektakel dort mit einigen Bechern zweitklassigem Wein ausklingen zu lassen. Ohne viel zu überlegen waren die beiden jungen Patrizier durch die einsamen Gassen spaziert, lediglich beschäftigt mit sich selbst und der Schönheit des Augenblicks. Durch die horti Maecenatis an der porticus Liviae vorbei gelangten sie schließlich hinter das Isaeum und in eine weitere ruhige Seitenstraße. Flaccus genoss die angeregten Gespräche mit Flora, die sich als eine überaus aufgeweckte junge Frau entpuppte, und zu vielen Themen durchaus eine klare Meinung hatte. Als sie am Tempel der aegyptischen Gottheit vorbei gekommen waren, sollte sich erneut eine, wenigstens für den sich anbahnenden Abend überaus bedeutende Begegnung ereignen.


    [Blockierte Grafik: http://img847.imageshack.us/img847/7554/cleonymuskleiner.jpg] | Cleonymus


    Darauf achtend, sowohl einen gepflegten Eindruck zu machen, den anregenden Hauch östlicher Exotik jedoch stets um sich schweben zu lassen, war Cleonymus ein Mann, der seine Berufung in einem überaus speziellen Gewerbe gefunden hatte. Seine Vergangenheit lag in tiefer Dunkelheit wiewohl sein kosmopolitisches Auftreten auf ein gehöriges Maß an Lebenserfahrung schließen ließ. Zweifellos, dieser Mann war weit herumgekommen, er hatte die Welt gesehen, ferne Länder und Völker bereist und auch alle Arten von Menschen kennengelernt. Diese Menschenkenntnis war es auch gewesen, die ihn damals, als er schließlich in Rom gestrandet war, eine derart erfolgreiche Existenz aufbauen ließ und ihm zu beachtlichem Reichtum verhalf. Dass er wohlhabend geworden war, hatte sich nur dezent in seinem Erscheinungsbild, viel marginaler noch in seinem Charakter niedergeschlagen, sodass er nun ein ansehnliches Bild fremdartiger Rechtschaffenheit abgab. Ein ebenso edler wie außergewöhnlicher Duft von Zedernholz und Weihrauch umschwebte ihn sanft und gab seinem Auftreten gar noch eine gewisse priesterliche Atmosphäre.


    Auch er schien sich scheinbar an diesem Tag anderen Dingen als den Spielen im Amphitheater gewidmet zu haben, wie überhaupt die Vorstellung seiner Anwesenheit bei römischen spectacula beinahe einen absurden Beigeschmack zu tragen schien. Aus dem Garten einer prächtigen domus heraustretend, dessen geschwungener Weg zu einer ansehnlichen porta führte, hinter der sich zweifellos eines der vielen Stadtanwesen ehrenhafter und reicher Senatoren, oder jedoch weniger ehrenhafter, dafür umso reicherer Freigelassener verbergen mochte, hatte er die beiden sich nähernden Patrizier offenbar schon eine ganze Weile beobachtet. "Chairete.", grüßte der Fremdling sie schließlich freundlich und deutete eine höfliche Verbeugung an, die auch nicht nur den Hauch der Unterwürfigkeit in sich trug. "Ich bin hoch erfreut, den Weg Abkömmlinger des alten Adels zu kreuzen.", meinte er dann weiter, sein Auge war überaus geschult im Erkennen untrügerischer Zeichen des Patriziats wie der Nobilität, zählten doch gerade Menschen dieses gesellschaftlichen Ranges zu seinen Kunden. Er wusste, wie man mit Patriziern und Senatoren umzugehen hatte, wie man sie mit schmeichelnder Stimme umgarnen und schließlich in seinem Interesse leiten und lenken konnte. "Keine Freunde des Todes, nehme ich an..." Er spielte auf die Spiele an, im Vertrauen auf seinen untrügerischen Instinkt. "Ich vermag Vergnügungen freundlicherer Art zu bieten ...", meinte er und wies in einer kleinen Geste auf das Anwesen in seinem Rücken. "Musik, Tanz, süßen Wein ...", sein Vortrag schien perfekt, er legte Pausen an den richtigen Stellen ein, griff sich nun in gespielter Bestürzung an die Stirn. "Isis und Osiris! Wo habe ich nur meinen Kopf? Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt..." Wieder eine knappe Verneigung. "Mein Name ist Cleonymus, Inhaber von Kleopatras Palast...", ein schelmisches Lächeln verriet, dass wohl das prächtige Gebäude hinter dem hübschen Garten diesen extravaganten Namen trug.

  • Aus diesem Blickwinkel war Rom einfach unglaublich. Flora war froh darüber auf Anhängsel verzichtet zu haben. Auf diese Weise konnte man das friedliche Rom noch mehr genießen.
    Völlig unbefangen konnte sie sich mit Flaccus unterhalten, lernte ihn dadurch als einen guten Freund nicht nur besser kennen, sondern auch sehr zu schätzen. Die Aurelia und der Flavius mochten in einigen Dingen charakterliche Unterschiede aufweisen, doch sie entdeckten auch viele Gemeinsamkeiten. Sie scherzten miteinander, führten ein kurzes anregendes Streitgespräch und philosophierten über die Götter und die Welt. Als streng erzogener Nachwuchs patrizischer Familien hatten sie einen ähnlichen Blick auf ihre Umwelt, kannten aber beide das Gefühl ab und an aus der Rolle au brechen zu wollen, in die sie hineingedrückt wurden. Ständig es allen recht machen zu wollen, war nicht gerade einfach. Den Vorstellungen und Erwartungen gerecht werden zu wollen, kostete viel Anstrengung. Einfach einmal so zu sein, wie sie wollten, unbefangen und frei, waren sie selten. Darüber vergaßen sie einfach die Zeit.
    Irgendwann hatte sie sich freundschaftlich bei Flaccus eingehackt, einfach weil sie seine Gesellschaft genoss. Gerade erzählte sie ihm eine witzige Geschichte aus ihrer Kindheit, als ein Mann, mit exotisch anmutendem Äußeren, sie höflich grüßte. Flora verstummte mitten in der Anekdote, wie sie und Narcissa versucht hatten in der Vorratskammer an ein paar Kekse heran zu kommen und dabei einen Honigtopf umstießen. Neugierig, aber nicht verärgert durch diese Unterbrechung musterte sie den Fremden. Es war überraschend so unvermittelt angesprochen zu werden, zumal dieser Mann nicht aufdringlich war, sondern eine zurückhaltende Würde ausstrahlte. „Salve“, grüßte sie höflich zurück kurz tauschte sie einen fragenden Blick mit ihrem Begleiter aus. Wie lange der Fremde wohl schon dort an dieser Stelle stand und sie beobachtet hatte? Bisher hatte sie ihn gar nicht bemerkt. Er sprach so, wie sie es gern hörte, er schmeichelte, war dabei aber nicht zu aufdringlich, er war aufmerksam, ohne sie zu belästigen. Dabei nutzte er aber die offensichtlichen Dinge für sich aus, wie zum Beispiel, dass sich Flora und Flaccus durch die fast menschenleere Stadt bewegten, anstatt bei den Gladiatorenspielen dabei zu sein.
    Flora versuchte, noch während er sprach, zu ergründen, aus welchem Land er kam. Ein Römer war er nicht, das war offensichtlich, vielleicht ein Perser… Es war nicht leicht zu erraten, er wirkte Weltgewandt, exotisch und gebildet. Hinzu kam ein Hauch des Geheimnisvollen, den ihn zu umgeben schien. Es stellte sich heraus, dass er Ägypter war oder aber es vorgab. Cleonymus spielte seine Rolle perfekt.
    Es war nicht nur die Art wie er mit ihnen sprach und sie behandelte, sondern wohl auch der Reiz des Unbekannten, der Flora dazu verleiten ließ mit dem Gedanken zu spielen, dieser charmanten Einladung Folge zu leisten. Ihr Blick wanderte von dem gepflegten Garten zu den umliegenden Häusern. Eine gute Gegend, mit den Häusern und auch Villen der Nobilität wie es den Anschein hatte. Die leisen Bedenken die sich bei ihr meldeten, wurde einfach fortgewischt, als sie einen weiteren fragenden Blick mit Flaccus tauschte. Wein, Musik und Tanz… ein kurzweiliger Abend wurde ihnen in Aussicht gestellt. „Gegen Wein und Musik ist nichts einzuwenden… auch wenn ich zum ersten Mal von dieser Lokalität höre“, sprach sie ihren Gedanken aus. „Wir könne uns Kleopatras Palast einmal ansehen, wenn es uns nicht gefällt, gehen wir wieder“, schlug sie vor. Anscheinend hatte Cleonymus genau darauf gehofft. Er verneigte sich tief und machte eine einladende Geste in den Garten hinein.


