Bewerbung des Faustus Domitius Massula für den Ordo Decurionum

  • Aulus Patulcius Merula
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    "...als erster Punkt auf der Ordnung dieser Sitzung stehen wie üblich die Bewerbungen für einen Sitz im Ordo Decurionum. Wir entsinnen uns des Todes der Mitdecuriones Calvisius Liro und Roscius Fimbria, zudem haben Septimius Classus, Atinius Avianus und Matius Limetanus entschieden aus diesem Gremium zu scheiden.", begann der ältere der beiden Duumvirn dieses Mal die Sitzung, und deutete in Richtung der Stühle, die für die Kandidaten aufgestellt worden waren.


    "Als erstes bitte ich Faustus Domitius Massula vorzutreten und für seine Sache zu sprechen. Domitius, bitte."


  • Zitat

    Merula: "Als erstes bitte ich Faustus Domitius Massula vorzutreten und für seine Sache zu sprechen. Domitius, bitte."


    Die Curia hatte gerufen und ich war gekommen. Ich hatte mich im Hintergrund neben einer Tür aufgestellt und wartete darauf, dass meine Sache aufgerufen wurde. Ich hatte mir selbstverständlich vorher genauestens ausgedacht, was ich hier sagen wollte, aber als man mich gleich zu Beginn der Sitzung aufforderte zu sprechen, war alles wie weggeblasen.


    Ich ging in die Mitte. "Werte Decuriones, ich danke euch, dass ich in diesem Kreis das Wort ergreifen darf. Man sagt, es sei unhöflich, nur von sich selbst zu sprechen. Aber da ich mich mich darum beworben habe, in den Ordo Decurionum der Civitas Mogontiacum aufgenommen zu werden, muss ich wohl genau das tun".


    Ich versuchte nochmal, mich an das zu erinnern, was ich mir vorher zusammengereimt hatte, aber ich war richtig vernagelt. Also ab durch die Mitte.


    "Diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich kein mogontinisches Urgestein bin. Ich bin Germane, wiewohl mit gallischen Einsprengseln, bin bei den Sugambrern im Limesvorland aufgewachsen. Die via romana war mir deshalb nicht fremd. Ich wusste bald, dass ich mit meinen erworbenen Kenntnissen nur im Imperium Romanum etwas anfangen konnte: Schreiben und Lesen, Ausbildung und Praxis als Zimmermann und Lehre bei einem Baumeister. Dies brachte mich über einen kleinen Umweg nach Mogontiacum".


    "Das Leben spielt meist eine andere Musik als die welche man sich gewünscht hat. Und so habe ich in Mogontiacum kein Beil und kein Senkblei mehr in der Hand gehabt, sondern den Schreibgriffel. Fünf Jahre habe ich als Pergrinus die Stelle des Scriba Provincialis innegehabt, ich hoffe zur Zufriedenheit des Imperiums. In dieser Zeit habe ich darüber hinaus geduldig drei Betriebe, eine Tongrube, eine Obstplantage und eine Imkerei eröffnet und - hm, ja - zu einer gewissen Blüte gebracht und bin in das ortsansässige Handelskonsortium Freya Mercurioque eingetreten. Als die neue Lex Civitatis in Kraft getreten war, die auch den Peregrini den Weg in den Ordo Decurionum eröffnete, beschloss ich, dies als erster Peregrinus zu versuchen. Derweil hatte ich mir auch eine pekuniäre Grundlage geschaffen, die solches erlaubte. Hinzu kam, dass ich zu der Zeit das Amt des Magister Officiorum übernehmen konnte".


    Mit einem Lächeln fuhr ich fort: "Nun, der Plan, als erster Peregrinus in die Curia aufgenommen zu werden, misslang gründlich. Denn mein Dienstherr war zu der Überzeugung gelangt, dass er mich als Magister Officiorum behalten wollte, weshalb er mir das römische Bürgerrecht verlieh. Das war nötig, weil das Amt des Magister Officiorum im Zuge der Provinzreform abgeschafft wurde und durch das eines Princeps Praetorii ersetzt wurde, welches nur von römischen Bürgern ausgeübt werden darf. Und so wurde mein Plan vom römischen Bürgerrecht einfach überholt".


    Um zu sehen, ob noch alle zuhörten, blickte ich in die ganze Runde. Ich hatte auch das Gefühl, dass ich zum Ende kommen musste. "Ich hoffe, es erscheint euch nicht unbescheiden, wenn ich noch erwähne, dass ich ein Studium der Architektur mit einem Diploma abgeschlossen habe und ein zweites Diploma vom Legatus Augusti für meine Arbeit in der Regia verliehen bekam. Jetzt aber genug der Ehren, werte Decuriones, ich sollte noch etwas zu Mogontiacum und mir sagen. All die Jahre in dieser Stadt haben mich an Mogontiacum gebunden. Die Zeit als Peregrinus hat mich geprägt und ich möchte sie nicht missen. Die Stadt hat mir Obhut gegeben und ich möchte hier im Ordo Decurionum dafür sorgen, dass sie auch künftig Menschen jedweder Herkunft diese Obhut gewähren kann".


    Jetzt hatte ich mich ins Reden geredet und musste das wohl oder übel abwürgen. "Soweit zu mir. Jetzt bitte ich euch, zu entscheiden".

  • Wie immer saß Crispus mit verschränkten Armen auf seinem Platz und verfolgte die Sitzung. Wieder einmal kam jemand, der Aufnahme erbat und wieder einmal war es kein Veteran oder römischer Händler, sondern ein Germane - aber immerhin einer, der scheinbar bereit war, die römische Kultur anzunehmen und der tüchtig dazu war. Zwar erschien es dem alten Petronier ein wenig ungerecht, dass dieser Bursche das Bürgerrecht einfach so bekommen hatte, während andere zwanzig Jahre beim Militär dienen mussten oder sich in Unkosten stürzten, aber im Grunde war das ja nicht seine Schuld...


    "Was brachte dich denn genau nach Mogontiacum?"


    fragte er schließlich, um den Mann ein wenig besser kennenzulernen. Dass ein Zimmermann zum Princeps Praetorii mutierte, war ja immerhin erstaunlich...

  • Zitat

    Crispus: "Was brachte dich denn genau nach Mogontiacum?"


    Erstaunt wandte ich mich Petronius Crispus zu: "Ich verstehe deine Frage nicht ganz. In einer ersten Regung würde ich antworten: ein Lastkahn brachte mich hierher. Aber im Ernst, ich nehme an, dass du die Gründe für meine Einwanderung etwas genauer wissen willst. Mein Vater hat mich immer und ewig dazu gedrängt. Er hatte in Remagen bei der Cohors Breucorum gedient. Er hätte auf diesem Weg das römische Bürgerrecht erlangen können, wenn es da nicht einige Widrigkeiten gegeben hätte. Deshalb sagte er mir immer wieder: 'Wenn nicht ich, dann du. Du hast viel gelernt, aber damit kannst du in der Germania Magna kaum was anfangen, aber im Imperium wirst du damit bestens zurecht kommen'. So habe ich mich nach dem Tod meines Vaters nach Confluentes aufgemacht. Dort konnte ich jedoch keine Arbeit finden und so heuerte ich als Tagelöhner auf einem Lastkahn an, der mich nach Mogontiacum brachte. Wie ich vorhin schon sagte, habe ich hier Arbeit gefunden, also blieb ich".


    Ich verschränkte die Arme und wartete auf weitere Fragen.

  • Modestus war an diesem Tag selbst anwesend in der Curia von Mogontiacum, auch wenn er sich noch nicht zu Wort gemeldet hatte. Die Gesetzgebung der Stadt wies ihm automatisch den Status eines Beisitzers zu auch, wenn er selten Gebrauch davon machte. Die Zeiten in denen er in der Kommunalpolitik mitmischte waren lange vorbei. Nichtsdestoweniger war der Status für seinen Klienten eine wichtige Sache. Und so sah er zu den Ducciern herüber, denn mit ihnen gab es eine Vereinbarung. Er hatte zur Sache Massula nichts explizit gesagt, aber seine Anwesenheit war wohl Zeichen genug.

  • Die Antwort war fast ein bisschen frech, aber dann antwortete Massula doch vernünftig. Dass sein Vater das Bürgerrecht trotz Militärdienst nicht bekommen hatte, wies allerdings auf einige Unregelmäßigkeiten hin - hatte er seinen Dienst vielleicht vorzeitig quittiert? War er unehrenhaft entlassen worden? Normalerweise hätte Crispus hier noch ein wenig nachgebohrt, denn solche Menschen waren ihm eigentlich zuwider - doch als er seinen Blick durch den Raum schweifen ließ, sah er Annaeus Modestus, den Legaten. Wenn der hier war, konnte das nur bedeuten, dass die Civitas überhaupt keine Wahl hatte!

  • Zitat

    Crispus: ... sah er Annaeus Modestus, den Legaten. Wenn der hier war, konnte das nur bedeuten, dass die Civitas überhaupt keine Wahl hatte!