    Ein Weg aus weißen Kieseln führte zwischen sorgfältig gepflegten Beeten vorbei. Hibiskus, Flammenblume, Rosen, Lavendel und Malven verströmten ihren sinnlichen Duft. Vorbei an einem leise plätschernden Brunnen, Statuen von Venus, Armor, Bacchus, Nymphen und Satyren. Alle steinernen Abbilder waren scheinbar wahllos aber dezent platziert. Ein Meister seines Handwerkes hatte sich verewigt. Selbst eine Statue der Flora, ihrer Namengeberin, war aufgestellt worden. Das einzig seltsame an diesem Garten war, das er nicht zum Verweilen einlud. Keine Sitzgelegenheiten, sondern nur geschwungen angelegte Wege, die direkt zum Haus führten.
    Kaum das sie sich der porta näherten, schwang sie von Geisterhand auf. Kaum das sie das kühle atrium betraten, trat eine Sklavin aus dem Schatten der Säulen und führte sie tiefer ins Haus. Kurz konnte man den Blick auf zwei kräftige nubische Sklaven erhaschen, welche hinter der porta ihren Dienst taten und lautlos diese wieder schlossen.


    Flora wusste nicht recht, wo sie zuerst hin schauen sollte. Dieses Haus mochte nach römischen Stil erbaut worden sein, doch kaum dass man es betrat wurde man in eine fremde unbekannte Welt geführt. Filigrane Holzarbeiten zierten Türen und Fenster, kräftige Farben bedeckten die Wände.
    Zarte Klänge einer Flöte schwebten durch das Haus, untermalt vom Klang einer Zither. Über die Melodie legte sich die warme Stimme einer Frau. Tief und rauchig. Die Worte die sie sang, klangen fremd und seltsam.
    Man führte sie in einen im warmen Gelbton gehaltenen Raum, Öllampen warfen flackerndes Licht an die Wände und ließen die Schatten tanzen. Tiefblaue Tücher und Vorhänge setzten sich ab und bildeten einen geschmackvollen Kontrast.
    In kleinen Nischen saßen oder lagen auf niedrigen Diwanen Gäste. Die Aufmerksamkeit lag auf den Musikerinnen in der Mitte des Raumes. Sie waren in weite Pluderhosen und seidene Brustbänder gehüllt. Aufreizend, aber nicht obszön. Ein leicht süßlicher Duft lag unter Rose, Ambra und Weihrauch verborgen.
    Die Sklavin bedeutete ihnen es sich gemütlich zu machen. Unzählige Kissen waren auf einem solchem Diwan drapiert. Auf einem niedrigen Tisch stand gekühlter Wein in einer gläsernen Karaffe bereit. Etwas scheu setzte sie sich. Die einzige Frau war sie nicht, stellte sie mit einiger Erleichterung fest. Sie hatte schon fast befürchtet, dass es sich bei diesem Haus um einen luxuriösen Lupaner handelte.

  • Als der fremdartig anmutende Mann in Erscheinung trat, war Fora gerade dabei gewesen, eine kleine Anekdote aus ihrer Kindheit zum Besten zu geben, verstummte jedoch plötzlich, als jenem ein höflicher Gruß über die Lippen kam. Ein wenig überrascht ob des unvermuteten Auftretens des Mannes musterte auch Flaccus den Fremdling knapp, der eine angenehme Atmosphäre rechtschaffener Würde auszustrahlen schien. Ohne nachzudenken erwiderte er den Gruß in griechischen Worten, wurde sich erst einige Augenblicke später des Umstandes bewusst. Den fragenden Blick Floras, den er nur aus den Augenwinkeln wahrnahm, richtete sich seine Aufmerksamkeit doch immer noch primär auf den seltsamen Fremden, quittierte Flaccus mit einem kaum merklichen Schulterzucken bei etwas vorgeschobener Unterlippe. Tatsächlich hatte auch er die Anwesenheit des Mannes bisher schlichtweg nicht bemerkt, waren die bewussten Sphären seiner Wahrnehmung doch ausschließlich auf seine Begleitung selbst, und deren geistreiche Worte im Besonderen gerichtet gewesen. Der Mann schien klug genug, das Offensichtliche zu erkennen, und doch spiegelte sich Verwunderung im Blick des Flaviers wieder, anzeigend, dass der Mann mit seiner letztlich doch ins Blaue hinein gestellten Vermutung, das Pärchen käme geradewegs von den Gladiatorenspielen, voll ins Schwarze getroffen hatte. Ebenso wie Flora musterte auch Flaccus einen kleinen Moment die Umgebung, die sich, mit dem prunkvollen Anwesen im Vordergrund als eine durchaus reizende darbot. Sein fragender Blick, der darauf schließen ließ, dass er der Einladung durchaus nicht abgeneigt war, traf jenen der Aurelia, die ebenso zu denken schien. Die Lokalität war mit Sicherheit keine üble Kaschemme und auch das Verhalten des Aegypters, so er denn einer war, der sich mittlerweile als Cleonymus vorgestellt hatte, entbehrte jedes Anzeichens von Verschlagenheit oder Hinterlist. Dennoch blieb natürlich ein gewisses Risiko, sich ohne Begleitung durch Leibwächter in das Haus eines Unbekannten zu begeben, doch zu sehr genoss der Flavier das Gefühl der unbeschwerten Freiheit in Floras Gesellschaft, als dass solcherlei leise Bedenken seinen verwegenen Drang nach Kurzweil hemmen konnten.