    Man sah es Crispus an, dass er noch Fragen hatte, aber er schien sie plötzlich für sich behalten zu wollen. Als ich seinem Blick folgte, bemerkte ich, dass der Legatus Augusti anwesend war. Den hatte ich in meinem Eifer vorhin gar nicht bemerkt. Natürlich gab mir seine Anwesenheit das gute Gefühl einer willkommenen Rückenstärkung, aber andererseits schätzte ich es gar nicht, dass dadurch die eine oder andere wichtige Frage unversehens unter den Tisch zu fallen drohte. Ich wusste nur zu gut, dass solche unter dem Tisch herumlungernden Fragen, die stinksauer sind, weil sie nicht gestellt wurden, meist nach einem längeren oder kürzeren Weilchen wieder genüßlich aufgetischt werden.


    Ich wandte mich an Crispus und schaute ihm auffordernd in die Augen. Würde er den Mut haben, nachzufragen?

  • Witjon hatte die Bewerbung des Domitius bereits erwartet. Irgendwo war sie zwar zwischenzeitlich in den Aktenstapeln untergegangen, aber sein Kollege hatte sich zum Glück doch noch darum gekümmert. Letztendlich hörte Witjon nun auch hier höchst interessiert zu, denn es konnte nie schaden genau zu wissen, mit wem man es denn in Zukunft zu tun bekäme. Petronius stellte eine Nachfrage, die mit einer gewissen Respektlosigkeit beantwortet wurde, aber immerhin weitergehende Informationen lieferte. Und da stutzte Witjon etwas. Zwar zeigte der Statthalter heute besondere Präsenz, aber ein flaues Gefühl hatte er doch bei dem, was Domitius über seinen Vater gesagt hatte. Deshalb erhob er sich nun und hakte dort nach, wo der Petronius Schiss bekommen hatte. "Domitius, welcher Art waren die Widrigkeiten, die deinem Vater das Bürgerrecht verwehrten?"

  • Zitat

    Marsus: "Domitius, welcher Art waren die Widrigkeiten, die deinem Vater das Bürgerrecht verwehrten?"


    Es war etwas still geworden bis Duccius Marsus das Schweigen mit seiner Frage beendete. Ich überlegte an welchem Zipfel ich diese vertrackte Geschichte anpacken sollte und entschied mich, in der Mitte anzufangen: "Diese Widrigkeiten waren zweifach. Zum Einen war es der Bataveraufstand und zum Anderen der Stolz meines Vaters. Der diente bei der Cohors VIII Breucorum in Rigomagus bis die Horden des Civilis das Kastell in Rigomagus zerstörten und die Besatzung niedermetzelten, weil sie sich weigerte, einen Eid auf das Imperium Galliarum zu leisten. Mein Vater überlebte schwerverletzt, und, wie sich herausstellte, als einer von nur zwei Überlebenden. Der andere brachte ihn in Sicherheit über den Rhenus".


    Ich wollte die Geschichte nicht allzubreit auswalzen und fuhr fort: "Als mein Vater nach einigen Monaten, wenn auch noch auf Krücken, wieder gehen konnte, erschien er in Rigomagus, um die letzten fünf Monate seiner Dienstzeit abzuleisten. Inzwischen waren neue römische Mannschaften dabei, die Ruinen aufzuräumen. Der junge Kommandeur jagte ihn jedoch mit der Androhung eines Verfahrens wegen Desertion vom Platz. In der damals herrschenden Nervosität wegen des Aufstands ist das vielleicht verständlich. Mein Vater hätte seine Rechte einklagen können, aber das verbot ihm sein Stolz. Stattdessen schickte er mich, sozusagen zum Trotz - 'ich werd euch zeigen, dass die Massulae immer dorthin kommen, wo sie hin wollen' - ins Imperium".


    Ich lächelte. "Und jetzt habt ihr mich".

  • Die Geschichte dieses Domitius Massula klang tatsächlich ziemlich abenteuerlich. Ein Soldat, der ein Massaker überlebt hatte, der schwerverletzt zurückkehrte, um seinen Dienst zu beenden - Crispus wusste nicht recht, was er von all dem halten sollte. Andererseits konnte er sich nicht vorstellen, dass ein Senator den Sohn eines Deserteurs protegierte. Sicherheitshalber sagte er vorerst nichts.

  • "Danke Domitius, das bringt doch bereits mehr Klarheit," kommentierte Witjon die weiteren Erläuterungen des Bewerbers nüchtern. Die Geschichte, die dieser hier präsentierte, hörte sich ganz schön außergewöhnlich an. Aber gut, er würde das einfach so stehen lassen. Immerhin wollte er es sich nicht mit dem Statthalter verscherzen, nur weil er weiter mit lästigen Fragen nachbohrte. "Sofern also keine weiteren Wortmeldungen mehr gewünscht sind, können wir zur Abstimmung schreiten."

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