    Stets an Floras Seite, betrat nun also auch Flaccus den geschwungenen Weg aus strahlend weißen Kieseln, die leise unter den Schritten seiner purpurnen calcei knirschten. Eine nahezu betörende Duftkomposition aus zahllosen Blüten umfing sie, als der Weg an plätschernden Brunnen und anmutigen Statuen vorbei geradewegs zur eindrucksvollen porta der domus führten, die schon bei der Annäherung der beiden Patrizier lautlos aufschwang und den Weg ins Atrium des Hauses freigab. Einen Moment lang blieb der Flavier überwältigt von der unbekannten Schönheit der Einrichtung stehen, ehe er der Sklavin, die lautlos aus dem Schatten einer der zahllosen Säulen hervorgetreten war, tiefer ins Innere des Gebäudes folgte. Anregende Musik schwebte durch die Luft, der schmeichelnde Klang einer Flöte schien in entspanntem Dialog mit einer warmen Frauenstimme, die in einer seltsamen Sprache sang. Untermalt wurde dieses musikalische Zwiegespräch vom sanften Klang einer Zither, eine nahezu überirdische Atmosphäre schaffend, die in starkem Kontrast zur erdigen Stimme der Sängerin stand. Der Eindruck, in eine Welt des Lands der aufgehenden Sonne eingetaucht zu sein, verstärkte sich, als sie schließlich in einen freundlichen Raum geführt wurden, um dessen Mitte sich kleine Nischen mit niedrigen Diwanen und zarten Tischchen gruppierten, die zum entspannten Verweilen einluden. Frauen in fremdartiger Kleidung musizierten in der Mitte des Raumes und der schmeichelnde Duft des Ostens lag in der Luft. Nachdem sich Flora etwas scheu gesetzt hatte, ließ auch Flaccus sich zögernd nieder und zwang sich, seinen Blick von den Musikerinnen weg auf die Aurelia zu richten. „Umwerfend.“, stellte er fest, und versuchte zu ergründen, ob das Haus einen ähnlich märchenhaften Eindruck auf seine hübsche Begleitung gemacht hatte.

  • Kaum betrat man dieses Haus, betrat man eine völlig andere Welt. Sie war fremdartig, ungewöhnlich und seltsam. Bisher hatte Flora noch nicht viel von der Welt gesehen, das Landgut ihrer Mutter auf dem sie aufgewachsen war und dann Roma. Immer schon hatte sie mehr sehen wollen und nun bekam sie einen kleinen Eindruck von der Fremdartigkeit der Welt, von einem fernen Land mit seltsamen Traditionen. Staunend hatte Flora sich umgesehen. So vieles unterschied sich von der strikten, beinahe strengen Bauweise der römischen Architekten. Die Bögen und Fenster waren hier fließender, sanfter. Einige Wände waren bedeckt mit Mosaiken, diese stellten aber keine Landschaften da so wie es die Römer bevorzugten, sondern komplexe geometrische Muster. Dazu kam diese betörende Musik, verlockend und sinnlich.
    Flora brauchte einen Augenblick um sich an ihre Umgebung zu gewöhnen, erst Flaccus Stimme riss sie aus der Bewunderung des Hauses. „Das ist als wären wir in einem fremden Land“, staunte sie. „Und das mitten in Rom… ich kenne eigentlich nur Terentum, Roma und Mantua", sinnierte sie nachdenklich. Fasziniert lauschte sie den Klängen der fremdartigen Musik.


    Eine der leichtbekleideten Sklavinnen trat lautlos an sie heran und schenkte ihnen mit einer eleganten Bewegung Wein ein. "Wenn ihr einen Wunsch habt, dann äußert ihn! Ich kann euch fast jeden Wunsch erfüllen." Welche Wünsche sie nicht erfüllen würde, ließ sie offen. Sie lächelte nur geheimnisvoll.

  • Die protzige domus, die von außen einen mit gutem Willen als dekadent zu bezeichnenden Eindruck erweckt hatte, entpuppte sich in ihrem Inneren als ein Kleinod feinsinniger orientalischer Kunst und Architektur. Wiewohl Flaccus selbst niemals zuvor Derartiges tatsächlich zu sehen bekommen hatte, so hatte er doch in Achaia das Gefühl bekommen, ein wenig der Kultur des Ostens sich zu nähern. Dennoch war er von der Fremdartigkeit der Einrichtung fasziniert und überwältigt. Auch die Musik in ihrem bittersüßen Zusammenspiel aus ätherischen Flötenlinien und der kernigen Frauenstimme klang anders als alles, was er bisher zu Gehör bekommen hatte. Voll Neugier und Faszination konnte er das Staunen der Aurelia nur bekräftigen: "Auch ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen ..." In geschmeidigen Bewegungen tanzten die Musikerinnen leicht zu den sanften Klängen der Instrumente und führten ihre Körper durch das flackernde Licht der Öllampen.


    [Blockierte Grafik: http://img339.imageshack.us/img339/9296/lv14.png%20| Anuket


    Lautlos und sacht trat Anuket an die beiden Patrizier heran und füllte ihre Becher in einer eleganten Bewegung mit Wein. Es war ein nemeischer Roter, vollmundig, ohne zu schwer zu sein, mit Nelken gewürzt und ansprechend. Er war nur zart verdünnt und würde die anfänglich noch scheue und zurückhaltende Stimmung der beiden jungen Menschen zweifellos schon bald lockern. Die aegyptische Sklavin hatte ihrem jugendlichen Alter zum Trotz bereits große Erfahrung in der Wahl der angemessenen Getränke und geeigneten Mischverhältnisse. In perlendem Latein, das jedoch den farbigen Akzent der koine kaum zu verbergen vermochte, konnte sie es sich nicht verkneifen, mit einem geheimnisvollen Lächeln ebenso rätselhafte Angebote zu machen.


    Flaccus, durch die sinnliche Fremdartigkeit des Ambientes immer noch abgelenkt, kam kein geeigneter Wunsch in den Sinn, den zu äußern unter Umständen angebracht gewesen wäre, sodass die Sklavin sich nach einer leichten Verbeugung einige Schritte in den Schatten hinter einigen Tüchern zurückzog, von wo sie zweifellos prompt wieder in Erscheinung treten würde, wären ihre Dienste vonnöten. Etwas unbeholfen griff der Flavier nach dem intensiv duftenden Wein, um Flora zuzuprosten. Die römische Tischsitte außer Acht lassend, empfand er sie doch in Anbetracht der Umgebung als etwas seltsam anmutend, lächelte er seiner zauberhaften Begleitung lediglich mit einem kaum merklichen Schulterzucken zu. "Auf die Wunder, die der Abend noch für uns bereithält..."

  • Staunend wie ein kleines Mädchen sah sie sich um, drehte den Kopf mal in die eine, dann in die andere Richtung. Diese fremde Welt zu entdecken war eine Freude, besonders, weil sie nicht allein war und Flaccus ebenso fasziniert war wie sie. So langsam entspannte sie sich und sie ließ sich ein wenig in die weichen Kissen zurück sinken. Die exotischen Klänge und Gerüche verzauberten die Sinne. Es war ein einzigartiges Zusammenspiel von Empfindungen welches die Illusion erweckte, dass sie sich in einem fernöstlichen Reich befanden, als Gäste eines Königs. So jedenfalls stellte sie sich diese weit entfernten Reiche vor, welche sie nur aus Geschichten kannte. Irgendwann würde sie einmal diese Ländern sehen wollen, nur um zu sehen, ob dieser Ort der Realität nach empfunden wurde, oder aber nur einem Märchen nach empfunden worden war.
    Fasziniert folgte sie den geschmeidigen Bewegungen der Musikerinnen und sie stellte sich die Frage ob es wohl zu anstößig wäre, wenn sie sich solche Kleider auch kaufen würde und tragen. Und ob ihr dieser Kleider stehen würden, schließlich waren die Damen sehr Kurvenreich. Nicht das Flora nicht gut ausgestattet war, was die weiblichen Reize anging, aber ihre Hüften waren dann doch nicht drall. Ob der ansprechenden Reize der Damen konnte man doch glatt als römische Frau ein wenig neidisch werden.


    Wie im Traum hob sie ihren Becher und lächelte dann Flaccus zu, als er einen kleinen Trinkspruch von sich gab. Auch sie war noch gespannt darauf, welche Wunder sie in diesem Palast erwarteten. Nach seinen Worten nippte sie am Wein. Fein perlend glitt er die Kehle hinunter, der Geschmack von destillierter Sonne schien auf der Zunge zu explodieren. Der feine Geschmack der Trauben wurde von den Gewürzen noch unterstrichen. Der Wein war leicht, würde ihr wohl aber schnell zu Kopfe steigen. Doch was spielte das für schon für eine Rolle. Der Abend hatte gerade erst begonnen. Wer wusste schon welche Dinge sie noch erwartete.


    Sim-Off:

    entschuldige die verspätete antwort. hab dich nicht vergessen

  • Ganz und gar hatte der orientalische Zauber die beiden jungen Patrizier umfangen, und sog sie gleichsam unaufhörlich tiefer hinab in eine Welt exotischer Empfindungen, anregender Illusionen und fremdartiger Vergnügen. Selbst der Wein trug einen ungewohnten Geschmack, schien auch, soweit das durch die intensiven Gewürze überhaupt zu beurteilen war, kaum verdünnt, war dennoch nicht schwer und schmeckte überaus ansprechend. Etwas vorsichtig zunächst nahm Flaccus einen kleinen Schluck, begeistert von der wahren Geschmacksexplosion, die der Trunk an seinem Gaumen bewirkte, ließ er einen weiteren, beinahe begierlichen, jedenfalls weitaus größeren Schluck folgen. - Nur um sich eingestehen zu müssen, dass dieser Wein zweifellos einer der exquisitesten war, den er je gekostet hatte. "Bei Bacchus ...", murmelte er, immer noch überwältigt von der Köstlichkeit des Tranks. „Wonach schmeckt das bloß? … Ingwer oder Muskat? … nein, es müssen Nelken sein … ja!“, ein weiterer ausgiebiger Schluck schien seine Vermutung zu bestätigen, „Nelken, eindeutig. – Fabelhaft!“ Glückselig strahlend über die Lösung des geschmacklichen Rätsels, nahm der junge Flavier gleich noch einen weiteren Schluck.


    [Blockierte Grafik: http://img847.imageshack.us/img847/7554/cleonymuskleiner.jpg]| Cleonymus


    Gerade, als er jedoch ein Gespräch mit Flora beginnen wollte, trat erneut jemand an die beiden heran, ein Mann, der sich als Cleonymus, der geheimnisvolle Gastgeber des Abends entpuppte, wiewohl er nun in ein schlichtes, bodenlanges Gewand gehüllt war, das jedoch durch filigrane Verzierungen an den Rändern und am Saum einen sehr kostbaren Eindruck machte. „Es freut mich, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid. Ihr werdet es gewiss nicht bereuen, denn…“, ein rätselhafter Ausdruck umspielte seine Züge, „… diese Nacht vermag eine sehr besondere zu werden. Fühlt euch frei in meinem Haus und zögert nicht, all die Wunder zu erkunden, die es für euch bereithält. Anuket habt ihr bereits kennengelernt?“ – Lautlos war die junge Frau aus den Tüchern hervorgetreten, sodass sie nun, bei der Nennung ihres Namens an der Seite des Aegypters stand. „Sie wird euch den ganzen Abend zur Verfügung stehen, und jeden Wunsch erfüllen.“ Erneut ein ebenso seltsames Angebot wie es bereits zuvor aus dem Munde der Sklavin selbst erklungen war und das wohl bewusst so blass formuliert war, um die Phantasie der beiden jungen Menschen in Ganz zu setzen. „Ich werde mich nun verabschieden, denn auch auf mich warten an diesem Abend noch zahlreiche Verpflichtungen … Genießt die Freiheit!“ Eine höfliche Verbeugung und ein zweideutiges Lächeln später, war Cleonymus bereits verschwunden, und ließ die beiden Patrizier mit der jungen Sklavin zurück.


    [Blockierte Grafik: http://img339.imageshack.us/img339/9296/lv14.png]| Anuket


    Diese begann nun in gedämpfter Lautstärke und mit sanfter, warmer Stimme zu sprechen. „Möchtet ihr noch andere Teile des Hauses besuchen? – Es gibt viel zu sehen! Wenn ihr jedoch hier bleiben wollt, so kann euch aber auch hier, an Ort und Stelle, jeden Wunsch erfüllen.“, erklärte sie vielversprechend, und blickte die beiden daraufhin erwartungsvoll an. Flaccus verspürte Lust und Neugier, auch die anderen Wunder des Hauses zu erkunden, wollte aber die Entscheidung ganz Flora überlassen, sodass er sie lediglich mit einem munteren Lächeln anblickte. „Was meinst du?“

  • Es war schwer zu ergründen, welche Gewürze den Gaumen kitzelten. Während Flora den Geschmack des Weines einfach nur über die Zunge rollen ließ, sinnierte ihr Begleiter darüber, womit man den Wein versetzt hatte, dass er einen solchen Geschmack entfaltete. Schließlich fand er die Lösung dieses Rätsel. Flora tat es ihm gleich, nachdem er verkündet hatte dass es Nelken waren, und trank ebenfalls noch einem einen Schluck, um dann seine Vermutung mit einem leichten Nicken zu bestätigen. So leicht der Wein auch war, bereits nach wenigen Schlucken berauschte er die Sinne und ließ diesen Ort noch ein wenig unwirklicher erscheinen. Das Gefühl sie befände sich in einem Traum verstärkte sich. Die Welt wirkte seltsam entrückt und doch hatte sie die Dinge noch nie so klar gesehen.
    Lautlos, ein wenig überraschend und mit diesem seltsamen Lächeln auf den Zügen trat Cleonymus an ihren Tisch. Wieder wurde ihnen dieses seltsame Angebot unterbreitet. Ein Angebot von dem Flora nicht wusste, was sie davon halten sollte. Ihnen wurde jeder Wunsch erfüllt, Wünsche von denen sie nicht einmal wusste, dass sie diese hatte. Der Wein war ein Anfang gewesen und nun auch noch das Angebot dieses Haus näher zu erkunden. Erst jetzt als es ausgesprochen wurde, bemerkte sie, dass sie tatsächlich den Gedanken gehegt hatte dieses Traumreich näher zu erkunden. Heraus zu finden welche Geheimnisse dieser Ort noch barg. „Ich würde gern das Haus ein wenig erkunden“, entschied sie dann für sie Beide. Wer wusste schon, was sie sich entgehen ließen, wenn sie dieses Angebot ausschlugen.


    Anuket zeigte ein zufriedenes Lächeln und deutete wieder eine Federleichte Verbeugung an. „Ich könnte euch den Garten zeigen!“ schlug sie vor. „Oder aber unsere Vogelvoliere? Solche Tiere habt ihr sicherlich noch nicht gesehen. Aus allen Teilen des Imperiums haben sie den Weg zu uns gefunden… und sie sind so bunt“, schwärmte sie. Wohl einer ihrer Lieblingsorte an diesem Ort. Schließlich folgten sie ihr durch dieses märchenhafte Anwesen. Mosaike zierten die Wände, doch stellten sie keine Heldensagen, wie sie oftmals in den Häusern der Römer zu finden waren, dar, sondern bildeten vielschichtige Muster, die sich nicht nur an den Wänden, sondern auch im Boden oder der Decke fortsetzen.
    Man konnte einen Brunnen plätschern lassen und überallem schwebte diese Musik. Ganz leicht zuckte sie zusammen, als etwas kleines Pelziges aus einer Palme auf Anuket fiel. Sie lachte und drehte sich dann zu den beiden Patriziern herum. Ihre weiße Zähne blitzte und ihnen erklärte: „Das ist Chita… ein Äffchen!“ So manche reiche einsame Matrone hielt sich einen Affen, doch wirklich einen gesehen hatte Flora noch nicht. Sie war fasziniert von dem kleinen Gesichtchen, das irgendwie menschlich wirkte. „Oh“, meinte die junge Aurelia entzückt.

  • Flaccus, stets den Drang verspürend, allen Dingen auf den Grund zu gehen, erlag natürlich auch dem Drang, das Geheimnis des fremdartigen Geschmacks des Weines zu lüften und machte einen zufriedenen Eindruck, als er glaubte die Lösung gefunden zu haben. Tatsächlich jedoch mussten noch andere, aus fernen Ländern stammende Dinge, die dem Flavier schlichtweg nicht vertraut sein konnten, dem Wein beigemengt sein, welche dessen berauschende Wirkung verstärkten, zunächst jedoch Sinne der beiden jungen Menschen zu schärfen schienen, sodass sie, wiewohl in einer seltsamen, verklärten, mit exotischen Düften, Klängen und Bildern angereicherten, ganz und gar märchenhaften Welt, doch klar und scharf alle Empfindungen in sich aufzusaugen vermochten. Und so hatten bereits wenige Schlucke des Trankes gereicht und ein tiefes Glücksgefühl hatte sich des Flaviers bemächtigt, füllte seine Glieder und ließ ihn sich unendlich frei fühlen, und begierig nicken, als Flora entschied, dieses unwirkliche Traumreich näher erkunden zu wollen. Lachend ergriff er Floras Hand, ehe er sie etwas übermütig auf die Beine zog, und schließlich mit ihr Anuket folgte, die von den besonderen Orten des Anwesens zu schwärmen begann. Mosaike in komplexen und diffizilen Mustern zierten die Wände, kleine Kohlebecken ließen wohlduftende Rauchschwaden durch die Luft ziehen, als das Grüppchen durch einen peristylartigen Gang zog, in dessen Mitte ein kleiner Garten mit fremdartigen Pflanzen und einem sanft plätschernden Brunnen ein vollkommenes Bild abgab. Als plötzlich ein kleines pelziges Ding aus einer Palme auf die junge Sklavin herabfiel, zuckte Flaccus zunächst etwas erschrocken zurück, ehe Anukets fröhliches Lachen ihn einstimmen ließ in ein herzhaftes Lachen über den eigenen Schreck. Auch er hatte noch nie zuvor ein solches Lebewesen mit eigenen Augen gesehen, wiewohl er natürlich bereits von diesen Tieren gehört hatte, die mitunter geradezu menschlich sich verhielten, sodass er interessiert und mit einem breiten Grinsen das Tierchen musterte, das sich auf der Schulter der anmutigen Sklavin breit gemacht hatte. Als Flaccus es etwas genauer betrachtete, legte das Äffchen jedoch den Kopf schief, als ob es den Fremdling in ebenso intensiver Weise mustern müsste, bis sie offenbar die Freude daran verlor, dem jungen Patrizier kurzerhand ihre kleine Zunge entgegenstreckte und dann mit einem beherzten Sprung wieder in jener Palme verschwand, woher sie vor wenigen Augenblicken so unvermutet zum Vorschein gekommen war. Diese Dreistigkeit des Tierchens ließ Flaccus abermals lachen, ehe er sich lächelnd Flora zuwandte: "Hast du das gesehen? Sie hat uns angeblickt wie ein Mensch!" Anuket lächelte über das beinahe kindliche Entücken der beiden jungen Patrizier, ehe sie mit einer kleinen Geste zum Weitergehen einlud: "Kommt, ihr müsst unbedingt den Garten sehen, es ist nur noch ein kleines Stück." Arm in Arm folgten sie der jungen Frau noch einige Gänge und Ecken weiter, ehe sie schließich zu einer breiten Tür gelangten und sich vor ihnen ein Weg aus weißen Kieseln ausbreitete und der Garten sich auftat.

  • Ganz leicht erwiderte sie den Druck seiner Hände, als er ihr schwungvoll und übermütig auf die Beine half um sich anschließend ein wenig tiefer in diesem lebendigen Traum zu verlieren. Kurz trafen sich ihre Blicke und ihr fiel zum ersten Mal auf, dass er braune Augen hatte. Bisher hatte sie darauf nicht geachtet. Warum es ihr gerade jetzt auffiel, konnte sie nicht sagen und sie sollte auch nicht die Gelegenheit bekommen sich damit auseinander zu setzen. Stattdessen folgten sie Anuket.
    Mit kindlicher Freude beobachtete sie wie das Äffchen ihnen die Zunge heraus streckte. Es war ein ziemlich freches Wesen, welches ihr ein frohes Lachen entlockte. „Es ist frech… ich glaub es mag uns“, lachte Flora. Ihre grünen Augen suchten nach dem Geschöpf, welches nun wieder zwischen den Blättern der Palme verschwunden war. Gern hätte sie das Tier gestreichelt. Vielleicht sollte sie sich so ein Geschöpf als Haustier anschaffen. Es war nicht nur putzig, sondern schien auch ein wenig Spaß zu versprechen. Und es sah so menschlich aus. Dieses kleine Gesichtchen war einfach nur niedlich anzusehen. Leider konnte sie keinen weiteren Blick erhaschen, Chita hielt sich zwischen den Blättern versteckt. Zumal Anuekt sie weiter durch das Haus führen wollte. Es galt die Geheimnisse des Gartens zu ergründen.


    Es ging von den Säulen gesäumten Gang auf einen geschwungenen Torbogen zu. Die Nacht war hereingebrochen und mehr als nur das flackernde Licht von Fackeln konnte man zunächst nicht erkennen. Erst als sie hindurch schritten öffnete sich ihnen der Garten. Eine Magnolie ließ ihre Äste tief auf den Weg hängen. Deren purpurfarbene Blüten leuchteten scheinbar in der nächtlichen Dunkelheit. Jasmin, Rosen, Lavendel, Flieder und Minze verströmten einen leichten Duft und mischten sich unter den leichten Wind.
    Ganz leicht streckte sie sich nach einer Magnolienblüte, welche sie sich dann ins Haar steckte.

  • Wenngleich wieder in die Palme entschwunden, so glaubte Flaccus doch, beim Fortschreiten durch das peristylium ab und an einen flinken Schatten zu erblicken oder ein verdächtiges Rascheln in den Blättern zu vernehmen, untrügerische Anzeichen, dass das freche Äffchen die illustre Gruppe wohl noch nicht gänzlich aus den Augen zu lassen im Sinn hatte. Und doch hatte er das pelzige Ding mit einem Schlag schlichtweg vergessen, als sich plötzlich der abendliche Garten auftat und in seiner angenehmen Schönheit dem erstaunten flavischen Blick darbot. Entlang des weißen Kieselweges und an verschiedenen Plätzen im Garten, flackerten stille Fackeln, deren vereinzelte Lichttropfen in der Dunkelheit Glühwürmchen gleich den Weg zu den besonders angenehmen Plätzchen dieses Paradieses zu weisen schienen. Entferntes Gelächter ließ auf andere gutgelaunte Nachtschwärmer schließen, die sich im Garten herumtrieben, selbst die im Haus allgegenwärtige sanfte Musik war auch hier noch zu vernehmen, die entspannte Stimmung zart untermalend. Als Flora sich eine überaus exotisch anmutende Blüte, von welcher Flaccus mit Gewissheit glaubte, sie noch niemals zuvor in seinem jungen Leben zu Gesicht bekommen gehabt zu haben, ins Haar steckte, schenkte er ihr ein zartes Lächeln, sagte jedoch nichts weiter. Sagte zwar nichts, konnte in seiner durch den fremdartigen Wein exaltierten Stimmung jedoch sich der anmutigen jugendlichen Schönheit nicht verschließen.



    Weiter führte sie die Sklavin, welche mit ihrer fremd anmutenden Schönheit gewiss selbst schon manchen Römer in hoffnungslose Verliebtheit gestürzt hatte, durch den Garten, federleichten Schrittes und grazil in all ihren Bewegungen. Geschwungen war der Pfad, den die drei entlang spazierten, eine kleine Brücke führte gar über ein Bächlein, das munter durch den nächtlichen Garten plätscherte und in seinem pechschwarzen Fluss den großen Ball des Mondes verschwommen widerspiegelte. Einige Ecken später fanden sich die beiden jungen Patrizier schließlich scheinbar auf einer kleinen Lichtung des Gartens wieder, die in zu einer bescheidenen Grotte zu führen schien, woher ein warmer Lichtschein das Plätzchen erhellte und in der sich, erst beim Nähertreten kam dieses Wunder zum Vorschein, ein Becken befand, welches, von den in der kleinen Höhle befindlichen Fackeln und Lämpchen erhellt, in einem anregenden Türkis mit völlig ruhiger Oberfläche dem staunenden Auge des Flaviers darbot. Dieses Wunder, ob von kunstfertiger Menschenhand oder der allgewaltigen und höchst erfinderischen Natur selbst geschaffen, vielleicht auch gar das Werk eines Gottes, war jedenfalls gewiss einmalig in seiner Einzigartigkeit und Schönheit. Am Rande des Beckens befanden sich strahlend weiße Tücher, sorgsam zusammengefaltet, zwei gefüllte Becher sowie eine Schale mit verschiedenstem Obst und eine Lyra, die Flaccus mit einem Anflug von Strahlen auf seinen feingeschwungenen Zügen erblickte. Als er sich jedoch umwenden, und Anuket die umwerfende Schönheit dieses Platzes bestätigen wollte, war die junge Sklavin mit einem Male verschwunden und lediglich Floras zarte Züge ließen sich in der Dunkelheit ausmachen. Flaccus lächelte geheimnisvoll und das Blitzen seiner dunklen Augen trug einen schelmischen Zug.

  • Immer tiefer ging es in den Garten hinein, vorbei an Stauden, Bäumen, Blumen und plätscherndem Wasser. Immer tief in diesen Traum hinein, zu einem Ort den man wahrlich als Verwunschen bezeichnen konnte. Eine Grotte, mit einem Wasserbecken, beleuchtet on Fackeln und Öllampen. Ein geheimer Ort. Vorsichtig kniete sie sich am Rande des Beckens nieder und streckte eine Hand in das klare Wasser. Flora hatte sich vergewissern wollen, dass sie nicht träumte, dass dies alles wahr war. Das Wasser war wohltemperiert, weder zu kalt noch zu warm, sondern genau richtig.
    Als sie sich zu Falccus umwandte, war Anuket verschwunden. Völlig lautlos hatte sie die beiden jungen Menschen allein gelassen. Verwundert sah sie sich um und lachte dann. „Das ist Zauberei… es gab da einmal einen Geschichtenerzähler der nach Terentum gekommen ist. Er hat uns von einem Wesen erzählt, dass einem drei Wünsche erfüllt, wenn man es aus seinem Gefängnis befreit. Es kommt mir so vor, als sei Anuket solch ein Wesen… Ich weiß nur nicht mehr wie er das Geschöpf genannt hat. Er hat es mit einem Lar verglichen…“, nachdenklich runzelte sie die Stirn, als sie versuchte sich daran zu erinnern wie der Erzähler diese Wesen bezeichnet hatte. Die Bezeichnung hatte zumindest in Kinderohren seltsam geklungen, von daher konnte sie sich noch gut an diese Geschichte erinnern. Ein wenig benebelte der Wein nun doch die Sinne. Jedenfalls fiel es ihr schwer auf die Bezeichnung zu kommen.
    „Lampengeist?!?!“ fiel es ihr dann doch wieder ein. Strahlend lächelte sie ihn an. „Dieser Ort wirkt so verwunschen...“, meinte sie dann etwas leiser, fast andächtig. Flora drehte sich einmal langsam um die eigene Achse. Auf diese Weise versuchte sie den Zauber dieses Ortes in sich aufzunehmen. Es war ein kleines Paradies und die Probleme der Welt, Roms laute Straßen und die eigenen Sorgen waren an diesem Ort banal und vergessen. Wer wollte schon etwas von Politik, arrangierten Ehen und dem Tod wissen, wenn man sich in einem Traum wähnte.
    Ihr Blick fiel auf die Lyra. Ein wundervolles Instrument, aber spielen konnte sie es leider nicht. Ihre Mutter hatte nicht viel davon gehalten, ihren Töchtern Singen oder Tanzen oder das spielen eines Instrumentes beizubringen. Ihre Mutter war der Meinung, dass dies Aufgabe von Sklaven sei, die Herrschaften zu amüsieren und nicht von Töchtern aus gutem Hause. In diesem Augenblick wünschte sie sich, sie könnte spielen.

  • Geheimnisvoll und märchenhaft schien der Ort, an den die ägyptische Sklavin die beiden jungen Menschen geführt hatte. Anuket war verschwunden, hatte sie sich selbst und dem seltsamen Zauber des Abends überlassen. Seine dunklen Augen folgten Flora, als sie sich vorsichtig an den Rand des Beckens kniete und verloren sich schließlich in den sanften Linien, mit denen das rote Seidenkleid die Konturen ihres jugendlichen Körpers nachzeichnete. Als sie ihre Hand in das stille Wasser tauchte rutschten die güldenen Armreifen hinab bis zu ihrem schlanken Handgelenk und tauchten ebenfalls leicht in das erquickende Nass. Kleine Kreise bildeten sich auf der zuvor so ruhigen Oberfläche und dehnten sich, stetig wachsend, bis an die Ränder des Beckens aus. Als sie sich zu Flaccus umwandte bemerkte auch Flora das Verschwinden der jungen Sklavin und ließ ein glockenhelles Lachen erklingen. Dann erzählte sie offenbar eine Geschichte aus ihrer Kindheit und der junge Flavius folgte ihren Worten aufmerksam, während er einige Schritte aus der dämmrigen Lichtung heraus auf sie und das erhellte Becken zutrat. "Ein Lar?", wiederholte er interessiert, als Flora, sichtlich in der Anstrengung, jenen fernen Tag erneut ins Gedächtnis sich zu rufen, nachdenklich die Stirn runzelte. Nach einem kleinen Moment schien sie jedoch jenen seltsamen Begriff aus den Tiefen ihrer Erinnerung ans Tageslicht gefördert zu haben, denn strahlend verkündete sie den Namen, mit welchem der Geschichtenerzähler das gefangene Zauberwesen einst bezeichnet hatte. Verwundert über das seltsame Wort lächelte Flaccus vergnügt und blickte sich nochmals um, als Flora mit etwas gesenkter Stimme fortfuhr und ein wohliger Schauer ihn bei ihren Worten erzittern ließ. Denn tatsächlich wirkte der Ort verwunschen und gewiss barg er die verborgene Wohnstatt eines Quellgeistes oder wenigstens einiger Nymphen, die die beiden jungen Eindringlinge in ihr geheimnisvolles Reich vermutlich im selben Moment scheu und wohlverborgen beobachteten.


    Als Flora sich einmal um sich selbst drehte, trat Flaccus lächelnd einen Schritt zurück, um ihren geschmeidigen Bewegungen genügend Raum zu geben. Wieder umschmiegte das seiderne Kleid sanft ihre anmutige Gestalt und er glaubte sich kaum sattsehen zu können an der Schönheit ihres Wesens. Gewiss hatte der fremdartige Trank seinen Geist gelockert und der geheimnisvolle Zauber des Ortes tat sein Übriges, den jungen Mann alle Pflichten und Zwänge, die sein Stand und seine Stellung in der Gesellschaft ihm auferlegen mochten, schlichtweg vergessen zu lassen. Nur mit Gewalt vermochte er den verzehrenden Blick seiner dunklen Augen abzuwenden und einen Schritt auf die Lyra hin zu wagen, die, einladend an die aufragende Felswand der Grotte gelehnt, nun seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Vorsichtig ging er in die Knie vor dem kostbaren Instrument, ergriff es behutsam, seine Form und Gestalt mit den schlanken Fingern erkundend, die Gesamtheit der Erscheinung mit allen Sinnen erfassend, es sorgsam in den Händen wiegend und liebevoll die zarten Rundungen des Körpers erkundend. Mit dem Rücken gegen die Felswand gelehnt, ließ er sich nieder, winkelte ein Bein an und griff zum ersten Mal sanft in die Saiten der Lyra. Keine Melodie erklang, nur einzelne Töne, scheinbar ohne direkten Bezug zueinander, als er den Klang des Instruments zu erkunden, die Stimmung zu erfassen suchte. Einige Augenblicke währte dieses Ritual des "sich-vertraut-machens" des Künstlers mit dem Instrument, ehe er Flora mit einem aufmunternden Lächeln zunickte, und sie mit einer kleinen Geste einlud, sich an seiner Seite niederzulassen.

  • Ein leises Säuseln des Windes in den Blättern, das Plätschern des Bachlaufes, nichts deutete darauf hin, das Sagengestalten sie beobachteten. Die Welt schien auf diesen träumerischen Ort zusammengeschrumpft zu sein. Es gab nur die beiden jungen Menschen.
    Ob sie nun von Nymphen und Quellgeistern, Lampengeistern und anderen verwunschenen Wesen umgeben waren, würden sie wohl nur dann erfahren, wenn ein solches Geschöpf sich aus seinem Versteck wagen würde um sich ihnen zu offenbaren.
    Doch da sie sich nicht an den unsichtbaren Gestalten fest halten wollte, wandte sie sich Flaccus zu. In seinen Augen lag ein verzückter Ausdruck und stille Freude. Zärtlich, als würde ein Liebhaber seine Geliebte umfangen, griff er nach der Lyra. En tiefes Verlangen flackerte in ihr auf. Die Sehnsucht danach, dass er sie so in eine Arme zog und ebenso begehrlich ansah. Der Wunsch nach Nähe flammte in ihr auf. Dieser Wunsch schien schon länger in ihr gewachsen zu sein, erst jetzt bemerkte sie diese Begierde. Ein heißes stetiges Flämmchen, welches stetig wuchs. Eine leichte Gänsehaut bildete sich auf ihren Armen, als seine Finger zart über den Korpus der Lyra glitten. Es war, als würde er über ihre Haut streichen. Kurz strich sie sich über die Arme um diesen Gefühl abzuschütteln. Bestimmt bildete sie sich das nur ein und übertrug ihre eigenen begehrlichen Gefühle auf ihn. Ganz leicht kniff sie sich in den Oberarm, dorthin wo der dünne Stoff ihre Haut bedeckte. Auf diese Weise versuchte sie dieses Gefühl der Leidenschaft abzuschütteln. Doch es blieb, lauerte nah an der Oberfläche und wartete wohl auf ein winziges Zeichen. Etwas das ihr bestätigte, dass sie nicht allein so empfand… Leise Töne entlockte er dem Instrument. Musikalische Tropfen, vereinzelt, klar umrissen und von solcher Schönheit, dass sie ihr beinahe die Tränen in die Augen trieb. Eilig blinzelte sie, konnte nicht verstehen, wie einzelne Klänge sie so sehr berühren konnten. Was würde erst sein, wenn er der Lyra eine Melodie entlockte?
    Ein leichtes Nicken, ein geheimnisvolles Lächeln bedeutete ihr, dass sie zu ihm kommen sollte. Mit leichten Schritten überwand sie die kleine Entfernung und lehnte sich neben ihn an die Felswand. Ganz dicht setzte sie sich neben ihn, lehnte ihren Kopf in einer vertrauten Geste an seine Schulter. Es erschien ihr Richtig seine Nähe zu suchen. Niemand würde sich an diesem Ort daran stören.

  • Es war ein magischer Ort, an den das Schicksal die beiden jungen Menschen in dieser Nacht geführt hatte, ein Platz von so stiller Schönheit und Perfektion, dass man schon den Eindruck bekommen konnte, hier stünde die Zeit still, vielmehr noch, hier existiere gar nichts der Zeit vergleichbares. Die leisen Stimmen weiterer Gäste, die sich in anderen Teilen der nächtlichen Gärten herumtrieben, waren schon bisher nur leise und gedämpft an diese stille Szenerie heran geschwebt, entfernten sich jedoch nunmehr immer weiter von dem geheimen Ort und ebbten schließlich gänzlich ab in den sanften Geräuschen der Umgebung, dem Rascheln des Windes in den Blättern, dem leisen Plätschern des Wassers. Dieser traumgleiche Ort schien nun einen eigenen kleinen Kosmos zu bilden, das Fest in der morgenländischen domus und die Spiele des vergangenen Tages rückten in unendliche Ferne, die ganze Stadt, die sie doch noch umgeben musste, schien mit einem Mal kaum mehr real. Dieser Ort und der zauberhafte, von unfassbarer Schönheit geprägte Moment, hatten gleichsam eine neue Wirklichkeit geboren, welche zwar noch klein, doch von unschuldiger, reiner Vollkommenheit nicht weniger als die Wahrheit an sich darzustellen schien. Musste nicht nun alles andere als Traum gelten, als Erfindung von zweifelhafter Wirklichkeit, die Stadt, das Leben, wenn dieser Ort im Moment die einzige Wahrheit darstellen konnte. Gleichsam Inbegriff der platonischen Idee des Guten, Wahren und Schönen musste sich verwirklichen in diesem Augenblick, der von solcher Vollkommenheit gezeichnet schien.


    Flora folgte der einladenden Geste und dem geheimnisvollen Lächeln des jungen Flavius und ließ sich eng an dessen Seite nieder. Durch den zarten Stoff des seidenen Kleides und das dagegen so grobe Leinen seiner eigenen Tunika, fühlte er ihren Körper dicht an seinem. Noch nie zuvor waren sich die beiden jungen Menschen so nah gewesen, wie in diesem sonderbaren Moment, da Flora ihren Kopf vertraut an seine Schulter lehnte. Flaccus ließ es geschehen, während seine schlanken Finger sanft die Saiten des Instrumentes entlang strichen, das immer noch in seinem Schoß ruhte. Auch er ließ seinen Kopf ein klein wenig in ihre Richtung herabsinken, und kostete den köstlichen Duft ihres honigfarbenen Haares. Dann schließlich begann er, die Saiten der Lyra zum Klingen zu bringen, und sanft schälten sich erste leise Töne aus der Stille, die langsam wuchsen, sich zusammenfügten in ein wohlklingendes Geflecht, eine Melodie sich erheben ließen, gleich dem morgenländischen Phönix aus der Asche. Angenehm umschmeichelten die Töne das Ohr des Zuhörers, nahmen zuweilen lustige, zuweilen auch ernstere Natur an, gaben sich mitunter gar den Anschein der Melancholie, nur um schon bald wieder in einer kunstvollen Wendung in zarte Freude sich aufzulösen, sanken aber nie ab in die Belanglosigkeit bloßer Floskeln, sondern blieben stets fesselnd und berührend. Nach einer Weile wurden die Töne wieder leiser, bis sie schließlich zart sich auflösten und in der Stille erstarben, aus der sie zuvor sanft herausgetreten waren. Nun waren es wieder die Stimmen und Klänge der Natur in diesem kleinen Kosmos der Vollkommenheit, die sich erhoben und den Moment in ihrer sanften Weise untermalten. Einige Augenblicke nachdem der letzte Ton verklungen war, hatte Flaccus die Lyra an seiner Seite ins Gras sinken lassen. Der Zauber der Musik schwebte noch über dem Geschehen, als er seinen rechten Arm, der nunmehr frei war von der zarten Bürde des Instruments, langsam hinter Floras Kopf vorbeiführte, um seine Hand schließlich auf ihrer rechten Schulter ruhen zu lassen, und sie so sanft zu umfangen. Noch dichter spürte er nun ihre Seite an der seinen, den Gang ihres Atems und ihren Kopf an seiner Schulter. „Ich hoffe, die Musik hat dir gefallen…“, flüsterte er ihr ins Ohr, schien doch jedes laute Wort den heiligen Nachklang der Stille in barbarischer Weise zu verletzen.

  • Eine seltsame Vertrautheit schien sie miteinander zu verbinden. Keine Spur mehr von Zurückhaltung oder falscher scheu. Da war nur eine entspannte Zweisamkeit. Friede, Ruhe und Stille, nur untermalt von den zarten Geräuschen ihrer Umgebung. In das Plätschern des Wassers, des säuselnden Windes und dem Rauschen der Blätter mischten sich dann die zarten Klänge der Lyra. Mit offenen Augen schien sie zu träumen. Sie stellte sich vor, wie sich Nymphen und Quellgeister aus ihrem Versteck wagten und zu seiner Melodie begannen ausgelassen zu tanzen. In fröhlichen Pirouetten wirbelten sie herum. Ein munterer Reigen untermalt von dem fröhlichen Lachen dieser Geschöpfe. Mal schnell, mal langsam wirbelten sie um sie herum. Erst als die Musik langsam verklang, versteckten sich die Geschöpfe wieder und der Traum war vorbei. Nicht abrupt, sondern sanft. Ein allmähliches Erwachen aus einem Traum in einem Traum. Denn noch immer saßen sie in dieser geheimnisvollen Grotte, vom Rest der Welt getrennt.


    „Es war wunderschön“, hauchte sie ebenso leise zurück. Ihre Stimme klang ein wenig belegt, aber vor allem ihr Gesichtsausdruck drückte aus, wie wundervoll sie es fand, dass er für sie gespielt hatte. Ganz leicht hob sie den Blick. Wie nah sie einander doch waren. Nur eine Handbreit entfernt schwebten ihre Gesichter übereinander, während sie einander tief in die Augen blickten. Zaghaft hob sie ihre Hand und legte sie auf seine Wange. Ganz leicht strich ihr Daumen dabei über seine Haut. Könnte dieser Abend doch ewig währen. Ein Leben im Paradies ohne Kummer und Nöte. Auf ewig jung, verzaubert und den Sorgen der Welt enthoben.
    Es war eine unbewusste Geste, als sie ihren Kopf ganz leicht hob, unerwartet, aber nicht unwillkommen trafen sich ihre Lippen und vereinigten sich zu einem zärtlichen Kuss.

  • Irgendwo in den kleinen Smaragden ihrer Augen verlor sich sein Blick, als Floras Hand den Weg zu seiner Wange fand. Sanft berührten ihre Finger seine Haut, und ließen sich bei dieser zaghaften Erkundung nicht durch die ersten, stoppeligen Anzeichen des Barts aufhalten, der bereits damit begonnen hatte, die Wangen des Flavius erneut in Besitz zu nehmen. Nur leicht neigte er seinen Kopf, als Flora sich ihm zuwandte und kostete zum ersten Mal ihre Lippen. Für den kurzen Moment des Kusses füllte sich die Brust des jungen Flaviers bis zum Bersten mit Lebensmut und das köstliche Gefühl der Unsterblichkeit brachte sein Empfinden zum Glühen. Als er seine Lippen sanft zurückzog, suchte er im funkelnden Grün von Floras Augen nach einem Zeichen, nicht ihres Einverständnisses, sondern ihres eigenen Verlangens, ihres Begehrens, welches in seinem eigenen dunklen Blick aufflammte. "Du bist wunderschön.", raunte er ihr sanft zu, während er nun auch selbst damit begann, mit seiner Hand ihr vollkommenes Antlitz in Besitz zu nehmen, und abermals ihre Lippen suchte, leidenschaftlicher, fordernder als zuvor. Sein Kopf war frei, sein Empfinden klar und rein, und für diesen einen Abend im Schattenreich zwischen Traum und Wirklichkeit, an der Grenze von Märchen und Realität, für diesen einen, wahren und unsterblichen Moment in der Ewigkeit des Zeitstroms, war er nur ein junger Mann, der tat, was wahrhaft richtig war. Sein Empfinden war so rein, sein Verlangen so klar, seine Leidenschaft so wahr, dass nichts Falsches daran liegen konnte, nichts Unehrenhaftes und nichts Schlechtes.

  • Sie konnte den Wein auf seinen Lippen schmecken. Es schmeckte nach süßen Trauben, Nelken und Honig. Ein heißer Schauer durchlief ihren ganzen Körper. Ob es falsch war, was sie hier tat, diese Frage stellte sich ihr erst gar nicht. Flora wollte nur diesen Augenblick auskosten.
    Ganz leicht lösten sie sich voneinander. Ein wenig war sie atemlos. In ihren Augen spiegelte sich das Verlangen wieder, welches in ihrem Körper aufloderte. Es war eine Einladung und Aufforderung zugleich. Sein Kompliment entlockte ihr ein kleines verführerisches Lächeln. Der nächste Kuss war leidenschaftlicher und intensiver. Das Herz schlug wild in ihrer Brust, einem gefangenem Vogel gleich, dem der Käfig der ihre Brust war zu klein geworden ist und sich befreien suchte.
    Neugierig gingen ihre Finger auf Wanderschaft. Mit geschlossenen Augen zeichnete sie sein Gesicht nach. Über die stoppelige Wange, den Hals hinab, dann blieb ihre Hand auf seiner Brust ruhen. Den Schlag seines Herzens konnte sie deutlich durch den Stoff seiner Kleider spüren. Ganz leicht presste sie ihren Körper gegen seinen. Nur der Stoff ihrer Kleider war zwischen ihnen. Sie konnte die Wärme seines Körpers deutlich spüren. Der Kuss wurde forscher, als vorwitzig ihre Zunge zu einem verlockenden Spiel aufforderte.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!